Als die Sänfte vor der Casa Iunia hielt war Diademata überaus guter Laune. Seit das Schiff in Baiae ausgelaufen war spürte sie ein Kribbeln im Magen, das nichts mit der Fahrt übers Meer zu tun hatte, sondern mit der großen Aufregung. Es war so viele Jahre her seit sie zuletzt in Rom gewesen war, und während sich über die Bucht um Misenum nach dem Tod des Kaisers Valerian eine trübe Stimmung ausgebreitet hatte sorgte der neue Imperator Vescularius Salinator hier in Rom angeblich an jeder Ecke für ausgelassene Feste. Natürlich hatten sie auch in Baiae davon gehört, dass sich im Norden oder Osten des Imperiums ein Bürgerkrieg anbahnte, aber das war weit weg. Außerdem war Diadematas Onkel Optatus zuversichtlich, dass Rom keinerlei Gefahr drohte, weil die kaisertreuen Legionen von Vescularius die Abtrünnigen niemals so weit kommen lassen würden.
Aus Diadematas Sicht war der Zeitpunkt ihrer Ankunft also bestens gewählt. Umso mehr, weil laut Onkel Optatus auch viele junge Männer im Dunstkreis des neuen Kaisers zu Ansehen kamen. Eine junge Frau wie sie würde sich also nicht mit irgendeinem namenlosen Beamten begnügen oder einen alten, runzligen Senator heiraten müssen, wenn sie jemand sein wollte. Natürlich hätte sie sich auch in Baiae einen Mann nehmen können, aber Baiae war eben nicht Rom, nicht das Zentrum der Welt (seit Valerianus Tod noch nicht einmal mehr in der Nähe des Zentrums der Welt, das zu dessen Lebzeiten schließlich in Misenum gelegen hatte). Glicius Turrinus hatte sie mehr als einmal gebeten, seine Frau zu werden, aber ein provinzieller Geflügelhofbesitzer war wirklich nicht nach Diadematas Sinn, obwohl der Glicius ein ziemlich ansehnlich Mann war. Mamilius Thermus dagegen hätte ihr zumindest ein großes Vermögen und auch einigen Einfluss in Misenum geboten, allerdings hatte es sie schon beim Anblick der Falten an seinem Hals geschüttelt. Da wollte sie lieber gar nicht weiter darüber nachdenken, wie er weiter unten aussah, und um darüber hinwegzusehen, waren das Vermögen und der Einfluss dann doch nicht groß genug gewesen.
Diadematas Hoffnung lag nun also in Rom, denn hier warteten die attraktiven, mächtigen, ledigen Männer sicherlich an jeder Ecke. Und ohne Zweifel warteten sie alle nur auf Diademata! Sie war zwar noch nicht so alt, dass es dringend wurde einen Mann zu finden, aber sie wollte ihre besten Jahre auch nicht einfach vergeuden. Weil ihr Onkel Optatus in Rom allerdings so gar keine Kontakte hatte, würde sie sich auf die Verwandten ihres Vaters verlassen müssen. Einige Jahre nach Laevinus' Tod hatte Racilia Decula, Diadematas Mutter, das Haus der Iunier verlassen, doch sie hatte immer viel Wert darauf gelegt, dass Diademata genau wusste, woher sie stammte.
Hier liegen also meine Wurzeln, dachte die junge Frau aufgeregt als sie aus der Sänfte stieg und sich das Haus besah. Hübsch war es, nicht verschwenderisch groß, aber auch nicht eben klein, und auf jeden Fall eine Adresse die man getrost als Zuhause angeben konnte. Diademata richtete das helle Kopftuch auf ihrem blonden Haar und winkte ihren Sklaven, einen dunkelhäutigen Afrikaner, zu sich nach vorn.
"Geh und kündige mich an, Tarik!"
Sie warf einen kurzen Blick hinter die Sänfte, wo einige Träger mit den Körben und Kisten warteten, die ihre persönliche Habe enthielt. Dann trat sie mit pochendem Herzen einen Schritt hinter Tarik, straffte ihre Schultern und hob das Kinn etwas an in der Hoffnung, dass man ihr nicht auf den ersten Blick ansah wie aufgeregt sie war (wie ein kleines, naives Kind!). Racilia Decula hatte wenig Kontakt zu den Iuniern in Rom gehalten, doch sie war sich sicher gewesen, dass die Familie ihres Vaters Diademata freundlich empfangen würde.