Der Marsch verlief ruhig. Wie auf dem Hinweg marschierten sie einfach die Via Latina entlang, die gut ausgebaut und trocken war. Links und rechts zeigten sich die Hügel der Albaner Berge, dank derer viele römische Aristokraten hier ihre Landhäuser gebaut hatten. Hier und da präsentierten sie sich in einiger Distanz zur Straße stolz an den Berghängen.
Lucius hatte natürlich wenig Augen dafür. Erst als die Aqua Marcia in Sicht kam, war sein Interesse geweckt: Die Wasserleitung gehörte zu den größten, die Rom mit Trinkwasser versorgten. An dieser Stelle lief sie auf einem Aquaedukt entlang - mit die spannendsten Bauwerke, die es gab: Über Meilen hinweg transportierten sie Wasser allein durch ein minimales Gefälle, das der Petronier selbst bei der ganzen Breite über das Tal nicht erkennen konnte. Es lag, wenn er sich recht erinnerte, bei etwa drei Fuß pro Stadion - er schätzte, dass er etwa eine Meile vor sich sah, also waren es hier insgesamt vielleicht 24 Fuß...
Gemächlich kamen sie dem gewaltigen Bauwerk näher, das aus mehreren Reihen von Rundbögen übereinander bestand. Gerade überlegte der Tribun, wie viel Wasser wohl in der Zeit, die sie brauchten, um drunter hindurchzugehen, über sie hinwegströmte, als er jäh aus seinen Gedanken gerissen wurde: Im "1. Stock", dem Bogen direkt über dem, der die Straße überbrückte, erschien plötzlich eine Person. Es dauerte einen Moment, bis der Petronier ihn erkannte - es war Coruncianus Milo! Das Bürschchen trug eine Jagdmontur und am Gürtel ein reicht verziertes Schwert. Die Fäuste frech in die Seiten gestemmt rief er:
"Anhalten!"
Tatsächlich zügelte der Tribun sein Pferd - nicht, weil er dem Kerl gehorchen wollte, sondern weil er wissen wollte, was hier vor sich ging!
"Was willst du, Coruncianus? Willst du uns noch ein Gnadengesuch für den Praefectus Urbi mitgeben?"
rief er zurück, obwohl er natürlich ahnte, dass dies nicht der Grund war.
Milo fand das nicht witzig:
"Ich will mein Erbe zurück! Sofort!"
In diesem Moment kam eine ganze Schar Bewaffneter hinter den Pfeilern des Aquaedukts hervor. Lucius musste zugeben, dass sie es geschickt gemacht hatten: Entlang der großen Verkehrsadern sorgte die Cura Viarum dafür, dass keine Bäume und Sträucher allzu nahe an die Fahrbahn kamen, damit sich Wegelagerer und anderes Gesinde nicht verstecken konnten. An einem Aquädukt war das natürlich nicht möglich!
Der Tribun zählte 29 Mann, weitgehend leicht bewaffnet: Einige hatten Schwerter und Rundschilde, einige Jagdspieße, ein paar trugen altertümliche Helme (wahrscheinlich Erbstücke ihrer Großväter, die noch Militärdienst geleistet hatten), fast alle hatten ihre Gesichter vermummt. Trotzdem glaubte der Petronier, einige Anhänger des Coruncianers aus dem Publikum am Vortag zu erkennen.
"Milites in aciem venite!"
rief der Centurio, um seine Männer kampfbereit zu machen. Im Prinzip waren das keine Gegner für seine Männer, die immerhin trainierte Vollzeit-Soldaten waren. Andererseits konnte Lucius schwer einschätzen, wie gut ihre Feinde waren - die Coruncianii waren ein altehrwürdiges Rittergeschlecht und diese Burschen hier waren sicherlich Klienten und Freunde, von denen vielleicht auch der ein oder andere ein Veteran war... außerdem waren sie zahlenmäßig überlegen, zumal von seinen zwei Contubernia einige etwas ramponiert waren und sie auch noch diesen Riesen von Bactus in Schach halten mussten... - es war auf jeden Fall eine ernste Situation!
"Mach dich nicht unglücklich, Coruncianus! Du wirst dich und deine Freunde hier noch zu Tode bringen!"
versuchte Lucius daher auf Einschüchterung zu setzen. Dieser Milo war ein junger Hitzkopf, das war klar - vielleicht war er zur Vernunft zu bringen, bevor sie einen Kampf riskierten!
"Du solltest dich nicht unglücklich machen! Ich habe dich gewarnt: Niemand beleidigt einen Coruncianus ungestraft! Ich gebe dir eine letzte Chance: Gib mein Erbe heraus und dir und deinen Männern wird nichts geschehen!"
Es hatte scheinbar nicht funktioniert.
Natürlich dachte der Petronier nicht daran, sich von diesem Schnösel unterbuttern zu lassen. Als Antwort zog er seine Spatha und reckte sie in die Luft.
"Das war eine sehr unkluge Entscheidung, Coruncianus: Du wirst mit dem Leben dafür bezahlen: Heute oder irgendwann in der Arena!"
Das Pferd des Tribuns scheute, als die Angreifer vorsichtig näher kamen. Lucius sah es als Bestätigung, dass sie keine Profis waren. Die äußersten liefen aber schon etwas schneller - scheinbar versuchten sie, seinen Trupp einzukesseln...