Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Sie hatte es auch gedacht? Auch? Wer hatte das denn sonst noch gedacht? Avianus hatte keinen Schimmer, wer die Frau war und lediglich die erstbeste Frage gestellt, die ihm in den Sinn gekommen war, in erster Linie deswegen, weil sie ihn so merkwürdig angesehen hatte.
    "Hä?", kam es von ihm deswegen ausgesprochen geistreich, "Ja … was Besonderes …" So in etwa jedenfalls. Aber dieses seltsame Weib war ja auch was ganz Besonderes. Ebenso schnell, wie sie aufgetaucht war, verschwand sie nämlich auch wieder. Eigenartig. Höchst eigenartig. Aber zumindest hatte sie darin Recht, dass er besseres zu tun hatte. Sah man doch! Immerhin standen er und sein Begleiter unschlüssig und der Iunius zusätzlich mit patziger Miene am Stand eines Sklavenhändlers herum.
    "Was war das denn?", fragte Dicon, der sein gerade eben erst fortgesetztes Kreisescharren abgebrochen und aufgesehen hatte.
    "Sehe ich aus, als wüsste ich das?", brummte Avianus während er der Frau nachblickte. Leicht den Kopf schüttelnd wandte er sich ab, und kaum hatte er sich umgedreht, wurde er von einem strahlenden Sosius überfallen. Entweder hatte der Kerl gerade eine ganze Dose voll Opium verschluckt oder aber tatsächlich etwas gefunden, wovon er glaubte Avianus würde begeisterte Luftsprünge machen …


    ~~~


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    Fusca


    Den ganzen Tag schon hockte sie hier drin. Spinner allesamt, an die sie da geraten war. Nicht nur ihr ehemaliger Dominus hatte sich ihrer entledigt, die Götter – welche auch immer – offenbar auch. Alles schreien und Hämmern an den Wänden des Verschlags hatte nichts geholfen, sodass Fusca still in einer Ecke vor sich hinbrütete. Was sonst. Es war zappenduster, ihre Stimme heiser und weitere Energie wollte sie ebenfalls nicht mehr verschwenden, wo ihr letztes klägliches Mahl schon mehr als einen halben Tag her war. Die hatten sie hier vergessen. Hundertprozentig. Wieso sonst sollte der geldgierige alte Sack seine Ware irgendwo hinterm Stand vergammeln lassen?
    Dann, vermischt mit dem gewöhnlichen Lärm der Märkte, hörte sie Schritte, die sich eindeutig ihr näherten. Fusca hob den Kopf und spähte dorthin, wo sie in der Dunkelheit die Tür vermutete. Es knarzte. Musste der Riegel sein. Unter erneutem Knirschen drang Licht durch einen Spalt, der sich immer weiter öffnete, und die Silhouette eines Mannes hob sich vom hellen Sonnenlicht ab, doch geblendet davon konnte sie das Gesicht nicht erkennen. Der Statur des Kerls nach zu urteilen musste es sich um den Handlanger des Händlers handeln. Er zerrte an dem Strick, an ihren Handgelenken und löste das Seil. Wie? War sie frei oder was? Der Bursche sagte ja nichts. Erst als sie ihn fragend anblinzelte, ließ er sich dazu herab, ihr zumindest ansatzweise zu erklären, was vor sich ging:
    "Der Kunde ist da."
    "Ach? Und wer ist dieser Kunde?" – Keine Antwort. "Sehr schön. Muss ich ja nicht wissen, hm?" Stimmt. Musste sie nicht wissen. Sie war ja nur die Ware. Wer wirklich zählte, war der Kunde, aber nur solange er auch kaufte. Fusca hatte keinesfalls vor, dem alten Sosius sein Geschäft zu versauen. Ganz im Gegenteil, alles war besser als dieses Drecksloch. Und ob der kaufen würde, der Kunde.
    "Beweg dich." Mazaces zerrte das Mädchen am Arm hoch und aus dem Verschlag.
    "He! Lass das!", nörgelte Fusca gleich, "Warum war ich da überhaupt drin?" Der Diener des Händlers grummelte vor sich hin. Es hatte keinen Sinn zu fragen. Warum machte sie sich überhaupt die Mühe? Selbst wenn sie nicht nur Verkaufsgegenstand gewesen wäre, den es loszuwerden galt, Mazaces war noch nie besonders gesprächig gewesen.


    ~~~


    "Also … Iunius!", rief Sosius und lachte sein übertriebenes Lachen, dass Avianus das Gefühl hatte, von einer Hyäne angesprungen zu werden. "Ich hab das Mädchen gefunden! Der gute Mazaces … der gute, alte Mazaces … der hat sie nur für dich zur Seite gestellt! Nicht, dass sie noch wer anders will, nicht wahr?", faselte der Alte weiter.
    "Das kommt auf das Mädchen an, Sosius", antwortete Avianus trocken.
    "Au! Aua!", hörte er eine Stimme im Hintergrund, "Wenigstens Schuhe hättet ihr mir geben können!"



    Sim-Off:

    Apolonia: Manche Leute haben nicht jeden Tag Zeit, etwas zu schreiben :)

    Dicon wurde merklich fad. Er kritzelte weiter im Dreck, während sein Dominus mit der Ware tratschte. Wahrlich ein vertrödelter Tag … was er natürlich nie laut aussprechen würde.
    Avianus wiederum brauchte gar nicht lang über die Antwort nachzudenken, die er dem grobschlächtigen Burschen gab. "Nein, aber danke für das Angebot", gab er zurück, wobei es den Worten, so wie er sie aussprach, definitiv nicht an Sarkasmus mangelte. Wenn man etwas kaufte, das man nicht brauchte, hatte man doch im Prinzip immer einen Verlust. Ärgerlich die Lippen zusammenpressend sah er sich anschließend nach Sosius um. Keine Spur von dem alten Händler. "Wo steckt denn - …" Er wurde unterbrochen, kaum wollte er seinem Ärger laut Luft machen, und stolperte einen Schritt zurück, als im vollkommen unerwartet eine Frau entgegenflog. Wo kam die denn her? Es war ja nicht so, als stünde er mitten in der Menge herum. "Sag' mal …?!"
    So eine ungeschickte Tröte, die ihm die Kleider schmutzig machte und zerknitterte, hatte ihm noch gefehlt. Als wäre sein Tag noch nicht mies genug. Vielleicht sollte er sich wirklich einen Custos anschaffen.
    "Dominus …?", kam es von Dicon wenig hilfreich, der wohl so tun wollte, als würde er sich für irgendjemandes Wohlergehen ernsthaft interessieren. Er scheiterte kläglich.
    Avianus würdigte die Frage, die gar keine Frage war, nicht mit einer Antwort, sondern wunderte sich viel mehr darüber, dass das Mädchen nicht längst wieder fort war, und beantwortete ihren anzüglichen Gesichtsausdruck mit irritierten Blicken. War die etwa eine Hure, die nach Kundschaft suchte? Oder einfach ein ganz besonders eigenartiges Ding? Es gab ja auch Taschendiebe, die ganz "zufällig" herumstolperten und am Ende trug man einen Geldbeutel oder ein Schmuckstück. Gut, dass er keinen Schmuck trug und Dicon den dicken Beutel, den er für die Sklavin dalassen würde, wenn sie keine Erfindung von Sosius war und außerdem das, wonach er suchte.
    Folglich fragte er einfach in einem Ton der ganz klar vermittelte, dass er auf Smalltalk eigentlich keine Lust hatte: "Kennen wir uns?"

    Avianus guckte. Hatte er sich wohl von seinem Sohn abgeschaut. Der guckte schließlich auch immer, wenn er nicht gerade nicht existente Wörter quietschte oder an irgendwelchen Dingen herumlutschte, von denen mindestens die Hälfte nichts in Mündern zu suchen hatte. Jedenfalls guckte nun auch sein Vater, und noch dazu wenig begeistert. Da war nämlich nichts. Nichts wovon? Nichts davon, wohin der Sohnemann von nun an besonders oft gucken sollte. Da war keine Sklavin, die aussah als wäre sie auch nur einigermaßen gut darin das zu tun, worin sie am besten absolut unglaublich gut sein sollte. Rein gar nichts Brauchbares am gesamten Stand. Leere Versprechen austeilen und Märchen auftischen, dafür hatten die Händler Roms ein ausgesprochenes Talent. Da war ein Bär von einem Kerl, der den kleinen Lucius womöglich unter seinem Daumen zerdrücken könnte, was aber nicht nur wenig hilfreich beim Windeln wechseln wäre, sondern auch noch reichlich ungesund. Dann war da ein kleines Mädchen, fast noch ein Kind, sodass er vermutlich ein Kindermädchen fürs Kindermädchen bräuchte, dachte sich der Tribun sarkastisch. Und der Händler stand auch noch herum, den er nicht einmal dann gewollt hätte, wenn er ihn zum Sonderpreis für ein paar Kröten bekommen hätte. Unverlässliche, hässliche, alte Männer hatte er schon mehr als genug am Hals – im Grunde war ja schon kein einziger genug.
    Dicon neben ihm, dem die Situation reichlich unangenehm war, scharrte unglücklich mit dem Fuß herum und scharrte krakelige Kreise und Muster in den Dreck.
    "Lass das bitte."
    "Ja, also ... Dominus ... wir könnten doch einfach zum nächsten gehen ...?"
    "Welcher nächste denn, Dicon? Hast du irgendeinen geheimen Tipp? Ansonsten ist der nächste nämlich einfach wieder der erste, bei dem wir schon waren."
    "Äh ... nein, Dominus."
    Ganz sicher war sich Avianus nicht, worauf genau sich das Nein nun beziehen sollte, gab sich aber damit zufrieden, da der Scriba endlich still stand und sich außerdem der Händler von seinen anderen Kunden abwandte und gemütlich zu ihnen herüber schlenderte, als würde er die leicht patzige Miene des Iuniers gar nicht erst wahrnehmen.
    "Na? Hab ich zu viel versprochen?", sprach der Alte mit ausgebreiteten Armen, "Die beste Ware der Stadt!"
    "Ich such weder einen Custos noch eine Sklavin, die die Ritzen zwischen den Dielen auskratzt. Ich brauche ein Kindermädchen, Sosius."
    "Eben! Und da hab ich auch …" Sosius schwenkte hinüber zu seiner Ware, erst breit grinsend, ganz schnell allerdings mit ebenso patzigem Ausdruck, wie ihn Avianus schon länger im Gesicht hatte.
    "Ja, sag' mal …" Zu der Verstimmtheit gesellte sich Verwirrung. "Mazaces!!! Du lahmes Stück Schei … ääh …" Der Händler blickte über die Schulter zu seinem iunischen Kunden. "Einen Augenblick Iunius. Da ist wohl etwas … Unvorhergesehenes passiert. Sozusagen. Geh nicht, ja? Ich bitte dich!" Ein letzter entschuldigender Blick, dann ließ Sosius die zuckersüße Maske wieder fallen und stampfte schnaubend von dannen. "Mazaces!!! Verdammt nochmal ... wenn der sie einfach verscherbelt hat! [SIZE=7]Wehe, der hat sie verscherbelt ...[/SIZE]"
    Avianus blieb leicht angefressen zurück. Die Zeit, die er hier herumtrödelnd verschwendete, würde ihm niemand zurückgeben können, und dennoch wartete er. Es war ja nicht so, als hätte ihm ein anderer Händler bisher etwas Passendes versprochen oder gar vorzeigen können. Wie lange suchte er schon? Bestimmt schon Wochen. Aber keine Sklavin schien wirklich das zu sein, was er sich vorstellte. Auf die Schnelle fand man eben keine zweite Sibel. Nein, man fand gar keine zweite Sibel. Aber irgendwo musste es doch etwas ähnliches geben, ein Mädchen, das sich zumindest ebenso fürsorglich um den Jungen kümmerte, und das nicht nur, damit sie Essen, Taschengeld oder auch nur Anerkennung erhielt. Mit finsterer Miene sah er sich um und der Bär, der unweit von ihm auf dem Boden hockte, stierte ebenso griesgrämig zurück.
    "Nimm doch mich mit", brummte der breitschultrige Kerl.
    "Und warum bitte sollte ich das machen?"
    Der Bulle zuckte mit den Schultern. "Du siehst aus als hättest du das nötige Kleingeld, und machst zumindest keinen Verlust, wenn du es tust."
    "Was soll ich in meiner Domus mit einem Holzfäller?", fragte Avianus den lästigen Brocken.
    "Was soll ein Holzfäller in diesem Drecksloch?"
    "Auch wieder wahr ..."
    "Also ...?"

    "Iunius reicht vollkommen", antwortete Avianus auf dem Weg zum Tablinum. Bei der Arbeit war ihm Tribunus lieber oder generell, wenn ihm einer seiner Soldaten gegenüberstand, aber hier war keines von beidem der Fall. "Ebenso … hin und wieder kleinere Problemchen, aber nichts, wofür man nicht ebenso schnell eine passende Lösung finden würde." Ins Detail wollte er, wie auch der Decimus, an dieser Stelle nicht gehen.
    Mit einem Nicken signalisierte er, dass er Verständnis hatte. Als Tribun mit eigenen Betrieben, einer Familie und diversen Bekanntschaften, die er pflegen wollte, wusste er nur zu gut wie schnell man sich zu viel Arbeit aufhalsen konnte. Während er weiter zuhörte, nahm er sich ebenfalls einen der Weinbecher, welche eine der Sklavinnen eingeschenkt hatte, bevor sie und der Rest des Personals das Tablinum verlassen hatten, trank und lächelte schlussendlich amüsiert.
    "Naja … irgendwelche Aedilen haben wir ja immer, nur sind nicht alle gleich aktiv und ambitioniert." Die Kandidatur des Iuliers hatte sich bereits herumgesprochen und das Gerede darüber auch Avianus längst erreicht. Auch dem Flavier hatte er in der Vergangenheit bereits begegnet. Beide gehörten eher zu der Sorte, die sich nicht gerne von anderen Leuten die Show stehlen ließ. So schätzte zumindest Avianus die beiden ein, und Scipio tat gut daran, sich Gedanken darüber zu machen, wie er sein Projekt trotzdem durchziehen könnte mit den beiden im Amt, oder auch nur einem der zwei.
    "Es wäre doch bestimmt kein großes Problem, wenn ihr die Spiele gemeinsam organisiert", meinte Avianus, "Ich an deiner Stelle wäre nicht allzu besorgt. Die Ludi Romani sind ja schon recht bald. Wer auch immer gewählt wird, wird nur noch begrenzt Zeit für die Organisation der Spiele haben, wenn unsere zukünftigen Aedilen nicht schon davor damit begonnen haben. Du kannst dich ja schon jetzt mit den Kandidaten in Verbindung setzen, um das Nötigste abzuklären. Wenn ein angesehener Senator und sein Tiro bereits einiges an Arbeit geleistet haben, scheint auch mir das nur von Vorteil zu sein." Diese Vorarbeit zu verwerfen und wieder bei Null anzufangen, wäre doch Blödsinn. Bestimmt würde man einen Weg finden, sich mit den neuen Aedilen zu einigen.
    "Wie groß wird die Veranstaltung denn, vom Umfang her? Nicht das Rennen, sondern die Sportspiele meine ich. Wie viele meiner Soldaten hättest du dir unter den Athleten vorgestellt?"


    Sim-Off:

    Die Ämter der Aedilen sind immer besetzt. Nur halt sonst durch faule NPCs. ;)

    Zitat

    Original von Helvetiana Morrigan
    Morrigan nickt. „Nun ich könnte ihnen einen Sonderpreis machen.“ Ja das könnte sie sicherlich einrichten. Natürlich wusste sie um die Billigkonkurrenz von der Straße. Aber wollte man wirklich ein schmutziges Mädchen von der Straße in einer Seitengasse oder in einem verdreckten Zimmer? Nun ja das mussten die Männer wohl entscheiden.
    Ihr Blick wurde für einen Moment düster. „Nun dies hat er mir auch dereinst gesagt. Nun ist er aber nicht hier. Zumal er mir Angebot hat, an seiner Seite zu leben, so lange er keine Frau hat bei ihm im Haus, danach in einer eigenen Wohnung. Und wo bin ich heute? Aber lass uns nicht solchen Dingen reden.“ Mit den letzten Worten wischte sie dieses Thema beiseite und auch ihr Ausdruck änderte sich wieder. Sie nahm einen Schluck des Weines und hätte sich an eben diesem fast verschluckt, als sie das folgende Angebot hörte. Nach einem kleinen Hustenanfall, sah sie Avianus lachend an. „Nun ich muss sagen, dein Angebot ehrt mich sehr. Aber meinst du wirklich ich könnte ein andere Geschäft führen? Für die Römer werde ich immer die Lupa bleiben. Ich glaube kaum das man mir Obst und Gemüse .. um nur ein Beispie zu nennen abkaufen würde. Ich denke ich werde das Geschäft auch dann noch führen, wenn ich zu alt für diese Tätigkeit werde. Ich bin es meinen Leute hier schuldig. Weißt du ich habe diesen Laden gänzlich anders aufgebaut. Keiner meiner Angestellte tut etwas was er oder sie nicht will. Sie bekommen einen überdurchschnittlich guten Lohn. Ich habe es übrigens auch Sibel damals frei gestellt, als was sie hier arbeitet. Niemand wir unter meiner Leitung gezwungen etwas zu tun was er nicht will. Deshalb sie meine Leute wohl auch so bei der Sache. Ich denke man merkt es ihnen an, dass sie ihre Arbeit mit Freude tun.“ Morrigan sah ihr Gegenüber an. „Ich weiß nicht ob es anderer Besitzer dieses Konzept weiter führen würde. Verstehst du? Ich gab alen hier das Versprechen, dass sie nie zu etwas gezwungen werden. Aber dies kann ich nur halten so lange ich hier bin.“


    Avianus wollte ebenfalls nicht mehr länger über den Helvetius sprechen und war froh, dass das Thema gewechselt wurde. Es reichte ihm zu wissen, dass dieses ganze Gefasel von Versprechen und Ehrenhaftigkeit nur leeres Geschwätz gewesen war. Damit passte der Helvetius dann ja auch perfekt zum Rest der Gens. Der Helvetius, mit dem Avianus während des Bürgerkriegs Bekanntschaft hatte machen dürfen, hatte ja auch, milde ausgedrückt, einen leichten Knacks gehabt.
    Sein Vorschlag wollte bei Morrigan nicht recht ankommen. Sie empfand ihn eher als belustigend, als dass sie ihm irgendetwas abgewinnen konnte, aber gut, wenn sie darüber lachen konnte, hatte man ja nur gewonnen. Nein, Gemüse würde sie vermutlich wirklich nicht loswerden. Avianus lachte bei dem Gedanken kurz auf.
    "Wie du selbst gesagt hast: Es war lediglich ein Angebot. Und bis auf weiteres wird es stehen. Ob du es annehmen willst oder nicht sei dir überlassen, und wenn du stattdessen wegen einer anderen Angelegenheit Hilfe brauchst, lässt sich sicherlich auch darüber reden", meinte er schulterzuckend und trank einen Schluck Wein, "Wenn du dieses Geschäft weiterführen willst, dann tu das. Ich werde dich ganz bestimmt nicht deswegen verurteilen." Er lächelte leicht. Gerade er wusste schließlich, dass Lupae nicht zwangsläufig schlechtere Menschen waren. Erneut hob er den Becher, um zu trinken, dann jedoch wich sein Lächeln einem nachdenklichen Ausdruck. Er hielt einen Augenblick lang inne und ließ das Gefäß wieder sinken.
    "Warte mal … du meinst, Sibel hat als Lupa gearbeitet, obwohl sie es nicht hätte tun müssen, selbst nachdem wir uns wiederbegegnet sind?" Hatte sie ihm je davon erzählt? Er konnte sich nicht daran erinnern. Sie hatte ihm gesagt, sie musste Geld verdienen, um sich freizukaufen. Jeden As hatte sie gespart, den sie dafür bekommen hatte, sich von fremden betatschen zu lassen. Obwohl sie es nicht hätte tun müssen? Avianus zog die Stirn kraus. Was wäre geschehen, hätte sie nicht ihren Körper verkaufen wollen? Hätte man sie fortgeschickt? Hätte sie weniger verdient? Oder hatte der Helvetius, als er noch in Rom gewesen war, dafür gesorgt, dass der Laden anders geführt wurde?


    Ad
    Aulus Iunius Seneca
    Domus Iunia
    Mogontiacum, Germania superior



    Aulus Avianus Senecae suo s.p.d.


    Zuerst einmal: Es tut mir ausgesprochen leid, dass mein letzter Brief so lange her ist. Allerdings ist auch lange nichts Ungewöhnliches passiert, wovon ich dir in mehr als drei Sätzen hätte berichten können.


    Die Cohortes Urbanae machen sich gut, es mangelt nicht an Leuten und an Arbeit sowieso nie. Ich kann mich nicht beklagen.
    Die iunische Domus ist inzwischen leider wieder weniger gut gefüllt. Iunius Vitulus hat uns verlassen, wenn man das so sagen kann. Es tut mir wahnsinnig leid, dir das berichten zu müssen.
    Zumindest macht sich aber mein Neffe Agricola einigermaßen gut. Ich würde mir wünschen, dass er sich etwas mehr am gesellschaftlichen Treiben in Rom beteiligen würde, doch zumindest liegt er nicht nur auf der faulen Haut. Angeblich sitzt er praktisch den ganzen Tag über in der Bibliotheca und lernt, wie mir Aesara erzählt hat. Ein seltsamer Bursche. Ich werde ihn mal aus dem Haus zerren müssen.


    Sibel ist derzeit leider etwas angeschlagen. Wie ich dir letztes Mal geschrieben habe, hat sie sich praktisch pausenlos um Lucius gekümmert und sich kaum Auszeiten gegönnt, es ist also weniger verwunderlich, dass nach Monaten ihre Gesundheit ein wenig in Mitleidenschaft gezogen ist, dabei wäre der Junge alt genug, dass sie sich auch einmal etwas Ruhe gönnen könnte. Frag mich nicht wie, aber ich habe es glücklicherweise geschafft, sie davon zu überzeugen, vorerst ein wenig aufs Land zu ziehen auf mein Gut in Süditalia. Im Nachhinein tut es mir leid, aber wäre sie hier würde sie zweifellos weitermachen wie zuvor. Sie lässt sich in der Hinsicht ja nichts sagen.


    Lucius gefällt das natürlich weniger. Ich hätte nicht auf Sibel hören sollen, als sie sagte, sie will auf keinen Fall eine Amme oder ein Kindermädchen, sondern sich vollkommen allein um das Kind kümmern. Anfangs, als Sibel die ersten paar Tage fort war, machte er nämlich ein Riesentheater und klammerte sich umso mehr an mich, und das obwohl ich sowieso schon kaum Zeit habe. Inzwischen wird es besser und ansonsten geht es ihm glücklicherweise gut. Der Name Seneca ist ihm noch zu kompliziert und was ein Patruus ist, scheint er auch nicht zu verstehen, aber ich glaube, er lässt dich grüßen.


    Der kleinen Silana geht es hoffentlich ähnlich gut? Trägt sie schon unseren Namen? Wenn du wirklich möchtest, dass sie als Iunia aufwächst, würde ich damit nicht mehr allzu lange warten. Ich weiß, es geht mich im Grunde nichts an. Sie ist deine Tochter und es ist deine Entscheidung, aber der Name Iunia sollte eine Selbstverständlichkeit für sie sein, nicht etwas an das sie sich, wenn sie ihn einmal erhält, erst noch gewöhnen muss.


    Aber wie geht es dir? Die Barbaren machen doch hoffentlich keine Probleme?
    Oder das Schmelzwasser? Ich glaube mich daran zu erinnern, dass du im Frühling etwas von Überschwemmungen geschrieben hast. Die haben euer Haus doch verschont?


    Fac valeas.


    Avianus



    Sim-Off:

    Oh, auf Wertkarte natürlich! Die der Iunii. Dankeschön!

    Avianus blickte bei den Worten des Advocatus erst leicht irritiert, dann immer ungnädiger drein, als er realisierte, dass der Mann wirklich ernst meinte, was er sagte. Als wäre es nicht genug, ihm Stümperei vorzuwerfen, nein, anscheinend glaubte der Kerl, man stünde seinetwegen vor dem Praetor. Bisher hatte er dem Prozess recht neutral gegenübergestanden, nun konnte er aber nicht verhindern, dass er ein wenig pampig wurde.
    "Ich muss dich wohl daran erinnern, Atius, dass ich hier weder der Kläger bin, noch ich es war, der überhaupt irgendeinen Verdacht aufgestellt hat, dein Mandant könnte der Schuldige sein. Und zu keinem Zeitpunkt habe ich mich dahingehend geäußert. Wie du zu dieser Behauptung kommst, ist mir schleierhaft", entgegnete er. Aus welchen Fingern der sich gesaugt hatte, dass er irgendeinen unschuldigen inhaftiert hatte, wussten vermutlich auch nur die Götter. Die Vorwürfe mochten an ihm abperlen, ärgerlich war es dennoch. "Ich habe lediglich den Tatort untersucht." Und wenn er sich dabei angeblich nicht fähig genug angestellt hatte, sollte ihm der Atius gerne erklären, wie man mit acht Mann die halbe Subura abriegelte oder Dinge suchte, die nun mal nicht da waren.
    So. Und wenn er sich setzen durfte, bevor ihm noch mehr Blödsinn vorgeworfen wurde und er wirklich unleidlich wurde, wäre er auch froh.

    "Natürlich, Decimus", meinte der Ianitor nickend und ließ den jungen Mann eintreten. Selbstverständlich hatte man ihn informiert, dass der Tribunus einen Gast erwartete, blöd nur, dass der keine Ahnung hatte, wie ein Decimus Scipio so aussah. Da fragte man natürlich erst mal nach. Jetzt wusste er es jedenfalls.
    "Der Dominus erwartet dich bereits."

    Während der Decimus ins Innere des Hauses geführt wurde, stellten Sklaven frischen Wein und ein paar Häppchen im Tablinum bereit. Ansonsten war für den Besuch bereits alles vorbereitet. Auch Avianus kam gerade rechtzeitig nach unten, um Scipio nicht länger warten zu lassen und begrüßte seinen Gast, als er ihm im Atrium entgegenkam.
    "Salve, Decimus", grüßte er, "Es geht dir gut? Setzen wir uns im Tablinum. Dort lässt sich eine Unterhaltung sicherlich angenehmer führen." Mit einer knappen Geste deutete er zum Durchgang am Ende des Atriums.
    Sowie sie das Tablinum betraten, schickte er die Sklaven nach draußen und bedeutete dem Decimus, Platz zu nehmen und sich einen Becher des verdünnten Weines zu nehmen.
    "Wie ich sehe, bist du in all der Zeit nicht untätig geblieben", begann er im Plauderton. Aus dem jungen Burschen, dem er einst mitten in Rom begegnet war, war ein passabler junger Mann geworden, der einen angesehenen Senator seinen Mentor nannte und sich demnächst im großen Stil am gesellschaftlichen Geschehen Roms beteiligte. Sicherlich konnte er von dieser Bekanntschaft nur profitieren, was natürlich nicht sein einziger Gedanke war, aber dennoch nicht zu vernachlässigen.
    "Erzähl, wie sieht es mit der Organisation der Spiele aus?"

    "Deine Mama und ich haben uns nicht immer so gut verstanden, weißt du?"
    "Vaddada … dada …"
    "Weil … deine Mama war nicht immer frei. Und ganz zu Beginn, da wollte ich nicht, dass sie es jemals wird." Er hatte ganz ohne Frage seine Gründe gehabt und eigentlich sogar das getan, was jeder normale Mensch versucht hätte – einem alten Bekannten seinen davongelaufenen Besitz zurückzubringen – und dennoch schlich sich ein unglücklicher Ausdruck auf seine Züge.
    "Na jedenfalls ist sie mir entwischt. Deine Mama ist vielleicht ein wenig eigen und manchmal etwas naiv, aber nicht blöd. Vor allem aber hat sie ein gutes Herz. Später hat sie mir dann nämlich, als es mir schlecht ging, trotzdem geholfen, obwohl ich ihr nichts Gutes wollte ..." Warum auch immer. Er hätte sich an ihrer Stelle sofort davongemacht. Nachgelaufen wäre er ihr damals bestimmt nicht.
    "… Und da habe ich ihr versprochen, dass ich sie gehen lassen würde. Als Dank. Und von da an … da haben wir uns angefreundet. Es war eine seltsame Zeit, weißt du? Nach dem Krieg. Da war jede Art von Ablenkung besser als gar keine. Und immer wenn ich sie getroffen habe, da habe ich mich nur halb so verkorkst gefühlt wie sonst, weil sie mindestens so verkorkst war wie ich. Oder eigentlich noch viel schlimmer." Er seufzte leise. Nein, er erwartete nicht, dass jemals irgendein Schwein verstehen würde, weshalb er getan hatte, was er getan hatte. Genau deshalb erzählte er es Lucius vermutlich auch jetzt, einfach nur um so tun zu können, als hätte er es ihm gesagt, selbst wenn er sich später an nichts davon erinnern würde.
    "Deine Mama war Sklavin", sagte er zum ersten Mal eindeutig und klar, ohne Umschweife, "Sie war Sklavin und ist ihrem Herrn davongelaufen." Und er hatte sie laufen gelassen. So oft, bis er sie so sehr gemocht hatte, dass er nicht einmal mehr einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass er sie all die Male hätte einfangen können.
    "Und sie hat sich ständig in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht. Anfangs habe ich ihr geholfen, weil sie mir damals geholfen hat. Aber irgendwann konnte ich gar nicht mehr anders."
    Avianus' Blick war, während er erzählt hatte, in den Hortus hinausgeglitten und als er ihn nun wieder zu Lucius hinab senkte, stellte er fest, dass sein Sohn stumm und mit großen Augen zu ihm aufsah und das wohl schon zuvor eine ganze Weile getan hatte, als hätte er den veränderten Ton in der Stimme seines Vaters registriert. Ganz bestimmt sogar hatte er das, selbst wenn er nicht jedes Wort verstand.
    "Das ging jahrelang so … mal habe ich jemanden vertrieben, der ihr wehgetan hat, habe ihr irgendwo ein Zimmer besorgt …" Würde er die Geschichte in ihrer ganzen erzählen, säßen sie übermorgen noch in der Exedra. "Dann haben wir uns einmal aus den Augen verloren und erst nach langer Zeit wiedergefunden … irgendwann dann habe ich dafür gesorgt, dass sie bei mir leben kann. Und da kamst dann du ins Spiel. Sie hat es mir lange verschwiegen, dass sie ein Kind bekommt, weil ... ehrlich gesagt ... ich weiß es gar nicht. Sie hat wohl gedacht, ich würde dich nicht wollen oder so. Oder dass ich sie fortschicken würde. Frag' mich nicht." Er schenkte seinem Zwerg ein schiefes lächeln, das nur kurz darauf wieder verblasste. "Um ehrlich zu sein ... ich wusste zu Beginn tatsächlich nicht so recht, was ich mit euch beiden machen sollte", gestand er und lächelte nur kurz darauf wieder. "Aber dich loswerden? Einen Iunius?! Eher würde ich mir die Hand abschneiden, als einen unschuldigen, kleinen Iunius zu töten."
    Lucius blickte als Antwort nur unschlüssig zurück.
    "Sieh mich doch nicht so an ... ja gut, ich sag sowas nie wieder."

    Avianus konnte Pina nur Recht geben. Gar nicht erst einen Versuch zu wagen, würde erst recht niemandem helfen, weshalb er auch keinesfalls dagegen war, ihr eine Chance zu geben.
    "Da hast du nicht unrecht. Du findest unsere Domus am Hang des Quirinal ..." Während er ihr den Weg beschrieb, fragte er sich erneut, ob er sich nicht doch geirrt hatte. Wen, wenn nicht die Quintilia, hätte er denn sonst fragen sollen? Sila vielleicht, aber das war's dann auch schon. Die meisten, mit denen er eng befreundet war, waren Soldaten - sicherlich die letzten, die man in einer solchen Situation um Rat fragen konnte.
    "Sein Name ist Lucius. Lucius Lucullus." Von den Iunii selbstverständlich. "Ich werde versuchen, dich morgen selbst in der Domus zu begrüßen. Falls es sich so kurzfristig nicht mehr einrichten lässt, werde ich natürlich dafür Sorge tragen, dass jemand anders diese Aufgabe übernimmt." Und da hatte er schon einen ganz bestimmten Burschen im Sinn, der sich sonst ohnehin nur in der Bibliotheca einschloss. Wenn das so weiterging, wurde sein Neffe noch zum Eremiten. Avianus erwiderte ihr Lächeln.
    "Ich danke dir, Quintilia." Zum einen für ihre Zeit, andererseits eben auch für ihr Angebot, welches er soeben angenommen hatte. "Versuch den Leuten hier in der Castra nicht den Kopf zu verdrehen", deutete er an, dass sie sich wieder ihrem Besuch im Lager widmen konnte.

    Nachdem die Besucher sich ein wenig hatten gedulden müssen, bequemte sich Araros sich schließlich zur Tür, schob kratzend den schweren Riegel zurück, und stand, sowie er die Porta aufschob, einem jungen Mann und seinem Begleiter gegenüber.
    "Salvete", grüßte der alte Ianitor die beiden auf der anderen Seite der Schwelle. "Wie kann ich helfen?"

    Abwartend und leicht betreten blickte Avianus die Quintilia, da die erst einmal gar nichts sagte, über den Tisch hinweg an. Was stellte er auch immer derart dämliche Fragen, und heute ausgerechnet ihr. War er sich vorher nur ein klein wenig blöd vorgekommen, fühlte er sich jetzt absolut dämlich. Natürlich hatte Pina keine Idee, wenn selbst er, der praktisch jeden Abend bei Lucius verbrachte nicht weiter wusste. Allerdings war er, was solche Dinge anging, noch nie besonders gut gewesen. Den Zwerg nach unten tragen, ihm irgendwelche Geschichten aus der Vergangenheit vorlabern, ihn einer Sklavin übergeben, wenn er zu stinken anfing ... das hatte er inzwischen drauf. Bei allen anderen Dingen haperte es noch ein wenig, und dass Sibel plötzlich nicht mehr da war, die in all den vergangenen Monaten exakt diese übernommen hatte, machte die Situation nicht leichter, und erst recht nicht, dass sich außer seinen Eltern in der Vergangenheit nie jemand um Lucius gekümmert hatte, sodass der Junge sich in den Händen einer Sklavin vorkommen musste wie unter Fremden.
    Mit unveränderter Miene lauschte er Pinas Worten und nickte nur knapp, als sie sich nach Lucius' Gesundheit erkundigte. Und natürlich wusste Avianus nicht, wie die Zwillingsschwestern aufgewachsen waren. Diese Tatsache erinnerte ihn nur erneut daran, dass er hier eindeutig die falsche fragte. Er wusste nichts über sie, kannte sie nur flüchtig und fragte sie nun in einer Angelegenheit, die so privat war, dass es privater kaum ging.
    Allerdings, sowie sie weitersprach, schien sie ihm wirklich helfen zu wollen. Ein Erinnerungsstück an seine Mutter? Ein Tuch? Ein Kleidungsstück? Nein ... aber so eine vage Idee hatte er da tatsächlich. Zumindest kein weiteres Spielzeug.
    Während er noch über ihre bisherigen Einfälle nachdachte, traf ihn Pinas letzter Vorschlag völlig unvorbereitet. "Du würdest ... was?", fragte er um sicherzugehen, dass er wirklich richtig verstanden hatte. Ausgerechnet Pina wollte sich um seinen Sohn kümmern? Ob sie überhaupt schon einmal mit derart kleinen Kindern zu tun gehabt hatte, wollte er gar nicht erst fragen. Aber wenn die Chance, dass es half, auch noch so gering war, vielleicht war es einen Versuch dennoch wert. Vielleicht? Ganz klar war es das. Erst recht, da er nicht im geringsten einen besseren Rat wusste.
    "Nun ... wir werden leider nicht durchatmen. Meine Frau ist für einige Zeit außer Haus", stellte er zuallererst fest. "Genau das ist ja das Problem. Aber vielleicht ... vielleicht bist du ihm ja lieber als das Hauspersonal. Ich weiß es nicht." Er zuckte ratlos mit den Schultern. "Wenn du dir das zutraust und es wirklich versuchen willst, wärst du jederzeit willkommen." Ein kurzer Blick zur Tür erinnerte ihn daran, dass dahinter noch immer Pinas Vetter wartete. "Aber ich will dich nicht zu lange aufhalten, Quintilia."

    Avianus räusperte sich leise und blickte den Verteidiger etwas unglücklich an. Mit handfesten Beweisen konnte er nicht dienen.
    "Wie sich später herausstellte, waren, was wir sicherstellen konnten, eher Indizien als Beweise, anhand derer sich der Täter identifizieren ließe. Wir haben keinen Zeugen, der sein Gesicht gesehen hat, noch hat er etwas zurückgelassen, das ihn eindeutig als Täter verraten würde."
    Sähe die Lage anders aus, hätte er sich wohl längst entsprechend geäußert.
    "Wir wissen, dass der Täter sein Opfer kurz vor unserem eintreffen gezielt und schnell getötet hat. Bevor der Täter geflohen ist, wurde ihm etwas vom Hals gerissen, eine Halskette, vermute ich, was euch sicherlich auch der Zeuge Artorius Rufinus bestätigen kann. Der Geldbeutel des Opfers wurde allerdings nicht entwendet. Außerdem fanden wir einen Brief am Körper des Toten, addressiert an Papirius Veratius, mit dem Inhalt, er solle sich zu seiner Bäckerei begeben, wo es angeblich einen Unfall gab, was auch erklären würde, weshalb er zu einer derart ungewöhnlichen Zeit auf Roms Straßen unterwegs war." Interessant wäre selbstverständlich zu wissen, ob möglicherweise der Verdächtige den Brief verfasst oder zumindest in Auftrag gegeben hatte. Für derart tiefgreifende Ermittlungen war leider keine Zeit geblieben.



    Zitat

    Original von Marcus Octavius Maro
    Kaum sind die Klausuren fertig, fährt der Maro auch schon für zwei Wochen an die italischen Gestade.
    Werde da wenig bis gar kein Internet haben. Danach hab ich aber Zeit en masse :D


    Sehr schön! Bis dahin bin vielleicht auch ich wieder auf der Höhe. ;)


    Tut mir wahnsinnig leid, dass ich an so vielen Ecken und Enden im IR nicht vorwärtskomme. Ich hoffe, kommende Woche bessert sich die Lage, kann es aber leider nicht versprechen.

    Zitat

    Original von Helvetiana Morrigan


    Morrigan nickte zustimmend. „Ja ich denke ein wenig Ruhe würde deiner Frau gut tun. Sie hat sich schon immer zu viel zugemutet.“ Ja Morrigan hatte ihr stellenweise sogar Pausen verordnen müssen. Sibel hatte scheinbar das Gefühl gehabt etwas gut machen zu müssen und hatte sich auch hier zu viel zugemutet. Ja in den letzten Woche hatten Morrigan Sibel sogar angewiesen nur noch ihren „Stammkunden“, der ja jetzt ihr Mann war zu bedienen. Auch wenn es wohl fürs Geschäft nicht zuträglich war, so war es Morrigan immer wichtig gewesen, dass ihre Mädchen sich wohl fühlte und das Sibel sich nur mit dem einen wirklich wohl gefühlt hatte, dass konnte nun wirklich jeder sehen. „Aufs Land, dass wäre wohl wirklich eine gute Idee.“ Bekräftigte die Perserin Avianus in seiner Idee.
    Nun wurde das Thema gewechselt. Morrigan trank wieder einen kleinen Schluck bevor sie antwortet. „Nun die Geschäfte laufen hervorragend. Ich muss dir auch danken, dass du deine Männer her gebracht hast. Ich denke den ein oder anderen werde ich von nun an wohl öfter sehen.“ Das Avianus jemals wieder zu ihren Kunden gehören würde bezweifelte sie stark.
    „Nun eigentlich – wenn es nach dem Helvetier gehen würde – würde ich das Haus nur noch leiten und nur noch ihm zur Verfügung stehen. Da er es aber vorgezogen hat sich auf sein Landgut zurückzuziehen und hier alles sich selbst zu überlassen. Habe ich es vorgezogen auch wieder meiner Arbeit nachzugehen. Und so lange die Männer noch nach mir verlangen, so lange werde ich es wohl machen. Sie zahlen gut und für eine Nacht mit mir zahlen sie gar den dreifachen Preis. Und so lang sie das tun... Nun mitunter gefällt es mir. Bei dem ein oder anderen ist es natürlich nur Arbeit. Aber ich bin in der glücklichen Lage mir diejenigen auszusuchen. Ich bediene nicht mehr jeden.“
    Natürlich wusste Morrigan, dass sie dies hier nicht ewig machen konnte. Aber so lang ihr Körper noch jung und begehrenswert war, würde sie ihrem Geschäft auch nachgehen.
    Die Träume von früher selbst mal eine Familie zu haben, die hatte sie begraben. Ja es würde keinen Mann mehr in ihrem Leben geben. Also keinen mit dem sie ihr Leben auf Dauer teilen wollte. Sie hatte sich damit abgefunden und bisher fand sie es gut, dass sie die Männer nach dem Akt wieder verabschieden konnte. Ihr Herz würde sie nie mehr verschenken – zu sehr war es verletzt worden.


    Avianus stellte fest, dass Morrigan Sibel gut genug kannte. Auch damals während ihrer Zeit in der Castra hatte sie es sich gleich am ersten Morgen nach ihrem Einzug zur Aufgabe gemacht, stundenlang seine Habitatio zu putzen. Wobei sich Avianus seit jeher weigerte zu glauben, dass es in den paar Räumen wirklich stundenlang etwas zu putzen gegeben hatte. Er hatte schließlich nicht knietief im Dreck gelebt. Aber Sibel schien geglaubt zu haben, selbst die kleinste Fuge zwischen den Dielen auskratzen zu müssen.
    Na wenigstens Morrigan konnte sich über nichts beklagen. Erst recht nicht heute Abend.
    "Wenn sie ihren Sold sparen zumindest ...", meinte Avianus nur schief lächelnd zu Morrigans Bemerkung, einige seiner Leute würden sich von heute an öfter in ihrem Etablissement blicken lassen. Natürlich wünschte er es ihr, ganz so sicher war er sich allerdings nicht, wo es doch in der Stadt haufenweise billigere Weiber gab. Verdenken konnte er es den Soldaten nicht, ihr Geld war schließlich hart verdient, wie er aus eigener Erfahrung wusste.
    Als sie auf den Helvetius zu sprechen kam, wurde er nachdenklich. Soviel zu sie konnte sich über nichts beklagen. Selbstverständlich hatte er keine Ahnung gehabt, dass sich die Lupa und der Besitzer des Lupanars derart nahe standen. Er kannte sie ja kaum. Das meiste, was er über Morrigan wusste, wusste er von Sibel.
    "Mir hat Helvetius Varus einmal gesagt, er würde auf keinen Fall jemals ein Versprechen brechen", sagte Avianus mit leicht abfälligem Unterton, obwohl er sich reichlich Mühe gab zu verbergen, wie sehr er den Mann nicht leiden konnte. Eine derartige Einstellung hielt er schlicht und ergreifend für schwachsinnig. Wieso sollte man sich an ein obsoletes oder gar kontraproduktives Versprechen klammern, wenn selbst der, dem die Sache versprochen wurde, es nicht mehr wollte? Damals, als er mit Varus über Sibels Verkauf verhandelt hatte, hatte er glücklicherweise aufgegeben, nachdem Sibel ihn heulend darum gebeten hatte, sie gehen zu lassen. Wenn er an das damalige Gespräch dachte, musste er noch immer mit den Zähnen knirschen.
    "Ich könnte dir bestimmt helfen, ein anderes Gewerbe zu eröffnen, wenn du das möchtest. Ich hätte die nötigen Mittel und ein paar Kontakte, solltest du dieses Leben irgendwann hinter dir lassen wollen." Sie mussten ja ihre Bekanntschaft nicht an die große Glocke hängen.

    Ad M. Decimum Scipionem, Casa Decima Mercator



    A. Iunius Avianus M. Decimo Scipioni s.d.


    Selbstverständlich erinnere ich mich noch an unser Gespräch, und freue mich zudem, dass du dich mit diesem Anliegen an mich gewandt hast.


    Sicherlich können die Urbaner von öffentlichen Auftritten, bei denen sie ihr Können unter Beweis stellen, profitieren. Passende Kandidaten zu finden, sollte keine Schwierigkeit darstellen, da gerade die von dir genannten Disziplinen ohnehin mehr oder weniger Teil jeder Grundausbildung sind.
    Grundsätzlich sage ich also gerne zu und würde für deine Spiele ein paar Soldaten vom regulären Dienst befreien.


    Falls dir aber nach einem persönlichen Gespräch ist, würde ich mich freuen, dich ANTE DIEM VI KAL AUG DCCCLXVI A.U.C. (27.7.2016/113 n.Chr.) in der Domus Iunia begrüßen zu dürfen, sodass ich auch selbst mehr über die Details der geplanten Veranstaltung erfahren kann.



    Aulus Iunius Avianus
    TRIBVNVS · COHORS XII VRBANA


    [Blockierte Grafik: http://i60.tinypic.com/33ngok3.jpg]


    Als der Tiro wieder draußen war, fing Avianus zu lächeln an.
    "Tut mir leid, aber wenn ich mich vor meinen Leuten zu weich gebe, nehmen die mich irgendwann nicht mehr für voll", meinte er mit gesenkter Stimme und zwinkerte flüchtig. Obwohl er auch so das Gefühl hatte, viel zu weich zu sein, selbst wenn er sich Mühe gab, exakt das nicht zu tun. Lag vermutlich an der langen Zeit, die er selbst in den Mannschaften verbracht hatte. Tief in seinem Inneren fühlte er sich nach wie vor als Teil von ihnen.
    Er stützte sich auf seinen Schreibtisch und lehnte sich etwas nach vor, damit sie ihn dennoch verstand, wenn er etwas leiser sprach. "Also ... ähem ..." Er machte eine Pause, während derer er Pina auf der anderen Seite des Tisches nachdenklich musterte. Vielleicht war es tatsächlich nicht so schlecht, dass er Pina fragte. Immerhin ähnelten ihre Interessen sehr viel eher denen seines Sohnes - oder besser, seinen zukünftigen Interessen - als Silas, die so sehr Mädchen war, wie man nur Mädchen sein konnte.
    "Was würdest du einem Einjährigen, der seit mehr als einer Woche durchgehend heult und von Spielzeug nichts wissen will, zum dies natalis schenken?", fragte er mit gespielter Verzweiflung, "Ich bitte dich ... der Junge macht mich wahnsinnig."

    Gah. Sehr aufschlussreich. Aber was hatte er auch erwartet? Gar nichts, um ehrlich zu sein. Das Kinder nicht als kleine Erwachsene ihren Müttern hinten rausrutschten, soviel wusste selbst Avianus, und folglich ebenso, dass es eben eine gewisse Zeit lang dauerte, bis sein Sohn sich auch nur annähernd verständlich ausdrücken würde.
    Irgendwie musste er sich bis dahin behelfen. Gah hieß dann wohl ja, beschloss er kurzerhand, zögerte aber einen Moment.
    "Warte mal ... hab ich dir schon mal die Geschichte von Mama und mir erzählt?", fragte er stattdessen mit einem leichten Stirnrunzeln. Nein, hatte er bisher nie. Früher hatte er immer so getan, als wäre es ganz einfach, dem Kind die ganze Wahrheit zu erzählen. War es aber absolut nicht, selbst wenn er wusste, Lucius würde sich später an kein Wort erinnern.
    "Gah." – Und gah hieß schließlich ja, wie er zuvor beschlossen hatte. Das musste dann wohl bedeuten, dass der kleine Lucius ihm geradewegs ins Gesicht log. Oder vielleicht bedeutete gah etwas vollkommen anderes. Etwa: Was fragst du mich schon wieder so eine dumme Frage, wenn du die Antwort bereits kennst?
    Avianus blickte milde lächelnd zu seinem Sohn hinab.
    "Also, das mit deiner Mutter … das ist alles nicht so einfach, verstehst du? Weil jeder deinen Tata für verrückt erklären würde, wenn das rauskommt. Aber ich bin sicher, du kannst ein Geheimnis für dich bewahren." Lucius Blick nach zu urteilen, hatte er nicht den blassesten Schimmer, was sein Vater da faselte. Der Junge ließ einmal mehr von seinem bunten Holzpferd ab und sah skeptisch auf.
    "Ja, wie gesagt, deine Mama …" "Mamama." "Richtig. Zum ersten Mal habe ich sie gesehen, da hat sie … mir Wein eingeschenkt? Häppchen gereicht? Hübsch herumgestanden? Ehrlich, ich weiß es nicht mehr. Es war in Misenum. Ich habe sie gar nicht recht wahrgenommen. Erst als …"
    "Mamamama …", plapperte Lucius weiter vor sich hin. Avianus sah auf. Irgendwoher von der anderen Seite des Peristyls drangen Schritte zu ihnen. Eigentlich nichts ungewöhnliches, nur wollte Lucius überall seine Mutter sehen und hören.
    "Das ist nicht deine Mama. Geht doch gar nicht, Lucius." Die war immerhin nicht da. "Also … ich war in Rom. Das war nach dem Krieg. Da habe ich sie auf der Straße gesehen. Das war vor sechs Jahren? Ja sogar fast exakt sechs Jahre … verdammt, jetzt fühle ich mich alt …"
    "Vaddammt", quietschte Lucius.
    "Ausgerechnet meine schlechten Angewohnheiten musst du dir rauspicken, was?"
    Lucius schien kein Problem mit schlechten Angewohnheiten zu haben. Ganz im Gegenteil. Er grinste von einem Ohr zum anderen. Und sein Vater brachte es nicht übers Herz, ihn zu tadeln, so unglücklich wie das Kind in den letzten Tagen war.
    Tja … und da, in Rom auf der Straße, wollte ich sie einsperren. Und sie hat mich ausgetrickst." Während er die alten Erinnerungen sacken ließ nickte er leicht. Unglaublich. Und jetzt saß er hier mit dem gemeinsamen Kind auf dem Schoß. Du tickst nicht ganz richtig, hätte er gesagt, hätte irgendjemand ihm vorhergesagt, dass es so kommen würde. Damals hatte er auch nicht gewusst, dass er selbst ein Spinner war.
    Schon wieder waren da Schritte. Vermutlich irgendwelche Sklaven, die da hin und her huschten.
    "Mama", nuschelte Lucius mit dem Pferd zwischen den Lippen.
    "Du hast immer noch Hoffnungen, hm?"