Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    "Ich will gar nichts andeuten. Ich will nur wissen wo der Dieb ist, und wenn ihr mir nichts über ihn erzählen könnt, dann sagt mir zumindest wo ich den Mann finde, der es womöglich kann. Und wenn wir keine Hilfe erhalten, vollkommen egal weshalb, ist es wohl selbstverständlich, dass wir unsere Untersuchungen auf eigene Faust fortsetzen …", entgegnete Avianus ungerührt und nahm im Augenwinkel wahr, wie sich einer seiner Milites an den Musiker wandte. Beinahe stahl sich ein Lächeln in seine Züge. Liebend gern würde er den Germanicus machen lassen, denn die Priester schienen mehr lästig als eine Hilfe zu sein. Und solange er mit den alten Männern diskutierte, könnte Antias sich in Ruhe mit dem Musiker unterhalten. Mit skeptischem Blick konzentrierte er sich also wieder auf das Gespräch mit den Priestern, wenn er es inzwischen auch als außerordentlich zermürbend und sinnlos empfand. Sollte der Germanicus derweil etwas nützliches herausfinden, was es das wert.
    "… ich sehe nämlich keinen Grund, weshalb ich dazu nicht berechtigt sein sollte. Ein Dieb ist hierher geflohen, also werde ich hier nach ihm suchen" Mit einem Ohr lauschte er zwischenzeitlich der Unterhaltung zwischen Antias und Castus, wobei er lediglich Bruchstücke aufschnappte. Jedenfalls war der Germanicus noch am reden, weshalb auch er fortsetzte:
    "Und bestimmt wollt ihr doch auch, dass dieser Dieb gefasst wird. Oder wollt ihr etwa, dass es sich rumspricht, dass dieser Ort für Diebe und andere Kleinkriminelle perfekt geeignet ist, um unterzutauchen? Dann werden wir in Zukunft nämlich noch viel öfter vorbeikommen. Wollt ihr mir etwa sagen, dass ihr von eurem Initianden nicht mehr wisst, als seinen Namen?"

    Während auch von Antias gereizte Worte kamen und sich der Rest der Truppe wieder auf die Beine stellte, bremste Avianus sich selbst wieder. Selbst wenn sie es nur mit einem Gegner zu tun hatten, er brauchte einen kühlen Kopf. Denn der wollte anscheinend noch immer alles andere als aufgeben. Der Hühne richtete sich vor ihm wieder auf und trat näher an ihn heran. Er selbst wich dabei zwar nicht zurück, hielt aber seine Waffe bereit. Wer wusste schon, was der Brocken als nächstes plante. Wobei… planen? Hätte der Mann auch nur im Geringsten vorausgeplant, hätte er sich gar nicht erst auf die Prügelei mit den Cohortes eingelassen, meinte jedenfalls der Iunius.
    Er wollte bereits seinen Mund öffnen, um etwas zu sagen, als erneut eine Hasta durch die Luft schnellte, wieder die des Germanicus. Er nickte seinem Soldaten kurz zu, als dieser mit seinen Schlägen fertig war und wandte sich wieder an den Störenfried, gleichzeitig hielt er ihm die Spitze der Hasta entgegen.
    "Sicherlich weißt du, wie gnädig wir sind, nicht gleich unsere Klingen an dir schmutzig zu machen. Aber wir können das alles auch ganz einfach beenden, wenn du willst. Oder du lässt den Scheiß jetzt bleiben …", meinte er ernst und in einem Tonfall, der den Hühnen hoffentlich realisieren ließ, dass der Iunius sich nicht gerne wiederholte. Mit schmalen Augen musterte er noch einen Augenblick lang den Brocken und wandte sich im Anschluss an seine Milites, denn er war sich ziemlich sicher, dass sich die Sache damit zumindest vorerst erledigt hatte.
    "Wir werden den Kerl in den Carcer schaffen, und wenn wir ihn bis zur Castra schleifen müssen, verdammt nochmal", knurrte er. Und sollte es erneut zu einem Zwischenfall kommen, er würde seine Männer bestimmt nicht ermahnen, sich weiterhin zurückzuhalten. "Lasst ihn nicht aus den Augen…" Dann bedachte er Sagitta mit leicht ärgerlichem Blick. "Miles Sabidius, du hältst dich zurück, bis ich was anderes sage."

    Ein Sklave hatte den Besucher zu ihm geführt, den er nun, während er sprach, eindringlich musterte. Durus' Kleidung sah man den weiten Weg an, den sie hinter sich hatte, und der Mann darin, vermutlich in seinem Alter oder etwas jünger, machte einen verzweifelten Eindruck, der durch den Schwall an flehenden Worten noch einmal unterstrichen wurde.
    Seiner Würde beraubt? War es würdelos, sich ins Herz der Welt zu begeben, um die eigene Gens um Unterstützung zu bitten? Oder war ihm etwas anderes widerfahren? Avianus konnte nicht ganz folgen, weshalb er den neu eingetroffenen Iunius leicht fragend anblickte. Und ganz so schlecht konnte es ihm ja nicht ergangen sein, wenn er – nach eigenen Worten – zumindest die Götter auf seiner Seite wähnte… wenigstens einer von ihnen.
    "Salve, Iunius Durus. Es freut mich, dich kennenzulernen… setz dich", antwortete er zunächst knapp, mit einer flüchtigen Geste zu einer der freien Klinen deutend.
    "Eines nach dem anderen... darf ich nach deinen Eltern fragen? Woher kommst du genau?", bohrte er schließlich neugierig nach. Zweifellos wollte er ein wenig mehr über den Besucher erfahren. Weit her etwa konnte ja von Rom aus gesehen praktisch überall sein: Hispania, Germania oder gar auf der anderen Seite des Mare Nostrum.
    "Und ich wäre kein Iunius, würde ich einem ehrlichen, darum bittenden Verwandten jegliche Unterstützung verwehren. Die Frage ist allerdings, was dir vorschwebt." Denn sein Einfluss hielt sich in Grenzen. Silanus – oder jeder andere Iunius – wäre da wohl eine größere Hilfe.

    Optio Valetudinarii


    Der Optio sah zufrieden zu, wie der junge Kerl seine Liegestütze abarbeitete, und zählte natürlich mit.
    "17 also." Er trug wieder ein paar Bemerkungen in die Wachstafel ein. "Dann lies mir mal die Zahlen auf der Tafel da hinten vor!"


    V XII II
    III VIII IX [SIZE=6]
    M VII I[/SIZE]


    Und während der Probatus seiner Aufforderung nachkommen würde, würde der Optio einen leisen Pfiff von sich geben, um zu sehen, ob der Helvetius reagierte. Wobei seiner Meinung nach ein Hörtest ohnehin überflüssig wäre, der junge Mann hatte bisher ja auch jedes seiner Worte verstanden, und der Ausbilder wäre sowieso um einiges lauter.

    Avianus bereitete sich darauf vor, dass der Schläger seine Kraft als nächstes an ihm austesten würde, als dieser nun auch Pennus durch den Schankraum schickte. Ihr Gegner machte einen Schritt auf ihn zu, Avianus einen zurück, viel weiter ging es aber nicht mehr. Tische, Stühle, am Boden liegende Leute... alles war im Weg. Vor allem darauf fokussiert, sich nicht von dem Kerl erwischen zu lassen, nahm er am Rande seines Blickfeldes dennoch Antias wahr, der wohl wie er zuvor die Chance nutzen wollte, und kurz darauf eine Weite Hasta, die durch die Luft schnellte.
    Der Brocken ging in die Knie, endlich. Ihr Schweine? Wer war hier das Schwein?! Den Zorn des Iuniers damit noch weiter anzufeuern, war ihm wohl entweder vollkommen egal, oder sogar beabsichtigt. Avianus machte natürlich noch keine Anstalten, die Waffen sinken zu lassen, wenngleich er inzwischen damit aufgehört hatte mit der Hasta auf den Kerl einzuprügeln, der nun zwar am Boden kniete, aber nicht den Eindruck machte, aufgeben zu wollen. Bei so viel Sturköpfigkeit und Dummheit ließ Avianus es sich nicht nehmen, dem Mann noch mit dem Fuß einen Tritt zu verpassen. Denn nichts anderes als Dummheit war es in seinen Augen, sich alleine gegen sechs voll ausgerüstete Soldaten zu stellen.
    "Belua! Caenum!", flüchte er zurück. "Wirst du wohl sitzen bleiben!"
    Mit bebenden Nasenflügeln starrte er den Mann an, der soeben ein halbes Contubernium durch die Schenke geworfen hatte - wobei Sagitta zugegebenermaßen selbst schuld war - und versuchte, sich wieder etwas zu zügeln.

    Einen Augenblick lang hatte Avianus noch gehofft, wenn auch nicht daran geglaubt, dass der grobschlächtige Kerl kleinbei geben würde. Tat er aber nicht. Und erneut machte Sagitta nicht Gebrauch von seinen Waffen sondern stürmte geradewegs auf ihren Gegner zu, und bekam wie erwartet auch recht schnell die Folgen seines Handelns zu spüren. Verdammter Anfänger.
    Die Situation eskalierte viel zu schnell, als dass der Optio hätte eingreifen können. Denn kaum war Sagitta zu Boden gegangen, flog auch schon Carbo auf den Germanicus zu, während Pennus kurz darauf auch schon seinen Anteil an der Prügelei abzubekommen schien.


    Dem Iunius reichte es. Endgültig. Selbst seine Geduld war nicht endlos, und wenn sich jemand an seinen Leuten vergriff, sogar ziemlich knapp. Denn er wäre am Ende dafür verantwortlich wenn ein halbes Contuberium im Valetudinarium lag. Er nutzte den recht günstigen Augenblick, in welchem der Schläger noch mit dem Rubrius beschäftigt war, um einen Stuhl beiseite zu treten, zügig auf den Brocken zuzugehen und sich anschließend höchstpersönlich des Störenfriedes anzunehmen. Dabei musste er sich zusammenreißen, den Kerl nicht gleich wie das Schwein abzustechen, das er war. Stattdessen holte er mit der Hasta aus und ließ den Schaft gegen den Kopf des Mannes donnern. Nicht einmal. Zweimal. Dreimal? So lange, bis das Holz brach, oder der Scheißkerl - hoffentlich - in die Knie ging.

    Zufrieden stellte Avianus fest, dass sich der Sabidius wieder zurückzog – wenigstens eine Sorge weniger. Was den kräftigen Mann betraf, der ihnen noch immer gegenüberstand, wurde ihm allerdings immer unwohler. Der hatte seine Aufforderung, sich wieder zu setzen, wortlos verhallen lassen und machte keine Anstalten, den Worten des Iunius Folge zu leisten, und als er dem mitgenommenen, sich dennoch langsam wieder regenden Kerl am Boden einen weiteren Tritt verpasste, hatte es sich mit Avianus' Geduld erledigt. Er hatte keine Lust, sich von irgendeinem Schläger auf der Nase herumtanzen zu lassen. Carbo und Pennus näherten sich dem Kerl von hinten, der Rest stand vor ihm und versperrte den Weg zur Tür, alle bewaffnet, alle bereit sich zur Wehr zu setzen. Bildete sich der Klotz etwa irgendwelche Chancen gegen die Truppe ein? Denn egal wie eng der Raum war, ihre Aussichten waren dennoch rosiger als seine. Der Typ musste verrückt sein... oder er hatte schon zu viel getrunken.
    "Ich denke, wir haben unseren verantwortlichen", bemerkte Avianus ungerührt, "Festnehmen, Milites!" Damit hatte sich die Sache dann wohl erledigt.

    Bisher hatte sie wie er vollkommen entspannt geschlafen, trotz der Geschehnisse am Abend zuvor, sodass es ihm fast ein wenig leid tat, sie wecken zu müssen. Viel lieber sähe er sie weiterhin friedlich neben sich liegen. Doch jetzt war sie bereits wach und drehte sich, wenn auch noch etwas verschlafen, zu ihm.
    "Mhm…", brummte Avianus erst leise, suchte im Halbdunkel ihre Lippen, um ihr einen Kuss zu geben, und nahm sich ein paar Sekunden Zeit für eine richtige Antwort.
    "Für dich nicht, aber für mich schon. Mein Tag fängt früh an …", erklärte er dann, "Und ich will mich noch verabschieden können."
    Sie konnte ja noch etwas liegen bleiben, selbst wenn er nachher weg war. Er unterstrich seine Worte mit einem müden Lächeln. Auch für seinen Geschmack war es noch recht früh am Morgen, musste er zugeben, doch noch einmal einzuschlafen, konnte er sich nicht leisten, und er musste den Weg zur Castra hinter sich bringen. Trotzdem schien ihm im nächsten Moment aus dem Bett zu springen und davonzulaufen fast genauso unpassend, wie überhaupt nichts zu sagen und Sibel später in einem ansonsten leeren Bett aufwachen zu lassen. Schließlich schob er ihr, nachdem er sich langsam aufgesetzt hatte, die dadurch zurückgerutschte Decke wieder über die Schulter, als stummes Zeichen, dass sie noch nicht aufzustehen brauchte, und spähte durch den finsteren Raum, um auszumachen, wo er seine Sachen liegen gelassen hatte. Er streckte nach der Tunika, die er am Vorabend, nachdem sie sich ausgesprochen hatten, nahe dem Fußende des Bettes liegen gelassen hatte.
    "Du wirst hier bleiben, oder? Also für die nächste Zeit?"

    Optio Valetudinarii


    "Es heißt übrgens Optio, nicht guter Mann", bemerkte er mit einem Stirnrunzeln. "Aber gut..."
    Zumindest war der Junge kein nutzloser Hohlkopf. Der Optio Valetudinarii fand nichts (?) und fuhr demensprechend mit der Tauglichkeitsprüfung fort. Der arme Kerl, der den Rekruten später zurechtbiegen musste, tat ihm jetzt schon leid, andererseits war man hier sicherlich schon mit ganz anderen Fällen fertig geworden.
    "Mach ein paar Liegestütze, und sag' mir mal eben, wie alt du bist." Und mit ein paar meinte der Optio selbstverständlich so viele, wie der Probatus schaffte.

    Avianus bereute es fast, den Sabidius mitgenommen zu haben, doch er konnte den Tribunus schlecht mit zwei unerfahrenen Anfängern zurücklassen.
    "Zurück mit dir, Sabidius!", herrschte er den jungen Miles an, der vollkommen allein dem kräftigen Kerl gegenüberstand, der inzwischen der praktisch einzige Gast in der Taberna zu sein schien, wenn man von den zwei Bewusstlosen absah.
    "Sieht mir nicht nach nichts aus. Wer ist für das da verantwortlich?", fragte er dann, auf die zwei niedergeschlagenen deutend und trat ein paar Schritte weiter in den Raum, um zu zeigen, dass er sich so schnell nicht abwimmeln ließ, bevor er sich an den grinsenden Kerl wandte. "Und du setzt dich besser wieder hin."
    Er hatte alles andere als ein gutes Gefühl bei der Sache: Ein Brocken von einem Kerl, der sich von ihm und seinen Leuten nicht merklich einschüchtern ließ, ein vergleichsweise enger Raum, zugestellt mit Tischen und Stühlen, eine Wirtin, die sie alle wohl am liebsten schon wieder los geworden wäre, und dann noch ein Soldat, der einfach das tat, was er selbst für richtig hielt, anstatt auf Befehle zu warten. Hörte sich ja richtig toll an.

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    Paullus Ovidius Mento


    Zwar rannten sich die Tirones nicht gegenseitig über den Haufen, dennoch war kaum zu übersehen, wie sich die Reihen beim Marsch um die Kurve verschoben, was Mento ein leises Grummeln entlockte.
    "Das geht doch sicher noch besser!", rief der Optio den Tirones zu. "Eure Pause habt ihr erst verdient, wenn ihr das hier gelernt habt! Und wenn ihr den ganzen Tag um den Platz marschiert!"
    Der Ovidius wagte es trotz seines Pessimismus, auf die Lernfähigkeit der neuen Rekruten zu vertrauen, denn wenn die Frischlinge scheiterten, was seiner Meinung nach durchaus der Fall sein könnte, würde dabei auch seine Pause drauf gehen. Es war nun einmal seine Arbeit den Rekruten etwas beizubringen, da musste er hin und wieder auch Opfer bringen.

    "Aha", antwortete der Ianitor auf den Ausbruch an Emotionen seines Gegenübers hin. Ein letztes Mal musterte der Ianitor den Neuankömmling mit schmalen Augen. Zumindest schien der Mann weder ein Bettler zu sein, noch war zu befürchten, dass große Gefahr von ihm ausging. "Tritt ein."
    Nun öffnete der Ianitor die Porta weit genug, um den Besucher durchs Vestibulum ins Atrium zu lassen und gleichzeitig überlegte er, an wen er sich mit dem angeblichen Iunius wenden sollte. Nicht sicher, ob der Dominus Silanus Zeit für den Mann aufbringen konnte, entschied er sich dazu, einen Sklaven zu schicken, um die anwesenden Familienmitglieder von der Ankunft des Durus zu unterrichten, und diesen zuerst an den anderen Iunius, der sonderbarerweise den heutigen Abend in der Casa verbrachte (denn sonst ließ sich Iunius Avianus herzlich selten blicken), weiterzuleiten.

    Geduldig wartete Avianus noch immer ab, und wurde zwischenzeitlich etwas nachdenklich. Ob im Anschluss noch ein Besuch bei Sibel drin war? Vielleicht, man würde sehen. Als er an die Lupa denken musste, die für ihn gar nicht so sehr eine Lupa war, begann sein Blick langsam ins träumerische abzudriften, bis er plötzlich bemerkte, dass jemand den Raum betrat. Hastig blickte er auf, registrierte, dass es sich glücklicherweise lediglich um einen Sklavenjungen handelte und glaubte dann erst, es hätte etwas mit dem Essen zu tun, das hoffentlich bald aufgetischt wurde, stattdessen berichtete ihm der Sklave etwas vollkommen anderes:
    "Dominus, ein Mann, der sich Iunius Durus nennt, ist eingetroffen. Er meint, er suche hier nach Hilfe."
    Die meisten seiner Besuche bestanden darin, es sich im Hortus oder Triclinium bequem zu machen, die Vorratskammer um etwas Wein und Essen zu erleichtern und sich im Anschluss wieder auf den Weg zu machen, sodass er den Sklaven zunächst leicht verwundert anblickte. Avianus war so selten da, dass er es überhaupt nicht gewohnt war, sich um irgendwelche Gäste zu kümmern.
    "Äh… na gut, bring ihn her", antwortete er schließlich und setzte sich auf. Er war genauso Teil der Gens wie Axilla, Silanus, Seneca und jedes andere Mitglied der Iunii, und hatte sich genauso wie seine Verwandten um die Angelegenheiten dieser zu kümmern, selbst wenn er manchmal kurz davor war, diese Tatsache zu vergessen.
    Und eigentlich hatte der Gast auch sein Gutes: In Kürze bekam er etwas Gesellschaft, und das würde ihn davor bewahren hier noch vor Langeweile einzuschlafen.

    Im Grunde war es ein Tag wie jeder andere, unterwegs in den Gassen und Straßen, um genau dort einzugreifen, wo die Probleme entstanden. Nur war dieses Mal der Tribunus dabei, und nicht ganz so begeistert von der Tatsache, dass sein Vorgesetzter ihm bei der Arbeit auf die Finger schauen würde, trottete Avianus hinter dem Pferd des Iulius' her. Wenn heute etwas schief ging, konnte er nicht einfach einen Bericht schreiben, in dem er die Hälfte des geschehenen ausließ, dabei zog ausgerechnet er unangenehme Situationen förmlich an.
    Das gleichmäßige Klappern der Hufe brach ab, als eine Handvoll Leute hektisch aus einer Taberna stürmte und fast genauso schnell, wie sie aufgetaucht war, in alle Richtungen verschwand. Wenn sie schon hier waren, könnten sie sich auch gleich darum kümmern. Allzu lange würden sie wegen einer kleinen Tavernenschägerei wahrscheinlich nicht aufgehalten werden. Doch was genau zu unternehmen war, ließ er natürlich den Tribunus entscheiden.
    Avianus trat neben den Tribunus, als dieser ihm seine Befehle erteilte.
    "Verstanden, Tribunus", bestätigte er knapp und entschied sich zügig für die Soldaten, die ihn begleiten sollten: "Milites Villius, Rubrius, Cluvius, Germanicus et Sabidius, progredimini! Ihr folgt mir in die Taberna."
    Dann machte er auf dem Absatz kehrt, marschierte auf die Tür zu und stieß selbige, ohne sich lange aufhalten zu lassen, auf.
    "Was ist hier los?!", machte er sich im Inneren der Taberna deutlich hörbar bemerkbar und trat etwas vor, um den Soldaten in seinem Rücken Platz zu machen. Dass gar keine Schlägerei stattfand (oder zumindest nicht mehr), hatte er bereits registriert, ebenso die beiden regungslosen Männer, die in einer kleinen Wasserpfütze den Boden zierten.

    Avianus entging es nicht, wie seine Leute langsam unruhig wurden, ohne einen Befehl seinerseits würde es aber bei Getuschel und gereizten Blicken bleiben. Gleichzeitig bemerkte er allerdings, wie sich auch sein Geduldsfaden langsam spannte, als der Priester ihm keine klare Antwort bot, sondern lediglich einen weiteren Kollegen zu ihnen winkte. Wenn das so weiterging, wären sie morgen noch hier. Die Priester hatten wahrscheinlich alle Zeit der Welt, die Urbaner dagegen nicht. Je länger sie hier festsaßen, desto größer wurde der Vorsprung des Diebes mit der Tabula.
    "Mir ist egal warum er bei euch ist, und mindestens so egal ist mir, welches Instrument er spielt. Ich will nur den verdammten Dieb fassen, also sagt mir, wo ich den Mann finden kann …", bemerkte er trocken, "… oder ich lasse meine Leute hier nach ihm suchen."
    Oder sie könnten ihm sagen, was er ohnehin bereits vermutete: Dass sie keine Ahnung hatten, wo dieser Serapio war oder sein könnte. Dann könnte er sich wenigstens nach anderen Lösungen umsehen oder seine eigenen Leute von der Leine lassen, dass sie sich im Tempel umsahen. Soweit würde es nämlich kommen, wenn das Gespräch mit den alten Priestern keine Früchte trug.
    Skeptisch musterte er nun also den eben zu ihnen getretenen Priester und wartete ab, was dieser dazu zu sagen hatte.

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    Paullus Ovidius Mento


    Die Antwort des Tiros kam, wie inzwischen gewohnt, kurz und korrekt. Über dessen richtigen Namen des Mannes wusste Mento noch immer nicht Bescheid, was ihm andererseits auch vollkommen egal war, Abacus reichte ihm vollkommen, solange er die Rekruten unterscheiden konnte. Worüber er sich viel eher Gedanken machte, war, ob sein Abacus tatsächlich schon alles wusste, was ihn lediglich dazu reizte, es herausfinden zu wollen. Denn wenn es eine Lücke gab, er würde sie finden. Zuallererst würde er die Tirones aber weitermarschieren lassen, um herauszufinden, wie sie die Erklärung ihres Kameraden umsetzen würden.
    "Genau so werdet ihr es jetz machen! Um die Ecke des Platzes! Pergite!"

    Ad Tiberia Lucia
    Casa Accia Ducciaque
    Roma


    A. Iunius Avianus Tiberiae Luciae s.p.d


    Tiberia, meine Teuerste, deine Entschuldigung sei natürlich angenommen. Nicht nur du hattest in der Zwischenzeit viel zu tun, denn wie du sicherlich weißt, ist der Abschaum unter den Bürgern Roms mit einer Hydra gleichzusetzen: Trennt man einen Kopf ab, wachsen zwei weitere nach. So fühlt es sich jedenfalls zeitweise an, in Rom Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Doch vorerst genug von meiner Arbeit. Bestimmt warst auch du zwischenzeitlich schwer beschäftigt, etwa durch den Wahlkampf deines Gatten.


    Bei diesem Gedanken ist es mir übrigens unmöglich, nicht danach zu fragen: Die Tiberia und der germanische Aufsteiger. Wüsste ich es nicht besser, hielte ich es für den Stoff eines Theaterstücks. Hinter deiner Heirat steckt doch mit Sicherheit eine atemberaubende Liebesgeschichte? Selbst wenn es voll und ganz dir überlassen sei, davon zu erzählen, hoffe ich dennoch, du entscheidest dich dazu meine Neugier zu befriedigen. Zwar habe ich auf den Straßen und in den Gassen Roms als Urbaner meine Augen und Ohren überall, und auch über dich und den Consul wird viel gesprochen, doch immer öfter werde ich mir der Tatsache bewusst, dass das Gerede der einfachen Leute meist kein As wert ist.


    Erst hatte ich jedoch befürchtet, deine Konkurrenz oder eine unpässliche Bemerkung meinerseits in meinem letzten Schreiben könnte der Grund dafür sein, dass weitere Briefe so lange ausgeblieben sind. Zufrieden stelle ich nun jedoch fest, dass keines von beidem der Fall war. Und ich kann dir versichern: Keine anderen Briefe sind in der Lage mich so köstlich zu unterhalten wie die deinigen. Zweifellos bist du also die beste.


    An dieser Stelle darfst du auch deiner Leibsklavin gerne ausrichten: Ich zweifle keineswegs daran, dass ihre Frisierkünste meiner besten Briefschreiberin gerecht werden. Mein Vorschlag bezog sich lediglich auf eine Besorgnis erregende Bemerkung in deinem letzten Brief, da du meintest, dir würde die Kopfhaut malträtiert. Sollte meine Sorge um deine Kopfhaut grundlos gewesen sein, ziehe ich meine Aussage selbstverständlich zurück.


    Um nun allerdings auch zu erzählen, wie es mir in der Zwischenzeit ergangen ist:
    Neuigkeiten gibt es auch auf meiner Seite, wenn auch keine Heirat mit einem Germanen oder einen Lotteriegewinn. Aufgrund meiner Fähigkeiten als Optio der Cohortes Urbanae wurde mir eine Phalera verliehen, zwar lediglich eine kleine Auszeichnung, doch noch bin ich nicht am Gipfel meiner Karriere angelangt – so hoffe ich zumindest. Solltest du jedenfalls in Zukunft wieder durch Roms Straßen schlendern, hast du nichts zu befürchten, denn Männer wie ich sind es unter anderem, die dich vor Taschendieben und Meuchelmördern beschützen.


    Zuletzt gratuliere ich dir noch zu deinem erneuten Gewinn. Deine Lose scheinen wahrlich von Fortuna höchst selbst gesegnet zu sein. Und solltest du selbst irgendwann keine Freude mehr an deinen Gewinnen haben, könntest du sie gerne mit mir teilen, denn mir wäre es bestimmt ein Vergnügen. Und anderen eine Freude zu machen, macht bekanntlich auch einen selbst wiederum glücklicher.


    Ein weiteres mal durch dein Schreiben bei bester Laune, hoffe ich, dass die Wartezeit auf deine nächste Antwort mich nicht erneut an unserem zweifellos besonderen Verhältnis zueinader zweifeln lässt.


    Cura ut valeas.
    Avianus