Lucius mochte keine religiösen Feiertage - genaugenommen hasste er sie sogar: Es war einfach absolut unlogisch zu glauben, dass irgendwelche Mächte - laut Griechen nicht viel vernünftiger als Menschen - die Geschicke der Sterblichen leiteten (wobei sich fragte, wie Götter überhaupt unsterblich sein sollten). Dieses irrationale Entsühnungsritual war da noch die Spitze: Wer sollte Soldaten wovon entsühnen - und vor allem warum? Immerhin fußte der Erfolg, die Macht und Sicherheit Roms ja genau auf dem Morden, das einem hier offensichtlich wieder irgendwie unangenehm war...
Das einzige Gute daran war, dass dieser Zirkus mit einer anständigen Militärparade verbunden war - das zumindest fand auch der Petronier gut. Also ritt er auf seinem Dienstpferd - einem eher praktischen als schönem Gaul - vor seiner Kohorte her und präsentierte seine Paradeuniform, die er sich nach seinem Wiedereintritt erst kürzlich hatte anfertigen lassen: ein Lederpanzer mit einem Gorgonenhaupt-Medaillon auf der Brust (natürlich auch völliger Unsinn, dass es irgendwo Frauen mit Schlangenhaaren hab, aber Lucius mochte es, wenn andere aus Angst vor ihm erstarrten), ein Paludamentum mit eingestickten geometrischen Mustern am Saum (Dreiecke, Kreise und Quadrate, die Grundformen der Geometrie), gehalten von einer Brosche mit dem Konterfei von Euklid, seinem Lieblingsmathematiker. Der Helm war der Alte - der hatte trotz Abmagern während der Krankheit noch gepasst. Da die Götter ihm nichts bedeuteten, war er relativ entspannt - die gute Laune wurde nur dadurch getrübt, dass er dazu ausersehen worden war, das Voropfer zu vollziehen.
Als sie daher im Circus ankamen, wuchs die schlechte Laune des Petroniers und er sah sich widerwillig nach seinen Opferhelfern um. Man hatte ihm zwei Soldaten zugeteilt, die ihm Wasser zum Händewaschen und Weihrauch anreichen sollten. Natürlich kam noch ein rituelles Gebet mit unendlich vielen Worten dazu. Lucius hatte schnell entschieden, dass er das Gebet nicht vorher lernen wollte, sondern es Satz für Satz einfach nachsprechen würde - dann sparte er wenigstens ein wenig Zeit ein, die er mit diesem Quatsch vergeudete!
Tatsächlich führte die Aussicht dazu, dass er sich gar nicht an dem glanzvollen Auftritt freuen konnte und seine Anspannung stieg, als sie auf die Bahn des Circus Maximus einzogen, wo ihnen schon der Weihrauch entgegen wehte und die Altäre ausgepackt waren.
Trotzdem gab er natürlich die Befehle weiter, als der Imperator auftrat und seine Standard-Worte an die Truppe richtete. Das einzige, was Lucius mitnahm, war die Aussicht auf ein Extra-Gehalt - das konnte er bei der Wohnungssuche gut brauchen! Die theatralische Aufführung des Decimers registrierte er dagegen mit einem Schnauben - er mochte diesen Serapio nicht und dieses übertriebene Gebrüll belegte nur wieder einmal, dass es bei diesem ganzen Zirkus weniger um die Götter als um die Menschen ging, die sich für dieses lächerliche Ritual hier versammelt hatten.
Trotzdem musste auch er seinen Job machen - immerhin war heute sogar sein oberster Dienstherr anwesend! Also stieg auch er vom Pferd und trat an den Altar, vor dem ein prächtiger Stier angepflockt war. Er sah sich um - irgendein Optio stand bereits mit der Wasserschale bereit, wenn er richtig informiert war.