Beiträge von Quintus Claudianus Anaxander

    Anax hatte ein flaues Gefühl in der Magenregion. Die Situation hier ähnelte beinahe einem Kriegsrat oder besser dem, was sich der Grieche unter einem Kriegrat vorstellte. Alle wirkten sehr angespannt, der Umgangston schien nicht besonders freundlich, sondern eher gereizt und im Prinzip fehlte nur noch, dass der Feind (in diesem Fall wohl irgendwelche Handlanger des Vesculariers) unmittelbar vor dem Angriff stünde.
    Insbesondere Felix und Linos schienen nicht ganz so gut miteinander klar zu kommen, aus welchen Gründen auch immer. Wahrscheinlich wollten sie beide gleichermaßen den Claudius Menecrates beeindrucken, indem sie dessen Kopf hier in Rom wären. Felix war schließlich dessen Enkel und Linos der griechische Scirba personalis des Menecrates. Und dass besonders die Griechen manchmal sehr eigen in diesen Dingen waren, wusste Anax nur zu gut - er war ja selbst ein Grieche.


    So fühlte sich Anaxander ein bisschen zwischen den Stühlen sitzend und dazu aufgefordert etwas zu vermitteln. Gibt es denn keine Alternativen dazu? wandte er sich an Linos. Dessen Reaktion hörte sich doch eher nach Trotz an. Vielleicht.. Anax ging kurz in sich. Naja, ich weis ja nicht, was sich dein Großvater für Informationen erhofft. sprach er dann zu Felix. Solche militärischer Natur könnte man vielleicht auch von einem anderen Klient bei den Praetorianern oder Urbanern bekommen, sofern Menecrates dort noch weitere Klienten hätte. Besondere Informationen über den Vescularier könnte man auch versuchen über das Sklaven-Personal Salinators zu bekommen.
    Immernoch bei Felix fügte er hinzu: Was spricht eigentlich noch gegen ein Treffen mit diesem Klient, außer dass er bei den Praetorianern ist? Dein Großvater wird doch niemandem sein Patronat gewährt haben, der keine Funken Ehre besitzt, oder? Die Frage war natürlich rhetorisch gemeint. Zudem.. Anax schaute zu Boden und sammelte Mut. Meinst du nicht, dass die Handlanger des Vesculariers hier eh bald wieder aufschlagen werden, jetzt, nachdem dein Großvater zur Proskription ausgeschrieben worden ist? Jetzt ist es vielleicht noch möglich zeitnah diesen Iulius zu sprechen und dann aus Rom zu verschwinden. Anaxanders Blick klebte noch immer am Boden. Innerlich machte er sich bereits auf ein Donnerwetter gefasst.


    Sim-Off:

    FELIX: Danke fürs Mitschleifen. :dafuer:

    Allem Anschein nach könnte Anax Linos nicht helfen bei dem, was ihn gerade beschäftigte. Doch angesichts der erst kurzen Zeit, die sie sich kannten, war das auch nicht weiter verwunderlich, schien es doch etwas Persönlicheres zu sein.. etwas aus Linos Vergangenheit. Das werde ich, wenn ich ihn sehe. Versprochen. sprach Anaxander und stand dabei wieder auf. Er ging und schenkte sich einen halben Becher Wasser ein, trank und stellte den Becher wieder ab.


    Anschließend machte er sich auf in die Richtung, aus der er gekommen war. Im Türrahmen machte er stopp und drehte sich nochmal kurz zu Linos: Ich glaube, ich sollte wieder los. Wenn du was brauchst oder reden willst, ich bin jetzt im Studierzimmer des jungen Claudius. Und ansonsten wirst du mich früher oder spätr in den Sklavenunterkünften finden.. Damit verschwand Anax wieder so plötzlich, wie er gekommen war.


    Sim-Off:

    Siehe PN.

    Viele Aufgaben warteten auch am heutigen Tage wieder auf Anaxander. Das kleine Studierzimmer von Felix sollte unter anderem mal wieder sauber gemacht und ordentlich aufgeräumt werden. Da musste Anax natürlich mithelfen und schleppte nun schon seit einiger Zeit Tafeln und Bücher queer durch die Villa. Nachdem das Zimmer ausgeräumt war und sich andere Sklaven nun dem Wischen, Putzen und Polieren widmeten, wollte sich Anax eine kleine Erfrischung gönnen, bevor er später die ganzen Sachen wieder helfen musste von B zurück nach A zu tragen.


    In der Culina angekommen, fand er einen etwas betrübt wirkenden Linos vor. Hey, Linos. grüßte Anax ihn mit leichter Verwunderung. Vorhin hatte er doch noch nicht so ein Gesicht gemacht. Ist irgendetwas passiert? Anaxander setzte sich erstmal zu Linos. Trinken könnte er auch später noch und soo durstig war er ja auch garnicht. Mit mitfühlendem Blick schaute er Linos an.

    Wurde da etwa jemand ein wenig schnippisch? Dass einem bei diesen vielen interessanten Gedanken der Sinn nichtmehr an erster Stelle nach Essen stand, war doch logisch! Auf der anderen Seite konnte Linos natürlich auch nicht in Anaxanders Kopf gucken und wusste daher von diesen Überlegungen nichts, klar. Ich bin dabei. antwortete er auf Linos Frage und stand auf, um sich ein weiteres Stück Brot abzuschneiden.
    Währenddessen kam eine Sklavin in die Küche und ging ihrer Tätigkeit nach. Mit dem Brot in der Hand setzte sich Anax anschließend wieder zu Linos, tauchte das Brot in den Honig und nahm einen Bissen. Die nächste Frage kam. Anaxanders Mund war voll. Er zuckte mit den Schultern. Na..n sprach er dann mit vollem Mund. Gern hätte er an diesem Morgen auch diesen.. Verdammt er hatte schon wieder nicht aufgepasst!.. Marco? Gerne hätte er diesen auch mal etwas näher kennengelernt, doch diese Gelegenheit hatte sich eben bisher nicht ergeben.


    Erst erinnert er mich ans Essen und dann löchert er mich mit Fragen, ging es durch Anaxanders Kopf, während Linos sich wieder in der Vorratskammer zu schaffen machte. Wollte er etwa noch mehr?
    Die Antwort kam mit ihm aus der Kammer und nein, er war offensichtlich doch einigermaßen satt geworden. Und Felix hatte ihm gestern nur Suppe mit Brot angeboten. Ein kurzes Grinsen erhellte Anaxanders Gesicht für einen Moment. Dieser dauerte exakt solange an, bis Linos ihm einen merkwürdigen, für Anax nicht wirklich einzuordnenden Blick zuwarf. Ja, er hatte sogar irgendetwas von Herausforderung, womit Anax gerade überhautp nichts anfangen konnte. Was meinte der damit? Verdammt! Bis später! gab Anax nun mit leerem Mund zurück. Dann frühstückte auch er zuende, allein mit seinen Gedanken, um anschließend ebenfalls seiner Weg zu gehen und seine heutigen Aufgaben zu erledigen.

    Ein amüsiertes Lächeln konnte Anax nicht unterdrücken bei dem, was Linos erzählte. Beinahe hätte er sich dabei auch noch verschluckt (er trank ja gerade), aber nur beinahe. Die Olive verlor er aus dem Fokus.
    Einerseits war es der Spruch und die Vorstellung von dem, was sich Linos Dominus wohlmöglich alles ausmalte, was hier ablief. Die Erheiterung hatte aber gleichsam auch noch einen zweiten Grund. Noch eben sprach Linos von Neuigkeiten aus Rom
    neben dem Interesse des Claudiers an seiner Villa und seinem Enkel. Gut, während sein Lächeln abklang und Anax seinen Becher erneut zum Mund führte, kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht auch nur die vorherigen Worte von Linos falsch aufgefasst hatte. Aber trotzdem! Der Gedanke ergab mehr Sinn, als aus bloßer Sorge zwei Sklaven nach dem Rechten sehen zu lassen.


    Während er den Becher wieder absetzte, gesellte sich zu diesem auch noch ein weiterer Gedanke. Wenn es nur darum gegangen wäre (eine völlig harmlose Kontrolle des eigenen Enkels), dann hätte der Claudier doch auch einfach einen Brief schicken können, oder nicht? Von irgendwelchen anberaumten Verhaftungen, die glücklicherweise nicht ausgeführt worden waren, wusste Anax ja nichts. Daher ahnte er auch nicht, dass ein offen verschickter Brief nicht versandt werden konnte. Ja, spätestens jetzt war er sich sicher, dass da noch mehr dahinter steckte! Nur, wie das unauffällig in Erfahrung bringen?
    Die Olive, die er eben aus dem Fokus verloren hatte, rückte wieder in sein Blickfeld, während er etwas grübelte. Gebannt verfolgte Anax dann ihren Weg zusammen mit einem Stück Käse in den Mund von Linos. Ja, man müsste in seinen Kopf reingucken können, dachte er sich und starrte Linos ungewollt kurze Zeit an. Und, was werdet ihr, also du und M.. Mar.. Marco?, heute noch machen? So ganz sicher war sich Aanx nicht mehr mit dem Namen des anderen. Und irgendwie ahnte er auch schon, dass er gleich korrigiert werden würde.


    Anaxanders Blick löste sich wieder von Linos und schweifte durch die Culina. Ich meine, nach einer Zeit voller ausgelassener Feiern siehst es hier ja nicht wirklich aus, oder? Die Villa stand also noch, Felix ging es soweit gut (zumindest war Anaxander nichts Gegenteiliges bekannt) und unterschwellig hatte Anax bereits angedeutet, dass wenigstens seit seiner Ankunft hier auch keine rauschenden Feste gefeiert worden waren. Vielleicht noch ein Gespräch mit dem Ianitor, der ja in aller Regel wusste, wer hier so ein- und ausspazierte, aber spätestens danach wäre aus Anaxanders Sicht der beschriebene Auftrag abgeschlossen. Gespannt wartete er, was Linos ihm darauf antworten würde und hoffte darauf, ein weiteres Teil des Puzzles in die Hände gelegt zu bekommen, auf dass er es an der richtigen Stelle einsetzen konnte und sich ein klareres Bild ergab.

    Was das Einweisen in seine Aufgabenbereiche anging, so vermutete Anax, dass sein Dominus hier wirklich seine eigene Handhabung hatte. In den ersten Tagen hatte er ihn in alle möglichen Räume rufen lassen, um sich für einen Bruchteil einer Hora mit ihm zu unterhalten und manchmal auch nur danach zu erkundigen, was Anaxander gerade trieb. Es folgte (und in dieser Phase befand er sich wohl noch immer) das Austesten seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten. Einmal hatte er sogar in der Küche beim Kochen helfen müssen, was allerdings nur ein kurzes Vergnügen gewesen war. Nachdem er binnen kürzester Zeit eine Suppe versalzen, sich dreimal in die Finger geschnitten hatte und permanent im Weg stand, war er im hohen Bogen hinausbefördert worden. Und nun hoffte Anax, dass er möglichst bald ein festgestecktes Aufgabenfeld erhielt. Wenn möglich noch bevor er auch als Custos Corporis ausgetestet werden würde und sich dabei wahrscheinlich noch selbst umbrachte!
    Die Sache mit dem Lustsklaven schien Linos verstanden zu haben. Wahrscheinlich wusste der auch selbst, dass Felix keine derartigen Bediensteten brauchte und wollte. Und Anaxander war froh darüber, dass man ihn seines Verstandes wegen im Haushalt führte und nicht als Spielzeug für gewisse Horae, wenngleich er sich auch jenem Wunsch letztlich zwangsweise hätte fügen müssen. Doch so war es natürlich besser!


    Der süße Honig vertrieb diese Gedanken zum Glück schnell wieder. Das ist eine wirklich gute Nachricht! Ich hatte schon befürchtet mich in absehbarer Zeit den Hieben einer Peitsche ausgesetzt wiederzufinden. Es war schließlich das erste Mal, dass sein Dominus nicht nur nicht zufrieden, sondern unzufrieden mit ihm war. Und Anax hatte noch nicht mitbekommen, wie der in so einem Fall reagierte, was er tat oder eventuell auch tun ließ, wie eben eine Bestrafung bei ihm aussah.
    Dann sprach Linos von Felix Großvater und dem Auftrag, den dieser ihm erteilt hatte. Wieder betonte er, dass er von den militärischen Vorgängen keinen Schimmer hatte, was irgendwie auch ganz glaubhaft klang, sodass Anax es ersteinmal auch zu glauben gewillt war. Die folgenden zwei Sätze offenbarten dann den aus Anaxanders Sicht wahrscheinlichen wahren Grund der Anwesenheit der beiden Sklaven hier in Rom. Sie sollten ihrem Herrn Informationen beschaffen, unzwar welche, die originalgetreu und direkt aus dem Zentrum der Macht kamen. Ob der Claudier dem neuen Kaiser misstraute? Oder vielleicht hatte sich der neue Imperator auch nur an die Statthalter der Provinzen gewandt und seinem misstraute der Claudius? Oder er misstraute noch einer anderen Person, an die Anax gerade nicht dachte. Darüber müsste er nochmal in Ruhe nachdenken. Aus purem Vertrauen heraus schickte auf jeden Fall niemand, nichtmal ein Römer, gleich zwei Kundschafter nach Rom.


    Über diesen Gedanken brütend hatte Anax völlig verpasste Linos zu antworten, bevor dieser plötzlich aufstand und den Raum verließ. Er ging jedoch beruhigenderweise nur in den Vorratsraum und kam dann mit einer großen Portion Vortagsfleisch mit Oliven und Käse zurück. Nein, Anaxander blieb lieber bei süßem Brot und stark verdünntem Wein. Kreata soll schön sein. Selbst war er leider nie dort gewesen und überhaupt hatte er Athen nie groß verlassen, als er noch frei war und die Möglichkeit dazu hatte. Das bedauerte er jetzt. Dann hoffe ich mal, dass mein Dominus es seinem Großvater gleich tut und ebenfalls einen griechischen Sklaven zu seinem persönlichen Sekretär macht. Wer sonst könnte den Römern auch in so einer Position am dienlichsten sein? Aber das sagte er lieber nicht laut, da er nicht wusste, wie Linos die Sache sah. Aus Kreta stammend wohnte ihm wohl kein Athener Stolz inne, den Anax zusammen mit seiner Freiheit eigentlich hatte ablegen müssen. Hin und wieder jedoch kam dieser Stolz wie ein Geist aus einem Grab an die Oberfläche. Ob es in Kreta auch soetwas gab?


    Anax stiebitzte sich eine Olive und noch bevor Linos etwas sagen konnte, war sie in seinem Mund verschwunden. Hmm.. Aus der Heimat.. meinte er noch beim Kauen. Was für Neuigkeiten sollt ihr eigentlich zusammentragen? Theoretisch, wenn auch alles andere als wahrscheinlich, gab es Neuigkeiten in allen möglichen Bereichen, die den Claudier interessieren konnten. Irgendsoein Pferderennfahrer hat wohl in den letzten Tagen seine Karriere beendet. Ein Grüner, wenn ihn nicht alles täuschte. Oder rot, blau, gelb, ..? Dämlich, das mit den Farben! Und nichts, für das sich ein griechischer Sklave besonders interessierte. Ein Römer hingegen wohl eher. Neuste Modetrends hingegen interessierten wahrscheinlich am ehesten die Römerinnen.
    Anax nahm einen Schluck aus seinem Becher und fixierte eine weitere Olive.

    Dass Linos ihn musterte merkte Anax zunächst nicht.
    Ja, Linos, vom Großvater des Claudius Felix, oder? Warte, hieß er gestern nicht noch Linus? So zumindest hatte Anaxanders Dominus ihn genannt. War er am Ende gar auch griechischstämmig? Das musste er später unbedingt fragen.
    Doch zunächst stahl sich ein kleines Grinsen in sein Gesicht. Nein. Normalerweise bin ich aber auch wacher.. Er gähnte. ..und da passiert mir sowas nicht. Anax deutete auf den Herd. Blödes Ding. Die Nacht war schrecklich. Ich hab kein Auge zu getan. Dir gings da hoffentlich besser? Davon war eigentlich auszugehen, dachte sich Anax. Wo Linos vielleicht alles übernachtet haben musste auf seiner langen Reise hierher? Da war es bestimmt mal wieder ganz schön und entspannend, wenn man wieder ein ordentliches Bett unter sich hatte.


    Mittlerweile hatte Linos sich den Honig geholt. Ja, etwas Süßes würde den Ärger nach dem Zusammenstoß mit dem Herd sicher lindern. Darf ich?, fragte Anax, während er sich nun doch setzte. So langsam gings ja auch wieder mit den Schmerzen und er verzog nichtmal das Gesicht beim Setzen.
    Dann nahm er das eigentliche Gespräch wiederauf. Tja, was mache ich für meinen Dominus? Er überlegte kurz. So speziell gesagt hatte ihm das eigentlich niemand. Klar er war Sklave und dadurch ergab sich ja schon einiges. Seinem Herrn das leben so angenehm wie möglich machen, könnte man beispielsweise sagen. Dem unbeabsichtigten Platzfüller Ähm.. folgte ein kurzes, leichtes Schlterzucken. Ich denke, ich helfe dem Herrn Felix über die einsame Zeit hier. Die Alarmglocken klingelten und Anax riss die Augen auf, direkt nachdem er das gesagt hatte. Also, ich meine, dass ich ihm beim Essen Gesellschaft leiste, wir reden und teils sogar diskutieren. Letzteres betonte er besonders, da ihm dies doch im Rahmen eben der Diskussion eine eigene Meinung zu haben ermöglichte. Mehr nicht. KEIN Lustknabe! Hoffentlich war das angekommen, sonst würde der Morgen wirklich iiimmeeer besser.


    Außerdem hab ich auch schon ein bisschen was geschrieben für Dominus Felix. Also einige seiner Gedanken festgehalten.. natürlich zu politisch ungefährlichen Themen ..oder die ein oder andere Notiz. Was auch immer er damit meinte, denn so genau wusste er das auch nicht. Ich hatte gehofft, mich vielleicht zu seinem Privatsekretär zu mausern, deshalb auch dieser Auftritt gestern. Das wollte er unbedingt nochmal erklären. Tut mir Leid, wenn das Gespräch dadurch so seltsam verlaufen ist.
    Und eine Sache war da doch noch von vorhin? Ah, genau: Und du? Was machst du so normalerweise? Diese Situation ohne seinen claudischen Herr hier zu sein war schließlich bestimmt nicht alltäglich. Dein Name hört sich griechisch an.. Was das andeuten sollte, hing ganz von Linos Antwort ab.

    Die Nacht war schrecklich gewesen. Anax war sich nichteinmal sicher überhaupt geschlafen zu haben. Viele Fragen drängten sich in seinem Kopf. Was war der wahre Grund dafür, dass der Großvater seines Dominus die beiden Sklaven hierher geschickt hatte? Dass sie sich ausschließlich nach Felix' Wohl erkundigen sollten, erschien ihm doch nicht unbedingt sehr glaubhaft. Auch das Gespräch seines Herrn mit den beiden lief wieder und wieder vor seinem inneren Auge ab und er fragte sich, was verdammt nochmal diesen seltsamen Stimmungswandel beim Essen bewirkt hatte. War es Anaxanders Schuld? War es sein unpassendes Mitschreiben, das einen falschen Eindruck vermittelt hatte? Dachten die beiden vielleicht, dass ihre Aussagen mit ihrem ursprünglichen Auftrag abgeglichen werden würden und ihnen Strafen bei Abweichungen drohten? Nein, der Gedanke war eigentlich absurd! Andererseits waren das Römer und keine Griechen. Alles sehr verworren und wenig zufriedenstellend!


    Irgendwann neigte sich die Nacht dem Ende und es begann heller zu werden. Im Klartext stand ein neuer Tag voller Aufgaben und Pflichterfüllung an. Zunächst im Balneum frisch gemacht, aber dennoch alles andere als munter erscheinend, fand Anax schließlich den Weg in die Küche. Auf leeren Magen wäre die Erledigung der Aufträge seines Dominus schließlich doppelt so schwer. Guten Morgen!, grüßte er ganz legere einen bereits Anwesenden und bemerkte erst beim zweiten Blick, dass es einer der beiden Sklaven war, die am Vortag aus dem hohen Norden eingetroffen waren. Anax rieb sich kurz die Augen, während er weiter geradeaus ging und den anderen Sklaven wohl etwas verstört anblickte. Die Ringe unter den Augen blieben. Dafür stoppte der Herd völlig unerwartet den Bewegungsfluss. Das Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen und er kniff die Augen zusammen. Jetzt bin ich wach., quetschte Anax leise raus und mehr zu sich selbst sprechend, aber wohl dennoch laut genug, um von allen Anwesenden gehört zu werden.


    Anschließend nahm er sich ein Messer und schnitt sich eine Scheibe vom Brotlaib. Das Messer wieder außer Verletzungsreichweite (man musste sein Glück an diesem Morgen ja nicht noch mehr provozieren) begann er Ich bin übrigens Anaxander, aber nenn mich ruhig Anax. Dass er Felix' Sklave war, brauchte er sicherlich nicht sagen. Kurz überlegte er sich hinzusetzen, aber blieb dann doch stehen. Die Schmerzen waren am erträglichsten, wenn er sich einfach nicht bewegte.

    Sein Gesicht blieb frei von jeder Emotion während des Gesprächsfortgangs. Zunächst schien alles zu laufen und der Claudier mit den Sklaven ins Gespräch zu kommen, doch dann gab es plötzlich einen Umschwung, der bei Anax nicht nur ein Fragezeichen hinterließ. Aber was sollte er machen? Er war hier in gegenwart seines Dominus und hatte sich bereits einen Fehltritt erlaubt. Er musste also weiter regungslos dastehen und sehen, was sie vielleicht noch entwickelte oder eben nicht.


    Seine Gedanken kreisten vor allem um eine Sache. Erst erzählten die beiden Sklaven, dass niemand von ihrer Ankunft in Rom erfahren dürfte und nun wollten sie sich nur nach dem Wohlergehen von Claudius Felix erkunden? Nicht, dass das nicht wichtig wäre, doch aus welchem Grund dann diese Verschwiegenheit, wenn es doch nur das wäre? Nein, der Grieche spührte, dass da noch etwas anderes sein musste. Er wusste nicht, was es war; hatte nicht einmal eine einigermaßen konkrete Vermutung.


    Anaxander beschloss in Gedanken, dass er sich gleich morgen früh (denn die beiden anderen Sklaven hatten sicherlich einen anstregenden Tag hinter sich und wären heute für kein Gespräch mehr zu haben) versuchen würde, sich mit den beiden zu unterhalten. Er ging davon aus, dass sie ebenfalls irgendwo in den Sklavenunterkünften unterkommen würden. Da würde sich vielleicht eine Möglichkeit zum Reden ergeben. Seinem Dominus Felix würde er von diesem Vorhaben zumindest ersteinmal nichts erzählen. Vielleicht war es dem Griechen ja möglich seinen Fauxpas wieder gut zumachen, mal sehen.

    Als sein Dominus ihn fast schon etwas verstört ansah, merkte auch Anax, dass das Mitschreiben hier weniger angebracht war. Seine Intention war auch keinesfalls eine Beweissammlung oder ähnliches gewesen, sondern er wollte das Gesprochene ausschließlich aus dem Grunde festhalten, um es zu späterem Zeitpunkt nochmals durchgehen zu können und unbeachtete Nebensätze mit zunächst unwichtig erscheinenden Informationen nochmals in Erinnerung zu rufen, die ansonsten wohl verloren wären.


    Aber das Argument, dass den Praetorianern diese Aufzeichnungen ein gefundenes Fressen wären, falls sie hier nocheinmal hereinschneien würden, leuchtete vollends ein. Sofort ließ der Sklave die Tafeln und den Griffel verschwinden ohne jedoch das bereits Geschriebene zu streichen oder auszumerzen. Das würde er später erledigen, denn erstens müssten die Buchstaben zu Worten entschlüsselt werden, auch wenn das vermutlich nicht sonderlich schwer wäre. Und zweitens war die geschriebene Aussage keinesfalls gefährlich einzustufen. Es stand schließlich kein Wort direkt von Claudius Menecrates geschrieben. Und wer wüsste schon, dass zwei von dessen Sklaven Linus und Macro hießen und von den vielen Lini und Macrones im Reich auch genau diese beiden gemeint waren? Nein, das hatte konnte noch bis nach dem Gespräch warten. Bis dahin würde Anax die Tafel eh bei sich tragen und wenn man ihn in die Finger bekäme, dann wäre die Tafel eh zweitrangig.


    Etwas betreten blickte Anax nach Wegstecken der Tabula zu Boden, womit er zeigte, dass er sich vollkommen fügte. Er würde eben versuchen müssen umso besser seine Ohren zu spitzen und das Gesprochene im Gedächtnis zu behalten. Denn welchen Grund gab es sonst, dass er hier in dieser Runde anwesend zu sein hatte, wenn nicht den, dass er die aus Germanien kommenden Informationen ebenfalls im Original mitbekommen sollte und seinem Dominus später eventuell eine Gedankenstütze sein sollte? Auch wenn Felix dies als junger und sehr gesund wirkender Patrizier sicherlich nicht nötig hätte.

    Auch nach dem Eintreffen der beiden weitgereisten Sklaven blieb Anax in der Rolle des stillen Beobachters. Beide schienen nicht unbedingt so glücklich zu sein. Die Gründe dafür blieben Anax verborgen. Dann offenbarte sich das Unwohlsein des großen, muskulösen Linus durch ein knurren seines Magens, was den Claudier offensichtlich amüsierte. Oder halt! War nicht der schlanke Schwarzhaarige Linus? Dann wäre der Hungrige Macro. So ganz sicher war sich Anax da nicht. Nach dem Bad und in den neuen Kleidern sahen die beiden deutlich verändert aus. Kleider machten eben Leute. Anaxander beschloss weiter abzuwarten. Vielleicht konnte er die Zuordnung der Namen aus dem weiteren Gesprächsverlauf nochmals entnehmen. Ansonsten würde das Protokollieren schwer werden...


    Die Einladung zum Suppe löffeln, die Felix den beiden Sklaven aussprach, überraschte auch Anax. Er konnte sich den Ansatz eines Lächelns jedoch nicht verkneifen, denn auch er mochte Suppe nicht sonderlich. Dass es beim Resteessen in der Küche nachher keine oder zumindest weniger Suppe geben würde, war ihm da nicht unrecht. Schade war allerdings, dass er dadurch die beiden neuen Gesichter wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt kennenlernen würde. Falls sich überhaupt die Gelegenheit während ihrer Zeit in Rom ergab.
    Dann setzte Anax langsam seinen Griffel an, denn der interessante Teil würde sicherlich gleich beginnen. In Gedanken entschied er, dass er die beiden Sklaven zunächst einfach mit "s" und "b" nach ihren Haarfarben abkürzen würde. Sobald sich aus dem Gespräch die Namen erneut ergeben würden, käme der entsprechende Buchstabe dann hinter die beiden bereits notierten Namen. Für seinen Dominus hatte er sich schon eine eingekreistes Plus ausgedacht, während er eigene Gedanken mit einem umkreisten Minus kennzeichnen würde. Ein hoher Anspruch dem er hoffentlich gerecht werden würde.


    Gerade wollte Anax unauffällig in das Gesicht des Claudiers gucken, um vielleicht eine Idee davon zu bekommen, was dieser dachte oder gerade erwartete, dann schien das Gespräch in Gang zu kommen. Er sprach in Gedanken nach Unser Dominus will, dass wir vor allem von unseren Ohren Gebrauch machen. Nicht so sehr von unserer Sprache. und schrieb mit:

    Linus:
    Macro:


    b. Us (+) wll, w va v us Ohr' Gebr ma. n ssr v us Spr.

    Anax nickte. Wer sich in der Öffentlichkeit immer pompös selbst inszenieren musste, um sich selbst zu gefallen, der war sicherlich äußerst eitel. Ob es nun aber gerade diese Eitelkeit war, die den Vescularier dazu getrieben hatte die geschnappten Senatoren so abzuurteilen, schien dem Griechen fraglich. Aus seiner Sicht war es eher die Freude am fremden Leid, die Salinator sich diese Chance nicht entgehen ließ. Dazu kam natürlich noch, dass der frischgebackene Kaiser diese Leute wahrscheinlich schon länger auf dem Kieker hatte. Aber sich über Begrifflichkeiten zu streiten wäre sinnlos, da es im Endeffekt keinen Unterschied machte. So sagte Anax nichts weiter dazu.


    Dass Salinator hier in Rom als milder, vergebender Kaiser gefeiert wurde, war Anax auf dem Weg zur Villa maximal oberflächlich aufgefallen. Aber wenn er sich zum Kaiser hatte ausrufen lassen, dann war das sicherlich auch ausgiebig öffentlich celebriert worden. Danach liebte das einfache Volk den Vescularier natürlich erstmal, das war klar. Die Erklärungen zur Gunst des Volkes waren logisch, sodass der Grieche sie nur bestärken konnte. Bis zu den Spielen wird Vescularius sicherlich das Volk auf seiner Seite halten können. Interessanter wird eher bei den Spielen zu sehen, wie stark und durchsetzungsfähig er wirklich ist. Die Bevölkerung wird auch Brot erwarten, das Salinator ersteinmal bekommen muss. Die finanziellen Mittel mag er nun als Kaiser haben, aber er kann auch nur das kaufen oder beschlagnahmen, was da ist. Da stellte sich gleich die nächste Frage. Wie zuverlässig waren die jeweiligen Statthalter der Provinzen? Insbesondere Aegyptus war bei der Getreideproduktion ja besonders wichtig. Hat man hier denn schon Nachrichten aus den Provinzen erhalten und weis, wie die jeweiligen Statthalter zu Vescularius stehen? Besonders die Haltung des Praefectus Aegypti wäre in dieser Hinsicht natürlich interessant.


    Nach kurzem Luftholen setzte der Sklave fort. Was die Familien der Gefangengesetzten und verbannten Senatoren betrifft, so werden sicherlich auch deren zahlreiche Klienten in Opposition zu Salinator gehen. Und diese sind aufgrund ihrer einflussreichen Förderer ja bestimmt auch in nicht gerade unbedeutenden Positionen. Das nahm Anax einfach mal an, denn wessen Klienten, wenn nicht die der einflussreichsten Männer des Reiches, würden in solche Ämter gehoben werden? Dazu kommt dann sicherlich auch noch der eine oder andere engere Freund der Gedehmütigten. Da er damit seine vorherige Aussage selbst nun ebenfalls wieder in Frage stellte, ging Anax nicht weiter auf die alten Eliten ein.


    Was sein Dominus im letzten Teil über den Vescularier sagte, führte bei Anaxander zu drei kleinen Falten auf der Stirn. Der Sklave bezweifelte, dass dem auch hinter den Kulissen so war. Er hatte sicherlich in der kaiserlichen Kanzlei oder auch im Privaten seine Vertrauen, auf deren Meinung er auch etwas gab und von denen er sich auch mal umstimmen ließ. Die Öffentlichkeit würde davon ja nichts mitbekommen. Aber zum Schluss musste auch Anax grinsen und entschloss sich dazu, nicht weiter auf diesen Punkt einzugehen.

    Vom Atrium aus hatte Anax seinen Dominus bis ins Triclinium verfolgt. Nicht dass er sich nochmals so verlief wie vor zwei Tagen. Da wollte er für eine kurze Brise frische Luft in den Hortus gehen und fand sich plötzlich in der Culina wieder! Der Grieche stellte sich in die Nähe des Claudiers, um diesem bei Bedarf schnellstmöglich dienlich sein zu können.


    Mit dabei hatte er auch Tabula und Griffel. Die zuletzt beschriebene, die er erst eben im Atrium angefangen hatte, führte sich Anaxander nochmals zu Gemüte. Nur zwei Namen standen darauf: Linus und Macro. So hatte Felix die beiden Gäste genannt. Nun mussten die beiden nur noch hier auftauchen...

    Zum ersten Teil bedurfte es keiner weiteren Worte. So nickte Anax nur stumm und hörte, was sein Dominus zur Verbannung der gefangenen vermeintlichen Kaisermörder sagte. Der konnte das Gesetz nach seinen Wünschen und Vorstellungen ändern. Sicher, das erschien logisch. Aber dann auf die Gefangenen zu hetzen, um sie in seiner Gnade im Kerker zu behalten? Ich glaube, dass die Propaganda hier in der Tat wegweisend für die getroffenen Entscheidungen war. Aber man stelle sich vor, dass mit Worten auf die Gefangenen gehetzt würde und das Volk nach deinen Worten folgerichtig den Tod der vermeintlichen Kaisermörder fordert. Dann die Gefangenen nur in den Kerkern schmoren zu lassen, statt sie auf die eine oder andere Art ins Elysium zu befördern. Würde Salinator das in ein helleres Licht rücken? Anax machte eine kurze rhetorische Pause, bevor er fortfuhr. Ich denke eher, dass es ihm als fehlende Entscheidungskompetenz, eine halbherzige Sache ausgelegt worden wäre. Wenn er so auf die Inhaftierten hetzt, dann ist er in der Folge gezwungen sie entweder nach Volkes Wille umzubringen. Oder aber er zeigt Milde. Wenn er letzteres tun will, kann er in seinem Glanz natürlich nicht dem Divus Iulius nachstehen, der seine Feinde begnadigt hat und sie ja sogar auch wieder in den Senatus ließ. Und es war ja allseits bekannt, wie viel Wert der Vescularier auf Prunk und glanzvolle Auftritte legte.


    Aber die Entscheidung war auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten. Aus diesem Blickwinkel gesehen, hätte er sich der propagierten Mörder auf diese oder jene Weise entledigen müssen, entweder durch Tod oder durch Exil. Die Wirkung auf das einfache Volk wäre wohl in beiden Fällen propagandagesteuert ähnlich ausgefallen. Wenn die Entscheidung keine deutlich merkliche Auswirkung auf das einfache Volk hätte, so müsste die endgültige Entscheidung an einer anderen Überlegung festgemacht werden.Warum also nicht versuchen, sich auch in den Augen der alten Eliten den Anschein von Legalität und Legitimität zu geben? Der Vescularier konnte ja nicht ernsthaft eine völlig neue Führungselite für das Imperium auszuheben versuchen! Er müsste sich wohl oder übel mit wenigstens einigen wenigen arrangieren. Und was können die Eliten mehr von einem neuen Kaiser erwarten, als dass dieser die Mörder des Vorgängers verhaftet, nach altem Recht aburteilt und ihnen ihrem Stand entsprechend den Gang ins Exil ermöglicht? Ich wage zu behaupten, dass auch ein Valerianus auf diese Weise gehandelt hätte. Wobei dessen Vorgänger, Divus Iulianus, ja viel zu beliebt war, als dass man diesen umgebracht hätte. Und Salinator wird sie ja nicht gerade in die Arme der Geflohenen geschickt haben, sodass sie diese wohlmöglich noch unterstützen.


    Was seine Repräsentation in der Öffentlichkeit anbelangt, so hat er in der Vergangenheit, nach allem was ich gehört habe, es stets gewusst sich über seine Verhältnisse darzustellen. Auch wenn ihm weder Ehrgefühl noch ein rechtes Maß für Recht und Gerechtigkeit innewohnen, so wird er doch auch seine gebildeten Speichellecker haben, die schon in ihrem eigenen Interesse versuchen werden, den Vescularier auch langfristig an der Macht zu halten. Und dafür wäre die Überwindung der Differenzen mit wenigsten einigen Eliten ein durchaus lohnenswerter Weg, wie der Grieche fand. Von einer Freilassung sprach Anax nicht ohne Grund nicht, denn er hielt die Verbannung ins Exil keinesfalls dafür. Inwiefern das sich zukünftig als Fehler herausstellen sollte, war dem Sklaven noch nicht ganz klar, aber das musste natürlich noch lange nichts heißen. Zwar hielt er mitunter viel auf seine griechische Herkunft, doch im Endeffekt sprach die Realität deutlich für die Römer - sowohl was die Geschichte beider Völker betraf, als auch Anaxanders eigener, ganz persönlicher Lebensweg.

    Ein Lächeln deutete sich im Gesicht des Claudiers an. Für Anax war es aber nicht ganz einzuordnen. War sein Dominus positiv überrascht, dass er diesen Gedanken ausgesprochen hatte? Oder belächelte er die Worte des neuen Sklaven nur? Er wusste es nicht und daher beschloss Anaxander es schlichtweg zu ignorieren. Bei der Menge dessen, was der Claudier nun alles sagte, war das auch nicht sonderlich schwer, wollte man ihm dabei auch gedanklich folgen. So hatte der Grieche am Ende der Ausführungen des Patriziers jenes anfängliche Lächeln bereits wieder vollständig vergessen.


    Das Gesprochene haftete indes fester im Gedächtnis des Sklaven. Der Tiberier hatte also des Öfteren die Praetorianer zu Besuch in seiner Villa. Ein interessanter Fakt, der in den Augen des Griechen durchaus die These unterstützte, dass jener Römer nicht nur eine Leiche im Keller hatte. Ob eine davon der Kaisermord war oder sein Suizid auf eine andere Tat zurückzuführen wäre, wurde damit aber auch nicht klarer. Sicher ist das nicht? Ja, das war richtig und so nickte Anax an dieser Stelle und kommentierte kurz und knapp Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Nichts ist sicher. Erst recht nicht das, was allzu offensichtlich erscheint. Ein weiser Spruch, den der Grieche von seinem damaligen Lehrer mit auf den Weg bekommen hatte. Und gleich noch so ein Ding hinterher. Denn nichts ist offensichtlicher, als dass die Natur die Vernunft hasst. Diesen Satz würde man noch in ferner Zukunft zitieren, wenngleich auch von jemand anderem.


    Mit weiteren spontanen Eingebungen hielt sich der Grieche dann ersteinmal zurück, bis sein Dominus auch den zweiten Teil dessen, was er loswerden wollte, ausgesprochen hatte. Und da sieht man diesen Hass der Natur. Es würde unter Umständen sinnvoll sein die ergriffenen vermeintlichen Kaisermörder hier in Rom zu behalten. Dass der Vescularier dies nicht getan hat, sondern sie abgeurteilt hat und nach römischem Recht in die Verbannung geschickt hat, spricht eher für ihn. So würde doch sicherlich jeder legale und legitime Kaiser idealerweise handeln, oder? Das war aus Sicht des Griechen zumindest zu hoffen. Andererseits. Wer auch immer den Kaiser ermordet hat, strebt ganz offensichtlich die Macht im Imperium an. Und wer zur Verfolgung dieses Ziel sogar bereit ist die Kaiserliche Familie mittels eines Giftanschlags umzubringen, würde sicherlich auch weitere Leichen in Kauf nehmen. Das bestätigte ja in gewissem Maße auch der sich anbahnende Bürgerkrieg. Wer sich gegen den Vercularier stellte, der kämpfte für einen anderen Machthaber. Solange es einen da nicht höchstpersönlich betraf, würden jene Leute das bisschen als Kollateralschaden sicherlich hinnehmen. Da war es vermutlich sogar wirklich das Beste, dass der Vescularier die Gefangenen abgeurteilt hatte, um sich als Rächer dem Volk zu präsentieren, statt seine Gegner mit Geiseln unwirksam zu erpressen.


    Zur Folter schwieg Anax hingegen. Das hielt er hier eindeutig für angebrachter. So wie sein Dominus sich gab, schien er keine Ahnung davon zu haben, was das Foltern für jemanden bedeuten konnte. Anaxander war Sklave und hatte in diesem Stand auch bereits einige andere Sklaven kennengelernt. Es war schon manchmal ziehmlich heftig, was diese in ihren Leben bereits alles erlebt hatten und man bedenke, dass der Grieche nur die kennenlernen konnte, die eine Folter auch überlebt hatten. Wenn man dann noch daran dachte, dass die Besitzer der Sklaven damit die Leute quälten, die ihnen sonst eine Hilfe sein sollten, eben nützlich für sie waren, dann verstand man die Welt nicht mehr. Und wieder ein Beispiel dafür, dass die Natur die Vernunft hasste! Nein, auf diese Folterideen musste Anax seinen Dominus nicht gerade bringen. Dass jener davon kaum etwas zu wissen schien, war im Gegenteil sehr wünschenswert und beruhigte Anax. Bei diesem Mann würde er ein gutes Auskommen haben.

    Gerade als sein Kopf aus dem Guckloch verschunden war, hörte der Ianitor, wie draußen gesprochen wurde. Während ihn seine Augen noch etwas im Stich ließen, arbeiteten seine Ohren schon auf Hochtouren. Und nachdem das erste Mal der Name Menecrates in jenen Hörorganen klingelte, rieb er sich schleunigst nochmal über die Augen, um sowohl den letzten Schlafsand zu entfernen, als auch jene Sehorgane in erhöhte Wachsamkeit zu versetzen.


    Nachdem dann zum zweiten Mal der Name Menecrates genannt wurde, meinte der Ianitor es bereits so laut in seinen Ohren läuten zu hören, dass man es unweigerlich auch vor der Seitenporta hören müsste. Es folgte ein zweiter, versichernder Blick durchs Guckloch und noch ehe Linos fertig ausgesprochen hatte und noch bevor der Ianitor das Guckloch wieder geschlossen hatte, öffnete sich der Seiteneingang zur Villa Claudia.


    Bitte entschuldigt. Ich hab euch nicht gleich erkannt. drangen die Worte reumütig aus dem Munde des Ianitors. Das aufmunternde Bad würde er vielleicht noch in Kauf nehmen, seinen Job hier wollte er aber noch ein Weilchen behalten. Während ein junger Sklave sich schleunigst auf den Weg zum momentanen Hausherrn machte, trat der Ianitor mit einer einladenden Geste zur Seite und meinte Tretet ein. Claudius Felix ist bereits auf dem Weg und wird euch im Atrium erwarten.

    Der junge Sklave, der nach Claudius Felix geschickt wurde, war der erste, der nun durchs Atrium huschte, um den Herrn zu holen. Wenig später würden die beiden Sklaven des Menecrates ebenfalls hier eintreffen.


    Von all dem bekam zufällig auch Anax etwas mit, der gerade damit beschäftigt war sich die Räume hinter den einzelnen Türen und Vorhängen zu merken - schwierige Angelegenheit. Neugierig begab er sich also ins Atrium. Wie er in diesen großen Raum gelangte, wusste er glücklicherweise bereits recht sicher. Wie es sich für einen Sklaven in Anwesenheit seines Dominus gehörte blieb Anax jedoch vorerst beobachtend im Hintergrund des Geschehens.

    Anax nickte auf den letzten Satz nur und folgte seinem Dominus anschließend. Dabei versuchte er sich diesen Weg zumindest ungefähr schonmal einzuprägen, denn so wie es aussah wollte der Claudier Rom ja in nächster Zukunft nicht (oder nicht freiwillig) verlassen, sodass Anax ihm hier zu dienen hatte. Dafür waren Kenntnisse aller vier Wände dieser Villa unabdinglich. Aber bei so einem großen Bau würde es noch einige Tage dauern bis der Griech mit Sicherheit die gewünschten Räume fand. Doch aktuell brauchte er ja nur dem Claudier zu folgen.


    Im Arbeitszimmer seines Dominus angekommen setzte sich Anax, nachdem er dazu aufgefordert worden war. Es folgte eine längere Erklärung einen Tiberier betreffend. Der hatte sich das Leben genommen, bevor der Mord am Kaiser öffentlich geworden war, als sich die Praetorianer Zutritt zu dessen Anwesenverschafft hatten. Aber einen Einwand hatte Anaxander dennoch. Er wusste zwar nicht, ob Felix diesen Gedanken aufgrund von Informationen, die Anax nicht hatte, schon wieder ausschließen konnte, aber gut. Und was ist, wenn der Tiberius aus einem anderen Grund den Freitod gewählt hat? Ich meine, wenn er in seiner Vergangenheit irgendetwas anderes getan hat und nun fürchtete, dass es ans Licht gekommen war? Anax dachte dabei an nichts Spezielles, denn er hatte ja keine Ahnung, was (außer dem Mord an dem Kaiser) so schlimm wäre, dass man dem Mann die Praetorianer auf den Hals hetzen würde.


    Und noch eine weitere Sache schwirrte plötzlich im Kopf des Griechen umher. Und wie du schon gesagt hast, könnte er Angst vor Folter gehabt haben. Ich meine, weist du, wie die Praetorianer bei ihm aufgetreten sind und wieviele es waren? Hätte Anaxander gewusst, dass dieser Tiberius Durus auch schon ein alter Greis gewesen war, dann hätte er auch dahingehend einen Punkt gemacht, denn eine solche Folter durchzustehen forderte einem sicherlich einiges ab. Das sprach jetzt also alles wieder für den Vescularius als Mörder. Absolute Gewissheit würde man sicherlich nie haben, da kaum jemand aus mehr oder weniger freien Stücken die Tat gestehen würde. Man war also dazu gezwungen abzuwägen.

    Der griesgrämige Ianitor, der auch Anaxander vor einiger Zeit hier eingelassen hatte, öffnete das Guckloch in der Porta und sah nach draußen. Dort erblickte er zwei Gestalten, die er aber nicht zuordnen konnte. Er war noch nicht ganz wieder wach nach seiner letzten Ruhe. Da sah er alles noch ein bisschen verschwommen, doch seine Laune war so schlecht wie eh und je.


    Wie gewöhnlich ratterte er seinen Spruch runter: Wer seid ihr und was wollt ihr hier? Die Claudier geben keine Almosen, also schert euch am besten direkt wieder weg. Kurz, zu kurz als dass die beiden eine Antwort hätten geben können, wartete er. Dann verschwand sein Kopf für die Außenstehenden wieder aus dem Guckloch und letzteres würde sich auch in wenigen Augenblicken wieder schließen, wenn die beiden da draußen jetzt nichts unternahmen. Der Ianitor wollte sich wieder seinem wohlverdienten Schlaf widmen.

    Hmm? Hatte sein Dominus gerade gesagt, dass ihm die Motive des Vesculariers auch noch nicht ganz klar seien? Dirket nachdem Anax von offensichtlichen Motiven gesprochen hatte? Naja, das sollte er wohl besser nicht hinterfragen. Aber das Motiv der absoluten Macht schien dem Griechen wirklich einfach offensichtlich zu sein. Oder meinte der Claudier den konkreten Anlass, der zum Entschluss zum Mord führte? Wahrscheinlich.


    Zu den folgenden Ausführungen konnte der Sklave nicht wirklich viel Sinnvolles beisteuern. Wenn bisher soviel falsch gelaufen war, wie mochte der richtige Weg ausgesehen haben? Oder hatte man ihm vielleicht gar dazu geraten, dass er eben nicht zu schnell und reibungslos handeln durfte, um möglichst keinen Verdacht zu erwecken? Möglich. Aber auch wahrscheinlich? Darauf hatte Anaxander keine Antwort. Also weist selbst du hier in Rom nicht so wirklich, ob Salinator nun der Kaisermörder ist oder nicht? Dieser Gedanke war nicht gerade beruhigend. Die spannende Frage ist ja: Wer käme sonst noch in Frage? Und aus welchem Motiv?


    Da schien es weitaus beruhigender, dass sein Dominus weingstens schonmal gewisse Vorkehrungen getroffen hatte für den Fall, dass die Praetorianer entschlossener zurückkommen würden. Auch ohne dass der Claudier nun alles im Detail erzählte, glaubte Anaxander ihm. Er sah jedenfalls keinen Grund, weshalb Felix ihm diesbezüglich etwas vormachen sollte.


    Auch zu seiner eigenen Geschichte vermochte Anax nicht mehr sonderlich viel hinzuzufügen. Das Leben geht eben manchmal seltsame Wege. Und meines hat mich heute hierher geführt.