Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Beinahe hätte Varenus sich auf seine Hand gesetzt - was machte dieser Trottel denn da? Scheinbar machte er sich einen Spaß daraus, anderen Leuten auf die Nerven zu gehen - das würde ja heiter werden, wenn sie zusammenarbeiteten! Aber das war gerade egal - wichtiger war, was er jetzt unternehmen sollte: Normalerweise sagte er zu einem Freigetränk natürlich nie Nein, aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sein seltsamer Kontaktmann abdrehte, wenn er Lucius mit einer weiteren Person zusammen am Tisch sah? Naja, eigentlich konnte er ja nicht erwarten, dass der junge Petronier alles freihielt - die Wahrscheinlichkeit, dass man in so einem Etablissement mit einem völlig Fremden zusammentraf, war ja nicht gering! Außerdem waren im Grunde alle Tische besetzt - bis auf einen hinten im Eck...
    Wenn er nun aber diesen Kerl verärgerte, war das natürlich auch nicht gerade gewinnbringend - immerhin sollte er ja mit ihm zusammenarbeiten!


    Letztlich musste er also Wahrscheinlichkeiten abschätzen - nur leider mit ziemlich vielen Unbekannten! Schließlich kam ihm aber doch der rettende Gedanke: Es ging hier eigentlich nicht um ihn, sondern um den Alten. Und wenn man recht bedachte, mochte Lucius seinen Vater sowieso nicht sonderlich - das Risiko, ihn zu schädigen, weil der Typ abdrehte, war also wahrscheinlich nur mittelbar gefährlich, während Varenus' Verärgerung sehr viel unmittelbarer war!


    Trotzdem beschloss der junge Petronier, den Kerl möglichst knapp abzuspeisen und zu versuchen, ihn loszuwerden.
    "Gut! Aber ich habe wirklich ein wirklich wichtiges Treffen, das jederzeit kommt!"
    erklärte er deshalb mit Nachdruck. Vielleicht kapierte der Typ ja, was er hier anrichtete!

    Zuerst schien es so, als wäre sein Vorschlag ungehört verklungen - der alte Decimer redete auch fleißig grundsätzlich dagegen, die Patrizier auszunehmen. Allerdings war Lucius schnell klar, dass der Einwand nicht ganz logisch war, denn nur weil man eine bestimmte Gruppe für einen Antrag gewann, hieß das ja nicht automatisch, dass die anderen grundsätzlich dagegen stimmten - außer natürlich, man privilegierte die eine Gruppe zu krass! Da er aber leider nicht so genau wusste, wie hoch Steuersätze im Allgemeinen überhaupt waren und was für Summen die verschiedenen Senatorengruppen zahlten, konnte er auch nichts weiter beitragen - es gab aber auf jeden Fall viele Variablen zu beachten!


    Umso erstaunter war er aber, als Varenus dann doch seinen Einwand lobte und sogar vorschlug, dass er selbst an der Berechnung mitarbeitete - prinzipiell eine hochinteressante Aufgabe, selbst wenn Lucius nicht sicher war, ob er mit dem alten Fuchs zusammenarbeiten wollte. Aber nachdem Lepidus ihn gern abgab, beschloss er, dass es doch eine interessante Möglichkeit war, seine Fähigkeiten zu präsentieren.
    "Ja, sehr gern!"
    erklärte er deshalb und machte sich gleich daran zu überlegen, was man alles berücksichtigen musste: Erstens brauchte man natürlich das Steueraufkommen der einzelnen Senatoren - oder war das zu aufwändig? Auf jeden Fall die Zahl derer, die mehr als fünf Grundstücke besaßen und die Zahl ihrer Grundstücke. Dann musste man natürlich fragen, worauf die 30% gegeben wurden - auf den Wert wie bei der aktuellen Vermögenssteuer? Oder auf den Ertrag, der natürlich weitaus geringer ausfiel? Und das Steueraufkommen der Patrizier natürlich - wie viele gab es überhaupt? Lucius musste feststellen, dass er doch ziemlich wenig Bescheid wusste über die gesellschaftliche Struktur Roms... er hatte noch nicht einmal richtig Notiz davon genommen, dass es unter den Senatoren heute noch so große Unterschiede gab...
    Die weitere Diskussion bekam er kaum mit

    Als Varenus eintrat, war Lucius überrascht, ein bekanntes Gesicht zu sehen - doch tendierte die Wahrscheinlichkeit wohl gegen Nichts, dass der Alte sein Mann war - er kannte den alten Petronier ja wahrscheinlich nicht einmal und er hatte auch noch nie von Kontakten des Decimers nach Mogontiacum gehört, wo der Alte ja momentan saß... vermutlich.


    Umso erstaunter war er, als Varenus auch noch direkt auf ihn zu kam und ihn ansprach - sein Kontaktmann würde das sicherlich nicht gut finden! Denn das hier legte ja doch den Schluss nahe, dass er das offensichtlich wichtigste Axiom, unter dem all das hier stattfand - nämlich die Geheimhaltung - missachtet hatte!
    "Jaja, ich bin verabredet. Mit mehreren, deshalb ist der ganze Tisch besetzt!"
    erklärte er deshalb knapp und legte seine Hand auf den Platz neben sich, damit dem Decimer auch wirklich klar wurde, dass er sich verpissen sollte.

    Wie der anonyme Brief es von ihm verlangt hatte, erschien Lucius zur zehnten Stunde in der Taverna Apicia. Längere Zeit hatte er hin- und herüberlegt, ob es nicht gefährlich sein konnte, aber letztlich hatte die Neugier gesiegt. Allerdings hatte er sich gut vorbereitet: Er trug eine Toga, unter der er Pythagoras, sein Gladius, versteckt hatte. Außerdem war Armin mitgekommen, verkleidet mit einem Mantel und an einem anderen Tisch postiert. Auch er hatte einen Faustdolch dabei und außerdem den Auftrag, ihm unter allen Umständen zu folgen.


    So fühlte der junge Petronier sich zumindest halbwegs sicher, während er allein an einem Tisch saß und immer gespannt aufblickte, wenn die Tür sich öffnete. Wer wollte hier nur etwas von ihm? Und was beim Pluto war nur mit seinem Vater?

    Armin nahm die Tabula entgegen und ahnte nicht, worum es ging - er gab sie einfach seinem Herrn weiter. Als dieser den Text gelesen hatte, stutzte er erst einmal. Dann sah er den Text noch einmal an, ob es einen Absender gab - nichts!
    "Armin, wer hat den Brief denn überbracht?"
    fragte er dann, doch der Sklave zuckte nur mit den Schultern.
    "Irgend so'n Typ, 'n Sklave, würde ich tippen!"
    Ein Sklave, der sich mit ihm treffen wollte? Wegen seinem Vater? Und was sollte diese wolkige Ankündigung "etwas bevorstehen"? Und die Geheimhaltung?
    Es klang ja fast so, als ginge es um etwas Illegales! Dann war es natürlich auch gefährlich - aber andererseits war es völlig unlogisch, dass man ihm ausgerechnet in einer gut besuchten Taverne auflauern wollte!
    "Sieh' nach, ob du ihn noch erwischt! Ich will wissen, wer das war!"
    befahl er plötzlich Armin, der ihn zuerst ansah wie eine Kutsche, dann aber erkannte, dass sein Herr es ernst meinte. Mit einem Seufzen stand er auf und ging zur Tür.
    "Mach hinne!"
    ergänzte der junge Petronier gereizt, woraufhin der Sklave tatsächlich die Tür aufriss und hinausrannte. Kurz darauf kam er aber wieder.
    "Hab' ihn nicht mehr erwischt!"
    Verdammt! Aber wer rechnete schon mit so etwas?

    Anfangs hatte Lucius den Eindruck, dass die beiden ein kleines Problem miteinander hatten, so intensiv wie sie sich gegenseitig belauerten - kein Wunder, denn der Decimer nahm den Mund nicht nur gegenüber einem Scriba, sondern auch gegenüber einem Quaestor ziemlich voll! Dann kamen sie aber plötzlich zu einem Thema, mit dem der junge Petronier nicht gerechnet hatte: Steuern! Und da waren sie wieder ziemlich schnell beieinander und planten und diskutierten - höchst interessant!
    Hier konnte man tatsächlich etwas über Politik lernen - und zwar jenseits der kommunalen Borniertheit seiner Heimatstadt, wo der Alte sich vom selbstbewussten Ideengeber zum Speichellecker seines sogenannten Schwagers Duccius entwickelt hatte! Mehrheitsbeschaffung, Umschmeicheln des Kaisers - hier musste er auf jeden Fall aufpassen!


    Der Vorschlag seines Patrons, die Patrizier mit ins Boot zu holen, klang dabei besonders geschickt, selbst wenn es sicherlich eine ziemliche Milchmädchenrechnung war, denn wer besaß schon mehr als fünf Grundstücke? Und wie viele Patrizier gab es? Gefühlt jedenfalls eine ganze Menge...
    "Mit den Steuerunterlagen ließe sich relativ leicht berechnen, wie hoch der Steuersatz ausfallen müsste, um die Vermögenssteuer der Patrizier zu kompensieren."
    brachte er schließlich seine mathematische Expertise ein - immerhin wollte er ja, dass sein Patron wusste, dass er mehr drauf hatte als das Abschreiben von Texten und Botengänge!

    Lucius war schon versucht zu sagen: "Nein, darfst du nicht!" - immerhin war hier ja auch ein klein wenig Erpressung im Spiel, was strafrechtlich nicht unbedingt erlaubt war. Aber er wusste natürlich, dass er sich damit umso mehr verdächtig machte, weshalb er antwortete, bevor Istorius sich verplappern konnte:
    "Istorius hier möchte mir seine Bäckerei verkaufen - nicht wahr, Istorius?"
    Der Bäcker presste die Lippen zusammen und nickte, ehe sie auch schon an der richtigen Tür angekommen waren, wo der Decurio sie offensichtlich wieder verlassen wollte - umso besser, dann stellte er keine weiteren dummen Fragen!


    "Eques Lucius Petronius Crispus, wünscht die Beglaubigung eines Betriebsverkaufs durch den Aedil!"
    übernahm Armin direkt die Anmeldung.

    Zitat

    Original von Lucius Petronius Crispus
    "Äh... gehen wir."
    Hier musste er vorerst kapitulieren, der alte Fuchs schien nicht dumm und sein Hinweis auf die Macht ddr Sesterzen ließ es logisch erscheinen, sich nicht unüberlegt mit ihm anzulegen...


    Damit marschierte Lucius los.

    Lucius schwieg den ganzen Weg zum Officium seines Patrons und dachte darüber nach, was der Decimer ihm gesagt hatte - mehr und mehr hatte er nämlich den Eindruck, dass seine Erklärungen gar nicht soo abwegig waren...


    Schließlich kamen sie aber an und der junge Petronier klopfte, trat ein und verkündete:
    "Der Primicerius Decimus. Er hatte deinen Termin vergessen, Domine."

    Istorius Hispo schien gewusst zu haben, dass der Typ, den sie da ansprachen, kein Scriba gewesen war, denn er grinste wegen des tadelnden Untertons in der Stimme des Asiniers. Lucius dagegen war einfach verwundert, wieso der Typ dann herumlief wie ein einfacher Angestellter - selbst in Mogontiacum trugen die Decurionen in der Curia normalerweise immer die Toga oder Vergleichbares!


    Naja, egal - so oder so war ein Decurio sicherlich ein nützlicher Kontakt, zu dem es sich vielleicht langfristig lohnte nett zu sein:
    "Ich bin Lucius Petronius Crispus, Decurio des Municipium Mogontiacum. Und das hier ist Istorius Hispo, ein Bäcker von hier."
    Arminius musste er natürlich nicht vorstellen - sein Sklave war einen halben Kopf größer als er und blond, da konnte man wahrscheinlich erraten, dass er ein germanischer Sklave war!
    "Mir ist es generell egal, welcher Aedil den Verkauf beglaubigt, solange es einer tut."
    Der junge Petronier zwang sich zu einem Lächeln, das allerdings eher bitter als süß gelang - Verstellung war irgendwie nicht recht seine Stärke.

    Am vierten Tag seines Aufenthalts schaffte es Lucius endlich auch einmal in die Curia. Eigentlich hätte er ja schon vor zwei Tagen wieder nach Rom zurückkehren wollen, aber es hatte sich ein kleines Geschäft ergeben, das ihn zu dieser Urlaubsverlängerung inspiriert hatte. Deshalb war auch Istorius Hispo mit ihm in die Curia gekommen, den er unfreiwillig am ersten Tag seines Ostia-Besuchs kennengelernt hatte. Der Mann war Bäcker, hatte sich aber stark verschuldet und im Suff dem jungen Petronier sein Leid geklagt - womit er eindeutig an den Falschen geraten war. Denn Lucius hatte die Schwäche des Mannes sofort ausgenutzt und ihn erpresst - entweder er verkaufte seine Bäckerei oder seine Frau würde von seinen Spielschulden erfahren! Die Entscheidung des Istoriers ließ sich daran ablesen, dass er nun mit dem jungen Schnösel in der Empfangshalle stand und Armin nach dem Aedil fragte:
    "Wir möchten einen Betriebsverkauf beurkunden lassen. Wo finden wir den Aedil?"
    fragte er irgendeinen der vorbeilaufenden Scribae.

    Die Antwort ließ Lucius stutzen - der Alte hatte ihm immer eingebläut, dass die Gesellschaftspyramide nicht zu hinterfragen war: Normale Bürger mussten Decuriones mit Respekt begegnen, mehr noch Equites und gegen Senatoren und ihre Söhne hatte man geradezu unterwürfig aufzutreten. Sicher hatte er mehr als einmal erzählt, wie irgendein senatorischer Tribun sich als völlig inkompetent erwiesen hatte - trotzdem war er immer ganz andächtig geworden, wenn er von irgendeinem Legaten oder auch nur seinem ehemaligen Patron, diesem Vitamalacus geredet hatte. Aber was dieser Typ vor ihm sagte, war auch nicht ganz von der Hand zu weisen: Aus welchem Grund respektierte man den dummen Schnösel, der zufällig das Glück hatte der Sprössling eines Senators zu sein mehr als einen fleißigen Plebejer, der im Dienst für den Kaiser alt und grau geworden war? Sicherlich kümmerte sein Patron sich um Diplomatie - odwer vielmehr um den Kontakt mit den eigentlichen Diplomaten - aber war Geld nicht deutlich wichtiger?
    "Äh-"
    war deshalb wieder einmal das einzig, was er dazu sagen konnte. Aber auch wenn der Gedanke irgendwie attraktiv war, musste er das Ganze rational betrachten - es musste einen logischen Grund geben, warum Senatoren alle wirklich wichtigen Posten besetzten! Nur fiel ihm diesser momentan nicht ein... Das war schon wieder so viel Neues - er musste irgendwann einmal in Ruhe darüber nachdenken. Also klappte er seinen Mund wieder zu, wirkte kurz unschlüssig und sagte dann
    "Äh... gehen wir."
    Hier musste er vorerst kapitulieren, der alte Fuchs schien nicht dumm und sein Hinweis auf die Macht der Sesterzen ließ es logisch erscheinen, sich nicht unüberlegt mit ihm anzulegen...

    Das hatte Lucius nicht gewusst - aber er konnte sich schon vorstellen, dass Transtiberim nicht gerade zu den besten Wohngegenden zählte, so viele Ausländer wie allein in seiner Insula wohnten... ganz zu schweigen von der Nutte in seiner direkten Nachbarschaft! Also nickte er nur stumm und nahm sich vor, sich zu informieren.


    Dafür schien der Helvetier zumindest einigermaßen beeindruckt von seinem Vater - also ging er lieber darauf ein bisschen genauer ein:
    "Das Landgut bebaut er nicht selbst, sondern hat es verpachtet. Was die Coloni dort anbauen, weiß ich im Moment nicht, aber wir bekommen Geld dafür. Die Geschäfte macht er vor allem mit einem großen Steinbruch in Vicus Novus und dem Verlag von Stoffen und Kleidung: Er kauft Wolle ein, gibt sie an Weber und Näher im Umland von Mogontiacum und die stellen für ihn Tunicae und anderes her. Vor allem beliefert er die Legion in der Stadt!


    Außerdem entstehen in dem Steinbruch auch Statuen und sowas - neulich habe ich sogar eine Lieferung direkt nach Ostia vermittelt!"
    Das letzte war ein bisschen... naja, zumindest eine recht freie Interpretation der Geschehnisse - aber hier fühlte der junge Petronier sich sicher, denn wie sollte sein Gegenüber die Aussage falsifizieren?

    Zitat

    Original von Titus Decimus Varenus
    Oh, stimmt. Er hatte tatsächlich den Termin versäumt. Passierte ihm bisher nie. Sagte wohl alles aus, was er von diesem Termin hielt.
    "Hatte ich? Passiert! Die Geschäfte hier in der kaiserlichen Finanzabteilung sind äußerst wichtig. Es müssen Prioritäten gesetzt werden. Und da ich ein Termin mit dem Queastor anberaumt habe und nicht er. Wird er damit leben müssen, warten zu müssen. Ist ja nicht so, als könnte er nicht ohne mich arbeiten oder? Die Hierarchie sollte auch dir, Petronius, bekannt sein." Der Quaestor musste tatsächlich verzweifelt sein, dass er gar jemanden betteln schickte. "Lass uns zu ihm gehen."


    Da musste Varenus allerdings noch ein bisschen warten, denn was Lucius da hörte, konnte er unmöglich so stehen lassen!
    "Mein Vorgesetzter, der Quaestor Principis, ist ein gewählter Magistrat des Cursus Honorum und der persönliche Sekretär des Kaisers! Du bist ein Primicerius, also nicht einmal ein Abteilungsleiter, der logisch betrachtet wohl ein Äquivalent zu einem solchen Sekretär wäre - die Hierarchie ist mir also durchaus bekannt! Du solltest also ein wenig bescheidener auftreten und die Termine mit dem Quaestor wahrnehmen - er hat sicherlich wichtigeres zu tun als dir wegen irgendwelchen Terminen nachzulaufen!"
    zeterte er los, wobei er ganz vergaß, eingeschüchtert zu sein. Aber nach seiner bisherigen Erkenntnis war es nunmal ganz klar so, dass ein Quaestor, der Schriftverkehr mit den Statthaltern und außenpolitische Beratungsaufgaben übernahm eindeutig wichtiger war, als ein Rädchen im Finanzverwaltungssystem. Abgesehen natürlich davon, dass sein Patron ziemlich sicher ziemlich bald ein Senator war, den man erst recht nicht warten lassen durfte (zumindest hatte er das so gelernt).

    "Transtiberim, Insula XXI, 3. Stock, 4. links."
    schoss es aus dem jungen Petronier hervor, noch bevor er sich Gedanken machen konnte, was für einen Eindruck es hinterließ, dass er in einer Insula wohnte. Na gut, er kannte sich nicht aus - aber er hatte schon mitbekommen, dass es auch ziemlich reiche Leute gab, die in solchen Mietskasernen wohnten - dann eben in geräumigeren Appartements. Und der 3. Stock war ja gar nicht mal soo übel...


    Konkreter waren da schon seine Fragen nach dem Land seines Vaters... Genaugenommen war es gar nicht so klein - aber mit diesen gigantischen Besitzungen konnte Lucius definitiv nicht mithalten, ganz davon abgesehen, dass die Villa Rustica des Alten auch noch recht abgelegen direkt hinter dem Limes und kaum kultiviert war!
    "Äh..."
    war deshalb vorerst das erste, was er herausbrachte. Als er das bemerkte, fügte er rasch an:
    "Ich weiß es gar nicht genau - ich glaube, so 100 Iugera..."
    Das war ziemlich sicher ziemlich übertrieben, aber er wollte ja nicht wie der Sohn eines Kleinbauern wirken! Um ganz sicher zu gehen und zugleich eine logische Erklärung zu liefern, warum er sich angeblich nicht ganz so gut auskannte, sagte er noch:
    "Wir leben nicht dort, mein Vater ist Geschäftsmann und Pontifex in Mogontiacum und dort haben wir unser Haus."


    Um dann wieder etwas von sich abzulenken, fragte er schließlich:
    "Und Paxos und Andipaxos - wie groß sind die insgesamt? Und gibt es noch viel mehr Gehöfte als deine dort?"
    Das erinnerte ihn erst, dass er ja diesbezüglich auch eine Frage gestellt bekommen hatte.
    "Und mit der Frage vorhin meinte ich die Einwohner der Insel. Aber wie viele Diener arbeiten denn dort für dich?"
    Bei insgesamt 460 Acti quadrati waren es sicher eine ganze Menge!

    Lucius fand den Scherz des Primicerius leider gar nicht witzig - vielmehr fühlte er sich fast ein bisschen aus dem Konzept gebracht und musste sich auf die Lippe beißen, um seine Antwort nicht sofort mit einem "Äh" zu beginnen. Sicherheitshalber näherte er sich auch nicht zu sehr, sondern meinte vor der Tür aus:
    "Der Quaestor erwartet dich immer noch. Du wolltest heute Morgen zu ihm ins Officium kommen."

    Er liebte das Extreme? Was sollte das heißen? Dass er abnormal war? Und was wusste sie überhaupt über seine finanziellen Verhältnisse? Sicher hatte er im Lupanar nach den Kosten gefragt, aber war Sparsamkeit nicht eine Tugend? Zumindest hatte der Alte das immer behauptet... Dass sie daraus schloss, dass er sich so eine Wohnung nicht leisten konnte, war ja geradezu eine Unverschämtheit und er war kurz davor, Pythagoras zu holen und diese vorlaute Nutte umzuschneiden.


    Aber gerade als er sich umdrehen wollte, begann sie auch schon von seinen angeblichen Gelüsten oder Wünschen oder Sehnsüchten oder so zu quatschen, die bei ihr angeblich ein- und ausgingen. Und dann war sie auch schon wieder weg und alles war ruhig.


    Zurück blieb ein mehr als verwirrter Petronier, der gar nicht wusste, worüber er zuerst nachdenken sollte. Offensichtlich glaubte sie, dass er trotz aller Ablehnung Interesse daran hatte, ihre Freunde kennenzulernen - scheinbar wichtige Leute, die Einfluss hatten und ihm nützlich sein konnten. Aber warum sollten die zu einer Lupa nach Hause kommen? Waren diese Frauen nicht eher so etwas wie Werkzeuge, die man für seine Gelüste benutzte und dann weglegte, bis man sie wieder brauchte? Verarschte sie ihn, wie auch seine Kommilitonen ihn immer wieder hereingelegt hatten? Oder war das tatsächlich eine Drohung gewesen, dass er eine günstige Gelegenheit verpassen würde?


    Voller Verwirrung ging er langsam in seine Wohnung zurück und setzte sich aufs Bett. Das war alles zu viel so früh am Morgen - und sein Schädel erst!

    Gedanklich versuchte Lucius direkt einzuordnen, an welchen Orten Commodus alles Besitz hatte - allerdings fehlten ihm schlicht die geographischen Kenntnisse! Naja, das Meer kannte er und die beiden Inseln waren offensichtlich im Mare Adriaticum, das er wohl auch auf einer Karte gefunden hätte. Letztlich gab er es aber auf und blieb bei dem Fazit, dass dieser Helvetier wirklich ziemlich reich sein musste und damit wohl ein nützlicher Kontakt war.


    Damit war es also entscheidend, dass er keine Fehler machte - zum Beispiel sich als Landei zu erkennen gab oder ihm dumm kam. Logischerweise konnte er also auch nicht zugeben, dass er sich momentan wohl nicht einmal eine Hütte in einer der vorgeschlagenen Regionen leisten können würde. Aber wenn er das Angebot annahm, hieß das ja noch lange nicht, dass er zwingend zuschlagen musste, wenn sie eine Kaufgelegenheit ergab - es gab ja tausend Gründe, warum man zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Grundstück nicht kaufte!
    "Das wäre gut, ja!"
    antwortete er deshalb und nickte.
    "Leben viele Menschen auf deinen Inseln?"
    fragte er dann. Die Frage war auch unverfänglich, denn wie der junge Petronier beobachtet hatte, hatte Commodus anfangs nur "eine Insel im Mare Adriaticum" gesagt, woraus sich schließen ließ, dass Paxos und Andipaxos keine bekannten Orte waren, über die man sich leicht informieren konnte. Außerdem würde diese Frage wohl klar machen, wie viel Land der Helvetier zusammenzukaufen plante und damit Rückschlüsse auf seinen Reichtum bzw. seine Ambitionen ermöglichen...

    Nachdem Varenus seinen Termin mit dem Quaestor verpasst hatte, war Lucius losgeschickt worden, um noch einmal nach dem Primicerius zu suchen. Diesmal wusste er auch sofort, wo er den Alten suchen musste und blieb direkt in der Tür stehen. Schon auf dem Weg hatte er sich eingeredet, dass er sich auf keinen Fall wieder selbst bloßstellte, indem er ein "äh" in seine Sätze einbaute. Schon Eumenius hatte ihn deshalb immer wieder ermahnt: "Erst denken, dann Satz zurecht legen, dann sprechen!" - wenn es nur immer so einfach wäre!


    Eigentlich komisch, dass der Decimer ihn so nervös machte - im Gegensatz zu Eumenius hatte der Alte ihm überhaupt nichts zu sagen und war ein kleiner Beamter, der niemanden wirklich interessierte! Wahrscheinlich würde der Typ hier ewig Zahlenkolonnen hin- und herschieben, wenn Lucius selbst schon bis zum Prätorianerpräfekt aufgestiegen war!

    Decimus? Noch gut erinnerte Lucius sich, wie rüde der alte Finanzverwaltungshengst ihn angemacht hatte - eigentlich hatte er so gar keine Lust, dem Kerl nochmal unter die Augen zu treten! Aber er wusste natürlich, dass er hier nicht die Schwäche zeigen durfte, Angst vor einem einfachen Beamten zu haben! Also nickte er nur und machte sich davon - verflogen war das Hochgefühl des Briefes!