Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Ach, diese Collegienkämpfe. Wenn sich die Priesterschaften nicht gegenseitig argwöhnisch beobachten konnten, dann waren sie wahrlich nicht zufrieden. Doch man kämpfte eben gern um Ansehen und Einfluss, nicht besser wurde diese Situation dadurch, dass nun einmal in vielen Fällen patrizische Politiker diese Ämter ausfüllten. Da war der Machtkampf schon Programm. "Nun, ich kann deinen Vorbehalt gegenüber den Auguren verstehen. Aber allein die Tatsache, dass ihr Einfluss ungebrochen ist, macht es natürlich nach wie vor attraktiv in ihrem Collegium aufgenommen zu werden." Aus einem rein politischen Kalkül war es damit schon nicht zu verachten Augur zu sein. Wenn man dann noch all die berühmten Persönlichkeiten bedachte, die einst Augur waren, dann konnte es nur von Vorteil sein sich in dieses Licht zu begeben. Aber um eine Vorherrschaft zu brechen würde wohl irgendwann ein Bruch stattfinden müssen, auch wenn er mit Opfern versehen war, aber im Grunde war der Fokus des Tiberiers ohnehin nicht unbedingt auf die Vögelbeobachter gerichtet. "Auch wenn in mir sicherlich das Potenzial eines neuen Attius Navius geschlummert hätte, so ist dieses Collegium wahrlich nicht meine allererste Wahl." So musste er dann auch gar nicht mit seinem Patron darum wetteifern, wer die Zeichen lesen konnte - auch wenn das sicherlich belustigende Züge annehmen würde.


    "Ich hätte dagegen tatsächlich gern einen Sitz im Collegium Pontificum und mein größter Wunsch wäre es einer der flamines maiores zu werden. Ich glaube, es existieren nur noch wenige andere Ämter, die für einen Patrizier besser geeignet sind." Lepidus blickte bedeutend auf den Tempel des Mars, der hierfür wohl die beste aller Kulissen bot. "Genauer gesagt strebe ich tatsächlich das Amt des Flamen Martialis an, aber aussuchen kann man sich das bedauerlicherweise nicht immer. Was hältst du von diesem Vorhaben?" Schließlich musste man auch warten, bis ein solches Amt einmal frei wurde und ähnlich wie einst Caesar, dem ein Posten als Flamen schon in jungen Jahren versprochen wurde, musste dieser nach einem längeren Ränkespiel dann doch mit einem anderen Amt vorlieb nehmen. Aber zumindest Flamen Dialis wollte Lepidus auf keinen Fall werden, das wären ihm dann doch zu viele Einschränkungen, zumal er auch noch überhaupt nicht verheiratet war. Falls der Aurelier die Idee gut finden würde, wäre dies sicherlich ein weiteres Gesprächsthema, welches er beim Kaiser anschneiden konnte, war dieser doch gleichsam als Pontifex Maximus dafür verantwortlich über das Personal dieser Ämter zu bestimmen. Als Patrizier mit einem gewissen Traditionsbewusstsein war Tiberius ein solches Amt, welches auch wirklich nur dem hohen Stand vorbehalten war, natürlich das allerliebste. Umso mehr konnte er sich abgrenzen von denen, die von keiner so guten Herkunft waren.


    "Und selbstverständlich werde ich regelmäßig zu den Salutationes erscheinen. Dankbar wäre ich dir jedoch wenn ich nicht mit der Masse deiner übrigen Klienten, wovon sicherlich auch viele von niederem Stand sein mögen, gemeinsam auflaufen muss. Das kannst du mit Sicherheit nachvollziehen." Nicht, dass er große Ansprüche anmelden würde, aber der Aurelier hatte hoffentlich auch kein Interesse daran seinen Standesgenossen mit dem üblichen Pöbel abzufrühstücken, zumindest hoffte Lepidus das. An der grundsätzlichen Haltung sich oft mit seinem Patron in Verbindung zu setzen blieb für ihn persönlich kein Zweifel. Sicher gäbe es noch viele Pläne, die miteinander absprechen müssten - womöglich sogar die ein oder andere Intrige zu spinnen. Innerlich rieb sich der Tiberier jetzt schon die Hände, weil ihm jetzt bereits so viele Ideen im Kopf schwirrten. Dann würde wohl auch der Aurelier eines Tages merken, dass Lepidus sich Blut zwar sehr gern ansah, aber natürlich nicht gern damit in Berührung kam. Die Frage war wohl, auf welche dieser Vorliebe tatsächlich furchteinflößender war.

    "Danke, das wäre sehr hilfreich", erwiderte er auf das Angebot einen Sklaven zu schicken, falls denn der gute Ahala sich melden würde. Die Frage würde nur sein, welche Art von Vorkehrungen getroffen werden würden. Da musste sich Lepidus noch etwas Wohlüberlegtes einfallen lassen, etwas, was die Grenzen zwischen ihnen beiden gut abstecken würde. Aber das hatte zum Glück wohl noch Zeit, da er sich wohl anscheinend noch nicht aus dem Weg befand. In jedem Fall musste er Lucia davon berichten. Wenn um kniffligere Familienangelegenheiten ging, konnte er sich auf seine Schwester sicherlich verlassen.


    "Es ehrt mich, dass du derartige Parallelen siehst. So wie du deine Chance genutzt hast, so werde auch die meinige nutzen und beweisen, dass ich meines Namens Wert bin." Als Aurelius ihn nun offiziell als Klienten anerkannte, freute er sich natürlich sichtlich, auf das der Hoffnungsschimmer in seinen Augen deutlich zu erkennen war, ohne natürlich in formverstoßende Euphorie zu verfallen. Für die blutigen Hände hatte er natürlich Verständnis. "Dass du dich auch schon so bald beim Kaiser für mich einsetzen möchtest, lässt mich wahrlich nicht zweifeln, dass unser Klientelverhältnis sich als sehr ergiebig erweisen wird und sei dir auch gewiss, dass ich solche Taten nie vergessen werde." Wenn Lepidus bekam, was er wollte, dann konnte er wirklich schon einmal ausgesprochen loyal sein. Überhaupt entwickelte er ja auch gern eine gewisse Kriechermentalität, wenn er über sich Leute sah, die ihn weiterbringen konnten. Dafür war er dann umso rücksichtsloser und desinteressierte bei Leuten, die unter ihm standen. "Vielleicht lohnt es sich meine bisherigen Aktivitäten im religiösen Bereich positiv zu erwähnen. Ich habe bereits eine ganze Reihe von großen Opfern geleitet und der Iuppiter-Tempel ist unter meinen Anweisungen wieder zu neuer Pracht gelangt. Des Weiteren setze ich mich für das Andenken der früheren Kaiser in der Societas Claudiana et Iuliana ein, in der ich eine große Prozession organisierte habe. All dies qualifiziert mich vielleicht für das höhere Priestertum und damit auch für den Ordo Senatorius." Dass Aurelius ein Wort für ihn beim Kaiser einlegen würde, war natürlich etwas, worauf der Tiberier stark spekuliert hatte. Wer konnte wohl derzeit einen besseren Zugang zum Princeps haben, wenn nicht ein proskribierter Salinator-Gegner, der Palma mit zur Kaiserwürde verhalf? Da waren die Standesdünkel wohl noch der geringste Faktor, die dem Aurelier einen Vorteil verschafften.


    Ein Blick auf die blutigen Hände des Aureliers verriet zweifellos, dass sich der Aurelier wohl bald einer Reinigung unterziehen musste, weshalb ihm Lepidus auch gern zu einem leichten Ausstieg verhalf. "Es erweckt den Anschein, als klebe immer noch das Blut des Krieges an dir. Wenn man bedenkt, dass dieses geopferte Pferd Teil dieses Krieges war, so ist es vielleicht auch das letzte Blut, was dieser gefordert hat. In jedem Fall habe ich Verständnis, wenn du dich jetzt erst einmal waschen musst. Aber sei dir gewiss: Wenn ich etwas für dich tun kann, dann sende einen Boten zur Villa Tiberia. Ansonsten sehen wir uns auch sicher bei den Salutationes." Er wartete natürlich noch die Reaktion von Lupus ab, bevor er sich endgültig verabschiedete. Sie würden sicher in Zukunft ohnehin noch sehr viel zu bereden haben und sich auch noch etwas besser kennenlernen müssen.


    Sim-Off:

    Bestätigt.

    Hohe Meinung von den Menschen... Großzügigkeit... Weiter weg konnte man vom Persönlichkeitsprofil des Tiberiers wahrlich nicht sein. Aber der Schein war ja oft weit entfernt vom Sein und bei niemandem war die Kluft wohl größer als bei Lepidus. "Die Freude liegt ganz auf meiner Seite", gab er dann auch gleich zurück mit einem Lächeln, als würde er tatsächlich dieser neuen Bekanntschaft ein Übermaß an Bedeutung beimessen. Bedauerlich, dass Lepidus nun leider noch nicht erfuhr, welchen Enkel er da vor sich hatte. Der protzige Auftritt hätte ihm sicherlich gefallen.


    "Das Angehen gemeinsame Projekte ist natürlich auch nicht weniger zu bevorzugen... natürlich nur zum Wohle Roms! Schön, dass der Senator auch anderweitig gern Kontakte knüpfen möchte" Gemeinsame Projekte klang auch so unglaublich unschuldig. Außerdem konnte Lepidus jetzt auch selber so tun, als ginge es überhaupt nicht mehr um bloßes Geld. Umso überraschter konnte er dann tun, falls es dennoch darauf hinauslaufen sollte. Er könne ja nicht ahnen, dass er 'nur' dafür eingeladen wurde. Für den Tiberier war das jetzt schon ein riesengroßer Spaß. "Eine solche Einladung kann ich natürlich schwer abschlagen. Gibt es bereits einen Terminvorschlag oder möchtet ihr mir vielleicht schriftlich Bescheid geben?"

    Mit dem kurzen Zögern war natürlich zu rechnen, immerhin hatte er den Senator ja geradezu damit überfallen, wenn nicht sogar für eine kleine Überraschung gesorgt, als er vor allem seine Verbindung zum Consular Durus betonte. Doch die eigene Offenbarung überbot der Aurelier noch einmal, indem er das Überleben seines Vettern bezeugte. "Mein Vetter lebt? Er hat es wirklich geschafft?" Natürlich setzte Lepidus eine freudige Miene auf. Über die möglichen Konsequenzen, die dies für ihn selbst noch haben könnte, wollte er erst einmal nicht nachdenken. Jetzt schon über familiäre Verteilungskämpfe zu spekulieren war erst einmal überflüssig. "Ich hatte keine Ahnung. Es muss nun schon Jahre her sein, seit ich das letzte Mal etwas von ihm hörte. Weißt du denn zufällig, ob und wann er zurück nach Rom kommen wird? Dass deine Cousine ebenso überlebt hat, wie höchstwahrscheinlich das Kind von Durus ist natürlich eine ebenso frohe Botschaft. Es scheint, als wäre noch vieles gerettet worden, trotz all der Umstände. Ich danke dir für diese guten Nachrichten."


    In der Tat konnte Lepidus wirklich froh sein, dass ihm endlich jemand etwas Genaueres erzählen konnte. Seine Familie wurde im Zuge des Krieges immerhin so versprengt, dass es wohl kaum Alternativen zu dieser stetigen Ungewissheit gab. "Ich habe sehr eindeutige Pläne", kam er dann auf das Interesse an seiner Person zu sprechen. "Mein Weg soll mich in den Cursus Honorum führen. Ich sehe mich in der Tradition meines Cousins Durus und meines Onkels Publius Tiberius Maximus, welche großartige Politiker waren. Für mich kann das Ziel nur heißen in ihre Fußstapfen zu treten. Nur so kann ich das Ansehen meiner Familie wiederherstellen." Lepidus machte eine kleine Pause, blickte bedeutend zur Seite und sah dem Senator dann wieder in die Augen. "Ebenso möchte ich in eines der Priestercollegien aufgenommen werden. Derzeit... fülle ich das etwas 'unpassende' Amt eines Aedituus im capitolinischen Tempel aus - der einzige Dienst an den Göttern, den mir das vescularische Regime gestattete." Unpassend wohl deshalb, weil man wohl lange darüber nachdenken musste, wann ein Patrizier wohl das letzte Mal als Tempelwächter eingestellt wurde. Wie der edle Senator es wohl aufnehmen würde, dass er einerseits vor einem patrizischen Standesgenossen, aber andererseits vor einem Aedituus stand? Lepidus konnte nur hoffen, dass es seinen Eindruck nicht schmälerte. "Sowohl für den Cursus Honorum, als auch für die Priesterschaft benötige ich den Ordo Senatorius, was damit die höchste Priorität für mich hat. In jedem Fall kann ich dir fürs erste als Gegenleistung wohl nur unbedingte Treue schwören und dich bei jedem Vorhaben unterstützen, welches du auch immer in Zukunft planen wirst. Aber ich bezweifle nicht, dass es sich für dich im Gegenzug von Tag zu Tag mehr auszahlen wird, mich als Klienten zu haben, vor allem, wenn meine derzeitige Lage überwunden scheint."

    Wenn Lepidus von seiner direkten Verwandtschaft absah, war dies tatsächlich das erste Mal, dass er tatsächlich wieder einmal Kontakt mit einem Standesgenossen hatte. Viele waren einfach abgetaucht, wurden aus dem Weg geräumt oder flohen. Umso verrückter war es, dass Lepidus selbst den entgegengesetzten Weg ging und direkt in die Höhle des Löwen marschierte, obwohl er auch auf das Ende des Krieges in Griechenland hätte warten können. "Höchstwahrscheinlich", antwortete er nur auf das vermutete Verschwägertsein, auch wenn er eine bestimmte Linie der Verschwägerung sicher nicht im Kopf hatte, so war es natürlich dennoch naheliegend und vor allem auch Vorteilhaft selbiges zu behaupten. "Nun, ich bin der Cousin des Consulars Tiberius Durus und ich habe nach seinem Tod seinen Besitz verwaltet - zumindest das, was die Schergen des Vesculariers nicht an sich rissen." Das etwas bekümmerte Gesicht kam inklusive, welches seinen Kampf mit diesen Umständen ausdrückte. "Meine Familie hat sehr viel Leid erfahren, so wie fast alle edlen Patrizier in der vergangenen Zeit und ich denke als ehemaliger Klient des Durus hast du seinen Tod als ebenso schmerzhaft empfunden, wie ich. Es ist mein Anliegen meine Familie wieder aufzurichten, doch dafür brauche ich zweifellos Unterstützung. Was kannst du also für mich tun? So wie du einst der Klient meines Cousins warst, so möchte ich nun deiner werden und damit dieses Band zwischen Aureliern und Tiberiern aufrechterhalten." Lepidus hatte sich das sehr gut überlegt. Schon als er in Erfahrung brachte, dass dieser Aurelius Lupus der Klient von Durus war, hoffte er, dass er den Krieg überleben würde. Allein dass sein Name auf der Proskriptionsliste stand, sprach über alle Maßen für ihn. Lepidus würde ihm zwar sicherlich noch deutlich mehr über sich erzählen müssen, aber wenn das Grundanliegen schon einmal offenbart war, konnte sich alles andere fügen. Er hoffte jedenfalls, dass der Aurelier grundsätzlich daran interessiert war, sein Patron zu werden. Zumindest die bisherigen Verknüpfungen zwischen ihren Gentes sprach jedenfalls nicht dagegen.

    Immer schön lächeln, das hatte der Tiro jedenfalls schon sehr gut gelernt. Wichtig war es, dass man sich vom Vokabular seines Gegenübers nicht durcheinanderbringen ließ. Menschen, die das beherrschten, schätzte der Tiberier doch gleich umso mehr, auch wenn es geradezu herausforderte, die Spielchen noch etwas weiterzutreiben. "Nicht alle Tage, sagst du? Bei einem solch sympathisch auftretenden Kandidaten, hätte ich doch eigentlich gedacht, dass sich der Senator vor Spenden kaum retten kann. So hätte ich es ihm doch auch fast geglaubt, dass er keine einzige Sesterze mehr benötigen würde." Offensichtlich hatte der Duccier doch noch nicht so viel Unterstützung. Das konnte allerdings tatsächlich das Einfallstor für Lepidus sein. "Aber du hast Glück: Mein Angebot ist selbstverständlich noch nicht verfallen. Mein Name ist im Übrigen Lucius Tiberius Lepidus, Cousin des verstorbenen Consulars Manius Tiberius Durus, dessen Villa ich nun bewohne und in dessen privatem Officium ich nun arbeite." Er hätte wohl noch hinzufügen können: 'In dessen Cubiculum ich nun schlafe', aber das wäre wohl dann doch etwas zu dick aufgetragen und den Zweck, den der Tiberier verfolgte, war mit dem bisher gesagten sicherlich schon ausdrucksvoll genug. Der Zweck war zweifellos zu vermitteln, dass er sich in den Fußstapfen seines großen Verwandten wandeln sah. Die Tatsache, dass Lepidus erwähnen konnte, dass er nun den Besitz des ehemaligen Consulars verwaltete, täuschte vielleicht auch darüber hinweg, dass er nicht dessen Vermögen besaß - auch wenn er das seinem Gegenüber sicher gern glauben machen würde.

    "Ganz genau so ist es", erwiderte der Tiberier zuerst auf die Worte der Decima. "Du hast eine wirklich gesunde Einstellung, Calena. Es ist als wenn ich unsere weiblichen tiberischen Vorfahren hören würde. Es waren stets starke und selbstbewusste Frauen." Damit hatte er der Calena gleichsam zu deuten versucht, dass sie mit dieser Art zumindest in Lepidus Augen als durchaus passend in der Familie empfunden wurde. Ein größtes Kompliment konnte er so spontan wohl kaum aufbringen und blickte dann wieder auf Verus "Mit dieser Frau an deiner Seite wirst du es vielleicht noch weit bringen!" Sie sprach den Ehrgeiz auch schließlich mit einer gewissen Verbissenheit aus. Das gefiel dem Tiberier außerordentlich gut. Natürlich würde die Decima in erster Linie den Erfolg ihres Mannes fördern müssen, doch es gab durchaus immer mal wieder die ein oder andere Frau, die neben ihrem Mann tatsächlich noch viel größere Aufmerksamkeit auf sich zog. Ob Lepdus das im Sinne von Verus allerdings gutheißen konnte, das war wiederum eine weitergehende Frage mit der er sich jetzt nicht auseinandersetezn musste. Verus sollte erst einmal einen Anfang machen. Mit wachsender Verantwortung und Macht wuchs er sicherlich auch noch in seiner Persönlichkeit.


    "Die Kanzlei soll es also sein. Dann kann ich dir nur nahelegen, dich dort bald vorzustellen, solange es noch Leute auf die Stühle zu verteilen gibt, die zuvor noch von den Salinator-Getreuen warm gehalten wurden." Lepidus bezweifelte kaum, dass es da große Schwierigkeiten geben würde. Derweil blickte er zu seiner Schwester, die doch hoffentlich nicht verpasste, zum Essen überzuleiten. Auch beim Besuch des Iuliers hatte da ja bereits Lepidus selbst für die Fortführung sorgen müssen.

    Der Tiberier lauschte gern über das Für und Wider als dieses und jenen Collegiums, aber der Iulier hatte sich schon viele Gedanken gemacht, das war nicht von der Hand zu weisen. Und auch wenn er manchmal betonte, dass es in diesem und jenen Feld noch nichts Konkreteres an Überlegungen gab, zweifelte Lepidus nicht daran, dass sein Freund auch in dieser Hinsicht schon einige Schritte vorausgedacht hatte. "Ich weiß nicht, ob die Bescheidenheit oder die Vorsicht aus dir spricht, aber wohl sehe ich ein, dass ich dir das Collegium Quindecimviri vielleicht nicht mehr ganz schmackhaft machen kann." Diesmal hatte Quindecimviri auch mal korrekt ausgesprochen, nachdem er diesen Fehler vom Iulier in seinem Gehörgang übernommen hatte, wo er sich wohl blitzschnell festsetzte und zu seiner eigenen sprachlichen Verirrung führte. Komischerweise dachte der Tiberier wirklich nicht daran, dass dem Iulier um seines Iulier-Daseins irgendein Nachteil erwachsen würde. Ob man sich in der Priesterschaft tatsächlich darüber Gedanken machen würde? Lepidus glaubte nicht so recht daran. "Aber es wird sich ja ebenso noch entscheiden, ob du bei den Septemviri kooptiert wirst oder ob das andere Collegium dazu nicht eher bereit wäre. Man sagt die erfahrenen Priester erspühren sehr genau, wer zu welchem Dienst geeignet ist." Das war natürlich eine lächerliche Idealisierung, über die der Tiberier selbst schmunzeln musste. Meist war es in der Tat nicht mehr als ein politisches Geschacher, weshalb der Iulier wohl auch nicht ohne Grund nach Kontakten suchte, die ihm Lepidus fürs erste leider nicht verschaffen konnte. "Wo wir doch aber gerade über die Priester-Collegien sprechen und ich dich schon als Quindecimvir gesehen habe: Was glaubst du, welches Collegium zu mir passen würde?" Das war natürlich eine nette Spielerei, vielleicht aber nur halb so lustig, wie es klang. Denn sollte der Tiberier tatsächlich einmal die Möglichkeit haben, dann wäre es sicher von Vorteil sehr gut bedacht zu haben, auf welche Mitgliedschaft man hinarbeitete.


    "Von einem Aurelius Corvinus habe ich in der Tat schon einmal gehört, falls du diesen meintest", von einem Aurelius Piso oder Flavius Piso hatte er dagegen noch nicht gehört. Der Aurelier war ja immerhin noch zweimaliger Aedil, der andere hatte wohl kein so wichtiges Amt mehr inne, als dass ihn Lepidus vielleicht noch aus der Vergangenheit kennen würde. "Unabhängig davon, wie erfolgreich sie vielleicht auch mit ihrer Werdegang waren, dem du nacheiferst, so freue ich mich natürlich, dass du dich insbesondere an Patriziern orientierst." Es gab ja immerhin auch genug plebejische Vorbilder heutzutage, wobei diese vielleicht nicht klassischerweise ein religiöses Amt bekleideten und man sich somit zwangsläufig an Patriziern orientieren musste.


    Die Erkundigung wie es seine Schwester mit den Göttern halte, war doch mehr ein kleiner Gesprächsanreger, denn eine wirklich ernsthafte Frage, als die sie Lucia mit ihrem Zögern wahrscheinlich verstand. In der Tat war ihr in religiösen Dingen eigentlich nie ein Vorwurf zu machen, naja, bis auf eine Kleinigkeit vielleicht: "Ach, hört, hört. Wenn dir Minerva so wichtig ist, wie kommt es denn eigentlich, dass ich dich seit deiner Ankunft noch nie auf dem Capitol in meinem Tempel gesehen habe, liebe Lucia?" Das war natürlich auch wieder eine gute Gelegenheit seiner Schwester einen scherzhaften Vorwurf zu machen. "Du musst wissen, Dives. Minvera ist die Schutzgöttin unserer Gens, falls du es vielleicht noch nie gehört hast. Sie ist sogar der Grund, weshalb unsere Vorfahren sich überhaupt in Rom niederließen.", spielte er gleich noch auf die tiberische Familiengeschichte an, die natürlich ebenso von Sagen umwoben war, wie die eines jeden anderen höhergestellten Römers. Er überließ es aber Dives selbst zu entscheiden, ob er noch mehr darüber hören wollte.

    Bereits ausreichend versorgt oder womöglich einfach zu Stolz? Wer kannte schon die Beweggründe oder die Vermögensverhältnisse des Kandidaten? Lepidus zeigte sich ahnungslos, lächelte und stellte zufrieden fest, dass die Spiele wohl auch ohne seine Hilfe kommen würden. Eigentlich schon fast bedauerlich, denn wenn niemand knapp bei Kasse war, bei wem konnte man sich denn dann noch Einschmeicheln oder in die Rolle des strengen Gläubigers treten, der sich sogar noch diesen und jenen Vorteil von der Abhängigkeit seines Schuldners versprechen konnte?


    Nun, hier war jedenfalls nichts mehr herauszuschlagen, dachte sich der Tiberier, bestaunte dannn noch kurz die Szenerie, um sich dann gemeinsam mit seinem Gefährten Pittacus wieder vom Forum zu verabschieden. Doch kaum waren ein paar Schritte getan, da hielt ihn auch schon wieder ein jugendlich aussehender Römer auf. "Salve" entgegneter er ebenfalls, während er sein Gegenüber musterte. "Ah, ein Gehilfe des Kandidaten, sieh an." Ob Gehilfe zu abwertend klang? Als Tiro war man ja leider manchmal einfach nicht mehr. Das wusste der Tiberier ja nur allzu gut von seiner eigenen Station als selbiger. "Nun, ich wollte zwar gerade gehen, aber ein paar Minuten hätte ich sicher noch übrig, bevor ich mich wieder anderen Geschäften widmen muss." Ja, das klang doch überaus wichtig. Aber außer ein paar Opferdiener im Iuppiter-Tempel herumzuscheuchen, hatte er in Wahrheit eigentlich nicht vor. "Was kann ich denn für dich tun? Oder für den Senator?" Zwar konnte es sich der Tiberier fast denken, nachdem er dem Duccier diese kleine Offerte gemacht hatte, aber damit mussten sie jetzt natürlich schon selbst herauskommen. Ein solches Angebot macht man schließlich nur einmal von ganz allein.

    'Der erhoffte gute Tag für Rom.' Ja, in der Tat. Die Menge freute sich über die guten Zeichen, das gelungene Opfer und den Willen der Götter. Dass der Weg dabei nicht nur geradeaus führen würde, das war ja fast zu denken. Einen Bürgerkrieg überwand man schließlich nicht in ein paar Tagen, wohl selbst nicht mit der Hilfe Iuppiters. Die Folgen würden aber wohl noch lange anhalten.


    Lepidus beaufsichtigte unterdessen, wie die einzelnen Fleischstücke der Stiere separiert wurden. Vor allem das Volk würde noch davon profitieren. So begannen die Helfer nach einiger Zeit Fleischstücke in sportulae zu packen, die dann nach und nach an die noch wartenden Teilnehmer der Opferung ausgegeben wurden. Die Nahrungsmittel-Knappheit war noch in bester Erinnerung, so freuten sich natürlich nicht wenige, dass es auch wieder einmal etwas kostenlos gab.


    Auch Lepidus selbst half ein wenig bei der Verteilung, auch wenn ihm diese Arbeit im Grunde zuwider war. Doch er war sichtlich erleichtert, dass nun alles vorbei und gelungen war. Diese Opferung hatte viel Kraft gekostet, musste sie doch so kurzfristig und schnell organisiert werden. Dazu stets die nervliche Anspannung, dass dem Kaiser auch kein Missgeschick passierte oder dass die Opferhelfer auch ja nichts falsch machten. Für einen Aedituus war so ein Staatsopfer allein nervlich schon eine große Bürde. Alles, was organisatorisch nicht richtig lief, würde schließlich an ihm hängen bleiben. Doch heute ging es noch einmal gut - nicht wie damals, als er bei seiner eigenen Opferung an Iuppiter einmal versagte. Aber seitdem kam auch vieles an Erfahrung hinzu.


    Dazu war er nur derjenige, der im Hintergrund blieb und seine Aufgabe still und leise erfüllte. Lepidus hielt sich auch an diese Rolle, doch er befand sich immer im Spannungsverhältnis zwischen seinem (seiner Ansicht nach) guten Namen, der ihm doch eigentlich besseres versprach und dem Posten, den er bekleidete. Und dieser war eben keiner, der es gestattete sich in den Vordergrund zu drängen. Es war der einzige, auf dem Salinators Schergen ihn haben dienen lassen. Klein und unbedeutend war seine Rolle. Und so war er wohl auch diesmal kein Tiberius. Heute war er nur Aedituus.


    So blickte er dennoch mit einem Lächeln der Erleichterung auf die Bürger, denen ein kleiner Korb mit Fleisch zuteilwurde. Erst wenn sich alle Teilnehmer der Opferung so langsam entfernt hatten, konnte die Reinigung des Tempels beginnen, denn schließlich musste ja wieder alles hergerichtet werden für das nächste große Opfer, welches sicherlich kam, aber wohl zumindest kein Staatsopfer sein würde.

    Die Worte des Iuliers ehrten den Tiberier natürlich, der sich nur zu gern Honig um den Mund schmieren ließ, was er ja auch durch seine Worte indirekt provoziert hatte. Er machte soetwas schon gar nicht mehr bewusst, sondern brachte die Leute ganz allgemein gern in die Lage, dass sie irgendetwas Erheiterndes und positives über seine Person sagen mussten. Als Ehrengast in seinem Haus hatte Dives auch wohl kaum eine andere Möglichkeit. So freute er sich darüber, dass der Iulier seine bisherige Arbeit für die Societas schätzte und gleichsam auf eine bessere Zukunft für ihn deutete. Was anderes hätte Lepidus wohl auch nicht erwartet. "Und ob dieser Vescularier einen Groll gegen Patrizier hegte! Es bleibt wohl nur zu hoffen, dass all seine Handlungen so wenigen Nachwirkungen wie möglich zeigen. Dann mag wohl auch ich wieder einen festen Boden unter den Füßen spüren. Dem Usurpator somit auch noch einen späten Triumph gönnen, nein, das sollte vielleicht wirklich nicht meine Absicht sein." Da gab er dem Iulier natürlich vollkommen Recht. "Ein wenig Kraft, um mich in nächster Zeit noch einmal hervorzutun, ist mir hoffentlich geblieben."


    Sehr angetan war Lepidus von dem Gedanken, dass Dives selbst in den Dienst der Götter treten wollte. "Eine ausgezeichnete Idee. Ich denke, du würdest dich in einem Collegium sehr gut machen." Vor allem war eine Mitgliedschaft in einem Collegium für einen richtigen Politiker, der der langjährige Duumvir von Ostia zweifellos war, schon fast Pflicht. Nirgendwo konnte man besser Einfluss geltend machen und sich gleichsam als guter Römer profilieren. "Warum aber gerade das Collegium Septemvirorum für dich so interessant ist, bleibt mir dann doch eher verschleiert. Mir schien immer, dass du eine starke Verbindung zu Apollon hast, da wäre die Aufgabe als Qindecimvir, als den ich mir dich vorstellen könnte, schon fast naheliegend." Sicher waren die Qindecimviri die ersten Ansprechpartner, wenn es um fremde Kulte ging, aber um diese komische Christen-Sekte musste man sich wirklich nur am Rande kümmern. Den größten Dienst leistete das Collegium an den fest etablierten Gottheiten Apollon und Ceres. "Und du hättest dann sogar Zugang zu den Sibyllinischen Büchern, was nun wirklich eine große Ehre ist. Vielleicht ist dir ja auch bekannt, dass es eine gewisse Rangfolge unter den einzelnen Collegien gibt, die natürlich nicht gerade offiziell, aber sich im Ansehen doch wiederspiegelt. Die Septemviri konnten sich an Prestige nie so wirklich mit den anderen Collegien messen." Von allen Collegien war es auch das, welches am stärksten abhängig war vom Pontifikalkollegium und keine wirkliche Deutungshoheit besaß. "Damit will ich dir deine Entscheidung natürlich nicht schlecht machen, denn jedes Collegium ist wichtig, aber es ist vielleicht etwas, was du bei deinen Plänen bedenken sollteste." Mit Senatoren bei den Epula Iovis in Kontakt zu kommen war sicherlich nicht schlecht, aber Lepidus war sich sicher, dass ähnliche Möglichkeiten auch jedes andere Collegium bot.


    Währenddessen konnte sich Lepidus auch so langsam ein wenig mehr auf die Musiker konzentrieren, deren Laute er im Hintergrund schon ein wenig vernommen hatte. Es war schön, wenn das eigene Wort ein wenig von lieblichen Klängen untermalt wurde und die Momente der Stille konnten so zur Not sehr gut überbrückt werden, aber im Moment sah es eher so aus, als hätten zumindest Lepidus und Dives nicht allzu viel Bedarf an Stille. Inzwischen war des Tiberiers Hals auch schon wieder etwas trocken, so dass er erst einmal einen kräftigen Schluck zu sich nehmen musste. Er redete einfach zu viel.

    Den Göttern sei Dank, dass Plebejer kein so hohes priesterliches Amt, wie dasjenige des Flamen Martialis übernehmen konnte, denn von Traditionen hielt der Tiberier natürlich ausgesprochen viel, besonders wenn es um die eigenen Standesprivilegien ging. Kurze Zeit sah es unter der Herrschaft des Vesculariers ja tatsächlich so aus, als hätten die Traditionen keinerlei Bedeutung mehr und als würde das Patriziat (obwohl ohnehin schon seit langem geschwächt) noch weiter marginalisiert.


    Zufrieden stellte er aber fest, dass der Vestalin das dargebrachte Geschenk tatsächlich gefiel, erst recht als er als "einer der wenigen" tituliert wurde. Es sagte wohl viel über den Zustand Roms aus, wenn nicht einmal mehr die Vestalinnen geehrt wurden, wovon er doch eigentlich einmal annahm, dass dies zu den normalen Dingen im Leben eines anständigen Römers gehörten. Doch auch soweit waren die Traditionen wohl schon vergessen. Der Tiberier versuchte diesen Umstand auf das vescularische Regime zurückzuführen, wie er ja überhaupt alles schlechte in Rom darauf zurückführen konnte, auch wenn das vielleicht nicht immer ganz stimmte: "Ich bin überzeugt, dass schon bald wieder mehr Römer Achtung für ihre Vestalinnen finden werden - zumindest, wenn diese schreckliche Zeit, in der wir uns nun sehr lange befanden, vergessen sein wird." Nach wie vor setzte der Tiberier seine sämtlichen Hoffnungen auf den Cornelier. Als Patrizier blieb ihm schließlich auch kaum etwas anderes übrig. Der Heilsbringer würde es schon irgendwie richten, so die vielleicht vor etwas Naivität oder rücksichtslosem Optimismus getragene Einschätzung. "Ich freue mich jedenfalls, dass dir das Geschenk gefällt und selbstverständlich musst du es zum Beweis deines Gefallens nicht anziehen. Mir genügen deine Worte." Allerdings taten sie das, denn der Tiberier würde wohl schon beim kleinsten Anzeichen von Unkeuschheit das Atrium Vestae schnellstens verlassen. Dazu war ihm sein Leben einfach zu lieb - naja, und auch die Traditionen.


    "Decima Messalina also. Ja, in der Tat habe ich Decima Calena vor kurzem kennengelernt. Sie ist die Frau meines..." Was war Verus doch gleich für ihn? Naja egal: "...entfernten Verwandten, Aulus Tiberius Verus. Kennt ihr euch denn einigermaßen gut? Du und Calena? Sie kamen ja erst vor kurzem nach Rom, weil der Krieg den Verlust ihres Besitzes in Achaia zu Folge hatte. Sehr bedauerliche Geschichte..."

    Mars hatte offenbar gefallen gefunden. Wem, wenn nicht ihm, sollte diese Art von Opfer zusagen? Ganz sicher konnte man sich dabei aber natürlich nicht sein, weshab die Anwesenden nach der befreienden Litatio gierten. Sicherlich nicht nur, um Mars guten Willen zu erfahren, sondern vielleicht auch eher um sobald wie möglich etwas vom Fleisch dieses doch recht besonderen Tieres zu erhalten.


    Direkt nachdem die Litatio erfolgte, verabschiedete er sich kurz von seinem Aedituus-Freund, der nun noch mit dem Opferherr zu sprechen hatten und danach sicherlich noch einiges nachbereiten musste. Derweil wartete Lepidus an den Stufen des Tempels, unterhielt sich noch mit ein paar Bürgern, die während der Opferung neben ihm standen. Gelegenheit zu Gesprächen bot dieses etwas andere Opfer ja ohnehin. Erst als er dann den Opferherr persönlich die Treppenstufen heruntersteigen sah, verabschiedete sich der Tiberier von den netten Leuten und schritt auf den Aurelier zu, um die Gelegenheit zu nutzen: "Salve, Senator Aurelius, hättest du vielleicht noch einen Augenblick Zeit?" Und damit er sich wenigstens gleich entscheiden konnte, ob er Zeit aufbringen konnte oder nicht, stellte er sich gleich vor. Der Senator war Lepidus schließlich schon bekannt, was man umgekehrt wohl kaum sagen konnte "Meine Name ist Lucius Tiberius Lepidus und ich würde mich freuen, wenn wir uns kurz unterhalten könnten." Außerdem würde sich wohl gleich zeigen, ob das nomen gentile seines ehemaligen Patrons ihm noch etwas bedeutete.

    Gekonnt lieferte der Kandidat den Leuten genau das, was sie hören wollten: Brot und Spiel! Wer diese grundlegende Formel nicht beherrschte oder auch nur zögerte sie zu äußern war wohl für die Politik und speziell für das Aedilat kaum geeignet. Insofern hatte der Kandidat den Test bestanden, indem er völlig freimütig und ohne zaudern alles versprach was nötig war. Pittacus freute sich derweil über sein Stück Brot und holte sich die lobenden Worte von Lepidus ab. Jetzt musste Pittacus allerdings seiner Aufgabe als Leibwächter gerecht werden und ihm nach Möglichkeit einen Weg bahnen, auf das sich der Tiberier selbst unter die Händeschüttler reihen konnte. Vor allem wollte er nicht, dass seine Kleidung beschmutzt wurde. Seine Toga strahlte zwar bei weitem nicht so wie die toga candida, aber unnötig dreckig musste sie ja auch nicht werden. Erst recht sollte ihn niemand so anrempeln wie beim letzte Mal, als sich doch tatsächlich der schöne Halbmond aus Elfenbein vom Knöchel oberhalb seines Calceus löste, der aber inzwischen wieder fest dort saß, wo er hingehörte.


    Vorbei an diesem, vorbei an jenem, war Lepidus endlich an der Reihe und packte die ausgestreckte Hand bei der nächsten Gelegenheit, ließ sie aber nicht einfach so schnell los. Wie viele andere sprach er als netten Allgemeinplatz: "Viel Glück für die Wahl!", fügte allerdings noch etwas hinzu, was diesen Handschüttler noch etwas ausdehnte. "Jemand, der dem Volk so viel Wohl bereiten möchte, dem sollte ich zum Gelingen seiner edlen Anliegen vielleicht auch eine kleine Wahlkampfspende zuteilwerden lassen, falls denn Bedarf nach einer solchen besteht. Wir wollen ja schließlich alle, dass die Spiele so groß und schön werden wie möglich, nicht wahr?" Ein verschmitztes Lächeln untermalte seine Worte, während er seine finanzielle Spende offerierte. Wenn der Tiberier schon selbst nicht direkt politisch aktiv werden konnte, dann vielleicht auf eher indirektem Wege, sofern für den Kandidaten überhaupt Bedarf bestand, aber Geld hatte man ja bekanntlich nie zu viel und so ein Aedilat kostete schließlich immer einen Haufen Schotter. Der Name Duccius deutete ihm auch nicht unbedingt, dass er es hier mit einem Schwerreichen zu tun hatte, der von einem großen Erbe zehren konnte. Aber Lepidus beanspruchte hier auch keine Allwissenheit. Das Vermögen nahm manchmal merkwürdige und ungekannte Wege.

    Gebannt starrten die Zuschauer und hörten den neuen Augustus sprechen, ein Gebet, welches staatsmännisch und würdevoll daherkam, ohne große Aufregung und damit wohl bewusst so angelegt, dass jeder wusste, dass die stürmischen Zeiten des Krieges nun vorbei waren - zumindest legte Lepidus das so aus. Der große Augenblick war gekommen und die Männer mit dem malleus standen bereit. Es waren derer zwei, die Parallel auf neben den Stieren standen, einen kurzen Blick austauschten und dann gemeinsam ihren Hammer auf den jeweiligen Kopf des Tieres niederschlugen. Es wurde bewusst gleichzeitig angeordnet, denn manchmal wurde das eine Tier stark unruhig, wenn es das andere neben sich niederfallen sah.


    Nun kam der Opferstecher zum Zuge, der allein war, was aber völlig ausreichte. Er hatte nun das freudige Vernügen den Tieren in die Kehle zu stechen. Das Opfermesser ging durch die Haut wie nichts und schon begann das Blut zu spritzen. Nun zahlte es sich aus, dass den Tieren genug zu trinken zur Verfügung gestellt wurde. Schon bemühten sich einige Opferhelfer einen Teil des Blutes mit Behältnissen aufzufangen. Dann konnten auch endlich die Eingeweide herausgeschnitten werden. Nach und nach entnahm man sie den Tieren. Da war der Teil der verbrannt werden sollte und natürlich diejenigen, aus denen der Haruspex etwas herauslesen sollte, wozu besonders die Leber gehörte. Die Opferhelfer trugen die exta um den Altar. Drei Mal umliefen sie ihn langsam und erst dann legten sie sie dem Haruspex zurecht. Gespannt konnten die Bewohner des Opfers nun bald erfahren, ob Iuppiter dem neuen Kaiser wohlgesonnen sein würde.

    Mit so viel Interesse hätte er gar nicht gerechnet, doch die Vestalin schien sichtlich begeistert von der Tatsache, dass er auf dem Capitol diente. "Nun, es kommt schon einmal der ein oder andere Senator, um zu opfern. In jedem Fall kann ich mich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen", antwortete er bescheiden, obwohl er eigentlich auch bei dieser Gelegenheit gern losgeworden wäre, was für ein Knochenjob diese Aedituus-Tätigkeit war. Wahrlich, ein zartes Patrizier-Gemüt konnte da schnell einbrechen. "Ich würde mich auch in der Tat darüber freuen, eines Tages Priester zu werden, doch das werden andere entscheiden. Ich werde mich meinem Schicksal fügen und werde dort sein, wo die Götter mich brauchen." Zum Zeitpunkt des Gesprächs, welches ja noch viel früher stattfand, als der Besuch des Iuliers in seiner Villa, bei dem er seine 'Selbstfindungskrise' ein wenig offenbarte, hatte er noch deutlich mehr Optimismus und verfiel auch noch gern in diese schönen Phrasen. Gern setzte er sich nun auch und wies die Sklaven an die Geschenke zu präsentieren. Zuerst kam der Sklave mit dem Beutelchen. "Hier habe ich eine bescheidene Geldspende zur freien Verfügung. Vielleicht bedarf das Atrium Vestae mal wieder ein paar hübsche neue Einrichtungsgegenstände oder vielleicht mögen du und deine Mit-Vestalinnen euch etwas gönnen. Es sei, was immer ihr wollt." Eine Tempelspende war ja immer etwas solides. Doch nun wank er den zweiten Sklaven heran. "Dies ist das Geschenk, welches ich der Vestalin geben wollte, die mich heute empfängt und die Götter wollten offenbar, dass du es bist."


    Lepidus zog das Tuch auf diesem Tablett, welches der Sklave trug, beiseite. Zum Vorschein kam eine wunderschöne spinthera bestehend aus Gold, dem nach wie vor allseits beliebtestem Edelmetall. Unter ihrer Tracht durften die Vestalinnen ja durchaus üppigen Schmuck tragen und meistens taten sie das auch. Doch das war tatsächlich noch nicht alles. Rein zu Vorführungszwecken wand sich um diese spinthera eine weiße und edle Perlenkette. Lepidus wusste natürlich, wie sehr so manche Frau von diesen Perlen angezogen wurde, da war eine Vestalin sicher keine Ausnahme. Der Spaß hatte ihn auch einiges kosten lassen, hatte er sie doch extra über einen ägyptischen Zwischenhändler erworben. Diese Perlen waren schließlich wirklich nicht immer ganz einfach zu bekommen. Doch was tat man nicht alles, um sich der Zufriedenheit einer Vestalin zu versichern. "Ich hoffe, es findet alles dein Wohlgefallen... Wie lautet eigentlich dein Name?"

    Ah, Wahlkampf, wie herrlich! Wenn etwas Normalität suggerierte, dann doch wohl die Tatsache, dass die ganz klassische Politik wieder auf dem Forum Einzug erhielt und nicht der permanente Ausnahmezustand Soldaten und neue Kaiser hierher trieb. Lepidus war mit seinen Leibwächtern unterwegs, unter anderem mit dem guten Pittacus, der ziemlich lüsternd auf das ausgeteilte Brot schielte. Tz, als ob er nicht schon gut genug versorgt werden würde. Welchen Namen riefen sie? Duccius? Duccius Vala? Das musste sich der Tiberier natürlich von näherem ansehen. So gut kam man da aber gar nicht durch. So viele Händeschüttler und Brotgreifer. Da konnte man sich ja kaum ein Bild vom Kandidaten machen. Aber mit gewissem Abstand ließ sich die ganze Szenerie ja auch gut ertragen.


    Die bettelnden Augen von Pittacus machten es recht deutlich und der Tiberier zeigte ihm an, dass er sich auch ein Stück Brot greifen soll. "Na los, hol dir auch was ab... Aber Moment noch, halt!" Lepidus hielt ihn noch zurück und sprach ihm etwas ins Ohr. Er sollte dem Kandidaten noch etwas zurufen, hinüber über die Leute, die fleißig Hände schüttelten. Lepidus selbst hatte dafür nicht die Stimmbänder, aber Pittacus besaß zum Glück ein ausreichend starkes Organ und Lepidus würde in seiner Nähe bleiben. So näherte sich Pittacus den Brotverteilern und dem Wahlkämpfer, griff sich ein Brot und fragte doch gleich in Richtung des Kandidaten "Wird denn der gütige Duccius Vala auch noch an das Volk denken und es mit Brot versorgen, wenn er erst einmal gewählt wurde?" Die Graswurzeln freuten sich immer, wenn sie beschenkt wurden, doch lechzten sie sogleich nach mehr und so richteten sich viele hoffnungsvolle Blicke auf den Mann, von dem sie doch nicht mehr erwarteten als ein nettes kleines Versprechen.

    Gemeinsam beschritten sie ihren kurzen Weg ins Triclinium. Dem Iulier wurde selbstverständlich der Ehrenplatz zuteil, dem mit der größtmöglichen Freiheit, auch wenn es nicht viel zu beobachten gab, bei der bescheidenen Anzahl, die sie heute darstellten. So konnte sich Dives als einziger auf der lectus medius gemütlich machen.


    Lepidus nahm selbstverständlich seinen angestammten Platz auf der Gastgeber-Liege ein. Lucia würde sich neben ihm wiederfinden. Die kleinen Häppchen, die sie im Atrium genossen hatten, waren natürlich noch nicht die eigentlich Vorspeise, überhaupt gab es natürlich auch heute mehrere Gänge, durch die sie sich essen würden. So manches römische Essen dauerte dann ja auch gut und gerne bis in die früheren Morgenstunden. In jedem Fall sollte der Iulier heute gut gemästet und unterhalten werden. "Möchtest du etwas mulsum, um deinen Appetit noch etwas anzuregen?" Lepidus selbst ließ selbigen schon einmal für sich einschenken. Währenddessen breiteten die Sklaven bereits einige Salate und Früchte vor ihnen aus. Da waren beispielsweise Grünkohl, der in Salpeter gekocht wurde, Gurken und Melonen sowie ein aus einer interessanten Kräutermischung gemachter Mus.


    Aber Lepidus klang natürlich immer noch die Frage seines Freundes im Ohr. "Zu den Priesterkollegien habe ich leider kaum Kontakt. Aber mit Stolz kann ich behaupten fast jeden Aedituus der Stadt zu kennen!" Letzteres sprach er mit nicht zu überhörender Ironie. "Um die Wahrheit zu sagen: Die Collegien interessieren sich kaum für einen einfachen Tempelwächter, und sei er auch ein Patrizier. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte dort vielleicht etwas Anklang zu finden. Ich bewarb mich einst beim Collegium Pontificum als Pontifex Minor, ein Posten, für den ich - meiner bescheidenen Meinung nach - sämtliche Voraussetzungen mitbrachte, doch wie jegliche Anstrengung, die in die Zeit des Vesculariers fiel, so war auch diese vergebens. Ich warte im Grunde noch bis heute auf eine Antwort, aber wahrscheinlich hat man meinen Brief gleich beiseitegelegt, als man meinen Namen auf dem Absender las." Wahrscheinlich hatte Dives gar nicht damit gerechnet so eine umfangreiche Erzählung auf seine Frage zu erhalten, aber der Tiberier war natürlich immer schnell dabei, wenn es darum ging sein eigenes Leid zu beklagen. Das konnte "Nun, jetzt ist der Vescularier weg und vielleicht gibt es jetzt mehr Möglichkeiten für mich, aber um es dir ehrlich zu sagen: Ich bin sehr müde geworden. Die Arbeit kostet mich sehr viel Kraft. Das Organisieren der Opferungen, Tag ein, Tag aus. Jegliches Detail muss stimmen, besonders wenn ein Senator auftaucht. Aber auch diese nehmen dann natürlich nicht unbedingt Notiz von einem einfachen Aedituus, der ihnen nur als Mittel zum Zweck dient." Es war vor allem auch mehr Knochenarbeit, als sich der Patrizier das wohl je vorgestellt hätte; dann auch noch die Arbeit, die er sich freiwillig aufgehalst hatte, wenn er nur an die Ausbesserung der einzelnen Cella im Iuppiter-Tempel dachte. "Nein, ich habe keine großen Kontakte zu den Collegien und ich beginne mich derzeit auch ein wenig zu hinterfragen, ob ich für den Dienst an den Göttern tatsächlich geeignet bin. Mir scheint, andere sind dazu eher berufen, während ich meinen Zweck womöglich noch einmal neu ergründen muss." Ja, soviel zu einem weiteren Teil der Lebensgeschichte des Tiberius. Als damit geendet hatte, setzte er wie verwandelt gleich wieder ein nettes frohes Gesicht auf und nahm einen Schluck von der Wein-Honig-Mischung. "Aber weshalb wolltest du das denn eigentlich wissen?" So ein bisschen vermutete der Tiberier ja durchaus einen Zusammenhang mit der Angelegenheit, die Dives ihm bisher noch vorenthielt. Doch was konnte das nur sein?


    Sim-Off:

    Wir gehen mal in langsamen Schritten weiter, auf das Lucia dann vielleicht noch wieder aufspringen kann. :)

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    "Sie sagte einfach nur 'Vestalin Decima'. Ich glaube ja nicht, dass es da mehrere aus einer Gens gibt. Immerhin gibt es doch nur... 5...7... naja, jedenfalls nicht mehr als 10 Vestalinnen. Und nicht jede wird einen Brief von der Societas erwarten!" Selbst für eine bevorteilte Gens, wie den Decimern wäre es wohl kaum möglich gewesen gleich mehrere Frauen in den Dienst der Vesta zu stellen. Immerhin dienten sie ja auch 30 Jahre und mehr und von daher hatten einige ihren Platz sicher schon lange bevor der Vescularier an die Macht kam. Die Priesterinnen der Vesta konnte ja selbst ein Vescularius nicht beliebig austauschen, gleichwohl er sie ernennen musste.


    Für den Gallier war das jedenfalls alles unproblematisch. Bedenkenlos ging er davon aus, dass ein solcher Brief schon irgendwie ankommen würde. Nach einem Termin hätte er vielleicht noch fragen sollen, aber da hatte diese Dienerin wirklich keine Angaben gemacht. "Nein, keinerlei Präferenzen. Am elegantesten wäre es wohl, wenn der Magister selbst einen Vorschlag machen würde, den die Vestalin dann bestätigen kann", kam er gleich wieder mit einem klugen Ratschlag um die Ecke. Davon hatte der Gallier an diesem Tag offenbar genug. "So, das war dann aber auch alles, was ich dir zu berichten hatte. Ich muss jetzt wieder meinen Aufgaben nachgehen!" Oder ein Nickerchen machen. Wer wusste schon immer so genau, was der gute Evax den lieben langen Tag trieb, wenn er nicht gerade eine Tür öffnen musste?



    IANITOR - SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA

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    Gleich schlug dem Ianitor der Wind entgegen. Tasius musste 'gar nichts'? Dass ein Sklave überhaupt nicht muss, wäre ihm wirklich neu gewesen, liegt es in der Natur der Sache, dass ein Sklave gehorchen musste. Nun gut, sicher musste er nicht auf die Anweisungen oder nennen wir es besser 'Empfehlungen' eines anderen Sklaven hören, aber so grundlegend konnt man das wohl nicht sagen. "Hast du mir denn gar nicht zugehört? Sie hat nur gesagt, dass sie die Societas gern unterstützen würde! Von Mitglied werden war noch gar nicht die Rede!" Der alte hatte offenbar schon starke Probleme mit seinen Ohren oder er ging prinzipiell davon aus, dass jeder immer gleich Mitglied werde wollte der hier auftauchte. "Vielleicht möchte sie uns ja einfach nur etwas spenden oder hat noch andere Ideen, wer weiß?"


    Und was erzählte der alte Tattergreis da von in der Satzung geschriebenen 'Bürgerinnen' und 'Bürgern'? Der arme senile Mann kam wirklich manchmal auf komische Ideen. Evax konnte ja nicht ahnen, dass die Menschen vielleicht mal in ferner Zukunft wirklich Wert darauf legen sollten, mit weiblichen und männlichen Formen angesprochen zu werden, dagegen wirkte dieses Argument für ihn jetzt recht zweifelhaft. Wenn explizit nur von 'männlichen' Bürgern die Rede war, dann wäre das wohl eher ein Argument, soweit das jedenfalls der Gallier durch seine bescheidenen Satzungskenntnisse beurteilen konnte. "Und du solltest dieses Vestalinnen besser nicht minder schätzen!", sprach er insbesondere noch einmal mit Bezug darauf, dass ein anderes weibliches Mitglied wohl immerhin Patrizierin war. "Die Römer halten sehr viel von ihrem komischen Vesta-Kult." Evax war eigentlich fern davon mit Tasius über Dinge zu sprechen, für die sie eigentlich nicht die letzte Kompetenz hatten, nun gut, vor allem wohl Evax nicht. Er war zwar nicht der dümmste Sklave, aber eben doch nur ein Ianitor. "Also sage ich dir einfach mal, wenn du schon nicht musst, dann wäre es wohl dennoch klug, den Magister so schnell wie möglich in Kenntniss zu setzen!"



    IANITOR - SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA