Beiträge von Petronia Romana

    Die Fahrt verlief angenehmer, als Romana es von der Reise nach Rom in Erinnerung trug. Das Gefährt war ähnlich bequem, dem von Crispus bereit gestellten und der Kutscher offenbar sehr geschickt im Umgang mit den Gäulen. Das Holpern dämpften die beiden großen Wagenräder, sodass das im Inneren nur ein sanftes Schaukeln beim Durchfahren von Schlaglöchern ankam. Die Braunhaarige lehnte in den Polstern und beobachtete, durch einen Spalt der zugezogenen Vorhänge, die vorüberziehende Gegend. Hin und wieder durchdrang ein leises Seufzen die Stille, dem das wortlose Kreuzen der Blicke zwischen den beiden Frauen folgte.
    Von der Grauhaarigen ging die Ruhe aus, die ihrem Schützling abhanden gekommen war und die sie mit den Versuchen, deren Hand zu Halten ihr vermitteln wollte. Während Nuha erneut nach deren Fingern griff, um sie zu wärmen, fühlten sie sich doch seit geraumer Zeit wie ein Eisblock an, blieb der Reisewagen plötzlich stehen. Da, entgegen der letzten Reise, dieses Mal der Diener als Begleitung mit ihnen fuhr, sahen die Beiden nur kurz zum Wagenschlag und widmeten sich dann wieder ihren Gedanken.


    Die Ältere wusste, Gaius würde sie am Tor anmelden und die Jünger, dass ihre Sklavin die Fäden in der Hand hielt, die ihr zurzeit entglitten waren.


    Seit dem Brief von Massa beschritt Romana Wege in ihrem Inneren, die sie vorher weder kannte noch gegangen war. Stand an Kreuzungen und musste sich entscheiden, stand vor verschlossen Türen, die nur sie allein öffnen konnte. Gefühle breiteten sich aus und durchzogen Gegenden ihres Körpers, die sie vorher nur durch Berührungen bei Massagen und Waschungen kannte. Es stiegen Düfte in ihr Näschen, die sie gefangen hielten und ihren Herzschlag vervielfältigten. Es durchzog sie Kribbeln mit wohliger Wärme und dann wiederum Frösteln mit Gänsehaut, wann immer sie die letzten Worte des Centurio erneut las. Versuche, es zu ergründen, gingen ins Leere und scheiterten an dem Unbekannten. Obwohl in ihr die Sehnsucht zu keimen begann, die Neugier vorhanden war, blieb dieses sachte dumpfe Gefühl in ihrer Magengrube, was sie mit Angst verband.


    Der leichte Druck ihrer Finger, das zurückhaltende Lächeln auf dem faltigem Lippenpaar, vermittelten ihr einen Augenblick der Ruhe. Sie sah der Alten wenige Wimpernschläge lang, tief in ihre müde wirkendes Gesicht und deutete dann mit dem Blick nach Draußen. Es scheint Verzögerungen zu geben.

    Endlich saß Roman, in ihren Ricinium gehüllt, in dem zweirädrigen Reisewagen. Noch standen Nuhe und Gaius davor sich absprechend. Zu ihr ins Innere drang nur ein leises Gemurmel von Stimmen, dessen wirklichen Sinn sie nicht verstand und auch nicht wollte. Seit der Bote mit der Tabula an Massa unterwegs war, bestand dieses beklemmende Gefühl in der Herzgegend und schnürte der Braunhaarigen die Kehle ab. 'Was, wenn der Bote den Centurio in Ostia nicht fand?' Der Gedanke war quälend und hämmerte als dumpfes Geräusch in ihren Schläfen. 'Was wenn ….?' Unzählige Fragen tauchten auf und begannen immer mit den gleichen Worten, worauf sie keine Antwort fand. Hilfe suchend wanderten ihre Hellblauen über den Wagenschlag, wartend auf das Öffnen der Tür. Sie wollte endlich los, wollte Gewissheit und wollte endlich … ja, sie wollte endlich in seine braunen Augen sehen. Ein tiefer Seufzer drängte sich in ihre Gedankenwelt, ungewollt und unkontrolliert.
    Einen vorerst letzten Blick warf sie durch das Fenster, hinaus auf die Casa Decima Mercator, wo sie die letzten Monate zu Hause war und die sie nun auf unbestimmte Zeit verließ. Ihre, von Traurigkeit geprägten Züge erhellten sich kurz und ein sachtes Lächeln schob sich über ihr blasses Lippenpaar. Wenige Augenblicke saß sie regungslos und hielt die Augen geschlossen. Erinnerte sich an den Duft der Rosen im Hortus, an das leise Plätschern des Brunnens, an die bronzene Figur der Fortuna und an so viele Momente der Freude.
    Unterbrochen durch das Öffnen der Tür und das Einsteigen der Grauhaarigen, rieb sie sich über die Wangen, den Blick über deren Schulter nach Draußen gelenkt. Können wir nun endlich los?
    Weniger an Nuha, viel mehr an ihren Diener, waren die leicht genervt klingenden Worte gerichtet und das Augenmerk galt ausschließlich seinem Tun

    Endlich hatte sein Rufen einen Sinn und der Kerl schien tatsächlich den Centurio zu kennen. Eine Nachricht abgeben ... aus Rom. Beim Sprechen etwas nach vorn geneigt, um den Lärm der Vorbeihastenden zu übertönen, deutete er auf die Tabula in seiner Hand. Sehr dringend! Lag die Betonung lauter auf dem zuletzt Gesprochenen.
    Bemüht, den Stapel seines Gegenübers nicht durcheinander zu bringen, schob der Bote die Tabula einfach oben auf und bedankte sich mit einem Nicken. Hab Dank Freund. Nach einem angedeuteten Schulterklopfen wendete er sich zum Gehen, zögerte aber noch kurz und wiederholte noch einmal rufend … sehr, sehr dringend!

    Er stand schon einmal – zwei oder drei Tage musste es her sein – zwischen den vielen Zelten der Classis, auf der Suche nach dem Centurio. Damals fand er ihn ohne Mühe und übergab ihm die Nachricht aus Rom. Heute war es anders. Der Bote stand planlos und geschafft vom schnellen Ritt, mitten im Marschlager und hielt Ausschau. In den Händen die Tabula mit der Gewissheit, sie so schnell als möglich zustellen zu müssen. Dringend! hallte in seinen Ohren, dringend! weil meine Domina auf dem Weg nach Ostia ist und du vor ihr dort sein musst. Ohne Pause war er geritten, als verfolge ihm eine Meute wilder Hunde und nun stand er hier und seine Augen hasteten über das rege Treiben. Jeden Vorbeilaufenden rief er den Namen – Centurio Decimus! - entgegen oder nach, erntete meist nur Kopfschütteln oder bekam gar keine Antwort.

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    Nuha


    Die Reisetruhe stand nicht weit von der Tür entfernt und Nuha saß, sich ausruhend, obenauf, als sie das Klopfen vernahm. Die beiden helfenden Sklaven waren bereits wieder gegangen und vom Ianitor kam ein fragender Blick in Richtung der Grauhaarigen. So schnell es deren Alter zuließ, erhob sie sich und öffnete einen Spalt. Als sie Gaius sah, wechselte sie mit Ephialtes einen kurzen Blick und konzentrierte sich dann ganz auf das Geschehen vor der Tür.
    Salve Gaius! Wie ich sehe, hast du das passende Gefährt gefunden. Mit Zufriedenheit in der Stimme und einem Schmunzeln auf den Lippen, gewährte sie ihm Einblick ins Innere und deutete auf das große Gepäckstück. Während du sie zusammen mit dem Kutscher verstaust, werde ich meine Domina informieren.
    Ohne sich weiter um das Einladen zu kümmern, verließ sie schnellen Schrittes den Eingangsbereich, um Romana vom Eintreffen zu informieren.

    Während Romana, aus dem Balneum zurück gekehrt, in ihrem Cubiculum saß, widmete sich Nuha den letzten Vorbereitungen. Die Reisetruhe verschwand, getragen von zwei helfenden Sklaven und die Grauhaarige mahnte wieder einmal zum Aufbruch.
    Entgegen der morgendlichen Unruhe, ließ sich die Braunhaarige kaum antreiben, im Gegenteil. Je ermahnender die Worte wurden, um so lethargischer reagierte sie. Vor ihr lag eine aufgeklappte Wachstafel, deren Oberfläche so jungfräulich wirkte, wie es ihre Besitzerin war. Die schob ihre Unterlippe abwechselnd vor und zog sie wieder zwischen die Zahnreihen zurück, knabberte auf dem Stilus herum und seufzte.
    Es fiel ihr schwer, ihre Gefühle in Worte zu fassen und noch schwerer, sie beim Schreiben außen vor zu lassen. Seit der letzten Nachricht von Masse, sah sie sich mit anderen Augen. War es früher ihre Unbeschwertheit, Dinge zu erkennen und in ihrer Gänze zu betrachten, sah sie heute Details und verlor sich darin mit ihrem Blick. Immer wenn sie dabei war, in ein Bild einzutauchen, erschienen auf dessen Grund seine braunen Augen und fesselten sie, ohne ihren Willen zu akzeptieren. Dann blieb es an ihr, sich los zu reißen und den Gedanken eine andere Richtung vor zu geben.
    Auch jetzt bestand der Wille, wollte sie unbefangen seinen Brief beantworten. 'Doch was sollte sie schreiben? Sollte sie von den Flügelschlägen im Bauch berichten oder von den Träumen? Von seiner Stimme, mit der Nuha in den letzten Tagen zu ihr sprach.'
    Unsicher und mit zitternden Fingern fanden die ersten Worte ihren Weg auf die Tabula, tanzten die Buchstaben vor ihren Augen und formten sich schließlich zu Sätzen.


    Lieber Appius,


    ich konnte und wollte deine Zeilen nicht vergessen. Deine darin beschriebenen Gefühle sind den Meinen so ähnlich und doch fällt es mir schwer, sie dir so einfach zu offenbaren.
    Die Ordnung in meinen Gedanken gleicht einem Chaos. Mein Herz fühlt sich an wie ein Hammer, der ein glühendes Eisen schmiedet und in meinen Träumen laufe ich mit dir über eine Wiese mit duftenden Sommerblumen. Einzig der Duft gleicht dem deinen, wenn ich erwache und meine Sinne mir deine Anwesenheit vorgaukeln. Deine braunen Augen beobachten mich, ganz gleich, wo ich mich aufhalte und je genauer ich hinsehe und mich in ihnen verliere, um so größer wird die Gewissheit in mir, dass du an mich denkst.
    Meine Reisevorbereitungen sind abgeschlossen und Nuhe drängt längst zum Aufbruch. Sobald das Reisegefährt eintrifft, werden wir uns in Begleitung eines, von meinem Vater gesandten Dieners, auf den Weg nach Ostia begeben.
    Es wird mir wie eine Ewigkeit vor kommen und so sehr ich mich freue, dich wieder zu sehen, so viel Angst trage ich in mir. Ein Gefühl, was erst in Freude umschlagen wird, wenn du mir gegenüber stehst und ich zu dir aufsehen kann.
    Ich werde diese Nachricht mit einem Boten voraus senden und hoffe, sie wird dich erreichen, bevor wir vor Ort sind.


    Vale Romana



    Galt sonst ihre Aufmerksamkeit dem Geschriebenen, wenn sie noch einmal las, blieb es heute nur beim dumpfen Zuklappen der Tabula und bei einem tiefen erleichterten Seufzer. Sollte die Nachricht bei ihm ankommen, war er vorbereitet auf … wenn nicht …? Romana wollte den Gedanken nicht zu Ende grübeln, sondern sich auf ihn freuen. Auch wenn ihrem Leben eine Wende bevor stand und das Wort 'Liebe' für sie eine andere Form annahm, ließ sie keine Zweifel aufkommen, das Falsche zu tun.
    Mit der Tafel in der einen Hand, ihrem Ricinium über den anderen Arm, sah sie sich ein letztes Mal in ihrem gemütlichen Cubiculum um. Es war kein Abschiedsschmerz, der ihren Blick traurig werden ließ, es war das Gefühl nicht zu wissen, ob es überhaupt ein Vermissen geben würde. Sah sie am Anfang eher ein Zuhause, wurde es mit dem heutigen Gehen zum Verlassen einer Unterkunft.

    Mit dem Blick zur Sklavin, die den geschenkten Stoff an sich nahm und damit nach hinten ging, war für Romana der Auftrag an Catus abgeschlossen. Auch sie gab ihm ein Lächeln zurück, was weniger amüsiert ausfiel als seines, wofür sie auch im Moment weder einen Grund sah noch Lust verspürte. Dann sollte ich dir wohl für die Ausnahme dankbar sein? Entgegnete die Braunhaarige eher etwas irritiert, bevor ihr einfiel, dass er ja in der gleichen Casa ein und aus ging. Weder einen weiteren Wunsch noch eine Frage. Du verstehst dein Handwerk und ich bin froh, dich hier gefunden zu haben. Damit lächelte sie ein erneutes Mal recht offen und gab Nuha dann zu verstehen, sie möge doch vorausgehen. Sie selbst deutete auf die leicht verwaschene Tunika, in welcher der Stoff verpackt war. Vielleicht kennst du eine bedürftige Person, ich werde sie hier lassen. Sich nun endlich zum Gegen umwendend, grüßte sie mit einem Vale Decimus! und folgte schlussendlich der Grauhaarigen hinaus.

    Der Tag der Abreise begann für Romana sehr früh am Morgen. Wie am Vorabend besprochen, stand Nuha sehr zeitig auf und kümmerte sich um eine leichte Mahlzeit und die Vorbereitung im Balneum. Die Fahrt würde nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen, wie damals die Anreise nach Rom und doch sollte es ihrer Domina an nichts fehlen und sie sich auf der Fahrt wohl fühlen.
    Als die Braunhaarige, noch in ihre Schlaftunika gehüllt eintrat, standen bereits frisches Obst, ein Krug Wasser und die gewünschten Datteln bereit. Auch war ein Tuch auf eine Kline ausgebreitet und verschiedene Öle in die Nähe gerückt.
    Es bedurfte zwischen den beiden Frauen kaum Worte und noch bevor die gelösten braunen Löckchen sich um die Schultern kräuselten, fiel bereits das Gewand zu Boden und gab den Blick auf den makellosen zierlichen Körper frei. Fast schüchtern wirkten ihre Bewegungen, als die Jüngere mit Hilfe der Alten, die deren Hand hielt, ins Wasser stieg und sich leise seufzend darin nieder ließ. Sie fühlte sich angespannt und durch die Aufregung der letzten Stunden, die ihr wie Wochen vorkamen, von Gedanken und Gefühlen gefangen.
    Seit der letzten Nachricht von Massa gab es keinen Augenblick, an dem sie nicht an ihn denken musste. Seine braunen Augen sahen sie an, sobald sie ihre schloss oder auch nur ins Leere sah. Ihr sonst so wacher Blick, wirkte verträumt und sie ertappte sich, seiner Stimme zu lauschen, wann immer sie Stille umgab. Selbst hier im Balneum, wo durch das Verdrängen des Wassers, leise plätschernd die kleinen Wellen sich an den Rändern brachen, wurden die Geräusche durch seine Stimme verdrängt und Worte von Nuha klangen in seinem Tonfall an ihr Ohr. Die Grauhaarige schob das Tablett mit dem wenigen Essen und einem Becher Wasser an den Beckenrand und sprach mit einer männlichen Stimme 'nicht träumen'. Sich schüttelnd, griff die Braunhaarige nach den Trauben und nahm eine Beere, wie einst er, zwischen die Lippen und biss genussvoll darauf. Damals tat sie es ihm gleich und es kam ihr wie gestern vor, dass sie ihm antwortete, sie habe keinen Mann.
    Nach einem Schluck aus dem Becher, der ihr Gemüt etwas abzukühlen vermochte, begann sie nun auch endlich sich ihrer eigentlichen Aufgabe zu widmen, sich zu waschen und für den bevorstehenden Tag vorzubereiten.

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    Nuha


    Mit der Tabula in der Hand, nähere sich Nuha dem Officium des Präfekten. Um diese Zeit war er kaum anzutreffen und in den letzten Tagen, sah die Grauhaarige selten ein Gensmitglied in der Casa. Deshalb war sie auch ziemlich entspannt, als sie vor der Tür ankam und sie öffnete. Mit einem kurzen Blick hinein, vergewisserte sie sich der Leere des Raumes und trat dann gänzlich hinein. Wie ihr aufgetragen, fand die Nachricht einen gut sichtbaren Platz und die Alte ungehindert den Weg wieder nach draußen.

    Die Reisevorbereitungen waren im vollen Gange und Romana genervt von den ständigen Diskussionen mit Nuha. Teils ging es um Belangloses und die Einigung wurde lachend vollzogen. Teils ging es um Grundlegendes und sie stritten so lange, bis die Braunhaarige ein Machtwort sprach und der Grauhaarigen gegenüber die Domina heraus strich. Die große Reisetruhe stand mitten im Cubiculum und war halb gefüllt. Auf den beiden Korbstühlen und auf dem klineähnlichen Bett türmten sich Kleidungsstücke und die passenden Schmuckstücke dazu. Flacons und Fläschchen reihten sich auf dem Tisch aneinander, Tiegelchen und Döschen wurden auf Anweisung der Jüngeren von der Älteren im Capsa verstaut.
    Vom Fensterbrett aus beobachtete Romana aus dem Augenwinkel jede Handbewegung Nuha's, startete einen Versuch nach dem anderen, für Serapio die passenden Worte zu finden. In der Hand hielt sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten beim Schreiben, heute eine Tabula. Der Vorteil bestand darin, dann sie nicht neu beginnen musste, wenn ihr der Text nicht gefiel, sondern das Wachs nur geglättet werden musste, um neu zu schreiben. Den Stilus zwischen den Fingern kreisend, begann sie zum wiederholten Male die Anrede weg zu wischen und nach einer neuen zu suchen.
    Seit den Wangenküsschen auf dem Fest der Fortuna und seiner Schenkung danach, war er für sie nicht mehr nur der Cousin ihrer verstorbenen Mutter und der Pater Familias, sondern ein väterlicher Freund, den sie mit ihrer Abreise nach Ostia keinesfalls verärgern wollte.
    Die Unterlippe nach innen eingezogen und einen erneuten Blick auf, die nun schon gefüllte Truhe werfend, begann sie erneut zu kritzeln.


    Salve Cousin Serapio!


    Zuerst ein nachträgliches Danke für dein überaus großzügiges Geschenk und verspätete Grüße von Marcus Petronius Crispus, die ich nicht vergessen darf zu überbringen. Leider haben wir uns seit dem Fest zu Ehren Fortuna's nicht mehr persönlich sprechen können, weshalb ich dir auch auf diesem Wege meine Entscheidung mitteilen möchte. In der Hoffnung, du kannst mich verstehen und wirst es mir nachsehen, einige Worte vor meiner Abreise nach Ostia, um dir deine Sorge um mich zu nehmen.
    Ich werde die Reise nicht allein antreten. Nuha wird mich wie immer begleiten und Minerva wird ein Auge auf mich haben. Auch werde ich von einer männlichen Person begleitet, die von meinem Vater den Auftrag bekam, mir nicht von der Seite zu weichen. Die Gerüchte, die täglich nach Rom und in die Casa vordringen, beunruhigen mich und die Stille, die in den letzten Wochen hier eingezogen ist, haben in mir den Wunsch verstärkt, längere Zeit der Obhut der Gens zu entfliehen. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich mich nicht jetzt schon freue, in den Schoss der Familie meiner Mutter wieder zurück zu kehren.
    Meine Geschäfte mit der Herstellung des Schmuckes laufen weiter und ich hoffe, ich kann meinen Unterhalt so weit bestreiten, dass ich nicht in Schwierigkeiten gerate. Denn so, wie mir Chrispus mitteilt, kann er es zurzeit nicht wagen, Geld nach Rom zu schicken bei den Unruhen auf den Straßen und der zu überbrückenden Strecke für einen Boten. Selbst sein letzter Brief war überaus lange unterwegs und kam erst vor Kurzem hier an.
    Wie du siehst, ich habe mich bemüht, Vieles zu bedenken, um dir die Sorge zu nehmen. Außerdem wacht Minerva über mich und ich werde ihr in Ostia ihr ein erneutes Opfer bringen.
    Noch einmal möchte ich mich bedanken für deine Gastfreundschaft und deine Großzügigkeit.
    Die Götter mögen dir gewogen bleiben.


    Vale Romana!



    Mit einem dumpfen Ton, schloss Romana die Tabula und sah zu Nuha hinüber. Die Truha war nun bis oben hin gefüllt und die Berge Kleidung darin verschwunden. Obenauf lag der neue Peplos aus dem feinen Baumwollstoff, dem Geschenk von Massa und daneben ein verpacktes Geschenk für ihn. Das Leuchten in ihren Augen verstärkte sich noch, als sie das Fensterbrett verließ und zur Grauhaarigen hinüber ging. Sacht strich sie über das weiche Gewebe und übergab dabei die Nachricht an die Alte. Bring sie bitte ins Officium des Präfekten und leg sie so, dass er sie gleich sieht.
    Während diese davon ging und die Tür von außen ins Schloss fiel, schlug die Braunhaarige den Deckel zu, griff sich eine Traube Wein und begann sie genussvoll zu verspeisen.

    Sichtlich erfreut, den Centurio zu sehen, wurde dieser mit einem Salve! begrüßt und ohne Umschweife die mitgeführte Nachricht überreicht. Er war müde, hungrig und wollte nach einem guten Essen und einer anschließenden Mütze Schlaf zurück nach Rom. Eine erneute Nachricht aus der Casa Decima. Seine Antwort fiel knapp aus, jedoch freundlich und wurde von einem Schmunzeln begleitet. Du findest mich in der nahen Taverne, sollte es eine Rückantwort geben. Da sein lautes Magenknurren zur Eile rief, verabschiedete er sich zügig mit einem Vale, Centurio! und wenig später war er schnellen Schrittes zwischen den Zelten verschwunden.

    Als sie wieder zu sich kam, fand sich Romana kniend vor dem kleinen Altar der Ahnen, nicht wissend wie sie dort hin gekommen war und von ihren Gefühlen total gefangen. In beiden Händen hielt sie zitternd die Tabula, deren Worte der Grund waren, weshalb sie fluchtartig ihr Cubiculum verlassen hatte. An alles Weitere konnte sie sich nicht erinnern und auch nicht, weshalb die gelesenen Zeilen plötzlich so eine Wirkung auf sie ausübten.
    Gerade noch schrieb sie Massa eine Antwort auf seinem letzten Brief und nun kam eine so absolut gegenteilige Nachricht. Tage mussten vergehen, bis sie es einzuordnen begann, bis sie Akzeptanz fand, weshalb er diese und keine anderen Zeilen wählte und nun schrieb er von Gefühlen, die ihren ähnelten und die er bisher mit sich herum trug. Wie im Sog eines Wasserwirbels fühlte es sich an, kreisten ihre Gedanken ähnlich einer Ertrinkenden. Letztendlich waren es zwei starke Arme, die sie hielten und deren Wärme ihr vertraut war. Und es waren die braunen Augen, die auf sie herab sahen, wo sonst die ihrer Mutter absoluten Schutz boten. 'War es möglich, dass es sich anfühlte, als war er bei ihr, dass er sie hielt und sie ansah? Gab es die Kraft wirklich, die ihr bisher verborgen blieb?' Sie war so wenig darauf vorbereitet und sich doch so sicher, in der Lage zu sein, zu lieben. Eine Liebe, die Crispus zu verhindern versuchte und die das Klopfen in ihrem Herzen zur Beklemmung werden ließ.
    Nach dem Ablegen der Tabula, erhob sich die Braunhaarige mit Zittern in den Knien. Dem brennenden Weihrauch zusehend, wie der Rauch sich nach oben kräuselte, dort wo noch vor wenigen Augenblicken sein Blick zu erkennen war, begann die Gewissheit in ihr aufzukeimen, sie musste Appius sehen. Mit ihm sprechen, ihm sagen, wie es in ihr aussah und vor allem wissen, wie es sich anfühlten würde. Während ihr Blick auf die Lares Familiares fiel und er Duft sich in ihre Sinne schlich, verfiel Romana ins Tagträumen und begann leise zu lachen. Da war er wieder, der leichte Schmerz, das Kneifen und das Bild, wie sie hüpfend und lachend über eine Blumenwiese lief, gejagt von ihm und da war das leichte Brennen auf ihrer Wange nach dem Kuss im Tablinum.
    Durch das leise Knistern einer nahen Kerze in die Wirklichkeit zurück geholt, nahm sie den Brief wieder an sich.
    Ich liebe dich Mama und ich weiß, du bist da. Geflüsterte Worte einer liebenden Tochter, auf die Augenblicke der Stille folgten, in denen sie andächtig ihrem Herzschlag lauschte. Bevor sie von der Gewissheit beseelt, in den nächsten Tagen nach Ostia zu reisen, sich leise aus dem Kreis der Ahnen zurück zog, sprach sie noch einen stillen Dank und verließ danach leise den Raum auf der Suche nach Nuha.

    Erstaunt über die knappen Worte von Nuha, ließ sich Romana die erwähnte Tabula reichen und überflog sie zuerst zügig und dann immer langsamer werdend. Zum Ende hin, schloss sie schweigend die Augen und verharrte regungslos sitzend. Als sie endlose Augenblicke später die Grauhaarige erneut ansah, schimmerte in ihren Hellblauen Tränenflüssigkeit und auf ihren Lippen lag ein leichtes unkontrollierbares Beben. Die Braunhaarige wirkte verstört und von der Enttäuschung gezeichnet, war die Farbe aus ihren Wangen und Lippen gewichen. Wieder einmal fühlte sie sich abgeschoben und nach den Worten von Crispus, wie eine Ware auf dem großen Markt der männlichen Eitelkeiten. Vor allem die abwertenden Worte über Masse trafen sie tief im unruhig klopfenden Herzen und auch wenn sie ihm im Innersten Recht geben musste, nach allem was der Centurio ihr von sich preis gab, war sie zu tiefst getroffen. 'Wie konnte er so urteilen, ohne den Mann zu kennen, der für sie so viel mehr war, als nur einfach ein Familienmitglied'.
    Die überwältigenden Gedanke drückten auf ihre Schläfen und der kurze stechende Schmerz ließ sie leise seufzen. Von wem ist die andere Tabula? Kam schließlich die Frage leise mit erstickender Stimme, nach Ablenkung suchend. Weiterhin innerlich aufgewühlt, nahm sie die zweite Nachricht entgegen und warf einen vorsichtigen Blick darauf, in der Hoffnung etwas Erfreulicheres dort lesen zu können.
    Nach den ersten überflogenen Worten erhob sie sich jedoch so abrupt, dass der kleine Korbsessel geräuschvoll zu Boden fiel und ohne Nuhe eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ sie wie eine ängstlich Flüchtende ihr Cubiculum

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    Nuha


    Als Nuha zurück kam, war ihr die Verwirrung anzusehen. Wie von Romana aufgetragen, hatte sie die Nachricht auf den Weg gebracht und war so schnell als möglich zurück gekehrt. Bereits beim Eintreten durch den Hintereingang kam ihr Silas entgegen gelaufen und übergab ihr zwei Tabulae. Zuerst nahm sie an, es handele sich um Schreiben aus der Goldschmiede, doch als sie einen weiteren Blick darauf warf, erkannte sie des Siegel von Crispus.
    Auch wenn die Grauhaarige sonst ihrer Neugier nicht nach gab, konnte sie heute nicht an sich halten und überflog die Zeilen.


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    Petronia Romana - Casa Decima Mercator - Roma, Italia



    M. Petronius Petroniae s. p. d.


    Es freut mich sehr zu hören, dass du so gut aufgenommen wurdest. Richte dem Praefectus Praetorio meinen ergebensten Dank aus, dass er so gut für dich sorgt und sogar bereit ist, nach einem Gatten für dich zu suchen.


    Ich möchte dich auch ermahnen, seine Wahl ohne Murren zu akzeptieren. Die Ehe ist nunmal in erster Linie dazu da, dir ein angemessenes Auskommen zu sichern und die Ehre unserer Familie zu mehren. Du wirst am allermeisten davon profitieren. Und du wirst deinen Mann noch lieben lernen, auch wenn du es nicht von Anfang an tust.


    Dringend will ich dich auch vor Romanzen aller Art warnen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr man dem Liebeswahn verfallen kann und hatte Glück, aber ich kenne zu viele Geschichten von geschwängerten Frauen, die von ihren Liebhabern sitzengelassen wurden und anschließend kaum mehr die Möglichkeit zu einer ehrbaren Heirat hatten. Ich will nicht, dass du so endest und Schande über unsere Familie bringst. Denke auch daran, wenn du nach Misenum reist - ein Soldat hat nicht das Recht zu heiraten und kann dich deshalb besonders leicht hinhalten.


    Von deinem Vater habe ich übrigens nichts weiter gehört und kann dir auch das Geld noch nicht schicken, solange der Krieg noch tobt. Wenn du neue Informationen über den Verlauf des Krieges hast, gib mir bitte Bescheid. Hier oben in Germania erfährt man kaum mehr etwas von jenseits der Alpen.


    Vide ut valeas!

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    Erst vor der Tür zum Cubiculum sammelte sie sich wieder und trat nach einem deutlichen Klopfen sofort ein. Die andere Tabula außer Acht lassend, schob sie Romana zuerst die von ihr gelesene zu und damit einen entschuldigenden Blick ihre Neugier betreffend. Von Crispus.

    Erfreut und das auch offen zeigend, nahm Romana die Phiole mit dem Duftöl entgegen. Es wird einen Ehrenplatz unter den vielen Essenzen und Duftwässerchen im Balneum der Casa finden. Entgegnete sie mit einem Lächeln auf den zartroten Lippen. Es wird mich immer an den heutigen Tag erinnern und an unsere erste Begegnung in Rom.
    Es an Nuha weiter reichend, sah sie wenig später Gaius offen in dessen große dunkle Augen. Wenn die ersten Schmuckstücke ihre Abnehmer gefunden haben, werde ich dir deine Dienste bezahlen. Bis dahin solltest du dir etwas zu verdienen und das Mitgeführte gut einteilen. Rom ist ein Ort, wo Bares wie Sand durch die Finger rinnt.
    Sie wollte ihn keine Angst machen und dennoch auch nichts beschönigen oder versprechen, was sich später in Luft auflösen könnte. Bei Thales kannst du Vieles lernen, was dir später von Vorteil sein wird. Ein letztes Mal ging wanderte ihr Blick von einem zum anderen, bevor sie neben die Grauhaarige trat. Ich werde mich jetzt verabschieden. Es gibt noch vieles zu erledigen, vor meiner Abreise.

    Stillhalten war nicht ganz die Lieblingsbeschäftigung der Braunhaarigen. Vor allem nicht, wenn ein Mann sie anfassen wollte oder ihr zu nahe kam. Dennoch hielt Romana still und die Luft an, während Catus die Höhe maß.
    Als die Frage nach den Ausschnitten kam, sah sie erst zu Nuha und schob dann an ihrem derzeit getragenen Gewand den Faltenwurf auf und ab. Mit der Gewissheit, wem sie in dem neuen Peplos gefallen wollte und darauf bedacht, nicht zu viel zu zeigen, endete das Geschiebe kurz oberhalb des Brustansatzes. So würde es mir zusagen und hinten könnte er um das Doppelte groß werden. Noch einmal fiel ihr Blick auf die Grauhaarige, deren Nicken auch als Zustimmung zu deuten war und für sie das Zeichen, ihre Tunika wieder zu ordnen.

    Der gleiche Weg, der gleiche Bote, der gleiche Empfänger. In der Hand eine Nachricht aus Rom, näherte er sich dem Zelt, in dem er den Centurio zu finden gedachte. Am Kai wurde ihm kundgetan, in welche Richtung er zu gehen hatte und nun stand er und rief mit etwas gedämpfter Stimme Appius Decimus Massa – seit ihr hier?

    Die Tabula lag neben ihr und die Braunhaarige hing beim wiederholten Lesen erneut an dem kleinen Wörtchen 'schätze'. Vor ihr auf dem Papyrus stand ein Salve Appius! und darunter breitete sich ein leeres Blatt aus. Wie sollte sie beginnen, was schreiben? Jedes Mal, wenn sie beginnen wollte, ließen sich ihre Gedanken nicht in Worte fassen und kreisten verwirrt hinter der gekrausten Stirn. So viel lag ihr auf dem Herzen, so viel, was in den letzten Tagen passiert war und trotzdem war dort eine Barriere, die sich nicht überwinden konnte. Dieses eine Wort blockierte sie, es distanzierte und es nahm ihr die Vertrautheit … es blieb ein Schätzen.



    Salve Appius!


    Ich habe deine Nachricht erhalten und muss mich entschuldigen, dass ich mit Verspätung antworte. Die letzten Tage waren für mich ereignisreich und es blieb kaum Zeit zum Nachdenken.
    Es freut mich, dass Minerva dein Opfer angenommen hat und dir wohl gesonnen ist. Wie die Dinge liegen und wie du berichtest, scheint es in Rom doch am sichersten für mich zu sein und ich werde in Ruhe meine Reise vorbereiten. Bisher blieb es mir versagt, Serapio zu treffen und ich bin unschlüssig, ob ich einfach Rom verlassen kann, ohne noch einmal mit ihm zu sprechen. Die Casa wirkt verweist und es bleibt nur noch meine Erinnerung an bessere Tage.
    Die einzige Neuigkeit, die ich zu berichten habe, ist von einem Brief, den ich bekam. Eine Nachricht meines Vaters. Den Überbringer habe ich seither in meinem Diensten und er hilft mir vorrangig mit Botengängen. Nuha hat dadurch mehr Zeit für mich und leistet mir Gesellschaft. Durch die beunruhigten Nachrichten, lässt sie mich keinen Augenblick mehr allein und entwickelt sich mehr und mehr zu einer Glucke.
    Du siehst, um mich musst du dich nicht sorgen. Noch ist es hier sicher und du kannst dich in Ostia in Ruhe umsehen. Bevor ich abreise, werde ich dir einen Boten senden und bis dahin


    Vale Romana


    Jetzt standen doch mehr Worte auf dem Blatt und Romana sah zufriedener aus, als zu Beginn. Der Druck in ihrem Herzen war verschwunden und ein warmes Gefühl dort eingezogen. Mit dem Wissen, dass der Bote ihn Massa überbringen würde und irgendwann eine Antwort zurück kam, zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht.


    Als sie sich erhob und zu Nuha ging, die es sich leicht dösend, am Fenster bequem gemacht hatte, wurde diese wach und rieb sich über die müden Augen. Sie kannte ihre Aufgabe und auch die Ungeduld der Jüngeren, wenn sie nicht gleich ihrem Aufgabe nach kam. Deshalb erhob sich die Grauhaarige innerlich seufzend, nahm die Entlohnung und das Schreiben entgegen und ging zügig davon.

    Innerlich aufatmend, wenn auch nicht glücklich über die Gesamtsituation, lächelte Romana leicht, den Blick zwischen beiden Herren wechselnd. Du musst mich nicht Herrin nennen Gaius, du bist kein Sklave sondern ein freier Mann, der nach seinen Angaben, den Wunsch meines Vaters erfüllt. Sie wusste immer noch nicht, was sie wirklich davon halten sollte, wenn er sich auf so eine niedere Stufe begab. In den nächsten Tagen wird Thales die ersten Stücke fertig haben und dann steht auch bald die Reise nach Ostia ins Haus. Solltest du es so meinen, wie du es schreibst, besteht die Möglichkeit mich von deiner Loyalität zu überzeugen. Auch wenn du mir den Geschenk noch nicht überreicht hast, nehme ich an, du hast es nur vergessen und wolltest dich nicht daran bereichern.
    Die Ironie in ihren Worten, überspielt durch ein leises Lachen, war beim genauen Hinhören deutlich erkennbar und durchaus ehrlich gemeint, auch wenn sie von einem Zwinkern begleitet wurden.