Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Die Genannten traten vor: Auf der einen Seite - Coruncanius Milo - stand ein junger Mann mit rebellisch langem Haar, verwegenem Blick, aber einer modischen Toga. Er schien eine große Schar an Klienten dabei zu haben, denn als er vortrat, jubelte eine Truppe junger Burschen, die ebenso schnöselig und rebellisch aussahen. Die Gegenseite - Quinctius Sabinianus - war dagegen ein älterer Mann mit einer goldenen Halskette und schütterem Haar. Ihm war anzusehen, dass er wenig erpicht darauf war, diesen Prozess zu führen. Aber das musste er auch nicht: Er hatte nämlich einen Advocatus mitgebracht, der nun die Anklagerede hielt:

    "Verehrte Iudices, Volk von Tusculum!

    mein Freund Lucius Quinctius Sabinianus steht heute als unbescholtener Bürger hier, dem das Schlimmste geschehen ist: Seine eigene Familie hat sich gegen ihn gewandt und ihn heimtückisch hintergangen!"

    Lucius wusste, worum es ging - dieser Einstieg war wirklich absolut übertrieben, was er mit einem missmutigen Blick anzeigte.

    "Jener Coruncanius Milo hier, der Sohn seiner geliebten Schwester Quinctia Fausta, hat nicht allein seinen Onkel, der ihn stets unterstützt hatte, bestohlen, sondern damit auch den heiligen Willen seines eigenen Vaters verraten und missachtet!"

    Anklagend richtete er seinen Zeigefinger auf den jungen Burschen, der eine respektlose Geste in Richtung der Anklage machte und rief:

    "Was für ein Unsinn! Ein hinterhältiger Betrüger ist mit Onkel! Ein Testamentfälscher!"

    Der Petronier hob die Hand - seine Geduld und Toleranzschwelle für Zwischenrufe und unsachliches Gequatsche war für heute längst überschritten! Die jungen Freude des Coruncaniers pfiffen aber sofort und riefen zustimmende Worte in die Menge.

    "Ruhe! Die Anklage hat das Wort!"

    Es dauerte einen Moment, bis wieder Ruhe einsetzte und Lucius überlegte bereits, seine Männer in die Menge zu schicken. Dann aber war die Lautstärke wieder so niedrig, dass der Advocatus fortfahren konnte:

    "Ich verwahre mich im Namen meines Mandanten gegen diese infame Unterstellung! Dieser schamlose Knabe lädt immer nur noch mehr Straftaten auf sich: Schon seit seiner Geburt war er ein selbstsüchtiger Narr: Schon als Säugling-"

    Wieder hob der Petronier die Hand - diese Rede ging ihm definitiv in die falsche Richtung! Bevor er den ganzen Tag mit irgendwelchem moralsauren Geschwätz verplemperte, schritt er lieber gleich ein:

    "Verschone uns mit Kindheitsgeschichten! Ich will den Sachverhalt, der hier zur Diskussion steht, und deine Beweise hören, sonst nichts!"

    Der Anwalt schien beleidigt, dass man seine ausufernde Redekunst nicht schätzte - aber er gehorchte:

    "Mein Mandant beklagt Coruncanius Milo wegen Diebstahls einer Arca aus seinem Atrium. Diese hatte mein Mandant von Coruncanius Vindex, dem Vater des Beklagten, per Testament geerbt. Vindex hatte sich dazu entschieden, weil sein Sohn eine derartige Enttäuschung ist, dass er nicht wollte, dass sein Vermögen-"

    "Lüge! Wir hatten vielleicht die ein oder andere Meinungsverschiedenheit, aber mein Vater hätte niemals all sein Geld an diesen Pfeffersack verschenkt! Das ist das Geld, das mein Großvater, dessen Vater und dessen Vater erwirtschaftet haben: Es gehört den Coruncanii und niemandem sonst!"

    schaltete sich erneut Milo ein und seine Freunde klatschten brav Beifall. Lucius hob mahnend in die Hände.

    "Coruncanius, wenn du noch einmal dazwischen redest, belege ich dich mit einem Bußgeld! Die Anklage hat weiter das Wort!"

    "Dass Vindex und sein Sohn Milos Verhältnis zerrüttet war, wird jeder Bürger Tusculums bestätigen können."

    fuhr der Advocatus säuerlich fort.

    "Darüber hinaus wurde das Testament bereits durch den ehrenwerten Praetor Urbanus in Rom selbst bestätigt!"

    "Lüge! Es ist eine Beleidigung meines Vaters, ihm solche Pflichtvergessenheit gegenüber der eigenen Familie zu unterstellen!"

    Wieder murrte es lautstark im Publikum, weshalb Lucius dem Centurio ein Zeichen gab, seine Männer mehr in Richtung der Anhängerschaft des Angeklagten zu schicken.

    "Coruncanius Milo, ich habe dich gewarnt: Ich verhänge über dich ein Bußgeld von 50 Sesterzen!"

    Pfiffe ertönten aus der Menge. Aber es ging weiter: Der Advocatus schilderte, dass Milo bereits direkt nach Testamentseröffnung dieses angefochten hatte, woraufhin der Ordo Decurionum der Stadt sich mit dem Fall befasst und das Testament für echt erklärt hatte. Gegen den Widerstand des Coruncaniers war deshalb die Arca mit dem Barvermögen des Verstorbenen in das Haus von Quinctius Sabinianus gebracht worden. Milo hatte das Testament anschließend auch in Rom angefochten, dort war das Urteil aus Tusculum aber bestätigt worden. Einige Zeit später hatte Milo schließlich seinem Onkel geschrieben, er wolle sich mit ihm versöhnen - anstatt sich aber zu einigen, verließ er die Einladung vor dem Hauptgang und nahm auf dem Weg hinaus die Truhe einfach mit. Daraufhin hatte der Onkel mehrfach gefordert, das Geld zurückzugeben - vergeblich! Schließlich hatte er seinen eigenen Neffen wegen Diebstahl verklagen müssen. Und jetzt waren sie hier.

    So leicht konnte er diese Geschichte allerdings nicht erzählen: Immer wieder störte er die Ausführungen durch Zwischenrufe, denen sich seine Anhänger anschlossen. Am Ende hatte der Iudex ihm allein 250 Sesterzen an Bußgeld aufgebrummt.

    Der Petronier hörte sich das ganze mit wachsender Verwirrung an: Sein Cornicularius hatte bisher ordentliche Arbeit gemacht, aber sich auch nicht überarbeitet - dass der mysteriöse Fall immer noch offen war, war ein guter Beleg dafür. Dass Menecrates ihm dann aber seinen Büroleiter abspenstig gemacht hatte, ohne auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln, und diesen gleichzeitig noch mit "Disziplinarmaßnahmen" versah, war nun wirklich unlogisch.

    "Du wurdest also befördert und bestraft zugleich? Was hast du angestellt, Purgitius?"

    fragte er daher ungläubig. Die Ermittlungen waren vorerst nebensächlich...

    Der Petronier hatte mit vielem gerechnet - damit aber nicht: Der Präfekt hatte ihn tatsächlich wegen irgendeiner Auszeichnung für irgendeinen Miles einbestellt, die nach Lucius' Ansicht das Blech nicht wert waren, aus der sie gestanzt waren? Er konnte sich tatsächlich auch nicht an den Einzelfall erinnern - in der Regel nickte auch er ja nur die Empfehlungen des jeweiligen Centurio ab, der die betreffenden Personen kannte. Das galt natürlich besonders für Phalerae, die ja sogar schlicht für die Teilnahme an einzelnen Operationen vergeben wurden und daher ziemlich oft auf seinem Tisch lagen.

    "Ich kann mich an den konkreten Fall nicht erinnern."

    erklärte er daher wahrheitsgemäß und fragte sich kurz, ob Menecrates alle Auszeichnungen der Cohortes in den letzten Jahren durchgegangen war, nachdem der Fall ja schon ein ganzes Weilchen zurücklag. Ob dieser Soldat irgendwie auffällig geworden war? Aber was sollte das sein, dass dieser Fehler von Cappadocia bis nach Rom gedrungen war?


    Nach kurzem Zögern sah er sich aber doch bemüßigt, etwas zu seinen Grundsätzen zu sagen:

    "Ich habe Phalerae aber durchaus häufiger vergeben, so war es in den letzten Jahren hier auch üblich. Die Phalera ist die niedrigste Auszeichnung, die explizit auch pauschal für die bloße Teilnahme an Operationen vergeben werden kann. Wir hatten es hier so gehandhabt, dass Soldaten, die ihre Dienstzeit ohne Beanstandungen abgeleistet haben, ebenfalls beim Verlassen der Einheit damit ausgezeichnet wurden - also nicht jeder hat sie bekommen. Damit möchten wir dem neuen Kommandeur signalisieren, dass dies ein zuverlässiger Soldat ist. Der Soldat selbst bekommt einen Motivationsschub und behält uns in positiver Erinnerung, falls er eines Tages zu uns zurückkehrt, beispielsweise als Centurio.

    Auszeichnungen motivieren Soldaten und die Möglichkeit, hier nach transparenten Kriterien die Chance auf eine solche zu bekommen, hebt die Moral der Truppe. Und kann auch ein indirektes Mittel zur Disziplinierung sein. Mit Armillae, Torques und so weiter gibt es ja noch mehr als genügend Möglichkeiten, besondere Leistungen zusätzlich zu honorieren."

    Das war nicht unlogisch nach Sicht des Petroniers - da musste der Claudier schon ebenfalls Argumente bemühen! Nur weil es Kommandeure gab, die so dumm waren, überhaupt nur die Phalerae zu vergeben (besonders in der Vergangenheit), wo eigentlich Torques oder gar eine Corona angemessen gewesen wären und es damit für die meisten Soldaten unmöglich machten, überhaupt je ausgezeichnet zu werden, war das ja kein logisches Argument, es genauso zu machen!

    Der Petronier erschien wie gewohnt zur Stabsbesprechung. Er war gespannt, was der Präfekt heute für ihn hatte. Alles in allem kamen sie zwar gut miteinander zurecht, aber manchmal war ihm der Claudier aber auch zu prinzipienreiterisch - oder idealistisch...

    Sein Cornicularius war Lucius nie als besonderer Tierfreund erschienen - aber er hatte ja gesagt, dass er da jemanden kannte. Wobei es ihm ja auch egal sein konnte, woher Lurco die Informationen nahm, solange er sie bekam. Also nickte er nur kurz und wandte sich dann den übrigen Milites zu, die er dabei hatte:

    "Wir marschieren ein Stück weiter! Milites in agmen venite! Pergite!"
    Schnell machten sich die Urbaner daran, den Befehlen Folge zu leisten und traten in Kolonne an, um sich auf den Weg zu machen. Der Tribun marschierte voraus und dachte sich wieder einmal, was für ein gutes Gefühl es doch war, eine Handvoll Bewaffneter hinter sich zu haben, die auf sein Kommando hörten.


    Sie marschierten zwei Wegkreuzungen weiter - dann hieß es Warten auf den Signalton. Der Tag war ein gewöhnlicher Markttag in Rom, sodass die Straßen hier im Tal gut frequentiert waren, ohne dass es aber sonderlich laut wurde. Abgesehen von einem bellenden Hund hier und einer schimpfenden Alten da lag der ganz normale Alltagslärm über der Stadt. Nach der Einschätzung des Petroniers würden sie hier sicher die Hornsignale hören - allerdings würde eine deutlich weitere Distanz zwischen den geplanten Stationes zu bewältigen sein!

    Der Petronier blickte nur kurz von seinem Schreibtisch auf um zu kontrollieren, dass sein Cornicularius wirklich da war. Dann sortierte er seine Akten weiter und fragte währenddessen:

    "Genau. Es geht um diesen mysteriösen Ritualmord mit den Püppchen. Wie ist da der aktuelle Stand der Ermittlungen?"

    Wenn er sich recht erinnerte, hatte die Leiche einige Anzeichen gehabt, dass es sich um eine bessergestellte Person handelte. Normalerweise war dem Tribun egal, wenn sich irgendwelche Banden die Köpfe einschlugen - das hier konnte aber noch brisant werden!

    Der nächste Fall rührte den Tribun wenig an: Hier ein alter Habenichts, der sein Entlassungsgeld offensichtlich versoffen hatte und jetzt seinen Lebensunterhalt mit Stehlen bestritt. Dort ein paar eingebildete Priester, die - wie alle Priester - behaupteten, dass die Opfergaben der Gläubigen den Göttern zugute kamen, um sie dann am Abend mit nach Hause zu nehmen, sodass ihnen das bisschen Opferkuchen sicherlich nicht schadete. Immerhin sparte man sich eine lange Beweisaufnahme, denn die Sachlage war eindeutig und der Täter geständig.


    Nach einigem Nachdenken entschied sich der Petronier, das Recht ganz einfach anzuwenden, aber die Opferkuchen nicht anders zu behandeln wie irgendein Stück Brot aus einer Bäckerei - nur dass er lieber die Priesterschaft leer ausgehen ließ:

    "Im Namen des Imperator Caesar Augustus als oberstem Gerichtsherr und des Praefectus Urbi als seinem eingesetzten Iudex extraordinarius ergeht folgendes Urteil: Der Civis Gnaeus Granius Frontinus wird des Diebstahls für schuldig befunden. Das Gericht verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von 50 Sesterzen. Das Geld fällt der Staatskasse anheim."Das war vielleicht sogar eine Summe, die der Säufer irgendwo zusammenbekommen konnte.


    Damit war der letzte Fall des Tages an der Reihe, den Lucius bereits erwartet hatte: Titus Coruncanius Milo gegen Lucius Quinctius Sabinianus wegen Diebstahl.

    Sim-Off:

    Den Fall brauchen wir für den weiteren Fortgang ;)

    Lurco hob kurz die Hand um die Aufmerksamkeit seines Tribuns auf sich zu lenken.

    "Tribun ich habe einen Vorschlag zu unterbreiten. Schneller als jeder Mann und extrem zuverlässig darin, den Bestimmungsort zu erreichen ist die Brieftaube! Mit vorgefertigten Warnungen bezüglich, Feuer, Angriff oder dergleichen könnten entsprechende Tauben zu der jeweiligen Station sofort losgeschickt werden. Falls es nicht in Frage kommt, ausschließlich Brieftauben zu nutzen, sollten wir unsere möglichen Signalketten weit streuen. Das heißt, Wetter- und Situationsbedingt sollten wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Eines ist aber sicher, ob Tag oder Nacht, ob warm oder kalt, die Brieftaube wird ihr Ziel erreichen. Was sagst Du dazu?", fragte Lurco Crispus.


    "Bei Interesse hätte ich jemanden an der Hand, der verzügliche Brieftauben liefern könnte", ergänzte Lurco hilfreich.

    Der Petronier hörte sich den Vorschlag seines frischgebackenen Cornicularius aufmerksam an - der verblüffend simpel war! Da hätte er tatsächlich selbst drauf kommen können!

    "Eine ausgezeichnete Idee!"

    stellte er daher fest und nickte anerkennend. Er hatte selbst noch nie mit diesen Tieren zu tun gehabt, wusste aber von seiner Subpräfektur in Alexandria, dass die Viecher vor allem für Langstrecken-Nachrichtenübermittlung eingesetzt wurden. Ob sie auch auf Kurzstrecke jederzeit direkt zum Ziel flogen, wusste er nicht - was hier aber natürlich entscheidend war!

    "Finde heraus, wie schnell Tauben auf Kurzstrecke arbeiten. Sobald wir hier mit den Alternativen fertig sind natürlich."


    Damit war das Thema vorerst vom Tisch - vorerst! Er blickte zu dem Cornicen, der irgendwie ein bisschen komisch guckte... vielleicht musste er kacken. Das musste er sich aber noch ein Weilchen verkneifen:

    "Als nächstes fangen wir aber mit den akustischen Signalen an. Du da, geh' zusammen mit dem Cornicularius da drüben ins Haus! Sucht euch irgendein Fenster hier in diese Richtung. Dann blasen, bis ich wiederkomme und 'Stop' sage!"
    Dass sie dafür die Besitzer der zugehörigen Wohnung "überzeugen" mussten, verstand sich von selbst - aber sie waren immerhin Soldaten Roms!

    Besonders misstrauisch war Lucius gegenüber den Löwen - ihr Anblick erinnerte ihn an die lange Narbe an seinem linken Arm und die Empfindlichkeit, die es ihm bis heute erschwerte, einen Schild zu führen. Die Verletzung hatte ein Löwe bei der Jagd nahe Alexandria ihm geschlagen. Aber eigentlich ging die potentielle Bedrohung natürlich von den Zuschauern aus, die sich drängten und von den Galli anpumpen ließen. Immer wieder ging der Blick des Tribuns durch die Reihen.


    Endlich sah er eine Schar junger Männer mit fremdländischem Aussehen, die feindselig auf die Götterstatue starrten und die Köpfe zusammensteckten. Sofort gab er seinem Cornicularius ein Zeichen und deutete auf das Grüppchen - die Jungs sollten zumindest einmal kontrolliert werden! Sie sollten wissen, dass die Sicherheitskräfte Roms ein Auge auf sie hatten...

    Der Praefectus Urbi hatte Tribun Petronius beauftragt herauszufinden, mit welchen Signalformen man am besten Warnungen durch die Stadt transportieren konnte - sowohl bei Tag, als auch bei Nacht. Für Lucius war klar: Das ließ sich nur durch rationale Vorgehensweise klären. Er hatte zunächst eine ganze Weile nachgedacht, hatte sich Abhandlungen des Vitruvius über die Akustik von Amphitheatern besorgt und sich das Hirn zermartert, wie man am besten vorging, um die theoretischen Überlegungen zum kugelförmig ausbreitenden Schall, über verstärkende Klangkörper und anderes auf die Signalweitergabe in einer Stadt anzuwenden. Am Ende war er zu dem Ergebnis gekommen: Er musste es empirisch versuchen!


    Also hatte sich einen Trupp Soldaten zusammengetrommelt, hatte sich Cornus, Tubae und weitere Militärmusikinstrumente eingepackt und sich in ein belebtes Viertel Roms aufgemacht. Außerdem hatte er noch Material für eine visuelle Signalweitergabe (lange Stangen als Masten mit Wimpeln) eingepackt. So marschierten sie bis zu einer Wegkreuzung im "Tal" zwischen Esquilin und Quirinal, wo der Tribun die Truppe halten ließ.

    "Also, Männer: Ich habe euch schon gesagt, dass wir heute einen Spezialauftrag haben: Der Präfekt will die Station in der Subura wiederaufbauen und wir möchten eine Signalkette, dass wir beim nächsten Mal Verstärkung herbeiholen können, bevor die ansässigen Banden das Ding wieder niederbrennen! Wir sollen heute herausfinden, was die beste Lösung ist!

    Wir versuchen es zunächst mit akustischen Signalen. Es ist logisch, dass wir diese weiter hören, von je höher sie erfolgen. Zwei Mann gehen also mit den Blasinstrumenten hier rein und bis ins oberste Stockwerk. Von einem Fenster aus geben sie dann in regelmäßigen Abständen Signale. Der Rest marschiert mit mir immer weiter, bis wir das Signal nicht mehr hören. Wir werden dabei einmal bei normalem Lärm lauschen und einmal mit Geschrei, wie wir es beispielsweise bei einem Kampf haben."

    Er deutete auf eine Insula mit fünf Stockwerken.

    "Du und du - ihr macht den Signaltrupp. Verschafft euch einfach Zugang zu irgendeiner Wohnung auf dieser Seite der Fassade!"
    Natürlich hatte Lucius sich einen geeigneten Ort ausgesucht, der von den Straßenzügen und Gebäudehöhen in etwa zu dem passte, was man in der Subura vorfand. Das Ergebnis würde also hoffentlich übertragbar sein...

    Sein neuer Cornicularius wiederholte seine Anweisungen in eigenen Worten - früher hätte Lucius das für Zeitverschwendung gehalten, doch er hatte gelernt, dass das eine gute Möglichkeit war, um zu kontrollieren, dass der Untergebene den Befehl verstanden hatte. Also nickte er nur.


    ""Du kannst deine laufenden Aufgaben noch zu Ende führen, soweit sie nicht deine Verpflichtungen auf deinem neuen Posten behindern. Neue Aufgaben übernimmst du nur noch von mir - du bist quasi aus der Arbeitsstruktur deiner Centuria ausgegliedert."
    Normalerweise ging es im Officium des Tribuns nicht um einzelne Ermittlungen - höchstens, wenn der Petronier hier ein besonderes Interesse hatte.

    "Als mein Büroleiter darfst du auf die Scribae und Actuarii zugreifen. Für mich sind zwei Scribae gesondert zugeordnet, sonst gibt es auch noch Schreibstuben in der Principia, auf die bedarfsweise zugegriffen werden kann."
    Soweit zur Organisation.

    "Du sitzt wie gesagt in meinem Vorzimmer - hast du weitere Fragen?"

    Tribun Petronius Crispus führte heute das Kommando bei der Sicherung der Prozession. Er bildete deshalb hoch zu Ross und mit Parade-Uniform die Nachhut und ritt hinter der eigentlichen Prozession her. Seine Männer hatten dafür gesorgt, dass die Wegstrecke von Schaulustigen und Zivilisten frei war und sicherten sie mit einer Postenkette in regelmäßigen Abständen. Die Megalesia erinnerten Lucius immer an seine Zeit in Alexandria, wo er bei der Classis teils ganz ähnliche Veranstaltungen hatte sichern müssen - und die Kulte auch stärker in diese Richtung gingen als die Altrömischen. Zwar war es dem Petronier im Prinzip egal, ob seriöse ältere Herren in Toga und mit finsterem Blick ein immer gleiches Programm abspulten oder tanzende Eunuchen in Frauenkleidern das machten - am Ende war alles Humbug! Aber immerhin war die heutige Veranstaltung ein wenig anders als die anderen und die Vorstellung, dass manche Leute so dumm waren, dass sie sich ihre Eier abschnitten, weil sie so traurig waren, dass eine eingebildete Gestalt, für die es keinerlei Beweise gab, vor Jahrtausenden gestorben war, war wirklich so lächerlich, dass er darüber sogar lachen konnte!


    Mit diesen Gedanken, dazwischen aber immer wieder mit Blick auf die Abläufe und seine Männer am Straßenrand, ritt der Tribun also hinter dem Zug her.

    "Du kannst es mir zeigen, wenn du deine Ermittlungen abgeschlossen hast, genau."

    bestätigte der Tribun, der noch immer nicht so recht verstand, was die Fallakte von einem stinknormalen Bericht unterschied bzw. wo der Vorteil war - als Ermittler war es doch sowieso sehr sinnvoll, alle Details der bisherigen Ermittlungen zu kennen, da erschien ihm eine Zusammenfassung zwar nett, aber nicht unbedingt erforderlich...


    Damit war diese Sache vorerst erledigt. Dann zur nächsten Frage:

    "Kommen wir zu deinen regulären Aufgaben als mein Cornicularius: Du leitest meinen persönlichen Stab und sitzt in meinem Vorzimmer. Das heißt: Alle Anliegen an mich gehen über deinen Schreibtisch! Du wimmelst ab oder entscheidest vor, was nicht so wichtig ist, dass ich mich selbst darum kümmern muss. Und wenn Entscheidungen zu fällen sind, suchst du die relevanten Informationen zusammen und bereitest sie mir übersichtlich auf - im Prinzip so ähnlich wie deine Fallakte."

    Dafür hatte man immerhin einen Stab!

    "Sonst brauche ich dich hier und da für Sonderaufgaben und Spezialaufträge. Da werde ich aber immer direkt auf dich zukommen."

    Lucius hielt sich für einen hervorragenden Analytiker und maximal rationalen Menschen - insofern hatte er wenig Verständnis dafür, wenn andere Leute seiner Meinung nicht zustimmten! Aber er wusste auch, wo sein Platz war, deshalb zuckte er mit den Schultern. War ja nicht sein Problem, wenn die CU in der Subura aufeinandersaß und eine halbe Kohorte in die ohnehin engen Wohnverhältnisse quetschte!


    Er konnte sich zunächst einmal überlegen, mit welcher Experimenten-Reihe er ein perfektes Signal fand!

    "Dann mache ich mich an die Arbeit."

    bestätigte er.

    Der Claudier war ein alter Haudegen, umso mehr verwunderte den Petronier der Anspruch, mit dem er auftrat - es war ja nicht so, dass Lucius es gut fand, dass der Pöbel der Subura seine eigenen Regeln machte! Aber seiner Erfahrung nach hatte der Staat einfach nicht die Möglichkeit, seine Gesetze durchzusetzen, wenn man nicht einmal genau wusste, wer wo wohnte und viele Gebäude nicht einmal so weit kontrolliert werden konnten, dass es nicht ständig zu Bränden, Einstürzen etc. kam! Dass der Staat trotz seines beeindruckenden Militärapparats nicht fähig war, in den Alltag der Bürger "hineinzuregieren", sondern höchstens symbolisch hier und da Exempel zu statuieren, war ein strukturelles Problem - oder eben eine ökonomische Entscheidung, denn man beschränkte sich eben auf das, was wirklich etwas brachte: Steuern (wo es etwas zu holen gab), vielleicht noch Kapitalstrafen. Daran würden ein paar hundert Mann nichts ändern - zumindest glaubte das der Tribun und da er sehr von sich eingenommen war, hielt es es auch nicht für möglich, dass er sich irrte.

    "Wenn uns das gelingt, soll es mir recht sein."

    brummte er daher wortkarg und fügte gedanklich hinzu: Die Wahrscheinlichkeit ist aber gering.


    Da er aber schon einmal froh war, dass sich Menecrates von seinem "Kuschelkurs" abgewandt hatte, beschloss er, sich mit der Lage zufrieden zu geben. Wenn das ganze nichts brachte, hatte er es zumindest vorausgesehen und die Verantwortung würde der Stadtpräfekt tragen müssen! Was man nicht ändern konnte, musste man lassen - also weiter zum Operativen, das der Claudier scheinbar auch schon entschieden hatte:

    "Drei größere Stützpunkte finde ich gut. Wie gesagt würde ich dann aber überlegen, ob zusätzlich noch drei Stationen á 160 Mann allein für die Subura erforderlich sind. Sicherlich ist die eine Station angegriffen worden, aber wenn die Verstärkung schneller zu bekommen ist, wäre es rationaler, die Stationen weiter zu verbreiten und beispielsweise am Aventin und in Transtiberim auch jeweils eine Station zu machen. Meinetwegen plus kleine Posten, die ähnlich wie die Limes-Türme eher der Alarmkette als der aktiven Abwehr dienen."

    Für das Signalsystem war er also verantwortlich - gut, das war im Prinzip ein spannendes physikalisches Experimentierfeld!

    "Ich werde prüfen, welche Distanzen wir mit welchen Mitteln zurücklegen können. Öllampen halte ich für kritisch, die sind nun wirklich sehr klein und daher leicht mit anderen Lichtern in umliegenden Insulae oder so zu verwechseln. Im Zweifelsfall wäre eine Art Meldersystem sicher effektiv - beispielsweise, wenn man Zivilisten in der Nähe vorhält, die im Bedarfsfall loslaufen und Verstärkung holen."

    "Das heißt, du leitest verantwortlich die Ermittlungen in einem Fall, und die anderen Soldaten Arbeiten dir zu? Ich dachte immer, dass das der Centurio macht."

    Lucius hatte nie als einfacher Soldat gedient und als Tribun hatten ihm immer die Centurionen Bericht erstattet - wer das intern mit welcher Verantwortung bearbeitete, wusste er nicht.

    "Mir ist noch nicht ganz klar, welcher Regelungsbedarf besteht – wenn ich dich richtig verstehe, soll diese Fallakte im Prinzip eine Notiz sein, die bei Bedarf an andere Ermittler weitergegeben wird. Je nach Fall wird sowieso jeder so eine Zusammenstellung anlegen, in anderen Fällen hat der Ermittler alle Fakten sowieso im Kopf. Wenn die Akte am Ende vernichtet wird, ist sowieso die Frage, wer von dieser Akte profitiert außer der Ermittler."

    Nachdem es scheinbar nicht um eine Art Archiv ging, war dem Tribun jetzt wirklich nicht mehr ganz klar, was Lurco vorschreiben wollte. Einen Soldaten zu zwingen, in jedem Fall einen offiziellen Notizzettel zu führen, erschien ihm jedenfalls nicht unbedingt sinnvoll...

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    Manius Purgitius Lurco


    MIT WIRKUNG VOM
    KAL APR DCCCLXXI A.U.C. (1.4.2021/118 n.Chr.).


    ZUM
    CORNICULARIUS TRIBUNI - COHORTES URBANAE


    LUCIUS PETRONIUS CRISPUS

    cu-tribunuscohortisurbanae.png

    Der Tribun verstand nicht.

    "Ich verstehe nicht ganz, wo genau diese Fallakte geführt werden soll, von der du sprichst: Ich nehme an, dass nicht wenige Fälle von mehreren Milites bearbeitet werden und man sich die Befragung von Zeugen, die Begutachtung der Tatorte und so weiter aufteilt. Wo sollten die Informationen zusammenlaufen, wenn nicht beim Vorgesetzten? Und was genau meinst du mit "aktuell halten"? Dass man die Informationen auf Wachstafeln hält und Informationen, die veraltet sind, wieder herauslöscht?"

    Eine Akte musste ja einen physischen Ort haben, wo der oder die Ermittler sie einsehen konnten. Natürlich konnte man das auch im Archiv in der Principia machen, aber der Petronier bezweifelte, dass die Akten dort leichter zugänglich sein würden als im Geschäftszimmer der jeweiligen Centuria...

    "Bei einer Akte, die offen zugänglich ist, besteht auch immer die Gefahr, dass inkompetente Milites Berichte oder ähnliches mitnehmen und vergessen zurückzulegen, dass vielleicht vermeintlich veraltete Informationen gelöscht werden und sich dann herausstellt, dass man sie doch noch gebraucht hätte und so weiter."

    So recht überzeugt war er nicht...

    Sim-Off:

    Ich ernenne dich jetzt mal zu meinem Cornicularius! Wir können hier ja trotzdem inhaltlich weitermachen...