Beiträge von Quintus Claudianus Anaxander

    Anaxander unterdrückte das Bedürfnis, zu widersprechen, als sein Patron davon redete, dass der fünfte Vertragspunkt, wie er war, keinen Sinn machte. Denn nur weil von zwei möglichen Fällen nur ein einziger eintreten konnte, verlor der ganze Absatz ja nicht seinen Sinn. Und nur weil einer der zwei Fälle nicht eintreten konnte, war dieser unmögliche Fall auch noch lange nicht sinnlos. Eher umgekehrt. Er wahrte den Schein. Und er schützte damit gerade vor dem Verdacht der Übervorteilung, der im schlimmsten Fall einen ganzen Vertrag komplett unwirksam machte. Dass der fünfte Vertragsabsatz, wie er war, keinen Sinn machte. Das hielt Anax nach seiner Arbeit als Anwaltsgehilfe darum auch nur für eine leere Worthülle. Wahr war: Sein Patron fand den Punkt einfach unpassend. Nicht mehr, nicht weniger.


    Aber Anaxander schluckte die Worte seines Patrons. Ohne etwas dazu zu sagen. "Dann ändere ich das auf 2.000 Sesterzen ab." Mehr sagte er auch zum zweiten Teil nicht. Denn da hatte er sich scheinbar geirrt. Gut möglich, dass es nicht der Betriebswert war, der zwischen 400 und 1.600 Sesterzen bei Jägereien lag, sondern die durchschnittlichen Erhaltungskosten für Gebäude, Jagdutensilien und das alles. Bei so vielen Branchen und immer die zwei Zahlen zu jeder Branche, hatte er so aus dem Stegreif scheinbar einfach zwei dieser Zahlen verwechselt.


    Dann hatte Anax Patron noch einen letzten Wunsch, der Anaxander erstmal mit einem kleinen Fragezeichen im Gesicht zurückließ. Dass sein Patron wieder die Wortgruppe "ohne Gegenleistung" benutzte, überraschte ihn nicht. Denn das eingeräumte Vetorecht bei Betriebsveräußerung hatte sein Patron auch eben schon unter den Tisch fallen lassen. Dafür aber: "Äh .. wenn ich das so sagen darf, dann sehe ich den Sinn dahinter irgendwie nicht.", redete jetzt umgekehrt Anax von fehlendem Sinn. "Denn wenn ich dir jetzt die Jägerei zurückgebe und dafür von dir etwas haben will .. einen Geldbetrag oder ein Mitspracherecht bei weiteren Betriebsveräußerungen oder irgendwas anderes .. dann zwingt dich ja niemand, das so anzunehmen. Du kannst es auch einfach ablehnen. Ohne dass dir davon dein Mitspracherecht, das hier in dem Vertrag drin steht, verloren geht. Und ohne dass sich sonst irgendwas ändert." Es tat also keine Not, sowas jetzt hier mit festzulegen. Eher umgekehrt. "Der Vertrag hier soll regeln, unter welchen Bedingungen dein Betrieb in mein Eigentum wechselt. Und wenn der Betrieb dann irgendwann mal von meinem zurück in dein Eigentum wechseln soll, dann sollten wir dazu eh weder einen Vertrag aufsetzen. Einen Vertrag, in dem dann halt die Bedingungen für den Wechsel dann drinstehen." Man konnte natürlich auch jetzt sowas festlegen. Etwas, was vor dem Abschluss eines Vertrags zur Rückübereignung sowieso irrelevant war. Etwas, was in dem zukünftigen Vertrag dann eh im Zweifel neu und anders geregelt werden konnte. Aber wirklich sinnvoll fand der ehemalige Anwaltsgehilfe Anaxander das nicht.

    Fast ein halbes Jahr lang hatte Anaxander als Sekretär eines Anwalts gearbeitet. Darum gab es da Dinge, über die er mittlerweile schon gar nicht mehr groß nachdachte. Dinge, die er einfach tat, weil sich die automatisiert hatten. Manche freiwillig, weil er sie einfach so oft gemacht hatte. Manche eher unfreiwillig, wo ihn der Anwalt einfach gezwungen hatte, Sachen auswendig zu können. Ein bisschen wie beim Einmaleins. Das zu können war ihm früher auch aufgezwungen worden, bevor er irgendwann später erst die Nützlichkeit davon erkannt hatte.


    Anax nickte also erstmal wegen dem Versprechen. Dann ging er auf die anderen Fragen seines Patrons ein. "Um ehrlich zu sein, hab ich beim Schreiben ab dem vierten Punkt gar nicht mehr so groß nachgedacht.", gestand er ein. "Ich kann den Punkt also gern auch nur einseitig formulieren .. auch wenn es eigentlich auch so nichts gibt, wo du den Vertrag verletzen könntest." Selbst wenn er wollte. Denn den ersten Punkt hatte er ja schon erfüllt. Und die anderen Punkte schrieben ihm ja nichts vor. Die schrieben ja nur Anaxander etwas vor. Also konnte natürlich auch nur Anax gegen die anderen Punkte verstoßen und so den fünften Absatz auslösen. Ob sein Patron das erkannt hatte? Das wusste Anaxander nicht. War aber auch egal. Denn wenn sein Patron eine andere Fassung wollte, dann gab der Privatsekretär seinem neuen Arbeitgeber eben eine andere Fassung. So einfach.


    Anax kratzte sich hinterm Ohr. Woher hatte er die 1.600 Sesterzen genommen? "Äh .. ein Erfahrungswert?", war seine unsichere Antwort. "Der Anwalt, für den ich gearbeitet hab, hatte vor allem mit Erb- und Marktrecht zu tun." Weil da halt am meisten geklagt wurde. Oder ein Anwalt um Rat gefragt wurde. Gerad das komplizierte Erbrecht war ja auch nicht ganz leicht zu blicken. "Und bei meinen Recherchen für ihn waren so Jägereien eigentlich immer irgendwas zwischen 400 und 1.600 Sesterzen wert gewesen." Gerad so für den Wert einer Erbmasse mussten ja Waren, Betriebe, Häuser, Grundstücke, Schiffe, und und und geschätzt werden. Wenn da dann immer wieder ähnliche Werte in den Gutachten auftauchten, davon hatte eben auch Anaxander gelernt, Werte grob einzuschätzen. "Da bin ich einfach davon ausgegangen, dass eine claudische Jägerei natürlich mit dem höchsten Wert anzusetzen ist.", erläuterte er dann. "Und ich dachte, wenn ich dir also einen Schaden in dieser Höhe zufüge, indem ich gegen diesen Vertrag verstoße, dann musst du einen finanziellen Ersatzanspruch gegen mich haben, der genauso groß ist." Das war die ganze Überlegung.

    Anaxander sah, wie sein Patron erst zweimal zu schreiben anfing, dann zweimal seine geschriebenen Worte wieder verwarf und sich zum Schluss jetzt an ihn wandte. Dabei stand für den Freigelassenen fest: Sein Patron wollte ihn testen. Zum Einen seine Loyalität, deshalb übergab er ihm schon vorab den eigenen Betrieb. Zum Anderen seine Fähigkeiten als Privatsekretär, darum der Auftrag mit dem Vertragsentwurf. "Vielen Dank.", lächelte Anax glücklich, wobei er nicht weiter ausführte, wofür er sich jetzt bedankte. Das Vertrauen, den Betrieb, die Aufgabe - oder vielleicht auch einfach alles zusammen.


    Er streckte seine Hand aus und griff an den Pergamenten vorbei, um sich erstmal eine leere Wachstafel zu angeln. Denn weil man das Wachs da immer wieder glattstreichen konnte, eigneten sich die für erste Entwürfe immer besser. Darauf hatte wenigstens der reiche Ritter mit den vielen Betrieben immer bestanden, als Anaxander die Abrechnungen für ihn gemacht hatte. "Darf ich?", fragte er vorher noch. Dann nahm er sich eine der Tafeln und einen Stilus.



    Pactum


    zwischen Herius Claudius Menecrates
    und Quintus Claudianus Anaxander


    I. Mit diesem Vertrag tritt Claudius seine Besitz- und Eigentumsrechte über seinen Jäger-Betrieb "Venatores Claudii Felicis" an Claudianus ab. Das umfasst alle Grundstücke, Gebäude und anderen zur Jägerei gehörenden Betriebsmittel.


    II. Im Gegenzug versichert Claudianus, dass er den genannten Jäger-Betrieb nicht ohne die schriftliche Zustimmung von Claudius verkauft, verschenkt oder anders aus seinem Eigentum gibt. Das umfasst auch eine Schließung der Jägerei, zu der unabhängig vom Betriebszustand ebenfalls vorab eine schriftliche Zustimmung von Claudius nötig ist.


    III. Weder eine Namensänderung des Jäger-Betriebes noch eine Verlagerung seines Betriebsstandorts ermöglichen Claudianus, die Vereinbarungen aus Absatz II zu umgehen.


    IV. Falls eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam oder undurchführbar sein sollte, soll die Wirksamkeit der restlichen Bestimmungen hiervon unberührt bleiben. Die Parteien sind jedoch dazu verpflichtet, dabei mitzuwirken, dass die betroffene Bestimmung durch eine solche ersetzt wird, deren Inhalt soweit wie möglich den Zweck der unwirksam gewordenen ersetzt.


    V. Sanctio: Werden diese Vertragsbedingungen von einem der beiden Vertragspartner verletzt, dann ist dieser zu einer Ausgleichszahlung gegenüber der anderen Vertragspartei verpflichtet. Die Höhe dieser Ausgleichszahlung beläuft sich auf 1.600 Sesterzen und kann vor dem dafür zuständigen Magistraten in Rom geltend gemacht werden.



    In vollständiger geistiger Tüchtigkeit,


    Unterschriften der beiden Vertragspartner



    Kurz kratzte sich Anax mit dem Stilus hinterm Ohr. Dann schob er seinem Patron die beschriebene Wachstafel über den Tisch. "Wäre das hier so zu deiner Zufriedenheit?", fragte er mit nervösem Blick. "Das sichert dir nicht direkt ein Recht zur Rückführung des Betriebs. Aber du hättest ein Vetorecht, wann immer ich den Betrieb aus meinem Eigentum wieder entlassen will. Ohne deine schriftliche Zustimmung ginge da also gar nichts." Oder falls ich doch die Jägerei ohne seine Zustimmung weggab, dann könnte er sich aber mit diesem Vertrag den Gegenwert des Betriebs jederzeit in bar von mir auszahlen lassen.


    Verkauf, Schenkung und Schließung waren damit also schonmal abgedeckt. "Ob damit jetzt auch die Vererbung des Betriebs sicher abgedeckt wäre, ist nicht ganz sicher. Du könntest also bei Dezemvir oder Prätor dein Glück damit versuchen und dich auf den zweiten Absatz dabei beziehen." Denn ein Toter konnte ja kein Eigentum haben. Darum gab ich mit meinem Tod also zwangsläufig den Betrieb aus meinem Eigentum. Wahrscheinlich auch ohne meinen Patron vorher zu fragen. Denn ich wusste ja nicht, wann ich mal starb. "Aber nach Gewohnheitsrecht würde man dir wahrscheinlich sagen, dass es nicht möglich ist, schon zu Lebzeiten einer Person unwiderrufliche Rechte an deren Nachlass zu erwerben." Und das war ja der große Unterschied zwischen einem Testament und so einem Vertrag. Ein Testament war nur mein letzter Wille, sodass ich es ständig widerrufen konnte, wenn sich mein Wille änderte. Im Unterschied dazu spielte bei einem Vertrag nicht nur allein mein Wille eine Rolle, sodass er sich nicht einfach ändern ließ, wenn nicht alle Vertragsseiten der Änderung zustimmten. "Der Anwalt, für den ich gearbeitet habe, hat immer gesagt: Solche Klauseln haben keine verbindliche Rechtskraft, weil sie sonst lebensgefährliche Folgen für den Erblasser haben könnten .. wegen dem leidenschaftlichen und verderbten Charakter des Volkes.", lächelte Anax schief. Er musste wirklich noch an seinem Ausdruck feilen. Denn bei dem Anwalt hatte diese Erklärung immer irgendwie besser geklungen.

    Bei dem Vertrauen, das sein Patron ihm entgegenbrachte, schluckte Anaxander erstmal. Anderweitige Veräußerung, Schenkung, Vererbung, hörte er ihn sagen und fühlte sich fast ein bisschen kriminalisiert. Erst im zweiten Moment verstand er, dass Claudius Menecrates hier nur seine Familienwerte schützen wollte. Und Anax gehörte eben nicht dazu zu dieser Familie. Er war einer von den anderen. Einer von denen, vor denen sein Patron seine Familie schützen musste. "Natürlich.", nickte Anaxander also. "Wo muss ich unterschreiben?" Claudius Menecrates hatte sich Schreibutensilien bringen lassen und sah so aus, als wenn er das angesprochene Vorrecht auch schriftlich festhalten wollte. Wahrscheinlich musste Anax also gleich irgendwas unterschreiben. Dass jeder Besitzerwechsel des Betriebs der Zustimmung seines Patrons bedurfte, egal ob es sich um eine Veräußerung, Schenkung oder Vererbung handelte. Irgendwie sowas. Aber Anaxander war dazu bereit.

    Anaxander nickte, als sein Patron ihm nochmal ein-zwei Dinge ins Bewusstsein rief. "Richtig, ja. Der Verkauf ist natürlich erst der zweite Schritt.", bestätigte er dann auch nochmal mit Worten. "Aber egal, welchem Betrieb ich mich annehme, würde ich den ersten Schritt immer eher anderen überlassen. Denn ich bin kein gelernter Bauer oder Winzer. Ich bin kein gelernter Züchter oder Jäger." Deshalb war es für Anax auch selbstverständlich, dass er diesen Teil anderen lieber überließ. "Den Schwerpunkt für meine eigene Tätigkeit seh ich da also eher im Verkaufsgeschäft. Und da hab ich ein paar Erfahrungen schon im Fleischverkauf gesammelt.", nahm er nochmal Bezug auf seine eigene Aussage. Die Jägerei sollte es also sein.


    Der zweite Punkt von Claudius Menecrates war dann, dass die lebend gefangenen Tiere natürlich noch ärztlich untersucht und behandelt werden mussten, bevor sie in irgendeine Arena zu irgendeiner Tierhetze verkauft werden konnten. "Da müsste ich mich natürlich selbst erstmal etwas umsehen nach einem Arzt, der für genügend ärztliche Behandlungen zur Verfügung steht.", gab Anaxander zu. Denn er konnte ja vor der Salutatio nicht ahnen, dass er vielleicht bald eine Jägerei führen würde. "Aber ich glaube, dass sich Möglichkeiten finden werden, dass eine Gründung einer eigenen Arztpraxis nicht nötig sein wird." Da war Anax eigentlich zuversichtlich. Denn Rom war groß. Von Britannien bis Ägypten gab es da bestimmt endlos viele Ärzte. Da gab es bestimmt auch irgendwo einen, der sich regelmäßig für eine claudische Jägerei anwerben ließ.


    Sim-Off:

    Ich sehe gerade 73-mal ärztliche Behandlung auf dem Markt .. ;)

    Anaxander lächelte leicht, als die Anstellung als Privatsekretär bei seinem Patron unter Dach und Fach war. Denn auch wenn seine letzten Arbeitsverhältnisse durch die äußeren Umstände immer viel zu früh beendet wurden. Sein Patron würde ihn bestimmt nicht im Stich lassen. Genauso wie er seinen Patron bestimmt nicht im Stich lassen würde.


    Anschließend schickte Claudius Menecrates einen seiner Sklaven los, um ein paar Unterlagen zu holen. Angespannt sah Anax ihm nach, da begann sein Patron erneut das Gespräch. Mit einem anderen seiner Klienten. Schweigend verfolgte Anaxander den Wortwechsel und fragte sich, ob er hier jetzt nun schon irgendwelche Notizen machen sollte. Er war sich nicht sicher. Und er war ja auch gar nicht darauf vorbereitet. Er hatte ja nicht wissen können, mit welcher Lösung für sein Problem Claudius Menecrates aufwarten würde. Trotzdem beschloss Anax, dass es sicher nicht falsch sein konnte, jetzt aufmerksam zu sein und in Gedanken einfach schon mal so zu tun, als wenn er nebenbei jetzt noch wichtige Notizen für seinen Patron anfertigen müsste.


    Irgendwann war das Gespräch beendet und der Sklave mit den Unterlagen zurück und Claudius Menecrates wandte sich erneut Anaxander zu. "Mit meinen Erfahrungen im Fleischverkauf denke ich, dass eine Jägerei mir am ehesten liegen würde.", beantwortete er die Frage seines Patrons. Denn bei Gemüsebauer und Weingut, da würde er bestimmt keine gute Figur machen. Da fehlte ihm einfach der "grüne Daumen" für. Und bei der Pferdezucht ging es wahrscheinlich eher um die Zucht und den Verkauf von Pferden und nicht darum, Pferdefleisch zur Weiterverarbeitung zu verkaufen. Hingegen wilde Tiere zu fangen, um dann die lebenden für irgendwelche Spiele an die Arenen im Reich weiterzuverkaufen und die toten zu zerlegen und als Pelze und rohes Fleisch zu verkaufen, das .. so einen Betrieb zu führen, das traute sich Anax zu. Das würde er schaffen.

    Erwartungsvoll hing Anaxander an den Lippen seines Patron. Denn der hatte, wie es schien, doch wirklich gleich eine Lösung für ihn parat. "Das wäre fantastisch!", bestätigte Anax enthusiastisch den Vorschlag des Patriziers. Dann setzte er etwas zurückhaltender noch ein "Und es wäre natürlich auch äußerst großzügig von dir." hinterher. Privatsekretär erst als Sklave bei Claudius Felix, dann als Freigelassener unter anderem bei einem Anwalt, und jetzt als Klient bei seinem Patron, dem hohen Senator Claudius Menecrates. Für einen kurzen Moment fühlte er sich an die Geschichte erinnert, von der einige Sklaven manchmal träumten: Als Freigelassener die rechte Hand einer einflussreichen Persönlichkeit sein und dabei am Ende dann auch selbst zu Geld, Macht und Einfluss gelangen ..
    Natürlich hatte Anaxander diesen Weg bislang nie für sehr realistisch gehalten. Und auch heute sah das nicht anders aus. Denn sicher war sein Patron eine so bedeutende Persönlichkeit, dass man sich sowas mal vorstellen konnte. Aber schon der Gedanke, dass Anax als ehemaliger Sklave für jemand anderen plötzlich eine Autorität darstellen sollte, war für den Freigelassenen eigentlich kaum vorstellbar.


    Dann kam die Frage nach der Betriebsführung. "Ja, schon.", nickte Anaxander darauf erstmal und man merkte wahrscheinlich, dass er von dieser so betonten Frage seines Patrons ein bisschen eingeschüchtert war. Dann aber fasste er sich ein Herz. "Ich meine natürlich, ja, auf jeden Fall.", korrigierte er sich und sprach dabei auch mit einer festeren, überzeugten Stimme. Den er hatte ja schonmal einen Betrieb (ein Lupanar) geführt, wenn auch nur kurz. Und er hatte auch schonmal als Verkäufer gearbeitet und Sachen an den Mann (und natürlich die Frau) gebracht, wenn auch nur in einer Fleischerei. Und auch mit dem Marktrecht war er nach seinem Job als Anwaltsgehilfe mittlerweile ja eigentlich ganz gut vertraut.
    Sowieso. Er wollte sich nach der früheren Misswirtschaft seines Vaters auch beweisen, dass ihm selbst sowas nicht passierte. ER würde keine Schulden anhäufen. Und SEINEN Kindern, falls er irgendwann mal welche zeugte, würde er deshalb auch ganz sicher keinen Berg voll Schulden hinterlassen. Ein Versagen konnte er sich also nicht leisten. Ganz ausgeschlossen.


    Beim letzten Teil der Worte seines Patrons nickte Anaxander dann. "Ich verspreche dir, dass ich unbedingt daran arbeiten werde.", gelobte er. Und vielleicht konnte er ja sogar eine Dame des Hauses dazu gewinnen, ihm gerade beim richtigen Auftreten noch ein paar Tipps zu geben. Denn falls er als Privatsekretär eingestellt wurde, dann würde er ja wieder sehr viel mehr hier in der Villa Claudia sein und hätte Gelegenheit, den übrigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Anwesens über den Weg zu laufen....

    Anaxander nickte hoffnungsvoll, als auch sein Patron fand, dass er Unterstützung verdient hatte. Anschließend wurde er dann nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten gefragt. "Deinem Enkel habe ich damals vor allem als Privatsekretär und Schreiber gedient.", war daraufhin natürlich der erste Satz seiner Antwort. "Ich habe zwar hin und wieder auch irgendwo mit anpacken müssen, aber große Erfahrung mit schwerer körperlicher Arbeit habe ich eigentlich nicht. Dafür beherrsche ich griechisch, die Sprache der Händler. Denn in Griechenland, in Athen, bin ich auch geboren." Auch wenn das bestimmt nur ein nicht so wichtiges Detail am Rande war. "Bei meiner Arbeit mit den Betriebsabrechnungen des Ritters habe ich außerdem auch einiges Neues gelernt über das erfolgreiche Führen von Betrieben." Anders als Anax Vater, dessen unglückliche Hand auf dem Gebiet den heute wieder Freien ja damals erst in die Unfreiheit geführt hatte. "Dazu kenn ich mich auch ganz gut zum Beispiel mit der Lex Mercatus aus. Denn so viel, wie wegen der geklagt wird, hatte ich natürlich auch mit der zu tun, als ich der Sekretär eines Anwalts war." Anaxander kratzte sich am Kinn. "In der Privatwirtschaft könnte ich also bestimmt ganz gut zurecht kommen." Und besonders bei einem Betrieb, der seinen Standort nicht in Italia hatte, sondern weiter im Osten, wäre er mit seinen Griechischkenntnissen auch sicher gut dabei .. ( ;) )


    Fiel ihm noch etwas ein? "Als Sekretär und Schreiber habe ich natürlich auch häufig Briefe schreiben müssen. In griechisch. Oder in lateinisch." Anax biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. "Und den Rücken hab ich natürlich immer versucht erst deinem Enkel ein bisschen freizuhalten. Später dann zum Beispiel auch dem Anwalt, für den ich gearbeitet habe. Also so Termine koordinieren, nichtsolvente Leute abweisen." Denn der Anwalt wollte ja Geld verdienen mit seinem Job. "Und sowas eben.", hoffte Anaxander, dass sich sein Patron so halbwegs etwas darunter vorstellen konnte. Kurz suchten seine Augen noch auf dem Tisch nach einer weiteren Sache. Dann fokussierte er wieder das Gesicht seines Patrons. Denn mehr fiel ihm jetzt irgendwie nicht ein. Hoffentlich reichte das....

    Da hatte Anaxander ja gerade nochmal Glück gehabt. Denn sein Patron hatte zwar scheinbar Hunger und ließ seinen Vilicus und Scriba sich weiter um den Großteil der Klienten kümmern. Aber zusammen mit drei anderen durfte Anax seinem Patron folgen, um ihm Gesellschaft zu leisten beim Essen. Also folgte er dem Senator und wartete, bis der sich einen Sitzplatz ausgesucht hatte. Erst dann setzten sich auch Anaxander und seine Mitklienten zu Claudius Menecrates.


    Anschließend wurde Anax als erster angesprochen. "Ich bin Claudianus Anaxander, ein Freigelassener deines gütigen Enkels Claudius Felix." Für den wahrscheinlichen Fall, dass sich sein Patron nicht jeden einzelnen seiner vielen Klienten mit Namen, Gesicht und Bezug zur Gens Claudia merken konnte, fing Anax einfach mal mit dieser kurzen Vorstellung an. "Ich habe seit meiner Freilassung, für die ich deinem Enkel und dir auf ewig dankbar sein werde, jetzt eine eigene Wohnung in der Insula des Caius Fundanius Vulso auf dem Caelimontium gemietet. Und ich habe mir eine Arbeit gesucht, um jetzt selbst meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber egal, ob ich die Betriebsabrechnung für einen wohlhabenden Ritter gemacht habe oder in einer Bibliothek arbeitete oder in einer Fleischerei beim Verkauf aushalf oder der Sekretär eines Anwalt war oder zuletzt der Geschäftsführer in einem Betrieb war" Dass es sich dabei um ein Lupanar handelte, sparte ich lieber erstmal aus. "am Ende haben die äußeren Umständen immer dafür gesorgt, dass ich nach einer Weile wieder ohne Job dastand. Etwa weil der Ritter, für den ich die Betriebsabrechnungen gemacht hatte, verstarb und sein Sohn die Betriebe lieber verkaufte, als das Erbe seines Vaters fortzuführen." Da merkte man eben den Unterschied eines plebejischen Ritters zu einem patrizischen Senator, der da sicherlich mehr auf die Traditionen gab und einen geerbten Betrieb nicht einfach gedankenlos verscherbelte. "Jedenfalls bin ich am verzweifeln, wie ich ohne eine Arbeit meinen Lebensunterhalt bestreiten soll. Denn ich kann es mir einfach nicht leisten, ständig aus irgendwelchen Gründen die Anstellung zu verlieren." Der Vermieter wollte ja jeden Monat seine Miete sehen. Und irgendetwas essen und trinken musste ich ja auch.

    Wie beschlossen macht sich Anax auf zur Salutatio in die Villa Claudia. Extra früh war er dafür von seiner Wohnung aufgebrochen. Denn je früher man kam, umso einen besseren Platz kriegte man meistens. Und einen guten Platz brauchte Anaxander heute auch, wenn er die Gelegenheit haben wollte, mit seinem Patron zu sprechen und ihm sein Leid zu klagen. Als er vor der Villa Claudia ankam, warteten schon sechs andere Klienten auf Einlass. "Siebter. Das ist nicht schlecht.", sprach Anax sich selbst Mut zu und stellte sich zu den anderen. Dann begann das Warten. Und je mehr Zeit verging, umso voller wurde es vor dem Haus. Denn das hier war ja auch die Villa Claudia des patrizischen Senators Claudius Menecrates und nicht nur das kleine Häuschen irgendeines plebejischen Ritters.


    Irgendwann öffneten sich dann die Pforten zur claudischen Villa und die Klienten konnten bis ins Atrium eintreten. Als Siebter heute ergatterte natürlich auch Anax einen dieser begehrten Plätze im Innern und musste nicht mit einem der billigen Plätze VOR der Haustür Vorlieb nehmen. Joa. Und dann hieß es wieder erstmal warten. Als allererstes mal auf den Patron. Denn der kam ja meistens erst, wenn das Atrium schon gut gefüllt war, und nicht, wenn noch niemand da war oder noch alle vor der Tür auf Einlass warteten. "Ave, patrone.", wurde der Patron dann bei seinem Erscheinen von einem vielstimmigen Chor (darunter natürlich auch Anaxander) gegrüßt. Und dann hieß es ein drittes Mal warten. Jetzt nun darauf, dass Anax irgendwann an die Reihe kam. Und wie gesagt, als Siebter heute morgen war er eigentlich ganz guter Dinge, dass sein Patron auch bis zu ihm kam und nicht die Salutatio aus Zeitgründen (bei den vielen Leuten dauerte die ganze Chose ja, sodass es ganz normal war, dass ein Patron irgendwann keine Lust mehr hatte) schon früher abbrach.

    Es hatte ihn traurig gemacht, dass Claudius Felix so früh und so jung gestorben war. Denn Claudius Felix war immer gut zu ihm gewesen. Es war mit ihm immer ein Gespräch zwischen zwei Menschen gewesen und nie das Gespräch nur eines Menschen zu einer Sache. Deshalb war der unerwartete Tod seines ehemaligen Herrn so traurig gewesen für dessen ehemaligen Sklaven. Gleichzeitig hatte Claudius Felix aber auch für eine riesige Freude bei Anaxander gesorgt, als er erfuhr, dass er mit dem Tod des Patriziers jetzt wieder ein freier Mann sein sollte. Mit einem bescheidenen Geldbetrag, zusammen mit seinem angesparten Peculium ein nettes kleines Sümmchen, sollte sich Anax ein neues Leben in Freiheit aufbauen. Es war.. großartig!


    Der ehemalige Sklave, der deshalb mit großem Ehrgefühl das Praenomen seines früheren Herrn Quintus trug, hatte sich in eine Insula auf dem Caelimontium eingemietet. Die Wohnung im dritten Stock des Hauses war ziemlich spartanisch eingerichtet. Denn für mehr hatte Anax einfach kein Geld. Aber sie war trotzdem sein ganzer Stolz. Nicht weil sie so groß wäre oder weil der Ausblick nach draußen so schön wäre. Nein. Die Wohnung war vor allem so toll, weil sie seine und nur seine war. Es war sein eigenes kleines Heim.


    Aber das Leben in (erneuter) Freiheit hatte nicht nur Sonnenseiten. Auch das musste Anax schon bald (wieder) lernen. Denn zwar war er jetzt frei. Aber es gab eben auch niemanden mehr, der ihn täglich versorgte. Niemand finanzierte ihm das eigene Dach über dem Kopf. Niemand kümmerte sich. Vorher hatte Anaxander für seinen Herrn arbeiten müssen. Jetzt musste er es für sich selbst tun. Und das war auf dem Arbeitsmarkt der Stadt gar nicht mal so einfach: Denn erst hatte er mehrere Monate bei einem reichen Ritter gearbeitet und die Betriebsabrechnungen für ihn gemacht. Dann war der Mann gestorben und sein Sohn hatte ihn schnurstracks gefeuert, bevor er die Betriebe allesamt verkauft hatte. Anschließend war Anax in einer Bibliothek untergekommen. Der Betrieb zog gerade von einem Standort zu einem anderen und brauchte dafür zusätzliches Personal. Aber kaum war das Werk vollbracht, saß der Freigelassene nach einigen Wochen erneut auf der Straße. Da fand er Anstellung in einer anderen Bibliothek. Aber die wurde schon keine drei Wochen später geschlossen. Höchste Literaturkunst zu teuren Preisen verkaufte sich eben eher mittelmäßig bis schlecht in der Subura. Der nächste Job war dann ein kurzer Aushilfsjob als Verkäufer in einer Fleischerei. Aber zwei Wochen später musste auch der Laden schließen. Die Ädilen hatten nach einer Beschwerde eines Kunden Gammelfleisch entdeckt. Da konnte man nichts machen. Aber schon bald bot sich Anax die nächste Möglichkeit und er arbeitete als Sekretär eines Anwalts. Fast ein halbes Jahr lang ging das gut. Dann wurde der Anwalt selbst verklagt und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Einen Sekretär konnte er sich dann nicht mehr leisten. Und wieder musste Anaxander sich neu orientieren. So nahm er dann die Stelle als Geschäftsführer in einem Lupanar an. Anderthalb Wochen später wurde der Eigentümer wegen irgendwelcher illegaler Machenschaften verhaftet, sein Lupanar stillgelegt und Anax natürlich entlassen....


    Genau zwei Wochen war das jetzt her. Und die finanziellen Mittel, die schon vorher immer weiter geschrumpft und geschrumpft waren, hatten sich fast erschöpft. Dabei musste Anaxander bald auch wieder die Monatsmiete begleichen. Und irgendetwas essen und trinken musste er ja auch, um über die Runden zu kommen. Da half es alles nichts. Wenn er heute morgen, wie an jedem Tag, zur täglichen Salutatio in der Villa Claudia aufschlug, dann musste er seinem Patron Claudius Menecrates, dem Großvater des verstorbenen Claudius Felix, sein Leid klagen. Vielleicht hatte der ja eine Idee, wie Anax künftig beschäftigt war und finanziell über die Runden kam.


    Auf zur Villa Claudia!

    Insula des Caius Fundanius Vulso
    Habitatio des Quintus Claudianus Anaxander (Stock III, Habitatio II)



    Zwischen der Porta Querquetulana im Süden
    und dem großen Aquaeductum im Norden
    befindet sich die Insula des Caius Fundanius Vulso.


    In der zweiten Wohnung des dritten Stocks
    befindet sich das Heim des Quintus Claudianus Anaxander.


    Sim-Off:

    Text geklaut von Mitmieter Marcus Helvetius Severus: Link.

    Hallo, ich hätte gerne 1x ein Ticket zurück aus dem Exil.


      Mein alter Dominus ist ja nun seit über einem Jahr tot. Darum habe ich schon mit Claudius Menecrates geschrieben und wir haben ausgemacht, dass ich testamentarisch von Claudius Felix freigelassen wurde. Es wäre also schön, wenn ich bei meiner Rückkehr gleich:


      - Libertinus wäre
      - den Namen Quintus Claudianus Anaxander bekommen könnte
      - mich im Klientel von Herius Claudius Menecrates befinden würde
      (den Patron kann man sich als Freigelassener ja nicht einfach aussuchen)


      Das wäre toll. Spart uns den Sprung zurück (über ein Jahr) in die Vergangenheit, um das alles nochmal zu managen.
      Ach, und das wäre mir fast durch die Lappen gegangen:


      - als Libertinus darf man ja auch ein Konto in der Wi-Sim haben: Das hätte ich gerne noch dazu :)

    Aus Zeitgründen: 1x ins Exil, bitte.
    Ich hoffe, dass ich im Herbst wieder mehr Zeit haben werde.


    SimOn befindet sich Anaxander weiterhin bei seinem Herrn, Quintus Claudius Felix, und tut, was immer der sagt.

    Gleichzeitig? Daran störte sich Macro? Nun, er war eben nicht Linos. Der, als Grieche, hätte es sicherlich ähnlich wie Anax, auch anders verstanden. Und dann rauschte er ab. Hier war wirklich was los! Ihm war angeboten worden, dass er später die Saturnalien vorverlegen könnte und der Herr des Felix sein dürfte und Macro fragte erst garnicht danach, sondern tat es einfach. Das heißt natürlich, dass er sich keineswegs als Dominus des Claudiers aufspielte, aber er zeigte schon recht deutlich, dass er auch nicht dessen Sklave war.


    Anaxander hingegen war Felix' Sklave und als solcher begann er im Folgenden damit den Anweisungen seines Herrn Folge zu leisten. Bereits während des Gesprächs im Tablinum war das Becken des Atriums geleert worden und damit die darunterliegende Kammer freigelegt. Randvoll mit Wasser gefüllte Vasen standen ringsum das Becken, nur an einer Seite war es auch weiterhin möglich durchzukommen und Sachen in die Kammer zu schaffen. Darum brauchte man sich also nichtmehr zu kümmern. Die Ahnentafeln., gab Anax an den beinahe vollständig versammelten, restlichen Haushalt weiter, blickte kurz zu Felix und machte sich dann auch auf den anderen zu helfen, sofern sein Dominus nichts weiter sagen würde. Macro wollte sich schließlich um Geldmittel und Urkunden kümmern..

    Nun spitzte sich auch die Lage mit Macro langsam irgendwie zu. Erst strauchelte er auf Anaxanders Frage hin etwas und der Grieche befürchtete schon, dass Macro sich jeden Moment beginnen würde um Kopf und Kragen zu reden. Stattdessen jedoch kamen von ihm ruhige und doch recht deutliche Worte. Das überraschte Anax, der das wirklich nicht erwartet hatte .. nicht von Macro. So sagte er erstmal nichts, sondern spielte lediglich eine beobachtende Rolle.


    Dann musste der Grieche sogar für einen Augenblick die Luft anhalten vor Spannung, wie sein Dominus reagieren würde. ".. dass wenigstens einer von uns zu Menecrates zurückgelangt und berichten kann." Das hallte in Anaxanders Ohren nach. Der Satz stieß den Claudier ja förmlich darauf, dass die nicht ganz unwahrscheinliche Möglichkeit bestand, dass er geschnappt würde und den morgigen Tag dann vielleicht nicht mehr erleben würde. Wo Felix so schon mit den Nerven am Ende zu sein schien, wenn man sich nochmals das WIR und UNS von vor wenigen Augenblicken in Erinnerung rief, würde ihm das vermutlich noch den Rest geben. Oh, Macro ..

    Ein kleines Lächeln stahl sich auf das Gesicht seines Dominus. Was das wohl hieß? Anaxander interpretierte es als Zufriedenheit seines Herrn mit ihm, seinem Sklaven. Das gab dem griechischen Ego Auftrieb.


    Dann erklärte Felix seinem Sklaven seinen Plan. Kurz wollte Anax schon Einspruch erheben, als davon die Rede war, dass sich beide als Iulier ausgeben würden. Denn wie wahrscheinlich wäre es, dass zwei Iulier so ganz ohne irgendeine Begleitung die Stadt verlassen würden? Doch Felix hatte es offenbar schon von Beginn an anders gemeint und wollte Anaxanders Sklave spielen! Saturnalien mitten im Mai! Der Gedanke gefiel dem Griechen sehr! Er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, doch in Ansätzen trat es dennoch zu Tage. Ja, Dominus. Lucius Iulius Gallicus, der zweite Cousins.. äh.. Cousin zweiten Grades des Senators Iulius Centho. wiederholte er die Fakten. Er würde das bestimmt noch ein paar Mal sprechen müssen, damit so ein Versprecher nicht im Ernstfall passierte.


    Eigentlich hatte er noch eine Frage dazu, doch plötzlich donnerte Macro herein mit dem Satz, dass sie keine Zeit mehr hätten. Er erklärte, dass die Nachbarvilla von den Männern in schwarz durchsucht werde und Anax hatte zunächst keinerlei Zweifel an den Worten. Erst als Felix ihm einen ernsten Blick zuwarf, merkte er, dass irgendetwas wohl nicht ganz stimmte. Nach kurzem Überlegen kam er drauf und da Felix nichts sagte, nahm er an, dass der Blick ihn dazu auffordern sollte etwas zu entgegnen: Welche Villa beobachtet Linos? Kann man vom Hortus aus die der Iulier sehen? Letzteres wusste Anax ernsthaft nicht, was man auch hören konnte.

    So langsam aber sicher wurde die Situation im Tablinum immer unerträglicher! Die Anspannung kochte hoch und höher und Anax fuhr erschrocken zusammen, als Linos plötzlich aufsprang und ihn beinahe umnietete auf dem Weg aus dem Zimmer. Macro sprang gleich hinterher. Jetzt herrschte wirklich Ausnahmezustand! Wie Anaxander in dieser Situation selbst so ruhig bleiben konnte, würde ihm später ein unlösbares Rätsel sein. Es war eben so.


    Da Felix sich dann ebenfalls daran zu machen schien, das Tablinum zu verlassen und die vereinbarte Stunde sicherlich bestmöglichst ausschöpfen wollte, erhob sich letztlich auch Anax, wurde dann jedoch von einer Frage zurückgehalten. Diese wie auch die folgenden Worte führten dem Sklaven deutlich vor Augen, wie auch Felix drauf und dran war von einer gewissen Panik zerfressen zu werden. Er sprach permanent von einem "wir": Können WIR ihnen trauen, denkst du WIR sollten, er wäre UNS von nutzen und könnte UNS beschützen. Wie schlecht musste es um einen Patrizier stehen, wenn er sich mit einem Sklaven auf eine Stufe stellte?


    Oder war Anaxander seinem Dominus doch wichtiger als der Sklave dachte? Wenn sie aus der Stadt geflohen wären, dann müsste er den Claudier unbedingt mal darauf ansprechen, wo sie standen. Seltsam, dass er gerade jetzt an eine Beförderung dachte, aber naja. Ich denke, du hast keine andere Wahl als ihnen zu vertrauen, Dominus. gab der Sklave zurück. Aber wenn dein Großvater ihnen genug vertraut hat, um sie allein auf diese gefährliche Mission zu schicken.. Und der Mann war ja nicht senil, soweit Anax das sagen konnte! ..dann solltest du ihnen auch problemlos vertrauen können. Beruhigen und gut zureden, mehr konnte er jetzt nicht tun. Letztlich: Was hätten sie für eine Wahl?


    Wir sollten jeweils zu zweit aus der Stadt fliehen - an unterschiedlichen Toren. Außerhalb der Sichtweite der Stadtmauern wäre es dann sicherlich wieder gut, wenn wir uns wieder treffen. Das meinte Anax vor allem, weil es auch ihm lieber wäre, wenn er diesen Macro in seiner Nähe wüsste. Und wir dürfen dann auf keinen Fall unnötig Zeit verlieren, denn sobald man dich hier nicht findet, können wir fest damit rechenen, dass man dich sucht! meinte er mit Nachdruck. Felix wäre schließlich mindestens ein gutes Druckmittel gegen seinen Großvater. Und dem unterstand ja immerhin eine ganze Legion!


    Weist du schon, auf welcher Route du zu deinem Großvater kommen willst? Auf dem Landweg oder zur See? Das war sehr grob gesprochen, aber das waren zumindest theoretische Möglichkeiten. Praktisch wusste Anax nicht, ob die Claudier ein Schiff in Portus oder Ostia hatten oder in irgendeinem anderen Küstenstädtchen. Aber selbst wenn nicht, dann konnte man sich noch immer überlegen, ob man im Landesinnern reiste oder an der Küste, um dort eventuell mit etwas Glück eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Felix war immerhin ein claudischer Patrizier! Der hatte doch sicherlich (oder sein Großvater) ein paar Kontakte zu Leuten, die ihm noch einen Gefallen schuldeten..

    Die Flucht war also beschlossene Sache. Das hatte Felix klar und deutlich geäußert. Und auch dass der Iulier nicht aufgesucht werden sollte. Anaxander nahm diese Punkte nun also als gegeben hin, denn zum Diskutieren war dies hier eindeutig die falsche Situation. Dann aber schlug in Felix auf voller Länge der Patrizier durch, der wahrscheinlich am liebsten jede einzelne Fliese der Villa gerettet hätte. Also ich denke, dass wir vor allem die wichtigsten Urkunden und Dokumente in Sicherheit bringen sollten. Wenn alles vorbei ist und wir hoffentlich wieder unbeschadet hierher zurück gekehrt sind, dann werden es nämlich wahrscheinlich diese Sachen sein, die euch Dabei sah er Felix an. den größten Teil eures Besitzes wieder bringen. Denn so konnte man ja beweisen, dass viele Sachen den Claudiern gehörten, die in der Zwischenzeit vielleicht vom Vescularier an dessen Schoßhunde verteilt werden würden.
    Letztlich sind viele Dinge auch ersetzbar und was einzigartig ist, das wird wohl eher verschenkt werden, sodass man es mittels Belege wiederbeschaffen können sollte. versuchte Anax in ruhigem und beschwichtigendem Ton noch eins nachzusetzen. Wenn jeder Eile mahnte, könnte man nicht erst noch Möbelpacker organisieren - gelinde gesagt.


    Dann wurde das Problem des außer Stadt kommens angesprochen und Anax sogar explizit nach seiner Meinung gefragt. Das Problem bei der Landstreicher-Nummer ist, dass man ein Patrizier-Gesicht in der Regel gut erkennt. Und das nicht nur, weil man davon ausgehen kann, dass entsprechende Beschreibungen an die Wachen gegeben worden sein werden. An dieser Stelle wären im wahrsten Sinne des Wortes ein paar Leichen im Keller nicht ganz unnütz. Aber die gab es hier leider nicht. Die hätte man gerochen. Andererseits kommt mir spontan keine bessere Idee. Hoffentlich war sich Felix neben lausiger Kleidung auch für ein bisschen Dreck im Gesicht nicht zu schade - immerhin würde es vor allem um sein Leben gehen. Und es ist wahrscheinlich auch besser, wenn wir zu zweit aus der Stadt fliehen und uns erst außerhalb dann wieder treffen. Das erregt weniger verdacht. Andernfalls könnte man sich ja auch gleich ein Schild um den Hals hängen mit der großen Aufschrift "Flüchtling".


    Wohin wollen wir überhaupt gehen? Ihr zieht sicherlich wieder in den Norden? erkundigte sich Anax. Dabei blickte er nur kurz zu Linos und Macro, denn diese zweite Frage schien ihm eindeutig bejaht zu werden. Alles andere wäre mehr als überraschend. Fragend blickte er also nun seinen Dominus an. Wollte er auch zu seinem Großvater oder hätte er ein anderes Ziel?