Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    In letzter Zeit verbrachte Lucius - analog zu seinen ersten Monaten in Alexandria - viel Zeit in seinem Officium. Der Grund war, dass Minidius Geminus ihm die Organisation der nächsten Getreideflotte nach Rom übertragen hatte - eine gewaltige Aufgabe, wenn man bedachte, dass davon der Frieden Roms abhing! Mit entsprechender Begeisterung hatte der Subpräfekt sich ans Werk gemacht - zumal das Thema ihm sowieso lag: Die Planung bestand vor allem im Jonglieren von Zahlenkolonnen aller Art, dem Abgleich von Lieferungen aus allen Gauen Ägyptens mit den Transportkapazitäten der schweren Getreideschiffe, Fragen der Zuteilung, der Bestimmung von Geleitschiffen und so weiter - eine durchaus fordernde Aufgabe!


    Umso wichtiger war es, dass der junge Petronier inzwischen über einen kleinen Stab an Soldaten verfügte, die ihm zuarbeiteten. Neben Armin, der sich weniger als organisatorischer Geist erwies, nahm hier vor allem sein Scriba Ulpius eine Schlüsselrolle ein: Der junge Miles war ihm bereits bei seiner Ankunft zugeteilt worden, als er gerade seine Grundausbildung abgeschlossen hatte. Die ersten Monate waren nicht leicht gewesen - Lucius stellte höchste Ansprüche an seine Mitarbeiter und ließ vor allem in mathematischen Dingen keine Fehler durchgehen. Glücklicherweise besaß Ulpius aber auch ein Talent zum Kopfrechnen, mit dem er fast seinen Vorgesetzten übertraf, und hatte sich wegen seiner Jugend noch als formbar erwiesen. So war letztlich eine stabile Arbeitsbeziehung entstanden, bei der jede Seite wusste, was sie am anderen hatte und wo sie sich lieber auf Dritte verließ.
    "Ulpius"
    Es amüsierte Lucius immer noch, den Namen des Kaisers auszusprechen, nach dem er benannt war - der Vater seines Scriba hatte unter ihm das Bürgerrecht erhalten und deshalb den Namen des Herrscherhauses angenommen.
    "wie sieht es mit der Lieferung aus Hermopolis aus? Was hat der Strategos uns geschickt?"
    Das Distributionssystem des Getreides war relativ komplex: In den einzelnen Nomoi gab es je einen Sitologos, der für die Verwaltung der staatlichen Magazine - den Thesauros - zuständig war. Das Getreide wurde dann an den Nilhäfen, oft in den Gau-Metropolen, unter Aufsicht des Gaustrategen gesammelt und von dort über private Spediteure - die Naukleroi - nach Alexandria verschifft, wo der Procurator Neaspoleos den Empfang quittierte.
    Diesem Procurator - einem relativ geschwätzigen Griechen namens Iulius Antistes - war nun Lucius zugewiesen worden, um zu helfen und ihm einen Offizier als Stellvertreter zur Verfügung zu stellen. Überhaupt waren an allen möglichen Stellen Offiziere der beiden alexandrinischen Legionen für die Getreidesammlung abkommandiert, sodass der junge Petronier nicht selten mit Latein sprechenden Centurionen, Optionen und einfachen Legionären zu tun hatte, wenn er mit den verschiedenen Stellen korrespondierte - ein sehr angenehmer Nebeneffekt dieser Verwaltungsform!
    "400 Artaben."
    antwortete Ulpius nach einem kurzen Blick auf die Tabula. Lucius rechnete die Menge sofort in römisches Maß um: Eine Artabe waren 4 1/2 Modii, also waren 400 Artaben 1.800 Modii. Das konnte zwar keinesfalls alles aus dem Gau sein, doch war es nicht ungewöhnlich, dass die Lieferungen tröpfchenweise eintrafen.
    "Wurde das ins Magazin bei der Sema gebracht?"
    Aus Tradition stand einer der großen Getreidespeicher Alexandrias noch im Königsviertel, wo sonst eher noble Paläste zu finden waren.
    "Ja."
    antwortete der Scriba und legte die Tabula auf den Stapel links von der Tür. Lucius hatte sich ein komplexes Ablagesystem ausgedacht, das zwar viele Tabulae beanspruchte, dafür aber sehr übersichtlich war: zuerst kamen die Meldungen über Getreidelieferungen, dann die über gecharterte Corbitae - eine Sache, die der Procurator selbst übernahm - , dann Neuigkeiten zu den Schiffen der Classis, die das Geleit übernehmen sollten, dann sonstige Eingänge. Jeder Bearbeitungsschritt erzeugte dann einen neuen Stapel, sodass immer alles genau zu überblicken war. Der Nachteil war, dass sein halbes Officium mit Stapeln von Tabulae und Papyrus-Notizen vollgestellt war - aber das störte ihn eigentlich nicht.
    "Wir sollten vorschlagen, die Horrea in Basileia komplett zu füllen, sodass die zukünftigen Lieferungen alle direkt hier am Kibotos ankommen."
    "Ich setze einen Brief auf!"
    antwortete Ulpius sofort und ging zu seinem Platz, wo er Schreibmaterial aufbewahrte. Lucius nickte - deshalb musste er zugeben, dass er seinen Schreiber sogar inzwischen schätzte: Er gehorchte immer sofort und setzte seine Ideen direkt um!

    "Schwerter" war vielleicht etwas übertrieben - es waren eher Messer und Dolche unterschiedlichster Machart und Herkunft, die Lucius da in einem Sack fand. Aber es würde auf jeden Fall genügen, um den fetten Phönizier in Schwierigkeiten zu bringen!


    Also packte der Subpräfekt den Beutel und begab sich wieder auf Deck, wo Elulaios gerade dabei war, die Scherben seines Baals aufzusammeln. Es sah ein wenig unwürdig aus, wie der rundliche Kapitän da auf dem Boden herumhuschte, während seine Mannschaft von den Milites in Schach gehalten wurde - der Petronier grinste schadenfroh.


    Dann setzte er aber wieder eine harte Miene auf und trat zu der Runde.
    "Iulius, habe ich erlaubt, dass der Kapitän sich an seiner Kiste zu schaffen macht?"
    fragte er einen der Soldaten, der überrascht tat.
    "Nein, Subpraefectus. Ich dachte nur-"
    "Das Denken kannst du ruhig den Offizieren überlassen!"
    schnitt Lucius ihm das Wort ab und packte den Phönizier an der Schulter, um ihn hochzuziehen. Als er den Kerl endlich wieder auf den Beinen hatte, warf er ihm den Beutel vor die Füße.
    "Was ist das?"
    Elulaios bückte sich und öffnete den Sack, sah kurz hinein und ließ ihn wieder sinken.
    "Das sind die Waffen meiner Crew. Ich habe sie eingesammelt, damit sie bei Streitigkeiten nicht zum Einsatz kommen."
    erklärte er dann ruhig, obwohl man sah, dass er nervös war - endlich war er ein bisschen bescheidener, wie Lucius es von Zivilisten ihm gegenüber erwartete!
    "Diese Waffensammlung steht nicht auf deiner Liste! Ich muss davon ausgehen, dass du versuchst, sie nach Aegyptus zu schmuggeln! Ich nehme an, dir ist bekannt, dass das strafbar ist. Besonders, wenn es sich dabei um Waffen handelt!"
    Elulaios streckte ihm die Hände entgegen.
    "Das sind nur ein paar Messer! Sie stehen nicht auf der Frachtliste, weil sie der Crew gehören! Das ist doch kein Schmuggel!"
    Der junge Petronier hob den Arm und gab dem Kapitän blitzschnell eine Ohrfeige - eine Überraschung für alle Umstehenden! Dazu brüllte er:
    "Ich entscheide hier, was Schmuggel ist und was nicht!"
    Nachdem der Kapitän zuerst ein bisschen dämlich aus der Wäsche geschaut hatte, ballten sich nun seine Fäuste - es war ihm wahrscheinlich doch ein bisschen viel, vor seiner versammelten Mannschaft von einem jungen Offizier geschlagen zu werden! Doch der Subpräfekt hatte eine Handvoll bewaffneter Milites auf seiner Seite - er selbst nur ein paar eingeschüchterte Matrosen! So biss er sich auf die Lippe und sah trotzig zu Boden.
    "Na also!"
    Er drehte sich um und sah, dass seine Leute auch wieder an Deck kamen. Er musste langsam entscheiden, wie er weiter vorging: Konsequenterweise müsste er den Kapitän eigentlich festnehmen, nach Alexandria schaffen und dort vor das Gericht des Präfekten stellen. Andererseits war das ziemlich riskant - der fette Phönizier hatte schon recht, dass es hier nur um ein paar Messer ging, über die Minidius Geminus sicherlich nicht verhandeln wollte! Am Ende würde noch er und nicht der Kapitän Ärger bekommen! Also musste er eine alternative Lösung finden...


    Nachdenklich stocherte mit dem Fuß im Inhalt der Kiste, der noch immer auf dem Boden herumlag - ein Säckchen klang ganz nach Münzen! Vorsichtig fischte er es heraus und sah hinein - da war wirklich eine ganze Menge Geld darin! Das brachte ihn auf eine Idee...
    "Ich werde die Schwerter beschlagnahmen müssen und außerdem eine Strafe erheben müssen."
    , erklärte er, nun wieder an den schäumenden Kapitän gewandt.
    Allerdings musste er die Strafe jetzt noch spontan festsetzen. Für Unterschlagung konnte man mit maximal 400 Sesterzen belangt werden - realistischerweise musste seine Strafe also niedriger liegen. Abgesehen davon bestand bei einer zu überzogenen Strafe das Risiko, dass Elulaios sich so unfair behandelt fühlte, dass er seinerseits klagte. Dann aber würde unangenehme Arbeit auf Lucius zukommen, die das Geld nicht wert war... Andererseits musste es so viel Geld sein, dass zumindest jeder der Milites einen kleinen Anteil bekam, sodass er nicht gegen seinen Vorgesetzten aussagte, der wiederum selbst noch etwas vom Kuchen abhaben wollte. Nach kurzem Überlegen entschied er schließlich:
    "Ich denke, 150 Sesterzen sind angemessen."
    Er griff in den Beutel und holte die Münzen heraus. Er hatte 38 Milites, die bei je zwei Sesterzen Bonus 76 Sesterzen kosteten - das war ziemlich genau die Hälfte des Gewinnes, sodass Lucius immer noch 74 Sesterzen blieben.
    Der Kapitän schluckte, dann schimpfte er aber erzürnt:
    "Du hast kein Recht dazu! Das ist Piraterie!"
    Der Subpräfekt sah ihn eiskalt an.
    "Ich bin ein Subpraefectus Classis. Ich bin das Recht!"
    Er hielt nachdenklich einen besonders neuen und glänzenden Sesterzen hoch und begutachtete ihn, wobei er geradezu beiläufig weiterredete:
    "Aber ich kann dich und deine Mannschaft natürlich auch festnehmen und nach Alexandria bringen. Ich bin allerdings sicher, dass meinen Männern diese Zusatzarbeit nicht gefallen wird. Da kann es leicht passieren, dass sie deine Kajüte noch einmal besonders gründlich durchsuchen und noch unangenehmere Dinge finden. Nicht, dass ich behaupten möchte, sie würden dir etwas unterschieben - aber ich meine ja nur..."
    Er warf die Münze in den Beutel zurück und blickte Elulaios fragend an.
    "Das ist ungerecht!"
    Lucius schmunzelte, als er an die Epikur-Vorlesung denken musste, die er vor einiger Zeit gehört hatte: Die Ungerechtigkeit ist kein Übel an sich, sondern nur aufgrund der misstrauischen Angst davor, dass sie von der Strafverfolgung nicht unentdeckt bleibt. - einer dieser Lehrsätze, die der Philosoph sie alle hatte auswendig lernen lassen! Aber doch irgendwie passend, denn in diesem Fall würde am Ende das Wort des Angeklagten gegen einen oder mehrere Soldaten stehen! Pech für den Angeklagten...
    "So ist die Welt!"
    Er wandte sich seinen Soldaten zu:
    "Wir ziehen ab! Die Waffen werden eingepackt!"

    [FONT=freestyle script, amaze]L. Tiberius Lepidus - Villa Tiberia - Roma - Italia


    L Petronius Crispus patroni suo s.d.
    Ich habe mich schon lange nicht gemeldet, ich weiß. Aber das liegt daran, dass es hier aus Alexandria nichts Nennenswertes zu berichten gibt. Die Stadt ist verhältnismäßig ruhig, die Provinz ist ruhig. Ich versehe meinen Dienst wie bis ganz normal und ich denke, Minidius Geminus ist auch zufrieden mit mir.


    Inzwischen bin ich schon einige Jahre hier bei der Classis. Ich hoffe deshalb, bald einmal auf einen anderen Posten zu gelangen, vorzugsweise in Rom oder zumindest Italia. Ich denke, dort wäre ich auch für dich nützlicher.


    Ich bitte dich deshalb, ein gutes Wort für mich beim Kaiser einzulegen. Berichte mir bitte auch über die Verhältnisse in Rom!

    http://gdurl.com/3RSu
    L Petron. Crispus[/FONT]


    Sim-Off:

    Bezahlt

    Am nächsten Tag verließ Lucius früh das Haus des Strategen - er hatte am Abend noch genug Gelegenheit gehabt sich zu überzeugen, dass er den Kerl nicht mochte und versuchte so, dem wahrscheinlich noch verkaterten Beamten zu entkommen. Stattdessen begann er durch die Stadt zu schlendern und sich ein bisschen umzusehen. Zuerst amüsierte er sich über die allseits präsententen Statuen von Spitzmäusen und Mungos, die - wie ihm ein Grieche auf Nachfrage erklärte - die heiligen Tiere des Gottes von Letopolis, Chenti-irti waren. Der junge Petronier hatte noch nie von dieser Gottheit gehört - allerdings erfuhr er (unfreiwillig), dass Chenti-irti so eine Art Horus war, allerdings speziell für Augenkrankheiten zuständig war.


    Das wiederum weckte das Interesse des Jungmediziners, sodass er sich schließlich entschied, in dem Tempel ein bisschen zu recherchieren - nicht, weil er tatsächlich daran glaubte, dass dieser Gott wirkmächtig war oder so, sondern vielmehr, weil er inzwischen herausgefunden hatte, dass an den Tempeln von Heilgöttern immer auch medizinisches Wissen zu finden war. Immerhin mussten die Priester ja irgendwie den Aberglauben aufrechterhalten, dass ihre Götter Kranken halfen - wenn diese aber nicht existierten, musste man die Kranken eben auf medizinische Weise behandeln, wenn sie irgendeine Besserung erfahren sollten. Logischerweise gab es am Tempel eines Gottes für Augenheilkunde also auch Augenärzte, was wiederum hochinteressant war - immerhin gehörte das Auge, wie er während seines Medizin-Kurses gelernt hatte, zu den kompliziertesten Organen!


    Als er am Tempel des Chenti angekommen war, fand er tatsächlich einen alten Ägypter, der ausreichend Griechisch sprach, um sich mit ihm zu unterhalten. Der glatzköpfige Greis versuchte zwar anfangs ständig herauszufinden, welchen Verwandten Lucius heilen wollte, und diesen zu einer Pilgerfahrt nach Letopolis zu bewegen. Nach einiger Zeit kamen sie aber tatsächlich zu einem einigermaßen produktiven Gespräch (wenn man die ständigen Verweise auf diese göttliche Falkenspitzmaus herausfilterte), sodass der junge Petronier eine ganze Weile Spaß daran hatte. Erst gegen Ende, als der Priester noch versuchte, den Subpräfekten dazu zu überreden, sich von Anubis - der auch einen Tempel im Ort hatte - segnen zu lassen (er war nämlich überraschenderweise nicht nur ein Totengott, sondern auch der Schutzgott der ägyptischen Armee), wurde es ihm zu blöd und er ging relativ abrupt.


    Gerade als er den Tempel verlassen wollte, erweckte er schließlich noch die Aufmerksamkeit eines waschechten Römers, dem die militärische Montur des Subpräfekten aufgefallen war. Der Mann hieß Quintus Septimius Massa und war ein römischer Händler, der schon seit etwa zehn Jahren in Letopolis lebte. Inmitten einer Stadt von Orientalen und verschlagenen Peregrini gewann er sofort die Sympathie des jungen Petroniers, der sich gerne von ihm zum Abendessen einladen ließ. Somit musste er am Abend nicht einmal ins Haus des Strategen zurückkehren musste, sondern stattdessen zusammen mit dem Septimier und vier weiteren Kaufleuten - einer von ihnen war sogar auch römischer Bürger - ein feuchtfröhliches Trinkgelage veranstaltete. Sie redeten den ganzen Abend über das Imperium, militärische Lage-Einschätzungen, die Ausrüstung der Classis und Möglichkeiten, wie diese verbessert werden könnte. Am Ende war Lucius so betrunken, dass er gleich bei seinem Gastgeber übernachtete und so erst am Morgen wieder zum Hafen zurückkehrte...

    Ich wünsche Euch auch allen frohe Weihnachten, viel Freude mit Freunden & Familie (bzw. hoffe, ihr hattet sie schon)!
    Desweiteren natürlich auch viel Erholung zwischen den Jahren & einen guten Übergang in 2017. Hoffen wir, dass das neue Jahr etwas weniger unschöne Ereignisse bringt als das alte!

    "Es gibt - ehm - es gibt ein paar Probleme-"
    "Das haben wir schon mitbekommen!"
    unterbrach ihn der Subpräfekt gereizt und blieb neben ihm stehen, um ihn zu beobachten. Das Kerlchen schwitzte ganz schön - und das trotz des Winters und obwohl er ein Ägypter war! Aber er hatte vor, dem Kerl noch sehr viel mehr einzuheizen:
    "Der Eparchos mag es überhaupt nicht, wenn die kaiserlichen Beamten auf dem Land sich auf mehrfaches Anschreiben in Schweigen hüllen. Er wird da immer ganz-"
    Er schob sein Gedicht ganz nah an das Ohr des nun sogar zitternden Beamten.
    "-misstrauisch! Er muss sich dann immer fragen, ob in seiner Provinz nicht irgendwer den Kaiser bestiehlt!"
    Der Sitologe versuchte es noch einmal:
    "Wir haben - ehm - ich habe niemanden bestohlen! Ich habe nur vergessen-"
    "Vergessen?"
    rief der junge Petronier dazwischen und schnaubte verächtlich - wenn er etwas mehr hasste als diesen pomadierten Peregrinen, dann waren es schäbige Versuche, sich herauszureden!
    "Du willst mir erzählen, dass du dreizehn Briefe des Procurators vergessen hast zu beantworten?"
    Er baute sich vor dem Ägypter auf und verschränkte die Arme vor der Brust - er war größer als dieser Wurm - gut so!
    "Der Eparchos wird sich noch einmal überlegen müssen, ob der Kaiser so einen vergesslichen Beamten brauchen kann! Und er wird sehr, sehr verärgert sein, wegen deiner Vergesslichkeit extra eine Liburne mit Soldaten und seinem Subpräfekten den Nil hinunter schicken zu müssen. Ein Schiff und Soldaten, die er anderswo jetzt nicht einsetzen kann."
    Lucius sah sich kurz in der säulengestützten Halle um und fügte beiläufig an:
    "Ganz zu schweigen davon, dass ich jetzt einen ganzen Tag tatenlos in dieser staubigen Hundehütte herumsitzen musste."
    Dann wurde sein Blick wieder hart und er trat näher an den Sitologen heran.
    "Ich denke, du wirst ihm diese Unkosten ersetzen müssen. Oder ich nehme dich gleich mit, dann kannst du dich persönlich vor ihm verantworten."
    Wieder drehte sich der Subpräfekt weg, noch bevor der Ägypter antworten konnte - er tat es trotzdem:
    "Aber das - ehm - das wird doch nicht nötig sein! Wir hatten hier einige Probleme mit dem Getreideanbau. Die - ehm - die Flut ist in unserem Gau nicht so gut ausgefallen und - ehm - das Getreide war entsprechend schlecht!"
    Blitzschnell drehte Lucius sich wieder zu seinem Verhörobjekt:
    "Und wieso ist die Flut dann in Gynaikopolites ganz einwandfrei ausgefallen?"
    Es war völlig unlogisch, dass alle liefern konnten außer dieses eine Gau! Der Nil war ein verdammter Fluss! Seine Flut konnte nicht an einem Ufer ankommen, am nächsten nicht! Bei Heliopolites, das auf dem gegenüberliegenden Nilufer lag, wusste er es zugegebenermaßen nicht auswendig, aber von dem Gau am Westrand des Deltas war auf jeden Fall die komplette Abgabenmenge eingegangen!
    "Unsere Ufer sind - ehm - anders geformt. Außerdem hatten wir - ehm - vielfach Schäden an den Bewässerungsanlagen und-"
    "Schäden, soso. Dann kann ich dem Eparchos wohl berichten, dass die Beamten dieses Gaus sich einfach nicht um ihre Aufgaben gekümmert haben."
    Nechetnebef hob flehend die Hände.
    "Das war keine Absicht! Wir haben es zu spät bemerkt und konnten die Quoten nicht einsammeln!"
    So war es also - der Sitologe hatte seinen Job nicht gemacht! Er hätte zumindest die Eier im Lendenschurz haben können, das gleich zuzugeben! Der Subpräfekt baute sich wieder vor ihm auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Jetzt pass auf, Mann: Mir ist es egal, wo du das Getreide hernimmst: Aber du wirst bis übermorgen früh die gesamte Abgabenmenge aufbringen. Kauf es von deinem Geld, nimm es den Bauern weg oder mach sonstwas - ich will übermorgen mit der vollständigen Lieferung des Gaues nach Alexandria zurückfahren! Alternativ werden wir dich festnehmen und einpacken, dann kann der Eparchos entscheiden, was er mit dir anstellt. Aber ich kann dir verraten, dass er dich nicht befördern wird!"
    Dem junge Petronier hatte das Ultimatum spontan eingefallen - ein Tag musste eigentlich genug sein, um in einer Stadt wie Letopolis die passende Getreidemenge aufzubringen!
    "Aber - ehm - das ist - ehm - unmöglich! Unser Gau ist sehr groß!"
    "Ich hab' nicht gesagt, du sollst das Getreide jedem einzelnen Bauern in jedem Kaff einzeln abschwatzen, sondern das Getreide auf ein Schiff bringen! Es ist dein Problem, ob du das ganze dann später für deine Quellen ersetzt oder was auch immer!"
    Von Lucius aus konnte der Sitologe auch einfach alles beschlagnahmen - war ihm doch egal, wenn hier ein paar Bauern verhungerten! Zumal dieser Nechetdingsbums das fehlende Getreide wahrscheinlich sowieso unterschlagen hatte und für teuer Geld verkaufte! Er musste die Interessen Roms wahren, nicht die von irgendwelchen ägyptischen Felachen!
    "Aber - ehm - aber - ehm-"
    Dieser Jammerlappen mit seinem "ähm" ging dem Subpräfekten nun wirklich auf die Nerven - also machte er seinem Ärger Luft:
    "Nichts "ähm"! Du solltest lieber anfangen, das Getreide zu organisieren! Also aus meinen Augen!"
    Damit drehte der junge Petronier sich um und verließ die Eingangshalle - mal sehen, ob er diesen Trottel genug eingeschüchtert hatte, dass er parierte! Sonst würde er ihn kennenlernen!

    Wie wir schon androhen, wäre für uns eine historische Karriere wirklich wichtig (wenn nicht wird dich deine Gens nicht unterstützen). Und wir bzw. ich bin eben momentan auch nicht in Germania und kann dich SimOn unterstützen kann. Aber wenn du Fragen hast kannst du auf Antworten bei PNs rechnen :)


    Wenn dich das nicht schreckt, bist du herzlich willkommen (d.h. akzeptiert)!

    Es dauerte doch länger - scheinbar hatte der Schreiber den Sitologen tatsächlich gewarnt und dieser sich daraufhin versteckt! Als sein Optio mit dem fetten Ägypter, aber leeren Händen zurück kam, ließ er schließlich seinen Ärger an dem korrupten Fettsack aus und befahl, das Haus des Sitologen unauffällig zu bewachen.
    Gegen Mitternacht rettete ihn der Centurio dann aus einem langweiligen Abend mit den Strategen und einer Handvoll lokaler Viehhändler, zu denen er als unerwarteter Gast zugeladen worden war - alles andere wäre wohl auch irgendwie unhöflich gewesen, immerhin war er ja ein Repräsentant des Statthalters. Zwar hatte er durch den weiteren Besuch - das ganze war ursprünglich ein Geschäftstermin gewesen - zumindest nicht das ganze Geschwafel des Strategen allein abbekommen und sich stattdessen dem kostenlosen Wein zuwenden können, aber das Ablenkungsprogramm war diesmal viel schlechter als bei der "Fahrt auf dem Land" mit dem Präfekten (eine langweilige, nicht einmal nackte Harfenspielerin, die lustlos vor sich hinklimperte). Insofern freute er sich, als er erfuhr, dass man den Sitologen geschnappt und direkt zu ihm gebracht hatte.


    Kurze Zeit später betrat der Subpräfekt die Eingangshalle des Strategenpalastes, wo der bemitleidenswerte Beamte schon wartete: Es war ein - wie der Petronier schon aus dem Namen abgeleitet hatte - ein Ägypter, aber ein eher schmales Exemplar, das zwischen den vier breitschultrigen Milites wie ein Häufchen Elend wirkte. Lucius grinste sein Raubtiergrinsen.
    "Einen schönen guten Abend! Schön, dass meine Männer dich doch noch gefunden haben!"
    Der Sitologe wirkte verängstigt und nervös. Er fuhr sich fahrig durch das schmalzig glänzende Haar.
    "Subpraefectus... es ist - ehm - mir eine Ehre..."
    Lucius verschränkte die Hände hinter dem Rücken und begann, die Gestalt zu umkreisen.
    "Sitologos... Nechetebes oder so, nicht wahr?"
    "Nechetnebef, Kyrie."
    korrigierte der Genannte intuitiv und Lucius verzog den Mund.
    "Wie auch immer. Ich frage mich, wo du den ganzen Tag gesteckt hast. Dein Strategos musste mich den halben Tag betreuen, während meine und seine Leute dich einfach nicht finden konnten!"
    Der Teil mit der Betreuung war leider wahr - deshalb hatte Lucius sich auch so über den Besuch am Abend gefreut, obwohl er für Ochsentreiber spätestens seit den Rinderzählaktionen bei der Fahrt auf dem Land nicht mehr viel übrig hatte.
    "Ich... - ehm - ich war unterwegs. Ehm... dienstlich."
    Dem Petronier fiel zum ersten Mal auf, wie nervig es war, wenn jemand dauernd "ähte" - fast bekam er Verständnis für seinen Redelehrer Eumenius!
    "Ich frage mich auch, wo die Getreidelieferungen aus deinem Gau bleiben. Der Praefectus Aegypti fragt aich das auch. Und damit irgendwie auch dein Basileus!"
    Vor dem Zorn des Kaisers hatten alle Provinzialen Angst - egal ob es Ägypter, Juden oder Griechen waren!

    Natürlich fand der Subpräfekt nach einigem Suchen das Haus des Strategen, der wiederum durch den Schreiber vorgewarnt worden war und die römische Abordnung bereits an der Haustür erwartete. Als Lucius den Kerl sah, erinnerte er sich schnell wieder - einer dieser parfümierten Griechen, die sich seit ptolemäischen Zeiten die Macht auf dem Land hin- und herreichten oder vererbten.
    "Aken, der Fährmann des Osiris Serapis, sei mit dir!"
    , grüßte er den Offizier bereits von Ferne und erinnerte den Petronier an den heruntergekommenen Tempel, den er bei seinem letzten Besuch hier besichtigt hatte - oder eher besichtigen musste. Warum der Fährmann jetzt allerdings mal unter dem Pseudonym Aken, mal als Cherti auftauchte, war wieder eines dieser Geheimnisse der ägyptischen Religion, die er nicht durchschauen konnte... oder wollte.
    "Salve, Strategos. Mein Name ist-"
    "Lucius Petronius Crispus, Subpraefectus Classis, wie mir bereits zugetragen wurde."
    , antwortete der Strategos und trat mit einem falschen Lächeln - Lucius hielt jedes Lächeln eines Provinzialen für falsch - auf ihn zu, um ihn zu umarmen und zu küssen. Diese orientalischen Sitten waren allerdings nichts für den jungen Petronier, vor allem nicht, wenn es keine Frau, sondern ein widerlicher Grieche war, der ihn da abküssen wollte! Also trat er einen Schritt zurück und hielt dem Strategen eine Hand hin.
    Aus den Informationen war logisch abzuleiten, dass dieser Schreiberling - Nebidingsbums - es irgendwie geschafft hatte, seinem Vorgesetzten eine Nachricht zukommen zu lassen! Damit bestand aber auch die Gefahr, dass er den Sitologen versteckte, bevor sie ihn zu fassen bekamen!
    "Ich suche den Sitologen von hier. Mir fehlen Getreidelieferungen aus dem Gau!"
    , kam er deshalb direkt zur Sache und wartete ab, wie der Stratege reagierte. Dummerweise fiel die Reaktion aber nicht erschrocken oder verängstigt, sondern - typisch Grieche! - scheißfreundlich und ölig wie eingelegte Oliven aus:
    "Der gute Nechetnebef... das werden wir sicher gleich haben... lass mich nachdenken..."
    Er lächelte schmierig und tat, als würde er nachdenken, indem er sich mit den weibisch manikürten Fingern durch den akkurat gestutzten Bart fuhr. Nach einer halben Ewigkeit sah er den Petronier schließlich mit leuchtenden Augen an:
    "... ich nehme an, um diese Zeit sollte er bei seiner Arbeit sein!"
    Lucius stöhnte genervt auf - wahrscheinlich spielte der Strategos auf Zeit, um den Sitologen in Sicherheit zu bringen! Wahrscheinlich steckten diese korrupten Lokalverwalter alle unter einer Decke und verjubelten das Korn des Kaisers zu Dumpingpreisen auf den lokalen Märkten, um dann den Bedürftigen zu machen!
    Aber leider war der Stratege doch ein halbwegs hohes Tier und wenn der sich beschwerte, würde sicherlich mehr Ärger rausspringen als eine Strafarbeit über die Überlegenheit der griechischen Kultur! Also versuchte der Petronier sich zu beruhigen, indem er sich durch das Gesicht strich, *meine Fresse!* dachte und stattdessen sagte:
    "Na fein, dann wird dein Schreiber ja keine Schwierigkeiten haben, ihn zu finden!"

    Lucius war schon einmal in Letopolis gewesen, sodass ihm vieles bekannt vorkam, als seine Liburne am Pier der Stadt festmachte. Ein obligatorischer kahlköpfiger Schreiber erwartete sie am Hafen, als der Subpräfekt die Planke aufs Festland überschritt - natürlich ein Ägypter, der aussah, als hätte sich in dieser Gegend seit den letzten 5000 Jahren nichts verändert (er versteckte seinen fetten Bauch nicht einmal unter einer Tunica, sondern trug nur einen Lendenschurz mit prachtvoller Deko vorn).
    "Ich bin Subpraefectus Lucius Petronius Crispus! Ich verlange den Sitologos zu sprechen!"
    Der Schreiber und sein Gefolge verneigten sich tief und in einem Griechisch, das für einen halbwegs gebildeten Mann - angeblich waren die ägyptischen Schreiber ja ausführlichst ausgebildet - einen abartigen Akzent hatte, antwortete der Schreiber:
    "Wir fühlen uns geehrt, den hochehrwürdigen Subpraefectus des weisen und gerechten Statthalters unseres göttlichen Basileus, des Neuen Dyonisos, Sohns des Herakles, des Dyonisos und Horusfalken auf Erden, Soter, Euergetes und Sebastos begrüßen zu dürfen. Mein unwürdiger Name ist Nebimen, Schreiber des ehrwürdigen Strategos-"
    Diese Schleimerei würde Lucius zu viel - mit erhobener Hand unterbrach er den orientalischen Speichellecker, der wahrscheinlich ganz genau wusste, warum die Römer hier waren und deshalb so extra-unterwürfig tat. Lucius fühlte irgendwie das Bedürfnis, diesem Fettsack einen Faustschlag in seine abartige Wampe zu geben - aber das würde wohl nur Ärger mit dem Präfekten geben...
    "Hör zu, ich bin nicht für Höflichkeiten hier! Ich suche den Sitologos von diesem Gau! Der göttliche Basileus vermisst sein Getreide!"
    Der Schreiber war sichtlich irritiert und einen Moment entgleiste ihm das Gesicht - dann hatte er sich aber wieder unter Kontrolle:
    "Mir ist nicht bekannt, wo sich der ehrenwerte Sitologos Nechetnebef befindet."
    War ja klar - diese Ägypter steckten alle unter einer Decke und wahrscheinlich profitierte dieser fette Schreiberling höchstpersönlich von der Unterschlagung des Getreides!
    "Dann finde raus, wo dieser Nechetdingsbums steckt! Wir sind nicht hier, um euren Tempel zu besichtigen!"
    Dieses ominöse Cherti-Heiligtum - mal wieder ein Totengott (die Ägypter waren von Totengöttern ganz besessen! Man glaubte manchmal, der Tod war ihnen wichtiger als das Leben) - hatte der Petronier tatsächlich schon bei der "Fahrt auf dem Land" besichtigt. Naja, was davon übrig war - der Tempel war ihm so tot vorgekommen wie der Gott, der darin verehrt wurde!
    "Selbstverständlich, hochehrwürdiger Subpraefectus. Ich werde dich gerne in das Haus des Strategos geleiten, wo du sein Gast sein kannst, bis dein Auftrag hier vollendet ist."
    Lucius versuchte sich zu erinnern, wer der Strategos von Letopolis gewesen war - es war schon eine ganze Zeit her, dass er hier eine der rauschenden Feiern anlässlich der Fahrt auf dem Land besucht hatte. Irgendwie hatte nur alles ziemlich gleich ausgesehen - immer parfümierte Griechen, schmierige Ägypter, arrogante Lokalfürsten und einfallslose Unterhaltungsprogramme! Wer von den rosenwassergetränkten Schwuchteln, die sich hier Strategos schimpften, aber der dieser Stadt gewesen war, wusste er auch nicht mehr so recht...
    Aber was blieb ihm anderes übrig? Er sah sich kurz um, als könnte ihm die Hafenszenerie einen Hinweis geben, wie er dieser billigen Hinhalte-Taktik entgehen konnte. Plötzlich hatte er eine Idee:
    "Ich finde den Weg selbst! Ein paar meiner Männer werden dich begleiten, damit dieser Nebetsonstwas schnell hergeschafft wird!"
    Er drehte sich auf dem Absatz zu seinem Centurio.
    "Dein Optio und ein Contubernium begleiten diesen Schreiber und schaffen den Sitologos auf dem schnellsten Weg zum Haus des Strategos!"
    Der Centurio salutierte und machte sich auf den Weg, den Befehl auszuführen - inzwischen hatte der Petronier seine Männer schon ganz gut dressiert, dass sie sich nicht mehr als die erfahrenen Raubeine aufspielten. Selbst bei den Centurionen war angekommen, dass Maulhalten und Handeln die beste Strategie war, ihren Vorgesetzten nicht zu verärgern - vor allem in der Öffentlichkeit, wo Lucius gerne einen schneidigen Eindruck hinterließ (das akzeptierte sogar der Minidier!).
    Dem Schreiber schmeckte diese Entscheidung wieder nicht - aber was sollte er machen?
    "Sehr wohl, hochehrwürdiger Subpraefectus!"
    Lucius wartete, bis der fette Schreiber - gefolgt von seiner römischen Eskorte - verschwunden, dann sah er sich um. Wo war noch gleich das Haus des Satrapen gewesen?

    Wieder einmal war Lucius auf dem Nil unterwegs - was um diese Jahreszeit weitaus angenehmer war als auf dem Meer, auf dem man im Winter nur in Landnähe operierte und hoffte - oder betete, wenn man an die Götter glaubte - dass keiner der hässlichen Winterstürme aufkam. Für den jungen Petronier, dem noch immer regelmäßig schlecht wurde, wenn er auf See war, war es der pure Horror. Aber er war nunmal leider bei der Flotte und die Flotte fuhr zur See - solange also noch Schiffe in Alexandria ankamen, musste auch die Flotte Patrouillen durchführen.


    Heute hatten sie aber eine andere Aufgabe: Es ging um die Einsammlung von Getreide. Der Procurator Neospolensis hatte nämlich gemeldet, dass Lieferungen ausgeblieben waren. Natürlich hatte er an den zuständigen Sitologos geschrieben, der für die lokalen Getreidespeicher zuständig war. Nur im Gau Letopolites hatte er zuletzt einfach gar keine Antwort mehr erhalten - ein Fall für die Classis! Und so war der Subpräfekt losgeschickt worden, nach dem Rechten zu sehen.


    Inzwischen hatte er sich einigermaßen an die ägyptische Hitze gewöhnt und hielt es bei den winterlichen Temperaturen ganz gut aus - er hatte sogar trotz der hellen Haut, die er wahrscheinlich seiner Mutter verdankte, eine gewisse Bräune bekommen. Und heute war er ausnahmsweise sogar ganz gut gelaunt - so gut, dass er das sogar seinem Sklaven, der wie immer dabei war, mitteilte:
    "Arminius, was für ein schöner Tag!"
    "Schon, schon - warum hat's nicht das ganze Jahr so angenehme Temperaturen?"
    Der Germane litt fast noch mehr unter der Hitze des Südens als sein Herr - obwohl er es natürlich gewohnt war, nicht zu jammern.
    Seine leicht dahin gesagte Bemerkung ließ seinen Herrn allerdings sofort aufhorchen - das ganze Jahr?
    "Weil die Planeten - allen voran die Sonne - je nach Jahreszeit einen unterschiedlichen Weg um die Erde nimmt und manchmal näher, manchmal ferner ist. Im Sommer ist sie näher und heizt daher alles stärker auf."
    klugscheißerte er sofort drauf los und Armin verdrehte die Augen - natürlich nur dezent, um nicht den Ärger seines Herrn auf sich zu ziehen.
    "Aha. Jedenfalls wäre es schön. Meine Haut ist gerade wieder einigermaßen regeneriert vom Sommer."
    Armin hatte eines Tages einen furchtbaren Sonnenbrand bekommen, bei dem seine Haut an manchen Stellen richtig aufgeplatzt war - Lucius hatte ihn für einige Tage krank machen lassen müssen. Glücklicherweise gab es bei der Armee ja immer irgendeinen Tiro, der für die Offiziere als Dienstbote herhalten konnte!
    "Schön wär's auch, wenn wir irgendwann aus dieser verfluchten Provinz wegkämen!"
    Er diente nun schon eine ganze Weile bei der Classis und konnte nicht behaupten, dass er sie inzwischen mehr mochte. Er hatte natürlich durchaus dazu gelernt, wusste seit seiner Strafarbeit, dass man sich lieber öfter seinen Teil dachte, als das eigene Umfeld ständig zu korrigieren. Aber weder Alexandria - die Stadt war riesig, unübersichtlich und voller stinkender Peregrini - noch Aegyptus - die Provinz bestand aus einem Grünstreifen, der jedes Jahr vollgeschlammt wurde, und Wüste - oder die Classis - eine lächerliche Provinzflotte, die sich etwas darauf einbildete, Getreidetransporte zu eskortieren! - hatten in den letzten Jahren sein Herz erobert. Insofern hatte er sich vorgenommen, seinen Patron in Rom zu bitten, für ihn ein gutes Wort einzulegen - es war höchste Zeit für eine Beförderung!
    "Ja, wie wahrscheinlich ist es auch, ausgerechnet bei einer Flotteneinheit in Africa zu landen?"
    erwiderte Armin und blickte nachdenklich in die Ferne.
    Lucius dagegen begann zu rechnen: Es gab etwa 39 Auxiliareinheiten im Imperium, die im Durchschnitt wohl ca. ein Einstiegsamt für die Tres Militiae anboten. Davon standen acht am afrikanischen Limes - also:
    "Etwa 1:5. Oder 1:39, wenn du nur die Classis Alexandrina meinst."
    Als Armin auf diese Erklärung nicht reagierte, fügte er hinzu:
    "Die Classis Alexandrina ist die einzige Flotteneinheit in Africa."

    Wie naiv konnte man sein? Als ob es einen Gott stören konnte, wenn eine Tonfigur, die ihn darstellte zerbrach! Abgesehen davon, dass es natürlich völlig unlogisch war, überhaupt die Götter zu fürchten! Der Kapitän sollte mal ein bisschen Epikur lesen!


    Aber Lucius war nicht in Stimmung für philosophische Diskussionen. Stattdessen achtete er nicht weiter auf das zerbrochene Figürchen und stocherte mit dem Fuß dem dem Durcheinander, das der Truheninhalt auf dem Deck hinterlassen hatte. Es waren auch ein paar Tabulae und vor allem Papyrus-Rollen dabei.
    "Wo ist die Liste?"
    fragte er und schob eine Rolle auf die Seite, die verdächtig danach aussah. Elulaios deutete tatsächlich auf sie und antwortete verärgert
    "Die da!"


    Der Petronier bückte sich und nahm den Zettel, entrollte ihn und kniff die Augen zusammen - was hatte der Phönizier denn für eine Sauklaue! Dagegen schrieb er ja richtig schön! Trotzdem war zu entziffern, dass in den Amphoren wohl Öl sein musste. Aus Achaia - woher sonst!
    "Haltet sie weiter in Schach!"
    befahl er und ging mit der Liste wieder weiter nach achtern, wo es in den Laderaum hinunter ging.


    Dort waren die Milites noch immer mit der Kontrolle der Ladungen beschäftigt. Einer von ihnen kam direkt auf ihn zu:
    "Wir haben eine Ladung Schwerter entdeckt, Subrpraefectus!"
    "Wo?"
    "In einem Sack gleich neben den Amphoren dort drüben."
    Der Miles deutete ins Halbdunkel des Laderaums.
    "Na sowas!"
    bemerkte Lucius ironisch und trat auf das "Versteck" zu.

    Lucius wurde das Aufschneiden nie langweilig - Stunde für Stunde war er begeistert dabei, wenn Herophilos den Affen zerlegte, Muskeln sezierte und Organe freilegte. Jede Gelegenheit nutzte er, um selbst im Fleisch dieses Tieres zu bohren und dabei darüber nachzudenken, ob es wesentlich anders war als mit dem Schwert in einen Menschen zu stechen. Abgesehen davon war es faszinierend zu sehen, wie die Muskeln zusammenarbeiteten, wie die Nerven und Adern den gesamten Körper durchzogen und, wie der Philologe immer wieder bemerkte, doch wunderbar zusammen gesteuert wurden, wie es keine Maschine des Imperiums konnte.
    Und immer wieder kam ihm der Gedanke, dass es doch sehr viel logischer wäre, die Funktion der menschlichen Organe und Muskeln an lebenden Menschen zu erproben - es gab ja genügend Abschaum, dessen Leben man dadurch überhaupt erst Sinn verschaffen würde, wenn man ihn auf dem Altar der Wissenschaft opferte! Ein Mensch kostete ja auch nur ein paar hundert Sesterzen - warum also nicht Sklaven sezieren? Aber natürlich gab es analog zur Angst vor den Göttern auch eine Scheu davor, Menschen zu töten - zumindest bei anderen!


    Zum Abschluss kamen sie auf die Planeten zu sprechen. Der Petronier hatte bereits bei seiner Recherche für die Strafarbeit des Präfekten etwas davon gelesen und horchte auf - die Planeten beeinflussten also den menschlichen Organismus! Es kam ihm zwar einerseits unlogisch vor, dass etwas so weit entferntes wie die Planeten tatsächlich so großen Einfluss ausübten, andererseits stimmte es - sie brachten ja auch Licht, die Sonne hatte ihm am Anfang auch mehrmals das Gesicht verbrannt! Insofern war es zumindest nicht ganz irrational anzunehmen, dass sie auch auf restlichen menschlichen Organismus wirkten. Außerdem behauptete das hier ja nicht irgendein abergläubischer Priester, sondern ein vernünftiger Wissenschaftler!

    Kurz darauf stand Lucius vor der Kiste, die mit einem Schloss versehen war.
    "Aufmachen!"
    befahl der Subpräfekt und der Kapitän trat vor, nahm einen Schlüssel, den er um seinen Hals hängen hatte, öffnete das Schloss und schließlich die Kiste. Sofort begann er, darin zu kramen.
    Aber der Petronier schob ihn beiseite und blickte zu einem der Milites.
    "Ausleeren!"
    Elulaios sah ihn entgeistert an.
    "Nicht dein Ernst!"
    "Los!"
    brüllte Lucius und blockierte den Kapitän mit dem Arm, während der Miles die Kiste packte und zur Seite stieß. Sofort rumpelten Tabulae, Schriftrollen, eine Metalldose und eine Tonfigur, der beim Aufprall auf das Deck der Kopf abbrach.
    "Nein! Mein Baal!"
    Er versuchte einen Schritt auf den Miles zuzumachen, doch Lucius hielt weiter seinen Arm dazwischen.
    "Bleib zurück, Mann!"
    Offensichtlich hatte der Kapitän sich zumindest ein bisschen im Griff, denn sein Drängen hörte auf, sodass der Subpräfekt den Arm wieder wegnehmen konnte. Stattdessen ging er zu der zerstörten Figur und hob den Rumpf auf.
    "Das ist nur eine Tonfigur, reg' dich nicht so auf!"

    Aderlass - eine Sache, die Lucius noch nie so 100% verstanden hatte, obwohl er auch als Kind öfter etwas Blut hatte spenden müssen, wenn er krank war. Damals hatte er sich vorgenommen, diesem verdammten Quacksalber eines Tages selbst so lange zur Ader zu lassen, bis er leer war - wie viel wohl aus so einem Menschen herauskam? Wenn er bedachte, wie blutig so ein Schlachtfeld werden konnte - oder was für eine Sauerei Caius damals angerichtet hatte - offensichtlich eine ganze Menge!

    Die Soldaten begannen das Schiff zu durchsuchen. Der Subpräfekt selbst marschierte auf dem Deck auf und ab, kletterte schließlich selbst unter Deck und prüfte, ob seine Männer ordentlich arbeiteten. Als er die Amphoren sah, fühlte er sich kurz versucht zu befehlen, sie zu öffnen - wer wusste schon, was sich darin befand? Allerdings setzte er sich damit dem Risiko aus, Ärger zu bekommen, denn wenn es Wein war, würde das Zeug womöglich sauer werden. Damit würde der Reeder des Schiffes aber sicher Ärger machen, was am Ende auf ihn zurückfallen konnte - immerhin war diese Durchsuchung ja nicht 100% korrekt!


    Andererseits war es vielleicht vertretbar, ein paar Amphoren zufällig auszuwählen und stichprobenartig zu überprüfen - oder zu klären, was sich überhaupt darin befand! Also kletterte er wieder nach oben und ging zu dem Kapitän hinüber.
    "Ich brauche eine Liste der Ladung!"
    "Die habe ich achtern in meiner Kiste."
    antwortete Elulaios und verschränkte verärgert die Arme - ihm dauerte das ganze offensichtlich schon wieder zu lange! Aber leider saß er hier am kürzeren Hebel, wie Lucius mit Genugtuung wieder bewusst wurde. Trotzdem musste er ihm wohl erlauben, kurz aus der Meute der Gefangenen freigelassen zu werden. Er nickte einem der Soldaten zu.
    "Geleite den Kapitän zu seiner Kiste und bring' sie her!"
    Er würde zumindest die Kiste kontrollieren können - das würde dem fetten Glatzkopf sicher nicht gefallen!

    Die Vorlesung über die Knochen war schon ziemlich interessant - immer wieder bekam Lucius Hinweise, an welchen Stellen Knochen besonders leicht brachen und wo man hinschlagen musste, um am Nachhaltigsten Schäden zu verursachen. Immerhin hatte er schon so viel verstanden, dass Knochenbrüche zu den schwer zu heilenden Verwundungen zählten - je tiefer der Knochen, desto komplizierter die Heilung!


    Der nächste Tag war aber noch einmal sehr viel interessanter. Der junge Petronier spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten, als er den toten Affen sah. Er hatte gedacht, man hätte das stinkende Vieh abgewaschen, aber die Idee mit dem Ertränken war auch logisch - selbst beim Erdrosseln zerstörte man vermutlich Strukturen im Hals! Trotzdem war es natürlich schade, dass man keine Menschen auf dem Tisch liegen hatte - im Grunde war es ja wieder eine abergläubische Angst vor irgendwelchen Geistern, die dahinter steckte: Wenn man Epikur glauben konnte, zerfiel der Körper nach und nach, weil die Atome sich trennten - wieso sollten die Seelenatome noch irgendwelchen Einfluss ausüben? Und wenn man bedachte, was es nützen konnte, nicht an irgendwelchen Tieren, sondern am Original zu studieren... sicher gab es auch zwischen diesem haarigen Biest und einem Menschen Unterschiede!


    Dann folgte er genau den routinierten Handgriffen des Philologen, der die Haut so vorsichtig abzog, als könne sie jederzeit reißen - er wusste dagegen, dass man Haut auch mit roher Gewalt vom Fleisch bekam. Metzger machten das ständig an irgendwelchen Straßenständen. Aber andererseits war seine Aussage logisch - schon ein Schnitt in die Haut konnte ja höllisch wehtun und bluten, folglich mussten auch dort Adern und Pneuma fließen! Faszinierender als kleine Äderchen waren aber die Muskelstränge, die Lucius an die konturierten Rücken und Arme der Ruderer auf den Liburnen der Classis erinnerten. Der Subpräfekt selbst war kein Schwächling und wenn er anspannte, war auch einiges zu sehen. Deshalb beobachtete er nun vergleichend seinen eigenen Unterarm und tastete, ob er ähnliche Muskeln an den gezeigten Stellen hatte...

    Kurze Zeit später hatten die Ruderer die Lupa direkt an die Seite der Corbita manövriert. An deren viel höher liegender Schanzkleid waren bereits viele bärtige Köpfe aufgetaucht, die offensichtlich der Mannschaft des Schiffes gehörten. Lucius baute sich auf dem Deck auf und brüllte nach oben:
    "Hier spricht die Lupa von der Classis Augusta Alexandrina. Dies ist eine Kontrolle! Bitten an Bord kommen zu dürfen!"
    "Aber warum?"
    rief der einzige rasierte Kopf zurück.
    "Ich stelle hier die Fragen!"
    gab Lucius zurück und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust - er hasste Diskussionen mit Leuten, mit denen er gar nicht diskutieren musste!


    Kurz darauf warf die Besatzung der Corbita doch noch eine Strickleiter hinunter und die Marineinfanteristen der Lupa begannen hinaufzuklettern. Zuletzt folgte der Subpräfekt, der auf der wackeligen Konstruktion plötzlich wieder feststellte, wie unruhig doch der Seegang war und wie unangenehm es sein würde, wenn er von der Leiter genau zwischen die beiden Schiffe fallen würde - die Wahrscheinlichkeit war etwa eins zu drei, dass er auf einem der Ruder aufkam und sich böse verletzte! Etwas nervös hangelte er sich also vorwärts, immer am Caligae des vor ihm mit Leichtigkeit hinaufkraxelnden Miles, ehe er endlich über das Schanzkleid an Bord des Schiffes sprang.
    Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis er die Angst vor dem Fallen abgeschüttelt und seinen gewohnt harten Blick aufgesetzt hatte. Kritisch blickte er in die Runde.
    "Wer ist hier der Kapitän?"
    "Ich. Ich bin Elulaios, der Kapitän und dies ist die Tanit. Warum werden wir kontrolliert?"
    Auch der Kapitän war offensichtlich zum Streiten aufgelegt, denn er funkelte den jungen Petronier mindestens so feindselig zurück, wie dieser ihn ansah.
    "Dies ist eine Routine-Überprüfung. Wir müssen kontrollieren, ob dieses Schiff illegale Waren schmuggelt."
    "Wird das Schiff nicht sowieso in Alexandria durchsucht?"
    Das war natürlich wahr - aber natürlich sah Lucius es keineswegs ein, deshalb klein beizugeben.
    "Ihr fahrt verdächtig abseits des gewöhnlichen Seewegs."
    "Der Wind hat uns abgetrieben."
    "Ihr könntet in einer Bucht anlegen und eure Ladung heimlich löschen."
    Der Kapitän schnaubte spöttisch.
    "Mit meinem Tiefgang? An der Küsten anlegen? Ich weiß nicht, junger Mann-"
    "Subpraefectus Petronius!"
    schnitt Lucius ihm das Wort ab - wenn er etwas noch mehr hasste als Widerworte, dann war es Respektlosigkeit! Er war Offizier des Exercitus Romanus! Er hatte einen Ritterring am Finger und eine ganze Flotte unter sich - dieser dahergelaufene Peregrinus hatte ihm gefälligst Respekt zu zollen! Aber dem würde er helfen!
    Der Kapitän ließ sich jedoch nicht beirren und korrigierte sich einfach:
    "-Subpraefectus Pretonius, aber wir-"
    Wieder unterbrach der junge Petronier seinen Gesprächspartner - diesmal mit einer wegwerfenden Handbewegung.
    "Ich habe mich gegenüber einem Zivilisten nicht zu rechtfertigen! Das Schiff wird durchsucht, die Mannschaft hat sich achtern zu sammeln!"
    Er verschränkte die Arme auf dem Rücken und drehte sich zur Seite.
    "Optio! Zehn Mann halten die Mannschaft in Schach! Der Rest durchsucht das Schiff!"
    Ungläubig blickte der Kapitän von einem zum andern - er verstand die Welt nicht mehr!

    Lucius folgte dem Beginn der Prozession abseits der Straße auf seinem Pferd, um alles gut unter Kontrolle zu haben. Immer wieder hielt die Prozession an - einmal bemerkte der Subpräfekt es so spät, dass er sein Pferd wenden musste. An diesen Punkten, die durch eine Art Meilensteine bezeichnet waren, sprachen die Priester irgendein Gebet, das Lucius allerdings nicht verstand. Es ging wohl um irgendwelche sogenannte "Bakchoi" - aber was das war, wusste er auch nicht.


    Als allerdings plötzlich hinter ihm jemand lauthals
    "Hurenbock!"
    brüllte, war er sofort alarmiert - ein Aufstand! Warum sonst sollte man ihn auf offener Straße beleidigen? Panisch sah sich der Subpräfekt um, doch der nächste Straßenposten war ein Stück entfernt und schien nichts bemerkt zu haben.
    "Lieben's deine Eltern von hinten? Du siehst so beschissen aus!"
    flog auch schon die nächste Beleidigung, dann ein seltsamer Schlachtruf, der von vielen aufgegriffen wurde:
    "Iakch' o Iakche!"
    Lucius trieb sein Pferd an - er musste zugeben, dass er Angst vor der Menschenmenge hatte, die ihn selbst dann würde vom Pferd reißen können, wenn er so tapfer um sich stach wie noch nie. Was nützte es, wenn er tot war?


    Erst in sicherer Entfernung drehte er sich um - um festzsutellen, dass der Pöbel ihm keineswegs hinterherjagte. Vielmehr schienen die, die seine Flucht bemerkt hatten, lauthals zu lachen.
    "Schlampe!"
    "Hundesohn!"
    "Ich habe sieben Hobbys: Sex und Saufen!"
    brüllten die Prozessionsteilnehmer durcheinander. Dazwischen immer wieder
    "Iakch' o Iakche!"
    Aus der Tatsache, dass der Zug angehalten hatte und die Priester ruhig dastanden, leitete der junge Petronier schließlich ab, dass keine Gefahr im Verzug war. Langsam führte er sein Pferd wieder zum Straßenrand, wo einige Ägypter ihn schon lachend erwarteten.
    "Na, Angst gekommen? Nur Salut für Iambe!"
    Lucius lief rot an - er wusste zwar nicht, wer Iambe war, aber sie stand offensichtlich ziemlich auf Beleidigungen oder so. Warum hatte ihn niemand gewarnt? Jetzt wurde er von ein paar Bauerntrampeln ausgelacht, die normalerweise sicher aus Angst vor ihm mit den Zähnen klappern würden - und wenn nicht, würde er dafür sorgen, denn seine Scham schlug bereits in Wut um und er griff intuitiv nach Pythagoras, seinem Schwert.
    Er hatte es schon zu einem Viertel aus der Klinge gezogen, als sich die Vernunft in ihm zu Wort meldete - es war absolut irrational, wenn nicht halsbrecherisch, mitten während einer religiösen Zeremonie anzufangen, unbewaffnete Ägypter umzuschneiden! Erstens würde es womöglich zu einer Massenpanik führen, die sich gegen ihn richten konnte. Zweitens würde der Praefectus Aegypti ihn wahrscheinlich lebend häuten lassen, wenn er dem Mob entkam.
    Also biss Lucius die Zähne zusammen und atmete einige Male heftig ein und aus. Erst dann hatte er sich beruhigt, schickte den nun doch ein bisschen eingeschüchtert wirkenden Ägyptern einen vernichtenden Blick zu und ließ die Waffe zurück in die Scheide gleiten. Diesmal würden sie ungeschoren davon kommen - aber wehe, wenn er sie einmal in einer weniger vorteilhaften Situation erwischte!