Beiträge von Gaius Aelius Paetus

    Paetus hatte seinen Namen nicht genannt, insgeheim hoffend, auch nicht danach gefragt zu werden. Jetzt musste er einsehen, dass es ein naiver Wunsch gewesen war.
    Innerlich schimpfte er sich einen einfälltigen Narren.
    Äußerlich rang er sich ein freundliches Lächeln ab, das jedoch leider etwas schief geriet.


    Er schluckte trocken, dann antwortete er endlich: "Mein Name ist Gaius Aelius Paetus. Ich bin der Sohn des Consulars Lucius Aelius Quarto. Der Iulier ist ein Client meines Vaters."

    Es war keine der schwarzen Sänften mit der goldenen Sonnenscheibe auf der Seite, die sein Vater immer benutzt hatte. Denn die waren in ihrem alten Haus geblieben.
    Diese Sänfte war von ihren Gastgebern geliehen und die Sänftenträger auch. Kein Sklave begleitete ihn. Er hatte seinem Vater nichts erzählt und wollte nicht, dass der es durch eine lose Zunge erfuhr. Da war es besser, ganz allein zu kommen.


    So musste er selbst aussteigen und vor die Wachen treten. Das war er nicht gewohnt.


    “Salve!“, grüßte er unsicher, um dann mit etwas festerer Stimme fortzufahren: “Ich möchte einen Gefangenen besuchen. Sein Name ist Iulius Proximus, Marcus Iulius Proximus. Er soll hier im carcer... also... er soll hier inhaftiert sein. Kann ich zu ihm?“

    “Das werden wir.“, gab Paetus zurück. “Wir sind deinen Herren zu großem Dank verpflichtet. Für den Augenblick ist das alles.“


    Er besah sich das hereingetragene Gepäck. Viel war es nicht. Es wurde Zeit, dass Vespa mit dem Rest ihrer Habseligkeiten eintraf.

    “Wir danken euch sehr und wissen uns unter wahren Freunden.“, antwortete Paetus anstelle von Quarto auf Avarus.
    “Die Reise war lang und – bei den Göttern – sie war anstrengend. Meinem Vater wird etwas Ruhe sicherlich gut tun.“
    Er stand auf.
    “Ich bitte um Verzeihung für meien Unhöflichkeit, aber könnte uns ein Sklave einen Raum zuweisen, wo er sich ein wenig hinlegen kann?“

    Paetus warf Sedulus verstohlen einen entschuldigenden Blick zu.
    “Mein Vater betrauert noch immer sehr den Verlust von Bruder und Neffe.“, gab er erklärend von sich, er, der ja ebenso Onkel und Vetter verloren hatten.


    “Wir haben noch nichts von dem neuen Mann gehört. Wir wissen nicht, wie er zu uns steht. Aber er kann uns als Letzte zu den Anhängern des Usurpators zählen, dass wissen die Götter! Also besteht die Hoffnung, dass sich der Feind unseres Feindes als Freund erweisen wird, zumal Freunde meines Vaters auf seiner Seite gestanden haben.“


    Ein wenig machte sich der junge Mann mit seinen Worten vielleicht auch selbst Mut. Schließlich kannte er diesen Cornelier überhaupt nicht.

    Paetus ergriff Quartos Arm. “Bitte Vater, du darfst dich nicht so sehr aufregen. Setz dich doch wieder.


    Dann fuhr er in Richtung der beiden Senatoren fort: “Wie gesagt, waren wir gezwungen Rom zu verlassen und abzuwarten, bis der Usurpator sein verdientes Ende gefunden hatte. Das ist jetzt geschehen und mein Vater ist mit mir zurückgekehrt. Aber noch wissen wir nicht, wie Cornelius Palma und seine Anhänger zu uns stehen. Wir wissen nicht, was mit unserem Haus auf dem Palatin ist. Und darum bitten wir euch, ob ihr uns eine Weile bei euch aufnehmen könnt. Nur solange, bis alles geklärt ist.“

    Auch Paetus stand auf, als die Senatoren eintraten. 'Kleiner Gaius'?! So wie ihn Sedulus ansprach, hatte man ihn dann doch schon länger nicht mehr genannt. Etwas verunsichert rang er um eine Antwort:
    “Ja, ich bin Gaius.... Gaius Aelius... Paetus, Sohn eurer Base Adria.“
    Er rang sich ein Lächeln ab.
    “Wie Decius Germanicus schon sagte, kommen wir gerade aus Mantua. Während... also, während der Mörder hier in Rom sein Unwesen trieb, mussten wir uns verbergen. Mein Vater...“, er blickte zu Quarto: “mein Vater wäre sonst gewiss in großer Gefahr gewesen. Der Schlächter hat ja vor niemandem halt gemacht...“

    Paetus konnte sich an seine Verwandten mütterlicherseits – seine Mutter war eine adoptierte Germanica – nicht erinnern. Er hatte den größten Teil seiner Kindheit und Jugend auf dem väterlichen Landgut in Misenum verbracht. Wenn er den Senatoren Sedulus und Avarus je unter die Augen gekommen war, dann musste es als Kleinkind gewesen sein.
    Auch im Haus der Germanii war er noch nie gewesen. Entsprechend neugierig sah er sich auf dem Weg in das Atrium um. Es war ein großes Haus, das vom Ansehen und Wohlstand der Famlie zeugte. Wie er wusste, galt Medicus Germanicus Avarus als einer der reichsten Römer überhaupt.
    Der Sklave, ein großer und kräftiger Kerl, hatte sie freundlich und zuvorkommend empfangen. Wohlerzogen.
    Nun wartete Paetus auf das Erscheinen der Senatoren und hoffte, dass sie hier eine vorläufige Bleibe finden würden.

    Es war warm und stickig im Wagen. Paetus schob den Vorhang vor der Fensteröffnung beiseite. Aber die heiße Sommerluft, die ins Innere drang, brachte kaum Erfrischung.
    Sie hielten. Er sah hinaus.
    Das war also das Haus der Germanier. Wussten man überhaupt, ob die Bewohner noch hier waren? Vielleicht hatte der Usurpator sie in seinem Wüten noch kurz vor dem eigenen Tod vertrieben, oder gar schlimmeres. Von außen war nichts zu erkennen.

    Paetus quittierte das Erscheinen Nakhtis mit einem Nicken.


    “Wir werden diese Stadt verlassen. Wir kehren nach Rom zurück.“, klärte er den Sklaven auf.
    “Gib allen bescheid. Es soll gepackt werden. Wir reisen mit leichtem Gepäck in nur einem Reisewagen voraus. Schon morgen, hörst du? Der ganz Hausrat kommt nach. Sorge dafür!“


    Er sah zu Corvus.


    “Decius Germanicus, du wirst uns doch begleiten, oder?“

    Und wieder war es Paetus, der die praktischen Dinge in die Hand nahm, die nun keinen Aufschub mehr duldeten. Jetzt, wo sein Vater nicht in der Lage dazu schien, da war es an ihm, die Zügel in die Hand zu nehmen und er wuchs sichtlich mit der Aufgabe.


    “Nakhti!“, rief er mit lauter Stimme und in einem Befehlston, den man ihm vor Kurzem noch kaum zugetraut hätte.

    Angesichts dessen, dass Palmas Aufstand seit mehr als einem Jahr im Gange war und sie schon häufig darüber gesprochen hatten, war es eigentlich undenkbar, dass Quarto zum ersten mal davon hörte. Konnte es sein, dass er alles wieder vergessen hatte? Oder wollte er vergessen?
    Paetus warf Corvus einen verzweifelten Blick zu.


    Dann fasste er sich wieder.
    “Wir müssen zurück nach Rom!“
    Das war mehr Feststellung, denn Entschluss.
    “Dort ist unser Platz und dort wird die Zukunft entschieden. Wir müssen bald aufbrechen!“

    Inzwischen war Paetus hinzu gekommen. Man konnte sehen, wie aufgeregt er war, obwohl er sich doch sehr bemühte ruhig und vernünftig zu erscheinen.
    “Aber Vater, dass Wichtigste ist doch, dass es vorbei ist! Salinator ist weg, der Albtraum vorüber. Wir sind wieder frei und Palmas Leute sorgen in Rom für Frieden und Ordnung.“

    Im etwas verschlafenen Mantua und hinter den Mauern ihrer Zuflucht, gelangten die Neuigkeiten nur schleppend zu ihnen. Dennoch hatte Paetus einiges gehört.


    “Nicht nur die Erste hat sich gegen den Tyrannen gestellt. Es heißt, die Provinzen wenden sich von ihm ab. Bestenfalls eine Hand voll Legionen hält ihm noch die Treue. Der Rest hat sich gegen ihn gestellt, in den beiden Germanien, und auch im Osten, überall. Er hat sich zu viele Feinde gemacht. Einer der Sklaven hat gemeint, auf dem Markt erzählen die Leute, dieser Cornelius Palma würde mit einer erdrückenden Übermacht auf Rom marschieren, um den Usurpator abzusetzen. Vielleicht ist er sogar schon dort.“


    Er fasste Quarto an die Schulter.


    “Er wird fallen, Vater! Der Tyrann fällt!“

    Paetus versetzte dem dummen Sklaven einen Schlag mit der flachen Hand, nachdem der ihm so in Aufruhr versetzt hatte.
    *patsch*
    Dann trat er an seinen Vater heran.


    “Ja, ich bin es, Gaius.“, sagte er und ergriff die schmal gewordene und erschreckend kalte Hand des alten Mannes.
    “Du bist in Sicherheit, Vater. Es ist gut. Alles ist gut.“


    Wo war denn nur der Kampfgeist seines alten Herrn geblieben?

    Paetus war der Zustand seines Vaters ebenfalls nicht entgangen und auch er sorgte sich.
    Mochten sich die Sorgen eines Sohnes von denen eines treuen Sklaven unterscheiden, so waren sie sich doch in gewisser Weise auch ähnlich, hing doch nicht zuletzt für beide das persönliche Schicksal daran, wenngleich in sehr verschiedener Art.
    So war es dann wohl kein Zufall, dass sie hier, vor der Tür zu Quartos Zimmer, zusammen trafen.


    “Nakhti!“, sprach Paetus den Leibsklaven seines Vaters an: “Was ist?“

    Und Paetus?
    Ach, er hatte seinem Vater zwar auch zugeredet, hier in Mantua zu bleiben. Aber er selbst, er wäre nur zu gerne mit der Ersten gegangen, in den Krieg gegen den Tyrannen Salinator.
    Doch er tat es nicht. Er blieb bei seinem kranken Vater.
    Er ahnte, dass Corvus ihn wohl ausgelacht hätte. Denn, stimmte es nicht, hatte er bislang nicht viel mehr Erfahrung mit einem stumpfen Übungsschwert als mit einem echten, einem scharfen, mit dem man einen Mann durchbohren konnte? War er, so jung, so grün, in einem Krieg wie diesem nicht vollkommen unnütz?
    Er blieb und sagte sich immer wieder, dass es besser so war. Dennoch fühlte er sich beschämt.
    Immerhin musste er sich nicht mehr als Sklave ausgeben. Zumindest nicht, so lange er im Haus blieb.