Beiträge von Gaius Aelius Paetus

    Paetus nahm die Worte von Livianus schweigend und lächelnd hin, auch das er 'Junge' genannt wurde. Das ihn die Stellung seines Vaters und die Achtung, die man ihm allgemein entgegenbrachte, mit Stolz erfüllen sollte, ebenso wie das Ansehen, das sein Name genoss, ach, dass wusste er nur zu genau. Ob der Senator aber wusste, welch Bürde damit verbunden war?


    “Wir hatten bereits das Vergnügen, Decimus Aquila kennen zu lernen.“, sagte er, als dieser von ihrem Gastgeber angekündigt wurde. Und zu seinem Vater: “Du wirst dich sicherlich an ihn erinnern; er kam zusammen mit Senator Duccius Vala in die Casa Germanica. Es war kurz vor der letzten Wahl.“

    Paetus stieg aus der Sänfte und sah zum Hauseingang, wo ein Sklave sie bereits willkommen hieß.


    Das war also der Stammsitz der Decimi – den 'Zehnten' – diesem vielköpfigen Geschlecht, deren Mitglieder man scheinbar ständig und an vielen Orten begegnete und die über viel Einfluss verfügten. Paetus wusste, dass einige von ihnen während der kurzen Herrschaft des Usurpators herausgehobene Positionen inne gehabt hatten und damit Stützen dieses Regimes gewesen waren. Aber er mutmaßte, dass die unverwüstlich wirkende Sippe auch den jüngsten Machtwechsel unbeschadet überstehen würde. Nicht zuletzt gehörten einige Decimer zu den namenhaftesten und wichtigsten Klienten seines Vaters und damit waren sie äußerst wichtige Verbündete.
    Ihr heutiger Gastgeber, Decimus Livianus, ebenfalls einer von Quartos Klienten, hatte bereits eine Amtszeit als Praetor hinter sich und Paetus hatte vernommen, dass er bei den anstehenden Wahlen als Consul kandierte.


    Es blieb keine Zeit, noch weiter darüber zu sinnieren. Man erwartete sie. Also reichte er seinem Vater die Hand, um ihm beim Verlassen der Sänfte zu stützen.

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    “Na, was... ähm... was hast du denn da?“


    Quarto nahm das Schreiben, hielt es weit von sich gestreckt und versuchte mit zusammengekniffenen Augen zu entziffern, von wem es kam.
    Aber kaum begonnen, gab er das Unterfangen auch schon wieder auf: “Ach, diese gekünstelte Schrift und meine schlechten Augen... Gaius, lies du es mir vor, ja?“


    Damit reichte er es an seinen Sohn weiter.


    “Es ist“, eröffnete Paetus seinem Vater, nachdem er das Schreiben rasch gelesen hatte, “eine Einladung zur cena. Von Senator Marcus Decimus Livianus. Er würde sich freuen, wenn du sie in den nächsten Tagen annehmen würdest und es steht dir frei, weitere Gäste mitzubringen.“

    “Aber ist die Schola nicht eine sehr lobenswerte Errungenschaft?“, erlaubte sich Paetus eine überraschte und vielleicht auch etwas unangemessene Bemerkung. Immerhin war er hier vor allem deshalb anwesend, um etwas zu lernen. Nicht aber, um den Höherrangigen belehrend gegenüber zu treten oder sie mit provokanten Fragen zu ärgern.


    “Ich meine, es gibt sie nun auch schon seit ein paar Jahren und ich habe nie gehört, dass man die Einrichtung in Frage gestellt hätte.“, versuchte er noch, seinen Vorstoß in etwas milderem Licht erscheinen zu lassen.

    Paetus trat einen Schritt vor, dann einen zweiten.
    “Ich danke dir, Vater.“, sagte er an diesen gerichtet und dann an die versammelten Mitglieder: “Es ist mir eine große Ehre. Seit ich klein war, ein unwissendes Kind, war mir doch immer eines gewiss: Es ist ein schöner Tag und die Götter lächeln uns zu, wenn im Circus Maximus die Massen zusammenkommen und die schönen Pferde bewundern, mit den rasenden Gespannen fiebern und den geschickten Aurigae zujubeln. Und umso schöner ist er, wenn nicht ein Grüner, ein Weißer, ein Roter, einer in Purpur, oder gar einer in Gelb als Erster die Ziellinie passiert, sondern wenn der Sieger die blauen Farben trägt. Wie hätte ich auch anders empfinden können, als Aelier und als Sohn dieses Mannes?“


    Lächelnd wies er noch einmal auf seinen Vater.


    “Darum ist es mir – wahrhaftig – eine große Ehre und Freude, heute in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ich danke euch. Veneta victrix!“'

    Paetus hörte aufmerksam zu und nickte zustimmend. Es war natürlich gut, die Iulier frühzeitig als Unterstützer zu gewinnen. Aber wieder einmal spürte er auch die Last der Erwartung, die auf seinen Schultern lastete. Für Iulius Dives schien es keine Frage zu sein, wohin ihn sein Weg führen sollte und für seinen Vater ohnehin nicht. Alle nahmen es als Selbstverständlichkeit und dabei schaute Paetus in sein Inneres, unsicher und nicht wissend, ob er dort den Mann fand, der all dem gerecht werden konnte.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Dives
    "Doch müssen wir - und insbesondere unsere Generation - ...", bezog er noch einmal Paetus mit ein, "... unseren Blick wohl oder übel nach vorn, der Zukunft entgegen, richten. Denn Geschehenes kann nur schwerlich ungeschehen gemacht werden. Vielmehr sollten wir den Crassissimus im Sinne der Damnatio Memoriae vergessen und ihm zum letztendlichen Trotz an unserem Weg in den ehrenwerten Senat arbeiten, nicht?", erklärte der Iulier, um damit das triste Thema mit einer gewissen Aufbruchstimmung zu ersetzen. Ganz nebenbei und ebenfalls nicht ohne Hintergedanken erwähnte er dabei indirekt auch seine eigenen Pläne vom Vigintivirat.
    "Ich meine, du strebst doch, wie ich, ebenfalls nach einem Platz in der Curia Iulia, Aelius Paetus?", erkundigte sich Dives sodann und legte den Fokus damit noch einmal auf ebendiesen Punkt.


    Paetus senkte bescheiden den Blick.
    “Nun, ich stehe noch ganz am Anfang. In Rom kennt fast jeder meinen Vater, aber mich, mich kennt niemand. Aber ich bin gewillt, mir einen eigenen Namen zu machen und will mich nicht nur durch meine Herkunft hervortun, sondern auch durch meine Taten überzeugen.“


    War das allzu bescheiden und sittsam gesprochen? Er zögerte einen Moment. Dann gestand er etwas direkter ein:
    “Ja, es ist ein weiter Weg, aber, gewiss, ich möchte den Cursus Honorum beschreiten und eines Tages dem Hohen Haus als Senator angehören.“

    Weitere Versammlungsteilnehmer kamen in den Saal, darunter Senator Germanicus Sedulus, dessen Gruß Paetus erwiderte.
    Er überlegte, welche wichtigen Mitglieder der Factio wohl noch fehlten und kam darauf, dass er Sedulus' Onkel, Senator Germanicus Avarus noch nicht gesehen hatte.
    Paetus sah sich weiter um. Auch Senator Vinicius Hungaricus schien noch nicht eingetroffen zu sein.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Dives
    […] "Und du bist vermutlich sein Sohn, der Sohn des Patrons meiner Verwandten Iulius Centho und Iulius Proximus?", band er spontan auch den sichtlich jüngeren Begleiter des betagten Mannes mit ein. [...]


    “Ja, dass bin ich. Main Name ist Gaius Aelius Paetus.“, antwortete Paetus brav.
    “Und ich werde heute auch ein 'Blauer'.“, fügte er schnell hinzu, vielleicht auch, weil er nicht für selbstverständlich nahm, hier zu sein. So glaubte er, es erklären zu müssen.
    “Obwohl ich zugeben muss, viel weniger als mein Vater vom Wagenrennsport zu verstehen.“
    Wie auch? Wo er doch größtenteils auf dem Landgut des Vaters in der Campania aufgewachsen war, die als Hochburg der Gladiatorenkämpfe bekannt war, wo aber nur wenig Rennen stattfanden.

    Paetus ließ das Ambiente des Hauses nicht unberührt. Man spürte das alte Geld und den Einfluss, der hier über Jahrzehnte zu dunkel angelaufener Gediegenheit geronnen war. Er wusste wohl, dass die Veneta weit mehr war, als nur ein Verein für Wagenrennsport. Sie war darüber hinaus eine Interessenvertretung und eine Sammlung konservativer und machtbewusster Kräfte, die schon lange die Geschicke des Römischen Imperiums mitbestimmten.
    Heute würde er dieser Vereinigung beitreten und so betrat er nicht nur ein Haus, sondern quasi eine neue Welt.
    Das schüchterte ihn ein, umso mehr, als er mit seinem Vater den Versammlungssaal betrat. 'Das Herz' nannte Quarto den großen Raum.

    Zitat

    Original von Lucius Aelius Quarto
    “Gewiss, die Administratio ist immer geschäftig. Wer wüsste das besser als ich?“, meinte Quarto, auf seine eigene Zeit in der Kaiserlichen Verwaltung anspielend.


    “Wir sehen uns wieder, Decimus Varenus – bald, wie ich hoffe.“


    “Vielleicht wäre jetzt ebenfalls eine gute Gelegenheit zu gehen, Vater.“, raunte Paetus dem alten Senator zu, immer besorgt, der könne sich überanstrengen.


    Wenn er sich ansah, wie agil der Alte war, geradezu lebhaft und beredt, es offenkundig genoss, wieder in der Öffentlichkeit zu stehen, wenn er aber zugleich daran dachte, wie schwach, in sich gekehrt und schweigsam er noch vor kurzem war, dann freute sich Paetus zwar darüber, fürchtete jedoch zugleich, dass sein Vater sich zuviel zumutete.


    “Wirklich, du solltest dich etwas ausruhen.“

    Paetus kehrte nach kurzer Zeit mit einer Tabula zurück. Sie hatte zuvor als Einkaufszettel gedient.
    Er strich die Eintragungen aus und dann begannen sie, den Brief zu verfassen. Früher hatte Quarto seine Schreiben häufig selbst verfasst. Aber Paetus wurde wieder einmal bewusst, wie alt er geworden war. Heute diente er ihm nicht nur als Schreiber, sonder auch als Gedankenstütze, wenn der greise Senator mal wieder den Faden verlor.

    Paetus nahm das Schreiben, brach das Siegel und las seinem Vater laut den Inhalt vor:




    G. Flaminius Cilo Consulari L Aelio Quarto s.d.


    Wie dir sicherlich bekannt ist, steht dein Klient M Iulius Proximus unter Verdacht, ein Günstling des Usurpators Vescularius Salinator gewesen zu sein. Dafür spricht seine steile Karriere bis zum Kommandanten der Cohortes Urbanae trotz des Ranges eines Tribunus und das Zögern beim Öffnen der Tore für die Befreiungsarmee des Imperators.


    Er versicherte mir aber während einer Befragung, stets nur im Interesse Roms gehandelt und auch Dir als seinem Patron die Treue gehalten zu haben. Ich bitte Dich um eine Einschätzung und weitere Informationen bezüglich der politischen Zuverlässigkeit deines Klienten. Bitte teile mir diese unverzüglich mit, um dem Princeps die Entscheidung über das weitere Verfahren zu erleichtern.


    Vale bene,


    G. Flaminius Cilo



    Er ließ die Tabula sinken und sah seinen Vater erwartungsvoll an.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Proximus
    [...]
    Zu Patetus gewandt fügte Proximus hinzu, Paetus auch du kannst immer auf die Iulier zählen, so wie dein Vater es kann.


    Paetus, durch Proximus' Worte vom Anblick der schmutzigen Sklavenfüße erlöst: “Ich danke dir und weiß es sehr zu schätzen.“


    Er dachte an ihre letzte Begegnung im Carcer der Castra Praetoria, er selbst als Besucher und der Iulier als Häftling in einer arg düsteren Zelle.
    “Ich bin sehr froh, dich unversehrt und wieder in Freiheit zu sehen.“

    Paetus nickte dem frischgebackenen Klienten seines Vaters freundlich zu. Natürlich hoffte er, dass dessen Verbindungen, auch die jüngsten, ihm eines Tages selbst nützen würden.


    Während er nun umgeben von wichtigen Männern da stand, sah er sich auf dem nicht allzu weitläufigen Platz um. Sein Blick verfing sich im zarten Gesicht einer eleganten, jungen Frau. Sie stand nicht weit entfernt und Paetus glaubte, dass sie direkt zu ihm zurückschaute. Für einen Moment konnte er sich nicht abwenden. Dann sah er rasch woanders hin und fühlte sich ertappt.
    Sehr eingehend begutachtete er die Füße des ungeschickten Sklaven, der seinen Vater vorhin angerempelt hatte. Sie waren ziemlich schwarz. Der Bursche schien nicht nur ein Tölpel zu sein, sondern außerdem noch ein Schmutzfink.

    Paetus hatte seinen Vater in letzter Zeit schon häufiger in dieser Art reden hören. Und doch wollte er es nicht glauben, weil er den alten Mann liebte, aber vielleicht noch mehr, weil er sich vor dem Tag fürchtete, an dem er auf sich allein gestellt sein würde und die Last der langen Ahnenreihe allein auf seinen Schultern läge. Er sah die Gesichter der großen Aelier vor sich, festgehalten in ihren Totenmasken, die in stabilen Kisten fest verschlossen im Haus der Germanii darauf warteten, wieder herausgeholt zu werden. Dann würden ihren augenlosen Blicke auf ihn gerichtet sein und ihn immer wieder daran erinnern, welch ruhmreiches Erbe er antreten musste. Wenn sein Vater starb, dann war er der letzte Spross einer stolzen Sippe und die Zukunft des Geschlechts lag allein in seinen Händen.


    “Vater..., sage er deshalb leise und fast erschrocken: “Bestimmt bleiben dir noch viele Jahre. Es ist doch noch viel zu früh für dich.“

    Paetus verfolgte das Gespräch seines Vaters aufmerksam. Nicht zuletzt hatte er ihn heute hierher begleitet, um zu lernen. Denn er wusste, dass vor der Curia Iulia oft Kontakte geknüpft wurden, Verabredungen getroffen und nicht selten mehr Politik gemacht wurde, als in dem hohen Haus selbst.
    Nicht anderes, als eines Tages selbst Senator zu werden, konnte sein Ziel als Sohn eines Consulars sein. Und es war, daran war nicht zu zweifeln, der für ihn vorgesehene Weg – wobei er immer fürchtete, die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen zu können.
    Also passte er gut auf.