Für den Bruchteil eines Augenblickes legte sich Servianus Stirn in Falten. Womit sollte er den Führer überraschen?! Dann war sein Gesichtsausdruck aber sofort wieder freundlich-verbindlich, aber er verstand trotzdem nicht, was sie gemeint hatte. Und so viel getrunken hatte er an diesem Tag auch noch nicht. Also hatte er sich vermutlich verhört. Aber die Blondine tat ihm ja den Gefallen, fröhlich weiter über ihre Pläne und das Wetter zu reden, sodass er sofort wieder einhaken konnte.
„Der Winter ist kälter als in Spanien, vermutlich auch etwas kälter, als man es in Rom gewöhnt ist. Aber das kann ich nur raten. Ich kenne die römischen Winter nicht.“ Tatsächlich konnte es in den südlichen Ausläufern der Alpen auch mal Schnee geben, hatte er gehört, aber er vermutete, dass es da noch eine ganze Weile hin sein würde.
„Ich denke, etwas zu vereinbaren wäre sinnvoll. Vielleicht einen der nächsten Feiertage, sofern uns in Politik nicht dazwischen kommt.“
Politik verwendete er in diesem Zusammenhang für nichts anderes, als einen Euphemismus für den Krieg zu bilden. „Lass mich mal nachdenken.“
Hinter seinen geschlossenen Lippen bis sich Servianus, wie er es gelegentlich tat auf die Zungenspitze, während er sich versuchte zu erinnern, wann der nächste arbeitsfreie Feiertag wäre.
„Ah, die Seuche, ja ich habe viel davon gehört, obwohl es lange vor meiner Zeit hier gewesen war. Und dennoch hat sie zum Teil Auswirkungen bis heute. Zum Beispiel haben wir eine sehr junge Stadtverwaltung, naja verhältnismäßig eben, denn viele der alten hat die pestis erwischt und andere sind geflohen. Zum Teil sind auch ganze Familienzweige ausgestorben, wodurch viel Land an die Stadt fiel, das nun verwaltet und verkauft werden muss. Etwas, was sich durch den Krieg noch weiter verzögert. Wenn ich Glück habe, ja sogar so lange, bis ich es mir selbst leisten kann.“
Er lachte trocken. Es war unwahrscheinlich, dass der Krieg so lange dauerte und gleichzeitig sein Adoptivvater am Leben blieb. Schon jetzt ging er vorsichtiger mit seinem Geld um, als er es sonst tat, fürchtend, dass die Zahlungen zeitweise oder beim Tode des Iulius Licinus gar ganz ausbleiben könnten.
Während er so noch ein wenig weiter darüber sprach, welche Nachwirkungen die pestis noch immer hatte, zeigte sich bei seinem Gegenüber langsam etwas mehr Haut, was Servianus mit wohlwollenden, aber unauffälligen Blicken registrierte, ja ihn erfreute.
„Wieso? Der Stadtpatron ist ja kein Amt im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr ein Titel, mit dem ein Mann sich schmücken kann. Im Gegenzug erwartet die Stadt natürlich seine Unterstützung, sei es finanziell oder als Fürsprache. Und wer könnte uns besser unterstützen, als der Mann, der über die knapp sechstausend Männer direkt vor der Stadt befiehlt. Und sie in Friedenszeiten als kostenlose Arbeitskräfte abstellen kann“, so erklärte er ihr das Wesen des Stadtpatronats und das eine Stadt auch en Abwesenheit ihres patronus durchaus handlungsfähig war. Alles andere wäre wohl auch ein Problem für jene Städte, die keinen Patron hatten oder einen aus der römische Politik, der auch nicht vor Ort sein konnte.
„Die Macht und die Lenkung der Stadtgeschäfte dagegen liegt bei den duumviri und magistraten, sowie dem collegium der decuriones. In Friedens wie in Kriegszeiten. Aber vermutlich hast du Recht und an der ein oder anderen Stelle fließt sicher ein kleiner oder größerer Betrag. Aber wir sind eine kleine Stadt, da würden große Pfuschereien sicherlich schneller auffallen, als in größeren und daher ist das Ausmaß vermutlich geringer als in Rom."
„Auf Mantua“, trank auch Servianus und leckte sich in schelmischer Nachahmung gleichsam die Oberlippe sauber. Anschließend schnalzte er mit der Zunge und meinte „Guter Wein, ich hoffe er schmeckt dir genauso gut, wie mir?“