Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Siebzehn Meilen war für Lucius durchaus eine Entfernung - dafür brauchte man zu Fuß ja den ganzen Tag! Kein Wunder, dass er einen Sklaven hatte... Das Angebot klang dann auch nicht schlecht - er hatte ja im Grunde nichts zu tun und wenn das so eine exakte Wissenschaft war, dann konnte man sich ja sicherlich mal damit beschäftigen...
    "Ja, warum nicht?"
    sagte er deshalb etwas unsicher.
    "Was - äh - hast du eigentlich für Geschäfte hier in Rom?"


    Bevor diese Frage beantwortet werden konnte, schlug Varus aber auch schon den nächsten Tagesordnungspunkt vor - ein sehr gutes Lupanar! Das machte den jungen Petronier erneut wieder etwas nervös - er hatte noch nie etwas mit einer Frau gehabt! Aber das konnte er natürlich nicht zugeben, sodass er wieder antwortete:
    "Ja - äh - warum nicht?"

    Nachdem die Tierhatz den jungen Petronier schon ziemlich begeistert hatte, hatte er sich zusammen mit der Menschenmenge in der Mittagspause hinunter zum Circus Maximus schieben lassen. Unterwegs hatte er versucht etwas Richtiges zu Essen zu kaufen: Der Händler mit seinem kleinen Ofen am Straßenrand hatte leckere Spieße mit gebratenem Fleisch angeboten, die wirklich verführerisch ausgesehen hatten. Als Lucius dann aber nach dem Preis gefragt hatte, war ihm der Appetit vergangen - der Preis war in keinem Verhältnis zur Menge des Fleisches gestanden, da war es rationaler, bis zum Abend zu hungern!


    Bis er dann den Circus erreicht hatte, waren die besten Plätze für die einfachen Cives natürlich längst weg gewesen - es war doch irgendwie einfacher gewesen in Mogontiacum, wo die Decurionenfamilien immer ganz vorn saßen! Letztlich hatte er einen Platz an der Gerade bekommen, wo komischerweise noch am ehesten Plätze zu bekommen waren. Dort setzte er sich, betrachtete einen dicken Typen neben sich mit Abscheu, der einen der Spieße des Straßenhändlers genüsslich verspeiste und dabei den herrlichen Fleischduft verbreitete. Der junge Petronier spürte seinen Magen knurren und setzte eine säuerliche Miene auf.


    Wagenrennen hatte er bisher noch nie erlebt, sodass er doch gespannt war. Als sich dann die Tore öffneten und die Gespanne losstürmten, war er zuerst auch wirklich begeistert. Als die Wägen dann aber das zweite Mal passiert waren, ließ seine Begeisterung wieder nach - während das Publikum aus völlig unerfindlichen Gründen hier wie bekloppt ein paar Wagenlenker anfeuerte, die mit irrational hoher Geschwindigkeit im Kreis fuhren, verlor Lucius langsam aber sicher das Interesse und begann sich eher etwas umzusehen. Ob er heute noch irgendwo Armin finden würde? Naja, die Wahrscheinlichkeit dafür war wohl ziemlich niedrig...


    Zum Glück waren die Ränge auch hier relativ steil, sodass er von seinem Platz aus zumindest die inneren Rennbahnen sehen konnte

    Als das erste Blut floss, wurde Lucius aus seinen ganzen Überlegungen gerissen - erst jetzt wurde ihm klar, dass dies ja eine groß inszenierte Jagd mit richtigen Jägern und richtigen Tieren war! Und er selbst liebte die Jagd ja mindestens ebenso sehr wie diese eingeölten Schwarzen (von denen er in seinem bisherigen Leben auch nur einmal zwei im Flusshafen von Mogontiacum gesehen hatte)! Auch wenn er das Blut aus seiner Position nicht wirklich sehen konnte, blickte er doch wie gebannt auf eines der zusammengebrochenen Rehe, nahm jedes Zittern wahr - etwas im Todeskampf zu beobachten war einfach... aufregend! Und all das unendlich oft - er musste nur ein paar Fuß weiterblicken, da war schon das nächste tote Vieh!


    Es juckte ihn doch in den Fingern, selbst einmal wieder den Jagdspieß in der Hand zu halten! Ob man diese seltsamen Rehe auch vor den Toren Roms jagen konnte?

    Der Helvetier schien tatsächlich ebenso interessiert an exakten Wissenschaften zu sein wie Lucius, was diesen natürlich herzlich erfreute - er hatte bisher wenige Leute getroffen, die sich für solche Themen interessierten! Dass man genau Buch führen musste, um Prognosen zu treffen, Umstände exakt definierte und dann Bezüge herstellte - das war tatsächlich etwas, was den jungen Petronier begeisterte!
    "Genau, es geht um rationale Schlüsse!"
    Aber wenn er sich vorstellte, wie aufwändig diese Arbeit dann war, gab es natürlich eine Frage:
    "Ist Aricia weit von Rom entfernt? Oder wer führt diese Aufzeichnungen, wenn du nicht da bist? Hast du einen Villicus?"
    Das deutete natürlich darauf hin, dass er kein tumber Bauer war. Aber seine Aussage, dass er in Rom viel zu tun hatte, war ja sowieso ein Indiz, dass er neben dem Weinbau noch anderen Tätigkeiten nachging - womöglich war er ein reicher Eques?

    Endlich wurde Lepidus konkret und bat seinen hohen Gast direkt um die Fürsprache, wegen der er sicherlich eingeladen worden war. Und tatsächlich erklärte dieser ohne Umschweife seine Bereitschaft zur Unterstützung, ja er betonte sogar, dass er sich höchstpersönlich dafür einsetzen würde - perfekter konnte es kaum laufen! Sein etwas verkrampfter Blick löste sich in der Beruhigung, dass es nun offensichtlich gelaufen war.
    Und diesmal konnte er Lucia ausnahmsweise zustimmen, als sie den Procurator anstrahlte und ihm dankte. Erst als Silanus geantwortet hatte, wurde ihm bewusst, dass es sich wohl gehörte, dass er sich ebenfalls bedankte, weshalb er ein
    "Danke!"
    hervorpresste, ehe der Iunier auch schon die technischen Fragen zu klären begann. Aber auch hier musste der junge Petronier ihn nicht enttäuschen, denn das Entlassungsgeld eines Primus Pilus war immerhin nicht von schlechten Eltern!
    "Mein Vater besitzt ein Landgut in der Civitas Mattiacorum. Er überschreibt es mir - äh - bald."
    Er würde dem Alten schreiben müssen - wer hatte schon erwartet, dass das hier so schnell gehen würde?

    Erst als Lepidus die Stimme erhob, erkannte Lucius seinen Patron selbst in der Ehrenloge. Und während dieser über einen alten, toten Mann schwafelte, fand der junge Petronier tatsächlich seinen Süßigkeitenverkäufer und ließ sich in Honig eingelegte Früchte geben. Als er auf seinen Platz zurückkehrte, war der Tiberier gerade dabei, über die juristischen Erfolge seines Ahnen zu reden. Einen Moment fragte Lucius sich, ob er sich das merken musste - würde Lepidus ihn eines Tages darauf ansprechen? Aber wenn er schon das Wort "Recht" hörte, wurde er müde...


    Am Ende entschloss er sich, dass es ausreichend war, wenn er sich den Namen merkte und dass er Consular gewesen war und wohl irgendwie unglücklich zu Tode gekommen. Und dann war es auch schon vorbei und ein Schauer Schmetterlinge erhob sich, die der junge Petronier am Anfang gar nicht richtig identifizieren konnte - von den höheren Rängen, auf denen er Platz nehmen musste (noch war er ja kein Eques) sah es anfangs eher so aus, als würde eine farbige Rauchschwade aus den Körben aufsteigen, erst dann wurde klar, dass es sich wohl um kleine Tiere handelte. Woher man wohl so viele Schmetterlinge nahm?


    Aber auch für diese Gedanken hatte Lucius keine Zeit, denn als er sich wieder auf die Arena konzentrierte, standen dort bereits Bäume, als hätten sie schon immer dort gestanden. Hatte er die tatsächlich übersehen? Oder gab es hier etwa geheimnisvolle Mechanismen, die die Arena binnen kürzester Zeit verwandeln konnten? Während er noch versuchte zu erkennen, ob es im Sand irgendwo Klappen oder Seile gab, tauchten aber auch schon die Gazellen auf, die er zuerst für Rehe hielt. Allerdings waren die Geweihe irgendwie komisch - ob es sich dabei um irgendwelche lokalen Tierrassen handelte? Zu dumm, dass Armin zusammen mit irgendwelchen anderen Sklaven auf den höheren Rängen saß, sodass er niemanden hatte, mit dem er sich austauschen konnte... - es gab hier einfach so unfassbar viele neue Eindrücke, dass er gar nicht wusste, worüber er zuerst nachdenken sollte!

    Soweit konnte Lucius zumindest zustimmen: Jeder hatte seinen Platz und vielleicht war es ja tatsächlich so, dass Verus die Eignung fehlte, direkt in die ritterliche Militärlaufbahn einzusteigen. Ein Indiz für diese Hypothese war ja auch die abgelehnte Bewerbung beim Kaiserhof. Vielleicht war er einfach nicht intelligent genug... Dann war es vermutlich sogar ganz gut, dass Lepidus ihn wenigstens zu einem normalen Soldaten machte, anstatt ihn wie Vinicius zu machen, der seinen Caius trotz aller Unfähigkeit zum Rhetor geschickt hatte und ihm wahrscheinlich ein nutzloses Leben in Saus und Braus finanziert hätte. Davor hatte der junge Petronier ihn zumindest bewahrt.


    Dieser Gedanke zauberte ein grimmiges Lächeln auf seine Lippen, das aber sofort wieder verschwand, als Silanus ihn erneut ansprach.
    "Eine - äh - Offizierslaufbahn. Ich soll - äh - ich will in den Ritterstand kommen und dann direkt als Tribun oder so einsteigen."
    erklärte er ein wenig unbeholfen. Vielleicht war es ja doch vernünftig, wenn er direkt seine Karten auf den Tisch legte, wenn er schon so direkt gefragt wurde.

    Tatsächlich begann Lucius sich langsam dafür zu interessieren, als Varus begann von Sonnentagen und ihrer Bestimmung und weiteren Faktoren zu sprechen begann, die das ganze tatsächlich wie eine Art Gleichung, in die man die richtigen Werte einsetzte und fertig - schön logisch also! Dass es dann in der Praxis anders aussah, war zwar etwas ernüchternd, andererseits aber auch irgendwie rational - denn tatsächlich konnte man die Sonnentage ja nicht im Voraus bestimmen und so eine Gleichung für jeden einzelnen Weinstock aufzustellen war sowieso viel zu zeitraubend...
    "Das klingt interessant. Wie lassen sich diese Wahrscheinlichkeiten denn berechnen? Gibt es dafür bestimmte Formeln?"
    fragte er deshalb weiter.

    Natürlich hatte Lucius nicht vor, seinen Nachbarn bloßzustellen - zwar hatte dieser ihn in einer misslichen Lage kennen gelernt und war deshalb primär verdächtig, aber er war kein Konkurrent, sodass es unlogisch erschienen wäre, Energie dafür aufzuwenden, ihn zu demütigen.


    Was die überaus hübsche Tiberierin dann aber sagte, war noch viel unlogischer als das, was Verus behauptet hatte - offensichtlich lag das bei den Tiberiern in der Familie... Was war wundervoll daran, wenn Verus sein Potential verschwendete? Und konnte er selbst nicht auch einen hervorragenden Legionär abgeben? Und wieso wollten sie nach Rom? Sie waren ja schon da! Oder wenn das ganze metaphorisch gemeint war (eine Sache, die Lucius nie vollständig verstanden hatte) - dienten sie (mit Ausnahme von ihm selbst) nicht sowieso schon Rom?


    Allerdings traute er sich doch nicht gleich etwas einzuwenden, denn immerhin war sein Patron angesprochen worden und da plapperte man nicht dazwischen. Also blieb es ihm nur, etwas verwirrt dreinzuschauen.

    Varus sah ein bisschen so aus wie Eumenius, wenn Lucius wieder irgendeinen unqualifizierten Kommentar abgegeben hatte. Aber woher sollte er auch wissen, wie man Wein anbaute? Immerhin erklärte er es aber danach auf eine Weise, die für den jungen Petronier deutlich verständlicher war als das Geschwafel seines Rhetoriklehrers... das waren ja offensichtlich messbare Faktoren!
    "Und wie berechne ich die Stärke der Sonne?"
    Wenn man das messen konnte, ließ sich ja sicherlich eine klare Regel aufstellen, die auch einem Lucius einleuchten würde: Wenn Sonnenwert = 7, dann 40% abschneiden... oder so ähnlich...

    Lucius hatte zwar schon einmal gehört, dass es verschiedene Rebsorten gab, allerdings noch nie einen Unterschied geschmeckt - im Alltag kaufte der Alte sowieso immer irgendein billiges Gesöff, das mehr nach Essig schmeckte als nach Wein. Wenn man es allerdings so betrachtete, dann schien es ja tatsächlich ein multifaktorielles Ding zu sein mit gegebenen Konstanten... - oder war es doch nur Orakelleserei?
    "Aber wenn man sieht, wie viel Sonne scheint, ist der Boden doch schon ausgewählt, oder? Oder kann man die Weinstöcke dann auch umtopfen?"

    In Mogontiacum gab es auch Spiele im Theatrum - und das war auch ein beachtliches Monstrum, das in Lucius' gar nicht so unendlich viel kleiner wirkte als das Amphitheatrum Flavium (wenn man bedachte, dass es natürlich nur halbrund war, folglich wohl etwa 50% der Sitzplätze bieten würde, falls er sich nicht völlig verschätzte - gezählt hatte er die Reihen in Mogontiacum nämlich nie). Die Spiele, die dort allerdings geboten wurden, waren schon eine andere Größenordnung: Nur ein einziges Mal hatte Lucius Gladiatorenspiele gesehen, wobei er währenddessen auch noch abgelenkt gewesen war, weil diese Nicaea ihn in die Mangel genommen hatte... wo sie wohl steckte?


    Aber das war heute egal, denn heute erlebte der junge Petronier endlich richtige Spiele mit Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen und allem was dazugehörte. Schon die Pompa war höchst interessant: Zuerst glaubte er, der Consul führe den Zug an - dann war es aber doch eine Bronzemaske des zu ehrenden Tiberiers. Wie er in einer Taverne erfahren hatte, munkelte das Volk, dieser Tiberius Durus - ein Verwandter seines Patrons - hätte seine Finger mit im Spiel gehabt, als Valerianus ermordet worden war. Wie auch immer - die Sitte, eine Bronzemaske auf einen Stock zu hängen wirkte doch ein wenig eigenartig, wenn man den Brauch der Imagines Maiorum nicht kannte...
    Mit dem Rest konnte Lucius schon mehr anfangen: Der Spielgeber, der zugleich der Patron seines Patrons war, dann aber auch die zugehörigen Familien, eine für mogontinische Verhältnisse lächerlich überdimensionierte Kapelle an Musikern und der Werbeblock für die Gladiatoren und die Rennwägen.


    Nachdem alles eingezogen war, folgte dann aber wieder ein langweiliger Part - Lucius hatte die Götterstatuen ganz übersehen, nun wurde ihnen aber wie üblich ausführlichst gehuldigt. Der junge Petronier nutzte die Zeit, um sich nach einem Süßigkeitenverkäufer umzusehen - nur leider schienen die während des Opfers auch nicht arbeiten zu dürfen...

    Etwas irritiert kratzte der junge Petronier sich am Kopf - Weinbau eine Wissenschaft? Er kannte natürlich keinen Bauern persönlich - bis auf die kläglichen Versuche des Alten, die aber weder etwas mit Wissenschaft zu tun gehabt hatten, noch mit Begeisterung. Man warf die Saat auf den Boden und manches ging auf, manches nicht. Natürlich musste man noch ein bisschen mehr machen, aber im Wesentlichen hatte noch kein Bauer auf Lucius sonderlich gebildet gewirkt... - wenn, dann eher verschlagen!
    "Was für Variablen braucht man denn dafür?"
    fragte er deshalb ein bisschen verwirrt.

    Zitat

    Original von Lucius Iunius Silanus
    "Ich bin beeindruckt junger Petronius. Du hast trotz deines jungen Alters schon eine Menge Erfahrung vorzuweisen. Praktische in der Verwaltung und Theoretische was das Militär betrifft. Auch ich habe die Academia besucht und spiele derzeit mit den Gedanken das Examen Quartum auch noch abzuschließen. Hast du schon entschieden, welchen Weg du einschlagen möchtest und wenn ja, wirst du dies in Germanien tun oder hast du auch schon mit dem Gedanken gespielt, hier in Rom zu bleiben? Nun wo du die beeindruckende Hauptstadt unseres Reiches kennengelernt und auch einen aufstrebenden Patron hast, der dich zweifellos unterstützen kann und wird."


    Während Manlius seine Aufmerksamkeit der Person am Tisch zuwandte, die Lucius als die unwichtigste einschätzte (was vermutlich daran lag, dass es in seinem Haus nie eine Hausherrin gegeben hatte, sodass er weibliche Einflussmöglichkeiten vernachlässigte), nahm der junge Petronier zufrieden auf, wie sein Patron ihn anpries. Auch wenn er den Alten hasste für die Art und Weise, wie er ihn erzogen hatte, für die Schläge, das ständige Kurzhalten und den Zwang zur Übernahme von Aufgaben, die er verabscheute - irgendwie machte es ihn doch auch stolz, all das überlebt zu haben! Und vielleicht würde es sich nun ja doch auszahlen... - wenn sogar der Iunier seinen Patron als einflussreich einschätzte!
    "Ich will zuerst einen Militärdienst ableisten. Wie - äh - mein Vater."
    antwortete er schließlich.
    "Ob in Rom oder anderswo ist mir - äh - egal."
    Nach Germania zurück - am Ende nach Mogontiacum - wollte er vorerst eigentlich nicht, denn das konnte nur bedeuten, dass er wieder unter die Fuchtel des Alten kam. Aber dass er das nicht freiheraus sagen durfte, wusste sogar er...


    Bevor man ihn weiter ausfragen konnte, übernahm allerdings Verus die Zügel und erging sich in Spekulationen über Truppenbewegungen und Versetzungsgefahren - fast so wie damals, wenn sein Vater mit seinen Veteranenkameraden zusammengesessen war! Die Argumente der Tiberiers waren dabei allerdings nicht ganz stringent, denn erstens war Lucius davon überzeugt, dass die Götter keine Zeichen sandten, sondern dass die Menschen nur irgendwelche Zufälle interpretierten, wie es ihnen passte, zweitens trafen die Aussagen über den Nutzen des Kriegsdienstes genauso gut auf eine ritterliche Karriere zu, wie er selbst sie anstrebte (womit Verus' Argumente aber zumindest seine eigene Wahl mit Argumenten versahen) und drittens widersprach der Tiberier sich am Ende selbst: Unter den Bedingungen "Kriegsdienst ist der edelste Dienst" und "höherrangige Tätigkeit ist besser als niedrigrangige" lautete der logische Schluss nämlich, dass man eine Offizierslaufbahn starten musste, um die bestmögliche Variante zu wählen.
    Und ungeschickt wie er war, brachte er diese Erkenntnis auch direkt zum Ausdruck:
    "Könntest du der Urbs dann nicht auch wesentlich besser dienen, wenn du Offizier werden würdest? Oder Legionskommandant?"
    Das war ja vermutlich analog das, was sein Patron tat...

    Praefectus der Ala Secunda? Das war kein schlechter Posten - wie der junge Petronier von seinem Vater wusste, war diese eine milliare Ala mit 1000 Reitern und damit einem der größten Auxiliarverbände des Reiches! Die Wahrscheinlichkeit, dass Lucius den Iunier schon einmal getroffen hatte als Kind war damit sogar gegeben - wenn auch sehr gering - denn der Alte war ja ein hoher Offizier gewesen und damals, als seine Mutter noch gelebt hatte, waren sie fast immer zu Paraden gegangen und nach deren Tod hatten die Sklaven ihn zu solchen Veranstaltungen geschleift. Wer aber die Herren in den schimmernden Rüstungen auf dem Tribunal jeweils gewesen waren, wusste er natürlich beim besten Willen nicht mehr...


    Aber immerhin bot Silanus auch ein paar konkrete Fragen an, auf die er klar antworten konnte:
    "Die Silva Nigra existiert noch, ja."
    Allerdings gehörte sie natürlich den Ducciern - und die mochte der junge Petronier nicht...
    "Und die Ala Secunda ist in Mogontiacum? Bei unserer Abreise war das noch nicht so..."
    Genaugenommen hatte er auch nichts von derartigen Plänen gehört... - da stand er ja schön blöd da, dass er als Veteranensohn nicht einmal über seine eigene Heimatgarnison Bescheid wusste!

    "Ich - äh - denk' schon."
    antwortete Lucius, obwohl er daran denken musste, dass der Alte ganz offensichtlich eine völlig andere Vorstellung hatte. Sein Prinzip war eher "Jeder soll das machen, was ihn glücklich macht"... Aber das war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um über seinen Vater zu lästern. Also nahm er lieber auf die Aussage seines Gegenübers Bezug:
    "Und dich macht's also glücklich, im Weinberg Reben zu schneiden?"
    Das hatte Lucius noch nie gemacht - aber er kannte das ganze mit Getreide und einer Sichel und das war verdammte Sklavenarbeit!

    Als der Iunier ziemlich verständnislos auf seine Frage antwortete und alles verstummte, ahnte Lucius bereits, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte - sinnloses Geplauder am Esstisch war definitiv nicht seine Stärke... aber das war ja auch reine Zeitverschwendung! Wie auch jetzt: Denn die einzige interessante Information an der weiteren Antwort des Procurators war offensichtlich die, dass er nichts von Mathematik verstand - dass ein Mann in seiner Position einfache Additionen und Subtraktionen beherrschte, war ja logisch, falls der Kaiser nicht völlig schwachsinnig war!


    Als er dann den Spieß umdrehte und ihn nach seiner "Karriere" fragte, war der junge Petronier nun wieder seinerseits etwas verwirrt: In seiner kleinen Welt, aus der er kam, hatte sich niemand darüber gewundert, dass er in seinem Alter schon in den Ordo Decurionum gekommen war - immerhin war der Alte auch im Ordo und gehörte doch zu den größeren Lichtern Mogontiacums! Dass das anderswo keineswegs üblich war, sondern viele Sprösslinge von Kommunalpolitikern erst lange Zeit warten mussten, bevor sie nach zahlreichen Ämtern selbst zu Decuriones wurden, wusste er schlichtweg nicht. Unter seinen Prämissen stellte sich somit die Frage, was Silanus mit seiner Nachfrage bezweckte: Wollte er ihm a) unterstellen, dass er es nicht verdiente, Decurio zu sein? Oder b) darauf hinweisen, dass er sich mit Kommunalpolitik auskannte? Oder hatte er c) tatsächlich Interesse an seiner Person?


    Nun musste er einen Moment stocken, was ihm etwas unangenehm war und ihn rote Ohren bekommen ließ. Dann aber sagte er:
    "Ich - äh - war Magister Vici vor ein paar Jahren. Und dann bin ich - äh - Decurio geworden. Das tut man so in Mogontiacum. Das ist in Germania Superior."
    Er konnte ja nicht wissen, dass Silanus selbst schon einmal in dem Provinznest gewesen war!

    Sim-Off:

    Du gehst recht - ich gehe allerdings stark auf die 20 zu ;)

    Die beiden anderen Klienten waren ja richtige Plaudertaschen - etwas verwirrt darüber hielt Lucius nach wie vor eher den Mund, obwohl er natürlich aufhorchte, als Silanus seine beeindruckende Karriere darstellte. Das war genau das, was er sich auch für sich wünschte: mit einem Offiziersposten einzusteigen, den der Alte nie in seinem Leben erreicht hatte, und dann hoch hinaus! Es war sicherlich ein erhebendes Gefühl, tausende von Soldaten vor sich zu haben, die aufs Wort gehorchten! Einheiten in perfekten geometrischen Formen anzuordnen und dann gegen irgendwelche tumben Hinterwäldler loszuschlagen!


    Als es dann aber doch wieder eher um Gunst und Dankbarkeit ging, erinnerte der junge Petronier sich auch wieder daran, was der Alte ihm eingeschärft hatte: er solle auf sich aufmerksam machen bei den richtigen Leuten - und dieser Iunier war offensichtlich genau der Richtige, so wie er sich selbst beschrieb!
    Stellte sich natürlich die Frage, wie er das am besten machte - mit plumper Angeberei wie Mucius Scaevola wohl eher nicht, die ging Lucius schon auf die Nerven, wenn der eingebildete Trottel nur den Mund aufmachte... Oder durch Winken mit dem Zaunpfahl wie der andere Klient? Aber das war doch auch eher entwürdigend als besonders empfehlend... Am besten er glänzte mit etwas, was er gut konnte, damit der Procurator ihn an geeigneter Stelle weiterempfehlen konnte:
    "Beschäftigst du dich auch - äh - mit Mathematik?"
    fragte er deshalb freiheraus in Richtung des Ehrengastes.

    Mit ihren Früchten - das war also doch ganz wörtlich gemeint gewesen, auch wenn Weinstöcke für ihn nicht gerade Wesen waren... die waren doch irgendwie tot! Naja, das war aber sowieso nicht gerade die Form von Entspannung, die der junge Petronier sich wünschte - der Alte hatte ihn auf ihrer Villa Rustica lange genug geschunden!
    Aber es fragte sich sowieso, wie er hier den "Blick auf das Wichtige" verlieren sollte...
    "Naja - äh - ich hab' hier den ganzen Tag Zeit, das wichtige weiterzuverfolgen... ich will Eques werden und mein Vater hat mir genügend Geld, dass ich mich um nichts anderes kümmern muss..."
    antwortete er deshalb noch immer ein bisschen unsicher. Dass der Trubel allein schon zu viel werden konnte, verstand er wohl noch nicht recht - dafür war er zu kurze Zeit in der Hauptstadt und noch im Rausch der aufregenden Großstadt gefangen! Da er dann aber doch erkannte, dass es wohl um Freizeitgestaltung ging, fügte er noch an:
    "Aber mein Hobby ist - äh - Mathematik!"