Was das Einweisen in seine Aufgabenbereiche anging, so vermutete Anax, dass sein Dominus hier wirklich seine eigene Handhabung hatte. In den ersten Tagen hatte er ihn in alle möglichen Räume rufen lassen, um sich für einen Bruchteil einer Hora mit ihm zu unterhalten und manchmal auch nur danach zu erkundigen, was Anaxander gerade trieb. Es folgte (und in dieser Phase befand er sich wohl noch immer) das Austesten seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten. Einmal hatte er sogar in der Küche beim Kochen helfen müssen, was allerdings nur ein kurzes Vergnügen gewesen war. Nachdem er binnen kürzester Zeit eine Suppe versalzen, sich dreimal in die Finger geschnitten hatte und permanent im Weg stand, war er im hohen Bogen hinausbefördert worden. Und nun hoffte Anax, dass er möglichst bald ein festgestecktes Aufgabenfeld erhielt. Wenn möglich noch bevor er auch als Custos Corporis ausgetestet werden würde und sich dabei wahrscheinlich noch selbst umbrachte!
Die Sache mit dem Lustsklaven schien Linos verstanden zu haben. Wahrscheinlich wusste der auch selbst, dass Felix keine derartigen Bediensteten brauchte und wollte. Und Anaxander war froh darüber, dass man ihn seines Verstandes wegen im Haushalt führte und nicht als Spielzeug für gewisse Horae, wenngleich er sich auch jenem Wunsch letztlich zwangsweise hätte fügen müssen. Doch so war es natürlich besser!
Der süße Honig vertrieb diese Gedanken zum Glück schnell wieder. Das ist eine wirklich gute Nachricht! Ich hatte schon befürchtet mich in absehbarer Zeit den Hieben einer Peitsche ausgesetzt wiederzufinden. Es war schließlich das erste Mal, dass sein Dominus nicht nur nicht zufrieden, sondern unzufrieden mit ihm war. Und Anax hatte noch nicht mitbekommen, wie der in so einem Fall reagierte, was er tat oder eventuell auch tun ließ, wie eben eine Bestrafung bei ihm aussah.
Dann sprach Linos von Felix Großvater und dem Auftrag, den dieser ihm erteilt hatte. Wieder betonte er, dass er von den militärischen Vorgängen keinen Schimmer hatte, was irgendwie auch ganz glaubhaft klang, sodass Anax es ersteinmal auch zu glauben gewillt war. Die folgenden zwei Sätze offenbarten dann den aus Anaxanders Sicht wahrscheinlichen wahren Grund der Anwesenheit der beiden Sklaven hier in Rom. Sie sollten ihrem Herrn Informationen beschaffen, unzwar welche, die originalgetreu und direkt aus dem Zentrum der Macht kamen. Ob der Claudier dem neuen Kaiser misstraute? Oder vielleicht hatte sich der neue Imperator auch nur an die Statthalter der Provinzen gewandt und seinem misstraute der Claudius? Oder er misstraute noch einer anderen Person, an die Anax gerade nicht dachte. Darüber müsste er nochmal in Ruhe nachdenken. Aus purem Vertrauen heraus schickte auf jeden Fall niemand, nichtmal ein Römer, gleich zwei Kundschafter nach Rom.
Über diesen Gedanken brütend hatte Anax völlig verpasste Linos zu antworten, bevor dieser plötzlich aufstand und den Raum verließ. Er ging jedoch beruhigenderweise nur in den Vorratsraum und kam dann mit einer großen Portion Vortagsfleisch mit Oliven und Käse zurück. Nein, Anaxander blieb lieber bei süßem Brot und stark verdünntem Wein. Kreata soll schön sein. Selbst war er leider nie dort gewesen und überhaupt hatte er Athen nie groß verlassen, als er noch frei war und die Möglichkeit dazu hatte. Das bedauerte er jetzt. Dann hoffe ich mal, dass mein Dominus es seinem Großvater gleich tut und ebenfalls einen griechischen Sklaven zu seinem persönlichen Sekretär macht. Wer sonst könnte den Römern auch in so einer Position am dienlichsten sein? Aber das sagte er lieber nicht laut, da er nicht wusste, wie Linos die Sache sah. Aus Kreta stammend wohnte ihm wohl kein Athener Stolz inne, den Anax zusammen mit seiner Freiheit eigentlich hatte ablegen müssen. Hin und wieder jedoch kam dieser Stolz wie ein Geist aus einem Grab an die Oberfläche. Ob es in Kreta auch soetwas gab?
Anax stiebitzte sich eine Olive und noch bevor Linos etwas sagen konnte, war sie in seinem Mund verschwunden. Hmm.. Aus der Heimat.. meinte er noch beim Kauen. Was für Neuigkeiten sollt ihr eigentlich zusammentragen? Theoretisch, wenn auch alles andere als wahrscheinlich, gab es Neuigkeiten in allen möglichen Bereichen, die den Claudier interessieren konnten. Irgendsoein Pferderennfahrer hat wohl in den letzten Tagen seine Karriere beendet. Ein Grüner, wenn ihn nicht alles täuschte. Oder rot, blau, gelb, ..? Dämlich, das mit den Farben! Und nichts, für das sich ein griechischer Sklave besonders interessierte. Ein Römer hingegen wohl eher. Neuste Modetrends hingegen interessierten wahrscheinlich am ehesten die Römerinnen.
Anax nahm einen Schluck aus seinem Becher und fixierte eine weitere Olive.