Das war zu viel. Lucius packte seinen ehemaligen Schulkameraden am Hals und schubste ihn zurück. Dieser verfluchte Caius mit seiner Überheblichkeit! Sein ganzes Leben hatte er ihm zur Hölle gemacht! Hatte ihn verspottet und heruntergemacht, dabei war er selbst kaum intelligenter als der Schemel, auf dem er saß! Nur weil sein Vater eine Menge Geld hatte, glaubte er, er könne sich aufführen wie der König von Mogontiacum! Aber das war jetzt vorbei! Mit aller Kraft stürzte er sich auf den überraschten Gegner. Wie automatisch zog er seine Hand unter der Toga hervor und hatte das blitzende Gladius in der Hand. Die Spitze schien sich wie von selbst das Ziel zu suchen: den Brustkorb, genau da, wo es der Alte ihm gezeigt hatte. Es schien, als leistete die Haut des Viniciers überhaupt keinen Widerstand, der Stahl durchdrang die Haut und die Bauchmuskulatur, als sei es Butter! Die Spitze bohrte sich von unten nach oben, durchstieß das Zwerchfell und traf mitten ins Herz.
Lucius hörte das überraschte Röcheln - damit hatte Caius nicht gerechnet! Dann strömten Unmengen heißen Blutes aus der Wunde, ergossen sich pulsierend über die blankgeputzte Klinge und die Hand des Petroniers. Die Zeit stand still - Lucius betrachtete sein Werk, doch er fühlte keine Angst, keinen Schreck und keine Reue - nur pure Genugtuung! Er blickte auf und sah die Panik in Caius' Augen. Ja, nun bezahlte er für all das, was er ihm jemals angetan hatte! Damals, als er größer und stärker gewesen war, als Lucius keine Freunde und Helfer gehabt hatte! Er würde ihn nie wieder verletzen, nie wieder beleidigen oder verspotten! Der junge Petronier verspürte keinen Drang, weiter auf ihn einzustechen - er wollte den Moment einfach nur auskosten. Die Welt um ihn herum verschwamm, er sah nur seine blutverschmierten Hände, sein Schwert und den gefällten Caius, dessen Füße langsam nachgaben. Der röchelte weiter und Blut kam auch aus seinem Mund, dann kippte er einfach um.
In diesem Moment riss plötzlich eine Hand an Lucius' Schulter. Er drehte sich um und sah Armin, der am ganzen Körper vor Schweiß glänzte. Offensichtlich hatte der Leibsklave schnell reagiert und Caius' Begleiter geschnappt, niedergerungen und so lange gewürgt, bis er sich nicht mehr geregt hatte. Doch noch immer war die Anspannung nicht von ihm gewichen und sein Griff an der Schulter wurde fester, sein durchdringender Blick fixierte das zufriedene, aber blutbespritzte Gesicht seines Herrn.
"Lucius, was hast du gemacht?"
"Ich habe ihn gewarnt!"
Armin gab seinem Herrn eine Ohrfeige - er sprach offensichtlich im Wahn!
"Lucius! Du kannst ihn doch nicht einfach abstechen!"
Aber Lucius war heute Abend nicht bereit, sich von irgendwem schlagen zu lassen. Der Gedanke, sein Schwert noch einmal zu benutzen, blitzte durch seinen Kopf. Aber glücklicherweise steckte dieses noch im Brustkorb von Caius und er hatte es losgelassen, als dieser in sich zusammengesunken war.
"Wir müssen weg hier! Wir müssen unsere Klamotten loswerden und uns waschen! Lucius, wir haben einen Mord begangen!"
Noch immer zeigte Lucius keine Regung, sondern blieb einfach stehen. Aber immerhin ließ er sich widerstandslos ein wenig beiseiteschieben. Armin beugte sich zu der blutüberströmten Leiche hinab und riss das Gladius aus der Wunde. Das Blut wischte er an der Kleidung des Toten ab und reichte die Waffe dann an seinen Herrn weiter, der sie sofort fest umklammerte. Dann wälzte er die beiden regungslosen Gestalten auf dem Boden ebenfalls in den Schatten eines Hauses, zerrte dem Diener seine immerhin noch saubere Tunica vom Leib und reichte sie Caius. Der stand noch immer da wie zur Salzsäule erstarrt.
"Lucius, zieh das an! Du kannst nicht in der Stadt herumlaufen wie ein Schlächter! Los, runter mit der Toga!"
"Ich habe ihn gewarnt!"
Das war alles, was Lucius dazu zu sagen hatte. Also seufzte Armin, stand auf und zog dem Petronier die Toga, die vorn ebenfalls einen riesigen Blutfleck aufwies, von der Schulter. Nun endlich zeigte sein Herr sich ein wenig kooperativer und ließ sich zumindest widerstandslos die Tunica austauschen und das Gesicht mit der Toga abwischen. Bei genauerem Hinsehen würde man noch ein paar Blutspritzer sehen, aber von weitem sahen sie nun wieder relativ zivilisiert aus.
"Das Zeug können wir nicht hier lassen."
stellte Armin fest, rollte die Toga zusammen (natürlich mit der blutigen Stelle nach innen) und stopfte die Schwertscheide samt Schwert hinein. Dann ergriff er den Arm seines Herrn und blickte noch einmal um sich - die Fensterläden waren überall noch verschlossen, keine Schritte waren zu hören. Dann machten die beiden sich zügigen Schrittes auf den Heimweg...