Beiträge von Lucius Tiberius Lepidus

    Die Ohren des Tiberiers spitzten sich. Es klang ja fast wie Musik in seinen Ohren, wie Evax mit schönen Floskeln um sich warf wie ein balearischer Funditores mit seinen Steinen. Natürlich war Lepidus mit Schmeicheleien gut zu ködern, so schnell wie er sich echauffierte, genauso geschwind war er auch wieder zufriedenzustellen. Umso genüsslicher hörte er diesmal den Ausführungen zu, die ihn sonst eher langweilten als fesselten. Auf diese Weise konnte der Ianitor natürlich stundenlang weitersprechen. Allerdings fand er es überaus unpräzise, wenn er Lepidus nach der Dynastie fragte. So allgemein gehalten, musste man sich doch einfach fragen: Wo kann man da nur anfangen? Gerade er musste doch um den Umfang dieses Spektrums wissen.


    "Nun, guter Ianitor, du selbst weiß ja sicherlich um die reichhaltigen Biografien jedes Einzelnen ehrenhaftes Mannes dieser Dynastie, von daher könnten sicherlich unendliche Abhandlungen darüber gehalten werden. Ich glaube aber nicht, dass du dies bezwecken und unser Gespräch somit bis ins nächste Jahrzehnt verlagern wolltest." Lepidus nahm den letzten Schluck verdünnten Wein aus seinem Becher. Wollte er noch mehr oder hatte er genug? Er konnte sich irgendwie nicht entscheiden und behielt den leeren Becher vorerst in der Hand. "Du kannst mir gern ein wenig erzählen, bevor es aber vielleicht ein historischer Abriss wird, den ich schon zur Genüge kenne, erzähl mir doch dann lieber etwas wirklich Interessantes. Ich stelle mir vor, dass die Menschen innerhalb der Societas durch ihre reichhaltige Beschäftigung mit der Dynastie über deutlich mehr Hintergrundwissen über die Herrscher verfügen als jeder Einzelne, der dies nur unterrichtet bekam. Da gibt es doch bestimmt das ein oder andere Geheimnis, vielleicht eine interessante Anekdote, die nicht weitläufig bekannt ist, oder?" Vielleicht erhoffte sich der Tiberier zu viel der Unterhaltung, vielleicht könnte dieser Evax damit überhaupt nicht dienen, aber fragen konnte man ja mal und vielleicht würde er ja hier noch etwas wirklich Wertvolles mitnehmen und etwas erfahren, was er vorher noch nicht wusste.

    Eine Entschuldigung - wie schön. Das war es doch, was der Tiberier jetzt am liebsten hörte und was ihn auch zweifellos besänftigte... ein wenig zumindest. Sicher war etwas Vorsicht in jenen Tagen angebracht und der Ianitor wurde sicherlich auch oft darauf hingewiesen so kritisch wie möglich zu sein. Er musste die Arbeit, die man ihm aufgetragen hatte ja auch richtig machen, wollte er sich nicht als unfähig beweisen. Aber kritisch gegenüber Lepidus? Er, der er doch der vertrauensseligste Mensch überhaupt war und dessen Freundlichkeit, wäre sie ein Lichtstrahl, doch den ganzen Abendhimmel erleuchten würde? Der Patrizier konnte sich doch beim besten Wille nicht vorstellen, wie jemand so misstrauisch gegenüber seiner fabelhaften Person sein konnte.


    Gut, dass dieses schwierige Thema jetzt langsam vom Tisch war und sie sich wieder anderen Angelegenheiten widmen konnten. "Ich verfüge über ein sehr hohes politisches und geschichtliches Interesse, von daher kenne ich mich mit den mehr oder weniger ruhmreichen Geschichten der Männer, deren Andenken hier hochgehalten werden soll, natürlich ein wenig aus, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu bekunden." Mit dem großen Imperator Caesar Divi filius Augustus kannte sich ja wohl jeder ein wenig aus. Ein schlechter Bürger wäre einer, der die großen Männer Roms nicht kannte, pflegte ja der junge Tiberier auch gern zu sagen und dachte an seinen früheren Unterricht zurück. Viel interessanter wäre allerdings die Frage, wie die Societas mit den weniger großartigen Herrschern umgang, die zu dieser Dynastie gehörten. Wurde einem Nero etwa genauso gedacht wie einem Tiberius? Diese Frage hielt er aber noch für zu grün, weshalb sich dies nur ein wenig in den Worten 'mehr oder weniger ruhmreich' andeutete. "Muss man hier etwa einen Test ablegen, um aufgenommen zu werden?", fragte er dann etwas spöttisch.

    Welch Affront, da schickte er sie einfach weg. Was wohl die Mitglieder sagen würden, wenn so fahrlässig mit den Bedürfnissen von Gästen und Beitrittswilligen umgegangen wird? Dieser Ianitor hatte keine Zukunft, da war er sich sicher. Der Patrizier verzog das Gesicht und machte nun einen deutlich ernsteren Eindruck. Noch bevor er sich überhaupt ausreichend ärgern konnte, brachte dieser Evax es doch tatsächlich fertig ihn noch mehr zu reizen. Sprach er da jetzt tatsächlich von Durus? Lepidus wollte seinen Ohren nicht trauen. Klug wäre es gewesen, wenn sich der Sklave einfach rausgeredet hätte oder beteuerte mit seinen vorherigen Worten etwas ganz anderes gemeint zu haben, stattdessen sprach er von Verdacht, Verwicklungen und Selbstmord. Es war ein pures Wunder, dass Lepidus überhaupt das Bedürfnis verspürte sich rechtfertigen zu müssen. Eigentlich war es deutlich unter seiner Würde über solch diffizile Angelegenheiten mit einem Ianitor zu sprechen.


    "Mich wundert es sehr, dass du noch deine Zunge hast, denn wenn du immer so sprichst, hätte sie dir doch schon längst jemand herausschneiden müssen.", sprach Lepidus etwas martialisch, schlug dann aber gleich einen eher belehrenden Ton an und beugte sich etwas vor. "Der Mann, von dem du sprichst, war ein entfernter Verwandter von mir. Niemand weiß so recht, was tatsächlich passiert ist, also sollte man sich mit Spekulationen gebührend zurückhalten. Sehen wir uns doch die Fakten an: Stehe ich etwa auf der Proskriptionsliste? Steht überhaupt irgendein Tiberier auf dieser Liste? Wurde ich etwa in Sippenhaft genommen für meinen Cousin dritten Grades? Ohne lange nachzudenken, wirst selbst du wohl alle Fragen mit 'Nein' beantworten können. Ich denke daraus ist sehr ersichtlich für wie bedrohlich der Imperator mich oder meine Familie hält." Zufrieden mit sich selbst, lehnte er sich wieder etwas zurück. "Eigentlich kann man sagen, dass ich in Kaisertreue den Mitgliedern dieser ehrwürdigen Societas in nichts nachstehe und dass mein Interesse an einer Mitgliedschaft dies sogar noch bekräftigen sollte." So zumindest das Kalkül des Tiberiers. Von Durus musste er sich früher oder später merklich distanzieren und auch wenn ihm der Vescularier nicht geheuer war, so war Lepidus Realist genug, um sich mit denen, die die Macht derzeit haben, gutzustellen. Die Mitgliedschaft in diesem Verein und die Kontakte zu kaisertreuen Gentes könnten ihm letztlich bei der Wiederherstellung seines Rufes enorm weiterhelfen.


    Lepidus saß nun etwas unbefriedigt da. Wollte dieser Ianitor jetzt noch weiter auf diesem Thema herumreiten? Er wäre lieber noch zu wichtigeren Dingen übergegangen, fühlte sich aber im allgemeinen auch recht schlecht unterhalten, besonders seit Evax die Ägypterin einfach wegschickte.

    Zitat

    Original von Titus Iulius Italicus
    Ein Tiberier? "Freut mich auch, dich kennen zu lernen." Soso. Einer der angeblichen Kaisermörder...Nun, zum Glück glaubte Titus nicht an diese Geschichten und war eher der Meinung Salinator wäre der Mörder, ansonsten würde Titus sicherlich nicht mehr so freundlich bleiben. Und auch wenn die Tiberier wohl nicht zu den direkten Verbündeten des Quarto zählten, wenigstens waren sie Feinde von Salinator. "Das habe ich. Ich werde in die Verwaltung gehen, mich hocharbeiten und zum Senator werden...Das jedenfalls ist mein Plan. Wie es werden wird, das werde ich noch sehen." Auch wenn dieses Gespräch durchaus interessant für ihn waren, glitt sein Blick immer wieder zu dem Aufmarsch der Prätorianer, ehe er wieder den Tiberier fixierte und ein leichtes Lächeln sich auf seine Lippen legte.


    "In die Verwaltung also? Und auch noch Senator werden?", bemerkte der Tiberier höchst interessiert. "Soll das heißen du nimmst noch einen Posten an, bevor du irgendwann den Cursus Honorum bestreitest?" Mit Verwaltung meinte Italicus ja sicherlich nicht die Ämterlaufbahn des CH an sich. Die Ohren des Lepidus wurden vor allem deshalb spitz, weil er ebenfalls noch nach einer Aufgabe suchte, der er nachgehen konnte. Eine kleine Anregung hätte er da natürlich sehr begrüßt. Währenddessen begann der Kaiser einen netten Lobgesang auf den scheidenden Praefectus. Sogar die Hasta pura erhielt er, welch große Ehre... Ansonsten jede Menge heiße Luft... "Ha!", wandte er sich dann auch wieder zum Iulier, während um ihn herum der laute Applaus erschallte. "Wie schön, dass doch endlich jemand diese furchtbare patrizische Klüngelei bekämpft hat. Ohja, die Ehre hat der gute Cyprianus wahrlich verdient! Ein Hoch auf diesen überragenden Mann!" Sein Sarkasmus war heute mal wieder enorm ausgeprägt. Wenn es um Patrizier ging, hätte sich Salinator die Lanze auch gleich selbst überreichen können. Aber gut, er war ja schon Imperator, mehr Auszeichnung bedurfte es wohl nicht.

    Ach, er liebte es, wenn getan wurde, was er sagte; alles andere wäre ja auch unnatürlich gewesen. Evax saß endlich und schien sein Geplapper auch etwas zu mäßigen. Zwar war Lepidus klar, dass er hier keine Personen finden würde, die seinesgleichen ebenbürtig wären, aber in diesen Zeiten konnte man sich seine Freunde leider nicht aussuchen; da wirkten schon eine Handvoll plebejischer Iulier, ergänzt durch ein paar Octavier, recht attraktiv. Um mit Patriziern zu verkehren war er ohnehin nicht gekommen, denn die wenigen, die noch da sind, haben kaum Einfluss und sind seit der neuen Ordnung kaum der Rede wert. Das konnte einen Tiberier schon schmerzen, besonders wenn er so von sich eingenommen war, wie Lepidus, der den Umgang mit seinesgleichen bevorzugte und gern einmal vergaß, dass die Tiberier doch erst durch Iulianus dort waren, wo ihr rechtmäßiger Platz war.


    Der Ianitor sprach zwar zum Glück weniger, aber das was er sagte, hatte es in sich. Wie bitte? Was sollte denn dieser Hinweis auf die Abhängigkeit vom Wohlwollen des Pontifex Maximus bedeuten? Dieser kleine bärtige Ianitor sollte sich doch wohl nicht erdreisten... sofort beantwortete er die Frage, die er alles andere als rhetorisch nahm. "Nein, ich habe keine Ahnung und nicht den blassesten Schimmer, was du meinst.", begann er voller Ironie. "Vielleicht möchte ja der weise Ianitor einem einfachen Tiberier erklären, was sich seiner Auffassungsgabe entzieht? Führe aus! Was meinst du denn, mein Guter?"


    Lepidus freute sich jetzt schon innerlich und hoffte diesen kleinen Sklaven ordentlich ins Schwitzen zu bringen. Was fiel ihm auch ein, solche Andeutungen zu machen? Im Moment hatte der Tiberier noch seinen Spaß, aber wenn er noch öfter gereizt würde, hätte er wohl sicher bald wieder eine Klage wegen Beschädigung von Eigentum an der Backe. "Achja, bevor du antwortest, sag doch der Ägypterin, sie soll das blöde Tablett irgendwo hinstellen und lieber meine Füße massieren. Sie schmerzen mich schon den ganzen Tag... Es würde im Übrigen auch sehr zu einem angenehmen Gesprächsklima beitragen." Lepidus machte nicht einmal Anstalten sein Schuhwerk selbst auszuziehen, das sollte die Sklavin doch schön selbst machen. Er lehnte sich nur entspannt zurück und streckte die Füße aus und erwartete, dass sich die schöne Sklavin zu ihm bewegen würde.

    Bei den Göttern, dieser Mann ließ sich aber auch leicht zu einem Wortschwall hinreißen. Kurze und präzise Antworten zu geben wurde ihm wohl nicht anerzogen. Ein zwischenzeitliches Gähnen konnte sich der Patrizier beim besten Willen nicht verkneifen. Hin und wieder wurde er jedoch hellhörig. Hochrangige Senatoren? Ehemaliger Praefectus Urbi? Amtierende Praefectus Classis Misenensis? Genau das wollte er hören. Es war zwar schon klar, dass dieser Verein wohl auch die ein oder andere bekanntere Persönlichkeit unter seinem Dach beherbergen würde, aber Lepidus hatte auch nur zufällig von dieser Societas gehört, also konnte sich auch alles mögliche dahinter verbergen, zumal sie wohl seit längerem kein Fest oder ähnliches mehr ausgerichtet zu haben scheint, zumindest solange wie Lepidus bereits in der Stadt war.


    "Ich habe natürlich nur aus reinem Interesse gefragt, aber mir scheint die Societas Claudiana et Iuliana ist eine sehr edle Vereinigung mit interessanten Persönlichkeiten." Besonders das hier viele plebejische Iulier engagiert waren, gefiel Lepidus, wurden ihm diese doch vor kurzem erst von einem einflussreichen Senator als aufstrebender Zweig in den Machtkonstellationen Roms geschildert. "Und keine Sorge, ich sprach nicht direkt von politischem Einfluss." Was er allerdings meinte, ließ er offen und fragte nicht weiter nach. "Oh sicher, auch ich erinnere mich gern an alte Zeiten und mir liegt sehr daran alte Traditionen zu bewahren und an große Persönlichkeiten erinnern. Da ich selbst von einem edlen Geschlecht abstamme, würde ich gern die Erinnerung an ebenso edle Dynastien, wie die claudisch-julische, unterstützen." Er sprach immer noch von der claudisch-julischen; sein historischer Fehler wurde ihm trotz der richtigen Reihenfolge durch Evax nicht bewusst, immerhin stand es auch so in der Satzung, die er sich ansehen durfte und das Claudiana stand im Vereinsnamen eindeutig vor dem Iuliana. Auch wenn es völlig falsch war, verschwendete der eingebildete Tiberier über soetwas natürlich nicht den geringsten Gedanken. "Genau deshalb wirkte diese Societas dem Namen nach auch so attraktiv auf mich."


    Der Tiberier hatte übrigens mit schlechter Miene auf das Stehenbleiben des Ianitors reagiert. "Würdest du dich bitte setzen?" Es war dem Ton nach mehr eine Aufforderung als eine Frage. "Es macht mich nicht nur nervös, ich kann es auch nicht leiden, wenn Personen wie du über mir stehen." Lepidus klopfte sich auf den Schenkel und verfiel in ein munteres Grinsen, während er nach einem Apfel griff.

    "Ah, ausgezeichnet.", sprach Lepidus, der sich den Becher verdünnten Wein nahm und fürs erste zu ein paar frischen Trauben griff. Währenddessen blickte er die hübsche Ägypterin an und hörte den Ausführungen des Evax kaum richtig zu. Der Tiberier beschloss nun sich genug angesehen zu haben und setzte sich auf den zuvor angebotenen Platz, schwenkte den Becher und lächelte. "Ganz sachte", sprach er während er sich niederließ und seine Beine ausstreckte und die tiefschwarzen calceus patricius deutlich ins Auge fielen. Sie hatten vier tiefschwarze Lederriemen, die durch eine Lederzunge geschlossen und mit einer edlen halbmondförmigen Schnalle geschmückt waren. "Zur Geschichtsstunde können wir noch bald genug kommen. Fürs erste würde ich gern ein paar strukturelle Dinge über die Societas wissen. Immerhin weiß ich ja schon, dass ihr einen kranken Magister und keinen Stellvertreter habt." Wieder konnte sich Lepidus ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aus irgendeinem Grund fand er das überaus belustigend. "Mich würde beispielsweise interessieren, wie viele Mitglieder ihr habt - ganz grob. Gibt es auch viele Interessenten außerhalb der claudisch-julischen Dynastie? Kann man eine Aussage darüber treffen, wo ihr besonders angesehen seid oder ob ihr über einen gewissen Einfluss verfügt?" Lepidus stellte gleich sehr direkte Fragen und nippte des Öfteren von seinem Wein. Über die Frage, ob er Patrizier sei, konnte wiedermal nur Lächeln. "Exakt, ich gehöre zu den patrizischen Tiberii, gut erkannt."

    Beim Betreten des Atriums staunte Lepidus nicht schlecht. Wirklich eine eindrucksvolle Atmosphäre und der Tiberier war immer sehr angetan von geschmackvollen Einrichtungen Allein dies schien die Societas interessant zu machen. Deshalb ignorierte er auch vorerst die angebotene Sitzgelegenheit und sah sich die bemalten Wände sowie die Pflanzen etwas genauer an, er blieb aber immer ganz in der Nähe des Ianitors, so dass ein Gespräch jederzeit möglich war. "Äpfel UND Trauben, dazu etwas verdünnten Wein.", versetzte er lakonisch mit besonderer Betonung. Wenn er schon einmal hier war, konnte er sich auch gleich an sämtlichen Früchten bedienen, dachte er sich. "Eure Satzung verträgt offensichtlich einige Verbesserungen.", stellte er bedeutend fest. "Nur schade, dass sich darum scheinbar überhaupt niemand kümmern kann. Ist es immer so ruhig um euren Verein oder ist dies nur der Krankheit des Magisters geschuldet?" Lepidus lachte etwas spöttisch auf und gab seinen Namen preis. "Mein Name ist im übrigen Lepidus... Lucius Tiberius Lepidus." Die Gegenfrage stellte der Patrizier natürlich nicht, da ihn wohl nichts weniger interessierte als der Name eines einfachen Ianitors.

    "Schwierige Zeiten...ja", gab er etwas angestrengt zurück. Das hörte Lepidus in letzter Zeit einfach zu oft. Welch erstaunliches Ausmaß an kollektiver Bewusstlosigkeit er seit seiner Ankunft in Rom beobachten konnte, war bemerkenswert und wurde nun erneut bestätigt. "Für solche Fälle sollte es einen Stellvertreter geben, findest du nicht? Aber gut, ich bin gewohnt, dass derzeit alles irgendwie brach liegt. Dann lass uns mal reden..." Der Tiberier reagierte gleichsam auf die Handbewegung und ließ sich in das Innere des Vereinshauses führen.

    Ein bärtiger Ianitor öffnete die Tür. Zum Glück ging das recht schnell, was Lepidus wohlwollend zur Kenntnis nahm. Ohne den Mann zu grüßen, trug er sein Anliegen vor: "Ich interessiere mich für den Verein und würde mich gern mit einem Mitglied unterhalten, eventuell sogar beitreten.", gab er kurz zurück und hoffte, dass er nun hineingebeten wird, um nicht unnötig lange vor der Tür herumzustehen.

    Lepidus musste lange nach dem Vereinshaus der Societas Claudiana et Iuliana suchen. Durch Zufall hatte er von diesem Verein erfahren, der wohl nicht mehr allzu groß in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat. Er klopfte an der Tür und hoffte, dass ihm jemand öffnen würde und er hier nicht seine kostbare Zeit verschwendete...

    "Ah, wie nett...", kommentierte der Tiberier die Bemerkung, dass er zum Soldaten nicht taugen würde, allerdings in einem etwas unverständlichen Nuscheln. Das wusste Lepidus zwar selbst gut genug, aber man musste es ihm ja nicht unter die Nase halten. Ehrenamtliche Tätigkeit? Lepidus nagte doch jetzt schon am Hungertuch, zumindest kam es ihm so vor. Ein besseres Einkommen wäre schon nicht schlecht... Immer mehr kam es ihm so vor, als wenn der Senator ihn aufs Abstellgleis schieben wolle, weshalb seine nächsten Worte auch zutiefst geheuchelt waren: "Überaus gute Ideen, die du hast." Zum Glück hatte der Tiberier reichlich Übung darin. "Ich werde mir wohl mal ansehen, was für eine Societas für mich die Richtige wäre. Meinst du, ich könnte mir auch durch die Arbeit in einer Factio einen angemessenen Ruf erarbeiten?" Zumindest Wagenrennen mochte der gute Lepidus; schon seit seiner Kindheit war ein großer Bewunderer dieser Rennen. "Doch selbst wenn ich mich irgendwo engagieren würde, so hätte ich doch immer noch nicht das Problem gelöst, dass ich derzeit kaum über angemessene finanzielle Mittel verfüge.", gab der junge Tiberier zu bedenken und kanzelte damit wohl auch gleich die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Tätigkeit ab. Er sah sich ohnehin mehr als Konsument denn als Produzent. Er verfügte zwar immer noch über genug, um seinen Lebensstandard beizubehalten, aber auf die Dauer würde das für seine zukünftigen Pläne nicht ausreichen. Es war ohnhein sehr subjektiv, was der Tiberier als wenig ausreichend empfand, sicher hätten andere das entschieden anders beurteilt. Und reichere Verwandte waren ja leider auch nicht in Sicht, naja, außer Albina im Verbund mit Macer, womit Lepidus wieder am Anfang wäre, aber da konnte er sich wohl erstmal nichts ausrechnen. So realistisch war er dann doch. Zumindest einen kleinen Verwaltungsposten hätte er sich durch die Vermittlung des Senators erhofft, aber dieser hätte das wohl schon erwähnt, wenn er da eine Möglichkeit gesehen hätte. Nach dem bisherigen Verlauf des Gespräches, unabhängig von seinem Ende, stand eines für den Tiberier bereits fest: Er würde noch viele Klinken putzen müssen, um irgendetwas Brauchbares aus sich machen zu können.


    EDIT: Kleinere Anpassungen.

    Ein Bote kam vorbei und überbrachte einen Brief für Caius Decimus Flavus.



    Caius Decimus Flavus
    Casa Decima Mercator
    Rom


    Salve Flavus,


    hab vielen Dank für deine Einladung. Ich möchte mich gleich dafür entschuldigen, dass deinem Boten einige Unannehmlichkeiten bereitet und er leider durch die Cohortes Urbane aufgehalten wurde. Diese Kerle hielten es nötig meine halbe Villa auf den Kopf zu stellen; es sind ziemlich miese Gestalten, ohne Manieren, aber ich werde dir wohl bei Gelegenheit noch davon berichten können, auch wenn mir dieser Vorfall überaus peinlich ist. Ich hoffe jedenfalls, dass dein Bote durch die Verzögerung nicht an wichtigen Arbeiten gehindert wurde.


    Immerhin kann ich dir mitteilen, dass ich das Angebot eines Mahles in deinem edlen Hause gerne annehmen möchte. Bei der Terminfindung kann ich es dir überaus leicht machen. Leg ein Datum fest und ich werde dem nachkommen. Ich habe derzeit weder einen Posten, noch andere Verpflichtungen. Selten verlasse ich das Haus und suche den Schatten, vergrabe mich und denke nach. Mehr kann ich derzeit leider nicht unternehmen, deshalb freue ich mich schon jetzt auf das gemeinsame Mahl mit dir.


    Vale bene,
    Lucius Tiberius Lepidus

    Lepdius rümpfte die Nase. Auch der Senator selbst konnte offensichtlich recht blumige Reden halten. Recht hatte er allerdings, ein solcher Posten war wohl immer heiß begehrt, aber wenn jemandem ein solcher zustand, dann doch wohl Lepidus, dachte er sich wie immer in kühnster Eitelkeit. Dennoch unterließ er es nicht, sich etwas individueller herauszustellen: "Nun, sicher ist es einerseits Bequemlichkeit, andererseits aber auch meiner besonderen Situation geschuldet, wie du wohl zugeben wirst. Ich auf einem wichtigen Posten mit hohem Risiko? Jemand der kaum bekannt ist und dazu auch noch einer Familie angehört, die am Boden liegt? Ich rechne mir da kaum etwas aus." Jetzt musste er schon den Bescheidenen spielen, irgendwie konfus, zumal der Tiberier die Worte des Purgitiers in seinem Sinne interpretierte, so dachte er doch glatt, dass Macer ihn für höheres berufen hielt und ihn auf einer Stelle mit größerem Risiko sehen wollte. Tja, und wo wollte er eigentlich hin? Für einen Priester hatte Lepidus das falsche Format. Bei den ganzen Ritualen würde er bestimmt irgendwann durchdrehen. Und die Armee? Ha! Bestimmt nicht in diesen Zeiten, sollen sich doch die anderen abschlachten lassen. "Du würdest mich doch glatt für vermessen halten, wenn ich dir meine ursprünglichen Pläne verriete." Lepidus lachte etwas komisch auf. "In die Politik wollte ich! Den Cursus Honorum wollte ich beschreiten! Das war mein Ziel. Doch seit Durus tot ist, sehe ich da kaum Hoffnung für mich." Auch wenn Lepidus nach wie vor überzeugt war, dass nur einer in angemessener Weise dessen Platz einnehmen konnte, und das war er selbst!

    Klang so, als wäre dem Purgitier die Lage sehr angenehm, wenig Konflikte und viel Effizienz. Es schien wohl als wäre derzeit alles recht idyllisch, zumindest gewann Lepidus diesen Eindruck und würde sich wohl um den Senat keine Gedanken mehr machen. Durch die Ausführungen des Senators gewann er nun immer mehr ein Bild von den derzeitigen Verhältnissen und den Machtkonstellationen in Rom. Die Gens Iulia würde er im Hinterkopf behalten, möglicherweise würden sich entsprechende Kontakte durchaus lohnen. Auch den Namen Germanicus Avarus müsste er behalten. Auch wenn er ein Gegner von Durus war (was Lepdius eigentlich weniger wichtig war) so schien er ein temperamentvoller Senator zu sein, dessen Bekanntschaft eines Tages sicher sehr unterhaltsam sein könnte. "Vielleicht kannst du mir diesen Senator Avarus ja eines Tages mal vorstellen", sprach Lepidus eher als Phrase, als das er eine Entgegnung darauf erwarten würde und sprach deshalb sofort weiter: "Danke, dass du die aktuelle Lage so gut sezierst. Mir offenbart sich Stück für Stück das große Ganze.", sagte er anerkennend zu Macer. "Mir stellt sich derzeit vor allem die Frage, wo mein Platz in Rom sein könnte. Inmitten von drohendem Bürgerkrieg und enormen Machtverschiebungen scheint nur noch wenig Raum für einen armen kleinen Tiberier wie mich." Ein wenig schmunzeln musste Lepidus, als er die Adjektive "arm" und "klein" auf sich anwandte. Wieder ließ er sein Glas kreisen. "Zweifellos sind dies die schlechtesten Bedingungen unter denen ein Mann wie ich etwas tun kann...", stellte er nun doch mit etwas Realismus fest. "Du verstehst vielleicht, worauf ich hinaus will. Ich würde gern einer Arbeit nachgehen. Am liebsten ein Posten, der nicht ganz so auffällt, wo mir also niemand einen Strick aufgrund der mühseligen Vergangenheit dreht und wo ich dennoch Verantwortung übernehmen kann. Vielleicht fällt dir ja sogar etwas ein?"

    Zweifellos, einen Emporkömmling wie diesen Salinator konnte ein Patrizier nicht wirklich gutheißen, aber wer hatte in diesem Verhältnis den ersten Stein geworfen? Dass Macer das Militäraufgebot des Corneliers für so bedrohlich hielt, wollte einiges heißen. Der Kaiser musste diese Rebellen in jedem Fall fürchten und mit aller Macht bekämpfen, falls er an der Macht bleiben wollte. Rom hatte schon viele solcher Kriege erlebt, meist war ihr Ausgang sehr ungewiss. "Hmm...", brachte der Tiberier nur hervor und verfiel in ein tiefes Nachdenken, um dann später erneut mit einer Frage anzusetzen: "Offensichtlich hat er ein Problem mit Patriziern, doch was ist mit euch Senatoren? Als ich nach meiner Ankunft in Rom das erste Mal die Thermen besuchte, sagte mir jemand, dass man nicht mehr allzu viel aus dem Senat hören würde. Habt ihr die Arbeit eingestellt?" Das Aurelius Ursus wohl treu zum Vescularier stand, nahm der Tiberier zur Kenntnis. Die Begründung schien einleuchtend. Neben der Frage, die er eben noch gestellt hatte, wartete der Tiberier, ob Macer seine Ausführungen über die Verhältnisse in Rom noch fortsetzen würde. Ihm schien als hätte er in seinen anfängliche Ausführungen nur eine Pause eingelegt, um Lepidus zu Wort kommen zu lassen.

    Zitat

    Original von Titus Iulius Italicus
    "Mein Name ist Titus Iulius Italicus, Sohn des Caius Iulius Seneca. Er war unter anderem Tribun der Prätorianer und davor Praefectus Castrorum der Hispania. Und natürlich war er ein Eques Imperiales." Klar, sein Gegenüber hatte nur nach dem Namen gefragt, aber Titus prahlte eben gerne mit seinem Vater. Anschließend blickte er seinen Gesprächspartner wieder an. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?"


    Ein Iulier - interessant, dachte sich Lepidus und registrierte, dass er es wohl mit einem der edleren Bürger Roms zu tun hatte, wie dies natürlich auch schon durch dessen Auftreten und sein Äußeres zu vermuten war. "Freut mich dich kennenzulernen. Bei einem Vater, der sich einen solchen Namen beim Militär gemacht hat, ist es ja geradezu bedauerlich nicht auch selbst diesen Weg einzuschlagen. Ich hoffe du hast auch dementsprechend günstigere Alternativen für dich erwählt", gab der Tiberier zurück und überlegte im gleichen Zug, ob er ihm seinen vollen Namen überhaupt nennen sollte, schließlich war dieser immer noch befleckt und könnte negative Assoziationen hervorrufen. Allerdings hätte er sich dies selbst wohl als Schwäche eingestehen müssen und dafür war Lepidus zweifellos zu Eitel und zu Stolz auf seine Herkunft. "Mein Name lautet Lucius Tiberius Lepidus." Irgendwie langweilte ihn das ganze Gehabe der Prätorianer bereits wieder. Der Tiberier stieß ein recht auffälliges Gähnen aus. Hoffentlich würden sie im Programm bald fortfahren.

    "Ach, diese Weiber! Schlimm sind sie, vor allem wenn sie noch nicht gezähmt wurden!", sprach Lepidus seinem neuen Bekannten zu. "Ich hätte es selbst nicht besser formulieren können, dieses ganze Schauspiel ist ein wahres Fest fürs Auge. Es wurde offensichtlich nicht an Kosten und Mühen gespart." Hoffentlich würde der Vescularier die Staatskasse nicht durch allzu viele solcher Anlässe belasten. Es wäre doch zu schade, wenn für den Kampf gegen die Rebellen gar nichts mehr übrig bliebe, dachte sich Lepidus. Der Tiberier horchte auf, als sein Gesprächspartner seinen leisen Satz sprach. Wahrlich, unter all dem Jubel hätte man glatt vergessen können, dass es doch noch kritische Stimmen gab. Lepidus nahm dies wohlwollend zur Kenntnis. "Klingt als hätte dein Vater eine erfolgreiche Karriere durchlaufen, wenn er es bis zu den Prätorianern schaffte. Wie war der Name dieses edlen Mannes? Und bei der Gelegenheit: Verrate mir doch auch deinen."

    "Gefährlich? Wehe dem Tag, an dem Lobpreisungen schon als gefährlich gelten.", gab er fast im gleichen Unterton zurück, wie seinen ersten Satz und schob ein erneutes verschmitztes Lachen hinterher. "Aber es ist immer schön, zu den richtigen Ohren zu sprechen." Er sah sich sein Gegenüber etwas genauer an. Die verzierte Tunika gefiel ihm, während Lepidus noch dazu wieder klassisch auf die Toga gesetzt hatte. Der Mann schien etwas jünger als er selbst zu sein und sofort fielen ihm seine braunen Augen auf... Lepidus mochte keine braunen Augen, aber rein in ästhetischer Hinsicht und ohne Auswirkungen auf seine Meinung zu dieser Person. Es soll ja Leute geben, die jemandem sofort misstrauen, an dem sie ein äußeres Merkmal erblicken, was ihnen missfällt. Manche vertrauen dicken Menschen doch tatsächlich mehr als dünnen. "Nun, wie gefällt dir das Spektakel bisher?", fragte der Tiberier mit Lust auf ein paar Trivialgespräche, während die Prätorianer weiter für entsprechende Unterhaltung sorgten.

    Der noch unerfahrene Tiberier hörte sich die Ausführungen des Purgitius Macer sehr genau an. Hin und wieder nippte er an seinem Becher oder nickte nach einer bestimmten Aussage, die der Senator traf. Es war gut, dies alles noch einmal genau zu hören, vor allem von einem Mann, der mit den Verhältnissen bestens vertraut war. Alles, was Lepidus sonst zu hören bekam, waren Gerüchte, die auf alles mögliche hindeuten konnten. "Mir war das ganze Ausmaß noch nicht bewusst, auch wenn ich hier und da etwas aufschnappte. Mir scheint der Vescularier ist kein Freund von Patriziern? Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, dass sie alle etwas mit der Verschwörung gegen Valerianus zu tun hatten..." Irgendwie klang dies alles ziemlich merkwürdig. Als hätte man mit einem Handstreich die gesamte politische Elite des Roms hinweggefegt und nur auf einen Anlass gewartet... "Hast du eine Ahnung, wie viele Legionen hinter diesem Cornelier stehen? Ist er denn eine tatsächliche Bedrohung?" Dafür, dass das Reich offensichtlich vor einem Bürgerkrieg stand, schien der Senator relativ ruhig und gelassen darüber zu sprechen. Den Tiberier verwunderte dies ein wenig, sprach jedoch umgehend weiter. "Ich sah bereits die Proskriptionsliste; einige namhafte Männer stehen auf ihr. Ich frage mich gerade: Wenn Aurelius Ursus das Kommando über die Legio I hat und, wie du sagst, alle nennenswerten Aurelier aus Rom geflohen sind oder sogar auf der Proskriptionsliste stehen, ist die Legio I dann überhaupt loyal auf Seiten des Vesculariers?" Lepidus versuchte sich über das Ausmaß dieser Möglichkeit im Klaren zu werden. Wenn nicht einmal die Legio I hinter dem neuen Imperator stand, wie sollte es dann für ihn eine Zukunft geben? Aus Mantua könnte sie ziemlich schnell in Rom sein. Daneben hätte man wirklich traurig über das Schicksal der edlen Patrizier-Familien sein können. Das Herz des Lepidus hätte sich in Schmerzen krümmen müssen, wenn er bedachte, dass eigentlich nur noch Plebejer die wichtigsten Stellungen in Rom einnahmen.