Ach, diese Collegienkämpfe. Wenn sich die Priesterschaften nicht gegenseitig argwöhnisch beobachten konnten, dann waren sie wahrlich nicht zufrieden. Doch man kämpfte eben gern um Ansehen und Einfluss, nicht besser wurde diese Situation dadurch, dass nun einmal in vielen Fällen patrizische Politiker diese Ämter ausfüllten. Da war der Machtkampf schon Programm. "Nun, ich kann deinen Vorbehalt gegenüber den Auguren verstehen. Aber allein die Tatsache, dass ihr Einfluss ungebrochen ist, macht es natürlich nach wie vor attraktiv in ihrem Collegium aufgenommen zu werden." Aus einem rein politischen Kalkül war es damit schon nicht zu verachten Augur zu sein. Wenn man dann noch all die berühmten Persönlichkeiten bedachte, die einst Augur waren, dann konnte es nur von Vorteil sein sich in dieses Licht zu begeben. Aber um eine Vorherrschaft zu brechen würde wohl irgendwann ein Bruch stattfinden müssen, auch wenn er mit Opfern versehen war, aber im Grunde war der Fokus des Tiberiers ohnehin nicht unbedingt auf die Vögelbeobachter gerichtet. "Auch wenn in mir sicherlich das Potenzial eines neuen Attius Navius geschlummert hätte, so ist dieses Collegium wahrlich nicht meine allererste Wahl." So musste er dann auch gar nicht mit seinem Patron darum wetteifern, wer die Zeichen lesen konnte - auch wenn das sicherlich belustigende Züge annehmen würde.
"Ich hätte dagegen tatsächlich gern einen Sitz im Collegium Pontificum und mein größter Wunsch wäre es einer der flamines maiores zu werden. Ich glaube, es existieren nur noch wenige andere Ämter, die für einen Patrizier besser geeignet sind." Lepidus blickte bedeutend auf den Tempel des Mars, der hierfür wohl die beste aller Kulissen bot. "Genauer gesagt strebe ich tatsächlich das Amt des Flamen Martialis an, aber aussuchen kann man sich das bedauerlicherweise nicht immer. Was hältst du von diesem Vorhaben?" Schließlich musste man auch warten, bis ein solches Amt einmal frei wurde und ähnlich wie einst Caesar, dem ein Posten als Flamen schon in jungen Jahren versprochen wurde, musste dieser nach einem längeren Ränkespiel dann doch mit einem anderen Amt vorlieb nehmen. Aber zumindest Flamen Dialis wollte Lepidus auf keinen Fall werden, das wären ihm dann doch zu viele Einschränkungen, zumal er auch noch überhaupt nicht verheiratet war. Falls der Aurelier die Idee gut finden würde, wäre dies sicherlich ein weiteres Gesprächsthema, welches er beim Kaiser anschneiden konnte, war dieser doch gleichsam als Pontifex Maximus dafür verantwortlich über das Personal dieser Ämter zu bestimmen. Als Patrizier mit einem gewissen Traditionsbewusstsein war Tiberius ein solches Amt, welches auch wirklich nur dem hohen Stand vorbehalten war, natürlich das allerliebste. Umso mehr konnte er sich abgrenzen von denen, die von keiner so guten Herkunft waren.
"Und selbstverständlich werde ich regelmäßig zu den Salutationes erscheinen. Dankbar wäre ich dir jedoch wenn ich nicht mit der Masse deiner übrigen Klienten, wovon sicherlich auch viele von niederem Stand sein mögen, gemeinsam auflaufen muss. Das kannst du mit Sicherheit nachvollziehen." Nicht, dass er große Ansprüche anmelden würde, aber der Aurelier hatte hoffentlich auch kein Interesse daran seinen Standesgenossen mit dem üblichen Pöbel abzufrühstücken, zumindest hoffte Lepidus das. An der grundsätzlichen Haltung sich oft mit seinem Patron in Verbindung zu setzen blieb für ihn persönlich kein Zweifel. Sicher gäbe es noch viele Pläne, die miteinander absprechen müssten - womöglich sogar die ein oder andere Intrige zu spinnen. Innerlich rieb sich der Tiberier jetzt schon die Hände, weil ihm jetzt bereits so viele Ideen im Kopf schwirrten. Dann würde wohl auch der Aurelier eines Tages merken, dass Lepidus sich Blut zwar sehr gern ansah, aber natürlich nicht gern damit in Berührung kam. Die Frage war wohl, auf welche dieser Vorliebe tatsächlich furchteinflößender war.