Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Endlich tat sich das Ergebnis seiner Tat vor Lucius auf und er konnte bei Tageslicht betrachten, was er getan hatte. Die Haut von Caius war wächsern weiß, der Mund umgeben von getrocknetem Blut und sein blauer Mantel hatte mit dem Blut hässliche schwarze Flecken gegeben. Es wirkte eher faszinierend als abstoßend auf ihn, denn es war die gerechte Strafe, die dieser arrogante Schnösel erhalten hatte.


    Bevor sein Vater die Sprache wiederfand und wieder irgendwelche Vorschriften machte, wandte sich der junge Petronier selbst an den Optio. Auf dem Weg hatte sich überlegt, was er sagen sollte. Wenn er herumtat, würde ihn dies nur verdächtig machen. Also erklärte er ohne mit der Wimper zu zucken:


    "Das ist Caius Vinicius, der Sohn des Decurios Vinicius. Ich erkenne ihn, ich habe mit ihm bei dem Rhetor Eumenius gelernt."


    Warum niemand den Leichnam bedeckt hatte, wunderte ihn allerdings jetzt ein bisschen - auch wenn es ihn nicht störte, denn er genoss ja den Anblick seines besiegten Feindes. Wenn er sich recht erinnerte, hatte man seine Mutter und alle Toten, von denen er jemals gehört hatte, immer sofort zugedeckt.


    Es geschah ihm aber ganz recht, dass er nicht einmal diese symbolische Bestattung erhielt, sondern ausgestellt wurde wie eine Jagdtrophäe - seine Jagdtrophäe!

    "Genau. Die Germanen opfern im Freien an diesem Altar."


    erklärte er seiner Cousine und deutete auf den mit einer Rasensode bedeckten Steintisch. Er trat auf den Säulengang zu, der sich um den gesamten Tempel zog.


    "So ein Tempel ist typisch für Germania. Mogon nennen die Leute aus dieser Gegend Apollo Grannus. Grannus ist der Heilgott der Kelten, also ist es eben der ganz normale Apollo."


    Zumindest hatte sein Vater ihm das so erklärt. Er selbst war ja nie groß aus Mogontiacum weggekommen, sodass er nicht wusste, ob man Apoll in Colonia Agrippinensis oder sonstwo komplett anders nannte.

    Nachdem man nach dem Magister Vici verlangt hatte, hatte der Alte seinen Sohn aus den Federn gehauen, der noch immer friedlich geschlummert hatte. Tatsächlich war Lucius nur kurze Zeit wach gelegen, um noch einmal die Erinnerung an seine Tat Revue passieren zu lassen. Noch immer fühlte er keinerlei Reue oder Angst, sondern schlichtweg Genugtuung. Deshalb hatte er es auch gar nicht verstanden, warum sein Vater so aus dem Häuschen war und auch Armin geradezu verängstigt dreinblickte, als man ihm befahl, mitzukommen. Um die beiden Veteranen zu holen, war offensichtlich keine Zeit, weshalb der Alte entschied, dass wenigstens Armin, Privatus und Morag mitzukommen hatten.


    Da Armin seine Toga noch am Abend verschürt hatte, verzichtete der junge Petronier auf das römische Staatskleid, wich der Nachfrage seines Vaters aus und erschien im Umhang. Als er ankam, setzte er ein aufmerksames Gesicht auf - Armin hatte ihn beim Ankleiden darauf hingewiesen, dass er nicht so entspannt daherspazieren konnte, wie er es gern getan hätte - immerhin durfte er keinen Verdacht aufkommen lassen!


    "Lasst mich durch, ich bin der Magister Vici!"


    befahl er dem kleinen Menschenauflauf, der sich am frühen Morgen um den Fundort versammelt hatte. Schnell hatte er den Optio ausgemacht und ging auf ihn zu


    "Ich bin der Magister Vici, was ist passiert?"

    Ausnahmsweise hatte Lucius sich einmal nicht alles von seinem Vater vorschreiben lassen und eine eigenständige Idee entwickelt - eine Feuerwehr für Mogontiacum. Nachdem die Vigiles abgeschafft worden waren, hatte er bei den Vicani aus der Apollonensis immer wieder Klagen gehört, dass es bei Bränden jetzt keinen echten Zuständigen gäbe. Beziehungsweise zu wenige Helfer. Als er die Idee dem Alten präsentiert hatte, hatte dieser ihm befohlen, sich mit Mathayus abzusprechen. Also stand er nun vor dem Haus und hoffte, dass er wenigstens einen Blick auf Nicaea riskieren konnte, wenn er schon hermusste.


    *KLOPF KLOPF*

    Tat er nicht - überhaupt hatte er oft Schwierigkeiten, Ironie zu verstehen. Aber diesmal bewahrte es ihn wohl sogar davor, einen weiteren Grund zu finden, seine Cousine nicht zu mögen.


    "Ich muss sowieso sehen, ob dort alles in guter Ordnung ist."


    antwortete er und bog zum Hauptportal ab. Schnell hatten sie die Umfriedung durchquert und blickten auf den gepflegten Rasen, auf dem sich der Umgangstempel erhob. Direkt vor dem Eingang stand außerdem der Opferaltar, auf dem auch der junge Petronier bald opfern würde.


    "Ich bin auch für diesen Tempel zuständig, denn Apoll ist der Schutzgott des Vicus."


    erklärte er nicht ohne Stolz - auch, wenn dies nur die halbe Wahrheit war, denn Apollo Mogon war auch der Schutzgott der ganzen Civitas und die lokalen Pontifices und der Aedituus hatten auch ein besonderes Auge auf den Tempel. Aber mitverantwortlich war er allemal!

    So etwas interessierte sie also wieder nicht - aber es genügte ja scheinbar trotzdem, um Lucius Vorschriften zu machen. Während der junge Petronier grollend daran dachte, spuckte er achtlos an den Straßenrand. Dann beschloss er, auch einmal seinen Wissensschatz auszubreiten - wie wollte Octavena jemanden von den Honoratioren finden, wenn sie die einfachsten Dinge nicht wusste?


    "Ich unterstütze die Aedilen und Duumviri bei der Verwaltung des Vicus. Namentlich überwache ich die Einhaltung der Decreta, zum Beispiel den Feuerschutz oder Bauvorschriften. Auf der anderen Seite repräsentiere ich den Vicus vor den Decurionen und den Göttern. Bald ist das Fest des Apollon, da werde ich zum Beispiel die Feier am Tempel ausrichten."


    sagte er mit leicht genervtem Unterton auf. Dann standen sie auch schon vor der Tempelmauer, die das Gebäude umgab.


    Bevor sich wieder alle beschwerten, fragte er gleich


    "Willst du reinschauen?"


    Das bot ihm vielleicht auch gleich die Gelegenheit, sich den Tempel mal wieder anzusehen. Auch dort sollte man ja auf Brandschutz achten!

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    Da Lucius nichts weiter sagte, sondern eiligen Schrittes vorneweg ging, beschloss Armin, sich des Mädchens anzunehmen - immerhin war sie nicht nur fremd und damit neugiererweckend, sondern auch hübsch. Und hübschen Frauen versuchte Armin immer zu gefallen.


    "Weißt du, was ein Magister Vici sonst für Aufgaben hat?"


    fragte er Octavena deshalb. Außerdem hatte er die Hoffnung, seinen Herrn auch ein bisschen ins Gespräch einbinden zu können. Er hatte nicht so recht mitbekommen, was Lucius gegen die Verwandte hatte - mit Crispina war er ja irgendwie auch zurecht gekommen. Vielleicht brauchte es einfach einen guten Moment, bis der verschrobene Petronier ein bisschen auftaute...





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    Als Octavena zu ihm aufholte, befürchtete Lucius schon, sie wolle ihm wieder irgendwelche tollen Tipps geben oder sich beschweren, dass sie keinen Umweg machten. Aber glücklicherweise war keines von beidem der Fall - sie hatte lediglich keine Ahnung.


    "Ich bin Magister Vici und muss die Einhaltung der städtischen Verordnungen überwachen. Heute sind die Anwohner beim Tempel an der Reihe, vor allem wegen der Feuerschutzregelungen."


    Was diese waren, wusste sie ja hoffentlich. In einem sonnigen und heißen Land wie Hispania (zumindest den Erzählungen des Alten nach zu urteilen war es das) musste man sicherlich auch solche Regeln haben und da Octavena ja sowieso alles besser wusste, würde sie wahrscheinlich jetzt ihm einen Vortrag halten.

    | Morag


    So früh am Morgen saßen die Hausgenossen noch beim Frühstück, das Morag und Gunda zusammen in der Küche einnahmen, nachdem sie dem Alten aufgetragen hatten. Als es scheppernd klopfte, eilte der alte Sklave rasch hinaus und öffnete die Tür.


    Dass ein Soldat vor ihm stand, erstaunte ihn nicht schlecht. Ob die Armee seinen Herrn doch noch einmal brauchte? Gerüchten zufolge hatte die Legion ja jemand anderen zum Imperator ausgerufen, als er in Rom saß - wenn man den Gerüchten glauben konnte.


    "Was willst du?"


    fragte er deshalb und kratzte sich am Kopf. Am liebsten wäre er gleich wieder reingegangen zu seinem Brot vom Vortag.





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    Es gefiel Lucius gar nicht, dass sein Leibsklave so mit Octavena redete - sie war nicht seine Domina! Einzig sein Vater und er hatten Befehlsgewalt über den Vangionen. Abgesehen davon wollte er sich ungern bei seinen Aufgaben stören lassen, was aber wohl auch nicht nötig war, denn das Forum hatte seine Base ja schon gesehen.


    "Dann gehen wir direkt hin."


    entschied er und bog nach rechts in die Gasse ab, die auf direktem Weg zum Tempel des Apoll führte.

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    Der Sklave nickte und dachte nach, was er erwidern konnte, als seine Gedanken unterbrochen wurden.


    "Wir können dir auch ein paar ganz besondere Stellen zeigen!"


    warf einer der Veteranen ein und feixte, worin der andere Veteran einstimmte. Lucius schien das ganze hingegen nicht besonders witzig zu finden und sah die beiden ein bisschen verwirrt an. Armin dagegen konnte sich schon denken, worauf die beiden Idioten anspielten und sah sie tadelnd an.


    "Gehen wir über das Forum? Oder warst du da schon, Domina?"





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    "Na endlich!"


    kommentierte Lucius das Zu-spät-Kommen seiner Cousine und drehte sich sofort in Richtung Tür. Die beiden Veteranen sahen sich ein bisschen verwirrt an, blickten das Mädchen neugierig an und fragten schließlich


    "Willst du uns nicht unsere Begleitung vorstellen, Petronius?"


    Der Angesprochene rollte ein bisschen mit den Augen und sagte dann


    "Pullo, Vorenus, das ist die Tochter des Cousins meines Vaters, Petronia Octavena. Petronia, das sind Pullo und Vorenus, meine zwei Begleiter."


    Arminius kannte sie ja sicher schon - er lebte ja mit im Haus. Dann ging es los und sie traten auf die Straße hinaus. Lucius sah zu seinem Leibsklaven und runzelte die Stirn.


    "Heute Feuerschutzkontrolle um den Tempel des Apoll, richtig?"


    Armin nickte. Im Gegensatz zu seinem Herrn war er ziemlich neugierig, wer die hübsche Petronierin war. Auch als Crispina in Mogontiacum gelebt hatte, hatte er eigentlich eine gute Beziehung zu ihr gehabt und es genossen, dass ausnahmsweise nicht alle seine Herrschaften durchgeknallt waren. Daher bemerkte er freundlich an Octavena gewandt


    "Apollo Grannus Mogon ist der Schutzgott von Mogontiacum. Deswegen Mogontiacum, klar! Sein Tempel ist schon auch eine Sehenswürdigkeit."

    "Jaja, Armin sagt dir Bescheid, wenn wir gehen."


    erwiderte er - 'nett' war der kleine Bruder von 'scheiße', wie Armin immer sagte. Abgesehen davon versprach er sich keinen Vorteil davon, sich bei Octavena einzuschleimen - sie war ein Nichts, das sich wie ein Parasit in seiner Familie einnistete, damit sie ein bisschen was von ihrem Besitz abbekam.


    Kurze Zeit später stand Lucius in seiner Toga im Hof. Nachdem er zwei Tage seine gute Toga im Dienst getragen hatte, hatte er nun wieder eine neue, naturfarbene. Die alte Amtstoga, die mit großen Blutflecken bedeckt gewesen war, hatte Armin noch in der Nacht im Herd verschürt, um alle Spuren des Mordes an Caius zu verwischen. Noch immer erfüllte es ihn mit Befriedigung, wenn er während dem Anlegen des Gewandes daran dachte.


    Armin war ebenfalls schon mit seiner Tabula da und kurz darauf ging die Tür auf und die beiden Veteranenfreunde des Alten spazierten herein.


    "Pullo, Vorenus, salvete! Gut geschlafen?"


    Gestern abend hatte Lucius den beiden ein kleines Trinkgeld gegeben, welches diese sofort in die Taberna zum alten Optio getragen hatten. Ein wenig verschlafen wirkten sie noch immer, aber selbst im Vollrausch waren diese Burschen noch mordsgefährlich. Wie der junge Petronier, der unbewusst nach seinem Gladius spürte, das er weiterhin unter der Toga mitführte.


    "Petronia! Wir gehen!"


    rief er nach seiner Cousine - natürlich war sie wieder zu spät! Dass Armin vergessen hatte, ihr Bescheid zu geben, kam ihm gar nicht in den Sinn.

    Lucius rollte nur mit den Augen - warum konnte sie sich nicht um sich selbst kümmern? So unübersichtlich war die Stadt auch wieder nicht. Er versuchte also zuerst, sie zu ignorieren und ihre lächerlichen Versuche, ihn zu erweichen, einfach zu übergehen. Dann meldete sich aber doch eine Stimme in seinem Hinterstübchen: War das nicht eine gute Gelegenheit, ihr zu zeigen, was er drauf hatte? Dass er ihre dämlichen Ratschläge nicht nötig hatte?


    Mit einem Seufzen warf der schließlich den Griffel auf den Schreibtisch und sagte


    "Also gut, du darfst mitkommen."

    Die Töpfer hatten noch immer ihre Köpfe zusammengesteckt - ihnen kam dieser arrogante Jüngling nicht gerade sympathisch vor. Doch wie es schien, hatte sein Berater ihn ein bisschen zur Räson gebracht, sodass der Sprecher der Töpfer es noch einmal versuchte:


    "Wir woll'n die ersten drei Stände an der Via Praetoria haben. Und die vom Vicus Novus sollen ein bisschen weg von da, am besten die Stände bei der Curia."


    Selbst Lucius wusste, dass die meisten Besucher der Märkte über die Rhenus-Brücke oder über die Via Borbetomaga kamen. Die Haupt-Einkaufsachse war dabei die Via Praetoria - gerade auch für die Händler, die vom Hafen kamen. Allerdings war es völlig unvorstellbar, dass die Töpfer vom Vicus Novus sich auf die Plätze in der zweiten Reihe zurückdrängen lassen würden, wo fast nur Decurionen vorbeikamen.


    "Das ist völlig utopisch!"


    erwiderte er deshalb wahrheitsgemäß. Für ihn gab es keinen rationalen Grund, den er dem Ordo präsentieren konnte, also brauchte er es gar nicht erst versuchen. Allerdings war dies den Töpfern nicht genug und wieder wallte das Gemurmel auf.


    "Das ist unser Vicus! Sollen sie doch ihren Mist in ihrem Vicus verkaufen! Die Töpfer aus Borbetomagus oder so verkaufen ihr Zeugs ja auch nicht einfach hier!"


    verschaffte sich der Sprecher Erleichterung, was für Lucius nur bestätigte, dass diese Dreckgräber keine Ahnung hatten, wie man argumentierte oder seine Meinung durchsetzte. Zwar war er einer der miserabelsten Debattanten in Eumenius' Schule gewesen, aber die Argumentation 'Ich will aber!' war selbst für ihn nicht einleuchtend. Trotzdem gab es einen Anstoß, der vielleicht Potential hatte - die Töpfer von Borbetomagus verkauften nicht in Mogontiacum, weil sie nicht zu ihrer Civitas gehörten. Nicht einmal die aus Bauconia Nova durften nach Mogontiacum kommen, da es eben ein anderer Vicus war. Und Vicus Novus war auch ein anderer Vicus!


    "Moment! Was haltet ihr davon, wenn ich fordere, dass die Töpfer aus Vicus Novus nur an den Nundinae auf dem Forum verkaufen dürfen? Dann kommen zumindest die Leute aus Mogontiacum öfter zu euch. Und auch die durchreisenden Händler, wenn gerade nicht Markttag ist."

    Seit seiner Wahl zum Magister Vici hatte Lucius erstaunlicherweise sogar ein bisschen mehr Zeit als zuvor: Er musste nicht mehr zur Schule, hatte keine Hausaufgaben. Stattdessen machte er einmal am Tag seinen Rundgang durch den Vicus und traf sich am Vormittag entweder mit bestimmten Gruppen - etwa den leidigen Töpfern - oder nahm an den Sitzungen des Ordo Decurionum teil.


    Trotzdem hatte er wenig Lust, den Touristenführer für seine Verwandte zu spielen. Er hatte ihr noch nicht vergeben, wie arrogant sie ihm ihre sogenannten "Tipps" gegeben hatte. Und jetzt wollte sie plötzlich seine Hilfe...


    "Ich hab' zu tun. Ich muss gleich meine Runde durch den Vicus machen..."

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    Mit der Hilfe aller Götter - der germanischen und der römischen - hatte Armin es geschafft, seinen jungen Herrn vom Tatort weg durch die ganze Stadt zu bugsieren. Noch immer schwitzte er und spührte das Blut durch seine Adern rauschen - damit hatte er nie im Leben gerechnet. Natürlich war Lucius nicht immer der hellste und legte eine Aggressivität an den Tag, die nicht nur dem jungen Vangionen häufig Angst machte - vor allem seit seiner Wahl. Aber dass er einfach jemanden niederstach - ganz unvermittelt - das war eine neue Dimension des Wahnsinns. Wodan oder Iuppiter hatten ihn glücklicherweise schnell reagieren lassen, sodass der Begleiter von Caius - Armin kannte ihn aus den Geschichten von Lucius und auch von ein paar handfesten Zusammenstößen - blitzschnell gepackt und niedergerungen hatte. Zusätzlich hatte Morpheus die Anwohner wohl lange genug im Schlaf gefangen gehalten, dass sie unbemerkt fliehen konnten.


    Trotzdem hatte Armin um jede Ecke gespäht, bevor er seinen immer noch völlig belämmerten Herrn weitergezogen hatte. Die Toga war er unterwegs nicht losgeworden - er wagte es nicht, aus der Stadt zum Rhenus zu schleichen und wenn er sie irgendwo hinwarf, würde sie am Ende gefunden und zugeordnet werden. Stellte sich noch die Frage, wie sie unbemerkt nach drinnen kamen - Lucius stand so sehr neben sich, dass es sogar der schlaftrunkene Morag bemerken würde. Also blieb nur eines: Armin musste ins Haus einbrechen. Um dies zu verwirklichen, parkte er seinen Herrn im Schatten des Hauseingangs, legte die blutige Toga ein paar Schritte weiter vor den verschlossenen Laden des Schnellimbisses und umrundete das Haus. Nach kurzem Überlegen erschien es ihm am sinnvollsten, zu versuchen, sich am Fenster von Lucius' Cubiculum auf das Dach hochzuziehen und dann in den Innenhof zu springen. Doch leichter gesagt als getan: Erst nach drei Versuchen resignierte er - er hätte den Fensterladen herunterreißen müssen und selbst dann wäre wahrscheinlich eher das ganze Dach abgedeckt gewesen, als dass er wirklich hinaufgelänge.


    Plötzlich kam ihm eine neue, simple Idee. Er kehrte zu Lucius zurück und mit Hilfe der Räuberleiter schaffte er es tatsächlich aufs Dach des Stalles und dann in den Hof. Nur Asulf schnaubte ein bisschen, aber das würde hoffentlich niemanden wecken.


    Kurze Zeit später lehnte er erleichtert an der schweren Holztür. Die blutige Tunica lag zu seinen Füßen, Lucius stand am Brunnen im Hof und wusch sein Gesicht. Wenn jetzt niemand etwas bemerkt hatte, war alles gut...





    SKLAVE - MARCUS PETRONIUS CRISPUS

    Das war zu viel. Lucius packte seinen ehemaligen Schulkameraden am Hals und schubste ihn zurück. Dieser verfluchte Caius mit seiner Überheblichkeit! Sein ganzes Leben hatte er ihm zur Hölle gemacht! Hatte ihn verspottet und heruntergemacht, dabei war er selbst kaum intelligenter als der Schemel, auf dem er saß! Nur weil sein Vater eine Menge Geld hatte, glaubte er, er könne sich aufführen wie der König von Mogontiacum! Aber das war jetzt vorbei! Mit aller Kraft stürzte er sich auf den überraschten Gegner. Wie automatisch zog er seine Hand unter der Toga hervor und hatte das blitzende Gladius in der Hand. Die Spitze schien sich wie von selbst das Ziel zu suchen: den Brustkorb, genau da, wo es der Alte ihm gezeigt hatte. Es schien, als leistete die Haut des Viniciers überhaupt keinen Widerstand, der Stahl durchdrang die Haut und die Bauchmuskulatur, als sei es Butter! Die Spitze bohrte sich von unten nach oben, durchstieß das Zwerchfell und traf mitten ins Herz.


    Lucius hörte das überraschte Röcheln - damit hatte Caius nicht gerechnet! Dann strömten Unmengen heißen Blutes aus der Wunde, ergossen sich pulsierend über die blankgeputzte Klinge und die Hand des Petroniers. Die Zeit stand still - Lucius betrachtete sein Werk, doch er fühlte keine Angst, keinen Schreck und keine Reue - nur pure Genugtuung! Er blickte auf und sah die Panik in Caius' Augen. Ja, nun bezahlte er für all das, was er ihm jemals angetan hatte! Damals, als er größer und stärker gewesen war, als Lucius keine Freunde und Helfer gehabt hatte! Er würde ihn nie wieder verletzen, nie wieder beleidigen oder verspotten! Der junge Petronier verspürte keinen Drang, weiter auf ihn einzustechen - er wollte den Moment einfach nur auskosten. Die Welt um ihn herum verschwamm, er sah nur seine blutverschmierten Hände, sein Schwert und den gefällten Caius, dessen Füße langsam nachgaben. Der röchelte weiter und Blut kam auch aus seinem Mund, dann kippte er einfach um.


    In diesem Moment riss plötzlich eine Hand an Lucius' Schulter. Er drehte sich um und sah Armin, der am ganzen Körper vor Schweiß glänzte. Offensichtlich hatte der Leibsklave schnell reagiert und Caius' Begleiter geschnappt, niedergerungen und so lange gewürgt, bis er sich nicht mehr geregt hatte. Doch noch immer war die Anspannung nicht von ihm gewichen und sein Griff an der Schulter wurde fester, sein durchdringender Blick fixierte das zufriedene, aber blutbespritzte Gesicht seines Herrn.


    "Lucius, was hast du gemacht?"


    "Ich habe ihn gewarnt!"


    Armin gab seinem Herrn eine Ohrfeige - er sprach offensichtlich im Wahn!


    "Lucius! Du kannst ihn doch nicht einfach abstechen!"


    Aber Lucius war heute Abend nicht bereit, sich von irgendwem schlagen zu lassen. Der Gedanke, sein Schwert noch einmal zu benutzen, blitzte durch seinen Kopf. Aber glücklicherweise steckte dieses noch im Brustkorb von Caius und er hatte es losgelassen, als dieser in sich zusammengesunken war.


    "Wir müssen weg hier! Wir müssen unsere Klamotten loswerden und uns waschen! Lucius, wir haben einen Mord begangen!"


    Noch immer zeigte Lucius keine Regung, sondern blieb einfach stehen. Aber immerhin ließ er sich widerstandslos ein wenig beiseiteschieben. Armin beugte sich zu der blutüberströmten Leiche hinab und riss das Gladius aus der Wunde. Das Blut wischte er an der Kleidung des Toten ab und reichte die Waffe dann an seinen Herrn weiter, der sie sofort fest umklammerte. Dann wälzte er die beiden regungslosen Gestalten auf dem Boden ebenfalls in den Schatten eines Hauses, zerrte dem Diener seine immerhin noch saubere Tunica vom Leib und reichte sie Caius. Der stand noch immer da wie zur Salzsäule erstarrt.


    "Lucius, zieh das an! Du kannst nicht in der Stadt herumlaufen wie ein Schlächter! Los, runter mit der Toga!"


    "Ich habe ihn gewarnt!"


    Das war alles, was Lucius dazu zu sagen hatte. Also seufzte Armin, stand auf und zog dem Petronier die Toga, die vorn ebenfalls einen riesigen Blutfleck aufwies, von der Schulter. Nun endlich zeigte sein Herr sich ein wenig kooperativer und ließ sich zumindest widerstandslos die Tunica austauschen und das Gesicht mit der Toga abwischen. Bei genauerem Hinsehen würde man noch ein paar Blutspritzer sehen, aber von weitem sahen sie nun wieder relativ zivilisiert aus.


    "Das Zeug können wir nicht hier lassen."


    stellte Armin fest, rollte die Toga zusammen (natürlich mit der blutigen Stelle nach innen) und stopfte die Schwertscheide samt Schwert hinein. Dann ergriff er den Arm seines Herrn und blickte noch einmal um sich - die Fensterläden waren überall noch verschlossen, keine Schritte waren zu hören. Dann machten die beiden sich zügigen Schrittes auf den Heimweg...

    "Na, Rusticus? Wie gefällt dir dein neuer Job?"


    sprach ihn die größere der beiden Gestalten an - es war Caius. Schlagartig fühlte der junge Petronier sich wieder nüchtern! Seine Hand verschwand unwillkürlich unter der Toga und er erwiderte verachtungsvoll:


    "Immerhin bin ich kein dummer Schuljunge mehr!"


    "Schuljunge vielleicht nicht mehr. Aber das ist auch schon alles. Machst jetzt einen auf großen Römer, hä?"


    antwortete Caius und machte einen Schritt auf Lucius und Armin zu. Nun ballte auch der Sklave seine Fäuste. Doch Caius fuhr noch weiter fort:


    "Beruft sich groß auf seinen Vater!"


    Er hob die Hände und verstellte die Stimme.


    "'Oh, Papi hat dies gemacht, Papi hat das gemacht!' Für Sicherheit und Frieden! - So ein Blödsinn! Du hast wohl vergessen, dass dein geliebter Papi gebuckelt hat wie ein Sklave. Der hat doch nicht eine Schlacht geschlagen! Wahrscheinlich war er ein Schreibtischhengst, nicht wahr, Rusticus?"


    Die Zähne von Lucius pressten sich immer fester aufeinander. Ganz offensichtlich war Caius neidisch, dass er erfolgreich gewesen war, während der Vinicier noch immer die Schulbank drückte! Und jetzt versuchte er, ihn mit der einfachen Herkunft seines Vaters aufzuziehen, weil sein Vater nichts geleistet hatte als Geldzählen. Aber das würde er sich nicht bieten lassen - er würde sich nie wieder irgendetwas gefallen lassen! Er war Magister Vici und für die Ordnung hier verantwortlich!


    "Nenn mich noch einmal Rusticus und du bist ein toter Mann!"


    antwortete er deshalb eisig flüsternd. Die beiden standen nun voreinander, fast schienen sich ihre Nasenspitzen zu berühren. Doch Caius grinste nur und sagte dann langsam und genüsslich


    "Rus - ti - cus!"

    Die ersten Tage als Magister Vici waren nicht so schlimm, wie Lucius befürchtet hatte. Er musste keine weiteren Reden halten und wer ein Problem hatte, der kam zu ihm. Seine eigentliche Aufgabe war es eher, durch die Gassen zu patrouillieren und darauf zu achten, dass die Regularien eingehalten wurden. Zu seiner eigenen Sicherheit - viele sahen es nicht ein, dass sie ihren Müll nicht auf die Straße werfen oder einen Schuppen in die Gasse bauen durften - hatte sein Vater zwei Veteranen besorgt, außerdem war Armin immer dabei. Um ganz sicher zu gehen, trug Lucius aber auch stets das Schwert mit sich, das sein Vater ihm vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Da dies nicht so gern gesehen wurde, versteckte er die Waffe unter seiner Toga, aber auch so gab sie ihm das gute Gefühl von Überlegenheit.


    Und so machte ihm die Arbeit fast Spaß - zumindest weitaus mehr als die Schule bei Eumenius! Denn jetzt endlich war er jemand - er ließ sich gar nicht erst auf Diskussionen ein. Wie er es versprochen hatte, setzte er die Verordnungen und Gesetze knallhart durch - und die anderen mussten sich fügen! Diese Macht war wirklich sehr angenehm! Und nach dem Rundgang, wenn er die beiden Veteranen nach Hause geschickt hatte, ging er mit Armin zusammen in eine Taverne - immer in eine andere, denn er wollte ja alle im ganzen Vicus kennen lernen!


    Diesmal hatten sie eine Spielunke am anderen Ende des Vicus ausgesucht, direkt an den Wall gebaut. Allerdings hatte es ihnen gut gefallen - das Bier war in Strömen geflossen und als die beiden ihren Heimweg antraten, war Lucius in seeliger Laune. Es war bereits dunkel und die Straßen völlig verwaist. Doch kaum waren sie eine Straßenecke weiter gekommen, stellten sich ihnen auch schon zwei Gestalten in den Weg.