Die Genannten traten vor: Auf der einen Seite - Coruncanius Milo - stand ein junger Mann mit rebellisch langem Haar, verwegenem Blick, aber einer modischen Toga. Er schien eine große Schar an Klienten dabei zu haben, denn als er vortrat, jubelte eine Truppe junger Burschen, die ebenso schnöselig und rebellisch aussahen. Die Gegenseite - Quinctius Sabinianus - war dagegen ein älterer Mann mit einer goldenen Halskette und schütterem Haar. Ihm war anzusehen, dass er wenig erpicht darauf war, diesen Prozess zu führen. Aber das musste er auch nicht: Er hatte nämlich einen Advocatus mitgebracht, der nun die Anklagerede hielt:
"Verehrte Iudices, Volk von Tusculum!
mein Freund Lucius Quinctius Sabinianus steht heute als unbescholtener Bürger hier, dem das Schlimmste geschehen ist: Seine eigene Familie hat sich gegen ihn gewandt und ihn heimtückisch hintergangen!"
Lucius wusste, worum es ging - dieser Einstieg war wirklich absolut übertrieben, was er mit einem missmutigen Blick anzeigte.
"Jener Coruncanius Milo hier, der Sohn seiner geliebten Schwester Quinctia Fausta, hat nicht allein seinen Onkel, der ihn stets unterstützt hatte, bestohlen, sondern damit auch den heiligen Willen seines eigenen Vaters verraten und missachtet!"
Anklagend richtete er seinen Zeigefinger auf den jungen Burschen, der eine respektlose Geste in Richtung der Anklage machte und rief:
"Was für ein Unsinn! Ein hinterhältiger Betrüger ist mit Onkel! Ein Testamentfälscher!"
Der Petronier hob die Hand - seine Geduld und Toleranzschwelle für Zwischenrufe und unsachliches Gequatsche war für heute längst überschritten! Die jungen Freude des Coruncaniers pfiffen aber sofort und riefen zustimmende Worte in die Menge.
"Ruhe! Die Anklage hat das Wort!"
Es dauerte einen Moment, bis wieder Ruhe einsetzte und Lucius überlegte bereits, seine Männer in die Menge zu schicken. Dann aber war die Lautstärke wieder so niedrig, dass der Advocatus fortfahren konnte:
"Ich verwahre mich im Namen meines Mandanten gegen diese infame Unterstellung! Dieser schamlose Knabe lädt immer nur noch mehr Straftaten auf sich: Schon seit seiner Geburt war er ein selbstsüchtiger Narr: Schon als Säugling-"
Wieder hob der Petronier die Hand - diese Rede ging ihm definitiv in die falsche Richtung! Bevor er den ganzen Tag mit irgendwelchem moralsauren Geschwätz verplemperte, schritt er lieber gleich ein:
"Verschone uns mit Kindheitsgeschichten! Ich will den Sachverhalt, der hier zur Diskussion steht, und deine Beweise hören, sonst nichts!"
Der Anwalt schien beleidigt, dass man seine ausufernde Redekunst nicht schätzte - aber er gehorchte:
"Mein Mandant beklagt Coruncanius Milo wegen Diebstahls einer Arca aus seinem Atrium. Diese hatte mein Mandant von Coruncanius Vindex, dem Vater des Beklagten, per Testament geerbt. Vindex hatte sich dazu entschieden, weil sein Sohn eine derartige Enttäuschung ist, dass er nicht wollte, dass sein Vermögen-"
"Lüge! Wir hatten vielleicht die ein oder andere Meinungsverschiedenheit, aber mein Vater hätte niemals all sein Geld an diesen Pfeffersack verschenkt! Das ist das Geld, das mein Großvater, dessen Vater und dessen Vater erwirtschaftet haben: Es gehört den Coruncanii und niemandem sonst!"
schaltete sich erneut Milo ein und seine Freunde klatschten brav Beifall. Lucius hob mahnend in die Hände.
"Coruncanius, wenn du noch einmal dazwischen redest, belege ich dich mit einem Bußgeld! Die Anklage hat weiter das Wort!"
"Dass Vindex und sein Sohn Milos Verhältnis zerrüttet war, wird jeder Bürger Tusculums bestätigen können."
fuhr der Advocatus säuerlich fort.
"Darüber hinaus wurde das Testament bereits durch den ehrenwerten Praetor Urbanus in Rom selbst bestätigt!"
"Lüge! Es ist eine Beleidigung meines Vaters, ihm solche Pflichtvergessenheit gegenüber der eigenen Familie zu unterstellen!"
Wieder murrte es lautstark im Publikum, weshalb Lucius dem Centurio ein Zeichen gab, seine Männer mehr in Richtung der Anhängerschaft des Angeklagten zu schicken.
"Coruncanius Milo, ich habe dich gewarnt: Ich verhänge über dich ein Bußgeld von 50 Sesterzen!"
Pfiffe ertönten aus der Menge. Aber es ging weiter: Der Advocatus schilderte, dass Milo bereits direkt nach Testamentseröffnung dieses angefochten hatte, woraufhin der Ordo Decurionum der Stadt sich mit dem Fall befasst und das Testament für echt erklärt hatte. Gegen den Widerstand des Coruncaniers war deshalb die Arca mit dem Barvermögen des Verstorbenen in das Haus von Quinctius Sabinianus gebracht worden. Milo hatte das Testament anschließend auch in Rom angefochten, dort war das Urteil aus Tusculum aber bestätigt worden. Einige Zeit später hatte Milo schließlich seinem Onkel geschrieben, er wolle sich mit ihm versöhnen - anstatt sich aber zu einigen, verließ er die Einladung vor dem Hauptgang und nahm auf dem Weg hinaus die Truhe einfach mit. Daraufhin hatte der Onkel mehrfach gefordert, das Geld zurückzugeben - vergeblich! Schließlich hatte er seinen eigenen Neffen wegen Diebstahl verklagen müssen. Und jetzt waren sie hier.
So leicht konnte er diese Geschichte allerdings nicht erzählen: Immer wieder störte er die Ausführungen durch Zwischenrufe, denen sich seine Anhänger anschlossen. Am Ende hatte der Iudex ihm allein 250 Sesterzen an Bußgeld aufgebrummt.