Mit der Reaktion, die er auf seine kleine Frage bekam, hatte Avianus nicht gerechnet. Das ihr das Thema nahe ging war für ihn absolut nicht verwunderlich, dafür aber wie sie sich ausdrückte. Wäre ihr Ton nicht so ruhig geblieben, hätte er geglaubt, sie würde ihm seine Frage übel nehmen.
"Du hast Recht, davon verstehe ich nichts", gab er zögerlich zu. "Und ich werde es mir wohl auch nie wirklich vorstellen können." So etwas musste man wahrscheinlich selbst erlebt haben. Natürlich musste er den Befehlen seiner Vorgesetzten blind folgen, doch er wusste selbst, dass das etwas vollkommen anderes war. Er wollte Soldat sein und vor allem vertraute er nicht den Befehlen irgendeines Centurios sondern denen seines eigenen Vetters. Und er war frei. So frei zumindest wie es ein Soldat und Bürger mit allen Vorschriften und Verpflichtungen sein konnte.
Er sparte es sich, seine Sichtweise der Sklaverei zu erklären – er war sich sicher, dass es dem Klima zwischen ihnen nicht zuträglich wäre. Der Iunier war mit Sklaven im Haus aufgewachsen, für ihn war es vollkommen normal, und er hatte nicht das Gefühl gehabt, dass alle ihrer Situation unbedingt entkommen wollten. Vielleicht war Sibel wirklich nur an den falschen geraten.
Aber irgendwie schaffte er es wohl doch noch, die Kurve zu kriegen, damit sie wieder auf andere Gedanken kamen. Nun ließ er sie endgültig behutsam los, weil er nicht mehr das Gefühl hatte, dass sie ihn noch so sehr brauchte, wie zuvor.
"Ach was, ich war weit davon entfernt zu krepieren", lachte er, doch sie musste wissen, wie viel es ihm damals wert gewesen war, nicht alleine zu sein. "Außerdem muss ich diese Typen sogar bewusstlos in die Flucht geschlagen haben. Du weißt wohl gar nicht, zu was ich fähig bin." Er grinste breit. Noch immer hatte er nicht wirklich eine Ahnung davon, was an dem Abend passiert war, er kannte nur die paar Brocken an Information, die sie ihm damals als schnelle Erklärung gegeben hatte, damit er sein Schwert nicht zog, was nicht besonders viel war.
"Komm schon, gehen wir weiter", sagte er und legte ihr sanft eine Hand in den Rücken.
Beiträge von Aulus Iunius Avianus
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Als Antwort auf den Dank und ihren Kopf auf seiner Schulter legte Avianus auch seinen anderen Arm um sie. Er konnte spüren wie sich ihre Brust beim Atmen hob und senkte, so dicht war sie bei ihm, und er fühlte, wie sie zur Ruhe kam. Er war froh, als sich seine Annahme bestätigte, und Sibel ihm versicherte, dass sie ihm sein Zögern nicht übel nahm. Sein Gewissen, dass zu Beginn an ihm genagt hatte, beruhigte sich wieder.
"War der Aurius wirklich so schlimm?", fragte er. Seine Umarmung wurde etwas lockerer, für den Fall, dass sie wieder etwas Abstand wollte, doch er schob sie nicht von sich. Er würde ihr gestatten, bei ihm zu bleiben, wenn sie es wollte.
Er fragte sich, wie Latro seine Sklaven behandelt hatte, wenn keine Gäste im Haus waren. Und schöne Sklavinnen, die in aufreizenden Gewändern das Essen auftrugen, waren leider nichts derart besonderes. Avianus selbst empfand es zumindest nicht als etwas außergewöhnlich Schlimmes, das konnte mit Sicherheit nicht der Grund sein, weshalb sie in Misenum so unglücklich gewesen war. Außer sie war eine dieser Sklavinnen gewesen, die einfach mit der Tatsache nicht klarkamen, dass sie Sklavinnen waren, und garkeinen konkreteren Grund benötigten, um mit ihrem Leben unzufrieden zu sein. Davon, ob in der Casa seines Bekannten auch andere Dinge passiert waren, hatte er zumindest keine Ahnung.
Und dann brachte sie ihm ebenfalls ein Geständnis vor. Doch es unterschied sich so sehr von seinem, dass es ihm ein Lächeln entlockte.
"Ich bin nicht dein Dominus, mir reicht Sibel voll und ganz", sagte er. "Sibel klingt doch sowieso viel schöner", fügte er leise hinzu.
Ihre Unterhaltung war zuvor in die vollkommen falsche Richtung gegangen, war sie doch sehr viel eher mit ihm hier, um sich abzulenken und auf schöne Gedanken zu kommen. Stattdessen hatte er ihr Fragen gestellt, die das vollkommen verhindert hatten. Und dabei hatte er doch nur wissen wollen, wie es ihr ging. Er war sich dessen bewusst, dass ihn keine Schuld traf, trotzdem war er unglücklich darüber. Sie hatte jedenfalls Recht damit, das Gespräch wieder in andere Bahnen zu lenken.
"Weißt du, was ich mich gerade frage?" Er lächelte sie leicht amüsiert an. "Hättest du mir damals auch geholfen, wenn du von Anfang an gewusst hättest, dass ich es war?", fragte er sie, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen. "Wenn ich jetzt ein Nein zu hören kriege, verstehe ich das sogar." -
Der Mann musste gefährlich sein, wenn sie wirklich Angst um ihn hatte, oder sie ließ sich einfach nur derart von dem Fremden einschüchtern. Avianus machte sich zwar ein wenig Sorgen, aber Angst hatte er nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, was ihm groß passieren sollte. Er hatte den Krieg bestimmt nicht überstanden, um von irgendeinem Kleinkriminellen wegen einer Lupa erstochen zu werden. Doch Sie wollte nicht, dass er ihr half, und trotzdem erzählte sie ihm, was sie alles ertragen musste. Aber war es nicht das, was er wollte? Er wollte doch gar nicht in die Sache hineingezogen werden. Aber noch viel mehr wollte er ihr helfen. Egal wer und was sie war, sie hatte das alles mit Sicherheit nicht verdient. Der Iunius hoffte nur, sie würde es ihm sagen und ihn doch noch um Hilfe bitten, sollte sie es irgendwann nicht mehr ertragen können. Vielleicht weil er sie irgendwie mochte. Nein, er mochte sie, bestimmt. Sonst wäre er nicht mehr hier.
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen und blieb am Ende doch stumm. Seine Hand löste sich von ihrem Arm und stattdessen legte er ihr seinen um die Schultern und zog sie ein Stück weit zu sich. Er wusste keinen Rat mehr und wenn er ihr schon nichts mehr sagen konnte, wollte er wenigstens irgendetwas anderes tun. Doch jetzt, wo er es tat, jetzt wo er sie hielt, fühlte es sich an, als wäre es genau das, was sie brauchte. Mit der anderen Hand fuhr er sich dennoch ein wenig hilflos übers Gesicht. Dass er hier für sie da war, würde nämlich ansonsten nichts ändern. Aber er war da und das war offenbar mehr, als sie von allen anderen erwarten konnte. Er war der einzige Mensch, den sie hatte. Er, den sie doch eigentlich kaum kannte und der es auch nicht immer nur gut mit ihr gemeint hatte.
"Ich hatte schon vorher ein paar Abende Zeit. Ich wusste nur nicht, ob ich das hier wirklich will. Darum hat es so lange gedauert", gestand er tonlos ohne sie anzusehen. "Es tut mir leid, wirklich …" Jetzt war er es also los geworden. Sie würde es verstehen, da war er sich sicher. Und er würde den nächsten Abend, den er frei hatte, wieder hier sein. Auf jeden Fall. Er würde die unnötig lange Zeit, die er Sibel hatte warten lassen, wieder gut machen.
"Wenn du wirklich Hilfe brauchst, wenn es anders nicht mehr geht, sagst du es mir, verstanden?", sagte er nach einer Weile und blickte am Ende doch noch zu ihr hinunter. -
Sie hielt es am Ende doch für nötig, ihm alles zu erzählen, sie hörte nicht auf ihn. Er hatte nichts davon gesagt, wen er für verantwortlich hielt oder was er überhaupt von dem wenigen dachte, was sie ihm zuvor erklärt hatte. Sie schien aber zu spüren, was er dachte. Als würde sie ihm die Gedanken aus dem Gesicht lesen. So wie sie jetzt aus ihm herauslesen würde, wie sich eine leichte Unsicherheit in ihm breitmachte.
Noch während er den Erklärungen, die aus ihr heraussprudelten, zu folgen versuchte, wurde ihm bewusst, dass sie bereits dabei war in mit hineinzuziehen, er wusste nur noch nicht in was. Es war wohl zu spät, sie noch einmal darum zu bitten, ihm nichts mehr zu erzählen.
Er wollte ihr glauben, aber er wollte sich selbst auch nicht für einen naiven Idioten halten. Aber wieso sollte sie sich das alles ausdenken?
"Wer, Sibel? Wer hat dir gedroht? Und was will er von dir?", fragte er die junge Frau unschlüssig und legte ihr eine Hand auf den Arm. Ihr zuzusehen, wie sie sich vor ihm ausweinte, machte es ihm schwierig die Dinge so zu beurteilen, wie sie tatsächlich waren, objektiv zu bleiben, und am Ende das zu tun, was für ihn am besten war. Das Beste wäre wohl gewesen, einfach zu gehen, doch er konnte nicht, vielleicht eben auch, weil sie unter Tränen vor ihm stand. Es beschlich ihn wieder dieses Gefühl, dass sie ihn noch so viel mehr brauchte, als er sie. Und wieder hatte er das Gefühl, dass er sie in dem Arm nehmen müsste, doch sie machte es ihm so schwierig, ihr voll und ganz zu vertrauen.
"Und wieso triffst du dich dann mit mir?", fragte er weiter, noch immer ruhig. Jeder Satz den sie sagte, warf für ihn weitere Fragen auf. Zum Beispiel, weshalb er ihr das Risiko wert war. Er hatte nicht den Tod zu befürchten, weil er sich mit ihr traf, er riskierte höchstens seinen Ruf und hatte damit schon Probleme gehabt. Er wolllte sie verstehen, aber er konnte es nicht, doch das wusste sie bestimmt.
"Ich kann das nicht entscheiden. Es ist nicht mein Leben. Du musst damit klarkommen, nicht ich", sagte er mit einem leichten Kopfschütteln. Da eroberte sie sich ihre Freiheit und wollte ihn am Ende darüber walten lassen. Es ging ihm gar nicht darum, sie für irgendetwas zu bestrafen. Natürlich hatte sie ihn enttäuscht, aber am Ende tat sie damit vor allem sich selbst weh. Hätte er sie unbedingt bestrafen wollen, hätte er es getan. -
Von Vicetia hatte sie also gehört. Aber wer hatte das nicht.
"Genau", stimmte ihr Avianus seufzend zu. "Wir haben im Lager in Verona schon unseren neuen Eid auf Palma geschworen, danach waren wir aber immer noch irgendwie Gefangene… Wir unterstanden eben einer fremden Centurie, aber nach einer Weile hat man davon nicht mehr so viel gemerkt", erklärte er weiter. Man hatte sich eben zwangsweise an die Umstände gewöhnt und für ihn war es am Ende eigentlich halb so schlimm gewesen. Fliehen war jedenfalls das Letze, an was er in dieser Situation gedacht hatte. Er lächelte leicht. "Also nein, wir sind nicht geflohen. Was hätten wir davon gehabt? So konnten wir wenigstens in der Garde bleiben." Er hatte damals einen Moment lang befürchtet, sich seinen ehrenhaften Tod selbst bescheren zu müssen. Aber nur zu gern hatte er nach der Möglichkeit gegriffen die ihm Seneca mit seiner Entscheidung, mit der ganzen Centurie die Seiten zu wechseln, dargeboten hatte.
"Danke, aber vor allem war ich dumm. Ich kann froh sein, dass man danach einen Capsarius geschickt hat, um die Nase wieder zu richten", gab er zurück, zog eine Braue nach oben und grinste wieder sein schiefes Grinsen. Um Mut zu beweisen, brauchte man sich der Gefahr erst einmal bewusst zu sein. Wenn er ehrlich war, hatte er über irgendwelche Folgen nicht nachgedacht, als er damals ausgerastet war. Vielleicht hätte er auch irgendwie reagiert, wenn er sich mehr Gedanken darüber gemacht hätte, aber bestimmt nicht auf dieselbe Art und Weise.
Mit seiner Frage brachte er sie allerdings völlig aus dem Konzept. Die Stimmung zwischen ihnen veränderte sich schlagartig. Er blieb ebenfalls etwas irritiert stehen und hörte ihren Worten mit einem Stirnrunzeln zu. Als sie geendet hatte, glätteten sich die Falten wieder, als wüsste er nicht mehr was er fühlen sollte. Er wünschte, sie hätte ihn belogen, ihm irgendetwas gesagt, das er hören wollte. Aber noch vielmehr wünschte er sich, er hätte gar nicht erst gefragt. Ahnte sie überhaupt wie sehr sie ihn gerade enttäuschte? Er hatte ihr versprochen, sie in Frieden zu lassen, ihr Geld gegeben und sogar ihrem Vorschlag zugestimmt, sie wieder zu treffen. Alles, was er von ihr als Gegenleistung verlangt hatte, war, keinen Mist mehr zu bauen. Vielleicht war es auch halb so schlimm und er konnte ihr irgendwie helfen, aber um das herauszufinden, müsste sie ihm mehr davon erzählen. Und ihrer Reaktion nach zu urteilen, war alles, was sie ihm noch sagen könnte, nichts was ihn beruhigen würde. Für einige Sekunden, die ihr quälend lange erscheinen mussten, sah er sie schweigend an und verzog keine Miene. In seinen Augen spiegelte sich jedoch Ärger wieder, aber noch vielmehr als das, Enttäuschung. Dagegen war der Ärger noch recht gering. Wahrscheinlich glaubte sie jeden Moment von ihm angefahren zu werden. Nein, wenn er innerlich brodelte, sah er ganz anders aus.
"Sag' mir einfach, was ich deiner Meinung nach wissen muss. Oder sag' mir einfach gar nichts mehr…", gab er irgendwann ruhig zurück, allerdings mit einem Unterton, der genauso wie sein Blick erahnen ließ, was er empfand. Es war wohl besser so, für sie beide. Sie konnte nur hoffen, dass niemand anderes auf sie aufmerksam wurde, egal in was sie da reingeraten war.
"Ich kann dir nur mit Sicherheit sagen, dass du am Ende wieder eine Sklavin wärst. Man würde dich irgendwo auf dem Sklavenmarkt verkaufen", antwortete er und beobachtete die Tränen, die ihr am Gesicht hinunter liefen. An dem Ausdruck in seinem Gesicht hatte sich noch nicht besonders viel geändert, vielleicht war er wieder eine Spur weicher geworden, aber mehr nicht. -
Sie setzten ihr Gespräch fort, während sie durch die Gärten gingen.
"Das freut mich. Wirklich." Er lächelte zurück, obwohl er sich nicht sicher war, ob sie ihre Worte vollkommen ernst meinte. Für schöne Frauen liefen die Geschäfte wohl immer gut, vor allem wenn sie sich günstig hergaben. Er hätte gerne genauer gefragt, weil er dem Klang ihrer Stimme nicht wirklich traute, aber er hielt sich zurück. Er befürchtete, dass er Fragen stellen würde, die ihr unangenehm waren oder Antworten bekam, die am Ende er als unangenehm empfand. Aber Rom liebte die wenigsten, die meisten verschlang es, wie der tiefste Sumpf und ließ noch sehr viel weniger wieder hinaus, das war seine Sicht der Dinge. Und sie war eine junge Frau, mehr oder weniger Peregrina, alleine in Rom unterwegs, verkaufte sich und wer wusste wo sie nachts schlief.
Sie stellte ihm eine Frage, die ihn wieder aus den Gedanken riss. Er lachte kurz bitter auf. Die alten Geschichten würde er wohl nie wieder loswerden. "Ich war in Vicetia dabei, vielleicht hast du von der Schlacht dort gehört. Leider irgendwie auf der falschen Seite. Und der Centurio, der die Aufsicht über die Gefangenen hatte, fand es offenbar nötig, meine Gens in den Dreck zu ziehen", erklärte er. "Am Ende hat er mir jedenfalls die Nase gebrochen und das hier kommt auch von ihm." Er fuhr sich mit den Fingern über die fingerbreite Narbe unter seinem rechten Auge. Es musste auf Sibel so wirken, als wäre es sein Hobby, sich mit Leuten anzulegen, die eigentlich über ihm standen. Dabei war es damals mehr eine Affekthandlung gewesen, vollkommen unüberlegt, in einem Zustand der Übermüdung und gleichzeitigen Angespanntheit, der wahrscheinlich auch jede andere Reaktion zu Genüge erklärt hätte. Außerdem musste man schon ziemlich dumm sein, um vergleichsweise unbeschadet aus der Schlacht zu kommen, um sich dann im Gefangenenlager das versäumte nachzuholen, weil man auf die Provokationen irgendeines Fremden einging. Trotzdem war er noch immer recht glimpflich aus der Sache rausgekommen und er hatte immerhin noch seinen Posten.
"Bist du alleine in Rom unterwegs?", fragte er zurück. Natürlich konnte er ihr nicht wirklich helfen, wenn es so war. Seine freie Zeit war knapp. Aber es interessierte ihn, Rom konnte immerhin ein gefährliches Pflaster sein, vor allem für jemanden wie sie. Und dass er etwas darüber wissen wollte, zeigte auch, dass es ihm nicht vollkommen egal war, was mit ihr passierte. -
Es schien sie nicht groß zu belasten, dass er sie derart lange hatte warten lassen. Innerlich dankte er ihr sogar irgendwie dafür. Doch äußerlich nickte der Iunier bloß. Alles andere hätte ihn vielleicht dazu gebracht anzudeuten, dass die Wahrheit ein wenig anders war, als sie offenbar dachte. Selbst wenn sie, wie er vermutete, die Wahrheit verstehen würde, wäre sie bestimmt trotzdem enttäuscht. Dennoch, irgendwann würde er es ihr wahrscheinlich sagen, aber Avianus wollte auf einen geeigneteren Zeitpunkt dafür warten.
Das Lächeln von zuvor kehrte in seine Züge zurück, als sie genau das in Worte fasste, was er gerade eben noch gedacht hatte. Sie hatte Recht, sie waren beide hier und sollten die Zeit nutzen. Bei dem Gedanken und dem Anblick ihres immer noch strahlenden Lächelns ließ er nun zum ersten Mal vorerst seine Bedenken hinter sich, um sich einfach nur darauf zu konzentrieren, was jetzt war. Die Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen würde er später auch noch haben.
"Klar, dann komm." Ein Schmunzeln glitt über seine Lippen. Ansonsten hätte er bestimmt nicht gefragt. Er ging ein paar Schritte und warf einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, ob sie ihm folgte. Ihr "Angebot" auf ein Gespräch nahm er nur zu gerne an – half es doch, die Zweifel weiter fern zu halten, wenn er sie vorerst schon nicht zerschlagen konnte.
"Es ging… Platzwunden sehen immer schlimmer aus als sie sind", sagte er. "Außerdem haben wir in der Castra gute Medici. Und ich habe auch schon ganz andere Sachen hinter mir." Er grinste schief. "Wie geht es dir? Hast du die letzte Zeit gut hinter dich gebracht?" Es musste eigentlich fast so sein. Wie sonst hätte sie zu den neuen Kleidern kommen sollen? Daran, was sie für das viele Geld womöglich alles getan hatte, wollte er allerdings nicht denken. Er wusste ja darüber Bescheid, wie sie ihr Geld verdiente. -
Mit einem Mal war er sich sicher, Schritte zu hören. Er stand auf und spähte zum Weg. Da war sie, sah sich um und ihr Blick blieb mit einem Mal an ihm hängen. Sie hatte den Anhänger gefunden, natürlich hatte sie das. Die Tatsache, dass sie offensichtlich seit ihrem damaligen Treffen jeden Tag nach dem Amulett gesucht hatte, machte ihm klar, wie wichtig ihr das hier sein musste und wie viel sicherer als er sie sich bei dieser Sache war. Er ging ihr ein paar Schritte entgegen und erwiderte ihr Lächeln. An Sibels strahlen würde es vermutlich nicht heranreichen, dennoch würde es ihr zeigen, dass er aus freien Stücken hier und schlussendlich nicht unglücklich darüber war.
"Salve, Sibel", grüßte er zurück, sowie sie vor ihm stand. Er betrachtete sie einen Augenblick lang, bemerkte dass sie nicht die zerschlissene Tunika trug, wie beim letzten Mal, und musste sich tatsächlich zurückhalten nicht danach zu fragen, woher sie das mit Sicherheit nicht ganz billige Kleidungsstück hatte, mit dem sie sich jetzt kleidete. Sein Lächeln erhielt aber trotzdem kurz darauf einen ganz anderen Dämpfer. Er griff sich mit der Hand in den Nacken. "Es hat eine Weile gedauert bis…" Ja, bis was? Er brach ab. Die Wahrheit konnte er ihr nicht sagen und sie belügen wollte er nicht. Es hatte allein an ihm gelegen und nicht an seiner Arbeit. Und er wollte das strahlende Lächeln nicht im nächsten Moment wieder aus ihrem Gesicht tilgen. Was auch immer er für diese Frau empfand, er wollte sie nicht bewusst unglücklich machen, selbst wenn nur aus purer Höflichkeit. Aber der Ärger darüber, dass sie ihn dem Patrizier ausgeliefert hatte, war bereits so gut wie vergessen. "Es tut mir leid", sagte er bloß seufzend und hoffte, die Sache wäre damit gegessen – vor allem weil er es mit seiner Entschuldigung ehrlich meinte, auch wenn sie wohl nicht wirklich verstand, für was er sich entschuldigte. Er wartete einen Moment auf ihre Reaktion. Er jedenfalls fühlte sich damit wieder ein ganzes Stück besser. Und was spielte es schon für eine Rolle, dass er ein wenig Zeit gebraucht hatte? Wichtig ist doch, dass wir jetzt beide hier sind, sagte er in Gedanken zu sich selbst, wenn auch nicht zur Gänze davon überzeugt. Hätte sie genauso gezögert wie er, wäre es wahrscheinlich nie dazu gekommen, dass sie sich heute trafen.
"Sollen wir uns irgendwo hinsetzen? Oder willst du ein kleines Stück gehen?", fragte er freundlich, um endgültig wieder das Thema zu wechseln und sie beide auf andere Gedanken zu bringen. -
Als Avianus vor einiger Zeit in den Barracken der Castra aufgewacht war, hätte er schwören können, dass er selten einen seltsameren und absurderen Traum geträumt hatte, der sich gleichzeitig dennoch so real angefühlt hatte. Bis er sich durch die Haare gefahren war und eine auffallend empfindliche Stelle am Hinterkopf ihn in die Realität zurückkatapultiert hatte – gemeinsam mit der Tatsache, dass sein Geldbeutel erstaunlicherweise um einige Münzen ärmer, dafür wiederum um ein ganz bestimmtes Schmuckstück reicher war. Es hatte ihn einige Minuten gekostet, seine Gedanken zu ordnen und sich dessen bewusst zu werden, dass er ein Versprechen einzulösen hatte, das er nicht nur in einem Traum gegeben hatte, allerdings zu einem Zeitpunkt, zu welchem er zweifellos völlig neben sich gestanden hatte.
Seitdem war mehr als nur ein freier Abend vergangen. Er hatte zeitweise daran gedacht, den Anhänger irgendwie loszuwerden und seine Besitzerin gemeinsam mit der ganzen Angelegenheit schlicht zu vergessen. Niemand hätte ihn daran gehindert oder dafür bestraft, er hätte sein Leben einfach wie gehabt fortgesetzt und alles wäre beim Alten geblieben. Dann wäre er aber nicht er gewesen. Irgendwann hatte sein schlechtes Gewissen scheinbar doch überhand gewonnen und ihm die Entscheidung aufgedrängt, ebendies nicht zu tun, nicht einfach alles zu vergessen. Und irgendwie vermutete der Iunier, dass er irgendwie im Grunde gewusst hatte, was er tat, als er sich damals auf den Vorschlag der jungen Frau eingelassen hatte. Und dass er gewusst hatte, dass er sein Versprechen halten würde.
Wäre er jedenfalls nicht so, wie er eben war, säße er in diesem Moment nicht in den Horti Lolliani, um auf eine junge Frau zu warten, die wahrscheinlich die Hoffnung, das Amulett irgendwann an der vereinbarten Stelle zu finden, bereits aufgegeben hatte. Er hatte den Anhänger tatsächlich am Abend zuvor unter die Steine gelegt. Dennoch war er sich noch immer nicht vollkommen sicher, warum er hier war. Auch weil er eigentlich der Meinung war, ihr für ihre Hilfe bereits zu genüge gedankt zu haben. Natürlich fand er eine Menge kleiner Gründe, allerdings keinen, der gut genug war, um alle Bedenken aus der Welt zu schaffen, und irgendwie wünschte er sich, dass sie ihm heute einen Grund geben würde, mit dem sich schließlich alle Zweifel verflüchtigen würden.
Er lehnte sich zurück an den Baum, etwas abseits von dem Eingang, in dessen Nähe er das Amulett am Vortag abgelegt hatte und doch hatte er den Weg gut im Blick. Nur eines stand fest: Als er an diesem Abend die Gärten betreten hatte, hatte er das Schmuckstück nicht mehr finden können. Und wer außer Sibel sollte zwischen den unscheinbaren Steinen nach Schmuck wühlen? -
Aus diversen Gründen können Antworten bis etwa Anfang September etwas länger auf sich warten lassen.
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Er nickte leicht. Ob ihr wohl bewusst war, wie oft sie in die Horti Lolliani gehen würde, ohne etwas unter den Steinen zu finden? Aber es war die einzige Möglichkeit, und Avianus hatte das Gefühl, dass es ihr egal war, und das unterstrich widerum nur, wie wichtig es ihr war.
Auf ihren Scherz hin lächelte er ein wenig. Sie hatte recht, es war Zeit in die Castra zurückzukehren, vor allem aber damit er noch genügend Schlaf bekam. "Da mach dir mal keine Sorgen." Mit einem "Vale" verabschiedete er sich und wandte sich ab. -
Ich krieg immer mal wieder, wenn ich ins Forum rein will, so eine nette Fehlermeldung anstatt der Seite angezeigt...
Hier mal der Text, der mir angezeigt wird:ZitatSQL-DATABASE ERROR
Database error in WoltLab Burning Board (): Link-ID == false, connect failed
mysql error: User d016d66c already has more than 'max_user_connections' active connections
mysql error number: 1203
mysql version: unknown
php version: 5.3.18-nmm1
Date: 05.08.2013 @ 22:30
Script: /forum/index.php
Referer:Zu viele Leute auf der Seite? Irgendein anderes Problem? Ich Genie hab leider keinen Dunst von dem Zeug...
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"Gut." Der Iunier nickte kurz und begrüßte es natürlich, dass sich der Mann vor ihm so bereitwillig auf Wachen durchsuchen ließ. Am Ende fand er wie erwartet nichts und der Tiberier durfte passieren.
"Hast du einen Termin? Wende dich ansonsten am besten im Officium des Procurator a libellis oder, falls dort niemand ist, beim Primicerius", erklärte Avianus. Er war sich nicht vollkommen sicher, inwiefern die kaiserliche Kanzlei bereits wieder regulären Betrieb aufgenommen hatte und ob das Officium des Procurators wieder besetzt war. Aber in einem der beiden Officii würde der Patrizier bestimmt jemanden finden, der ihm weiterhelfen konnte. -
Avianus lächelte schief, als er ihre Freude spürte, die sich einen Augenblick später jedoch wieder verflüchtigte. Wieder einmal wollte seine Hand an seine Stirn. Klar, es gab Sklaven, die konnten lesen. Aber automatisch anzunehmen, sowas wäre Standard, so naiv war nicht einmal er. Er hatte schlicht nicht darüber nachgedacht. Hoffentlich nahm sie es ihm nicht übel.
"Entschuldige. Wirklich, daran habe ich gar nicht gedacht", sagte er ein wenig unglücklich darüber, dass er sie in Verlegenheit gebracht hatte. Wenigstens konnte er aber sagen, dass sie damit auf eine bessere und damit vor allem brauchbare Idee gekommen war.
Er nahm den Anhänger entgegen und besah ihn kurz etwas genauer, bevor er ihn sicher in seinem Geldbeutel verstaute. Er würde später noch einen besseren Platz dafür suchen, wo er wirklich sicher war. "Gut. Wenn ich abends Zeit habe, wird es bis Mittag dort liegen." Das bedeutete er hätte immer einen Nachmittag und den darauffolgenden Morgen Zeit, das Amulett zu deponieren. Das wäre mit Sicherheit machbar.
Aber warum er das alles überhaupt machte, er war sich selbst immer noch nicht sicher. Es schien, als gäbe es mehr als nur einen Grund. Vielmehr war es eine Summe kleiner Gründe, die ihn dazu brachte, wie die Tatsache, dass sie ihm geholfen hatte. Oder Dass sie ihn so sehr überrascht hatte, als sie ständig nicht das getan hatte, was er erwartet hätte. Vielleicht auch weil sie ihm irgendwie Leid tat und sich offenbar so sehr darüber freute. Anders konnte auch er es sich nicht erklären.
Er wartete einen Moment, vielleicht gab es ja wieder etwas, dass sie ihm noch sagen wollte, bevor er sich für heute endgültig verabschiedete. -
Avianus und der Rest der für den Wachdienst eingeteilten Truppe hatten Stellungen bezogen. Und weil er hier den prächtigen Palast des Kaisers im Rücken hatte, strengte sich der Iunier umso mehr an seiner repräsentativen Rolle gerecht zu werden. Auch wenn das auf die Dauer ganz schön anstrengend sein konnte. Dafür sah er den jungen Patrizier schon aus der Ferne. Der alte Hase neben ihm dagegen schien von Anfang an den Beschluss gefasst zu haben, erst einmal ihn machen zu lassen, vielleicht auch nur deswegen, um zu sehen, wie Avianus sich so anstellte.
"Salve, wenn du mir deinen Namen nennen würdest?", grüßte gelassen er zurück und bemerkte natürlich die Anspannung seines Gegenübers. "Trägst du Waffen bei dir?", fragte er, obwohl sich das eigentlich erübrigte. Durchsuchen würde er in sowieso. -
Natürlich störte sie sich nicht daran. Er hatte eine gute Arbeit, eine angesehene Arbeit. Und die beanspruchte eben den Großteil seiner Zeit. Wenn sie jemanden brauchte, der zu jeder Zeit da sein konnte, war er nun einmal der falsche. Aber die Sache war damit wohl geklärt.
Auch den Rest verstand sie. Doch er hatte noch immer ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken es angesprochen zu haben. Nicht nur wegen ihr. Vielleicht weil etwas, sobald man es aussprach, noch viel realer zu werden schien. Immer mehr wurde ihm bewusst, auf was er sich hier einließ. Er sagte sich selbst einfach, dass er es jederzeit beenden könnte, wenn er spürte, dass es Schwierigkeiten geben könnte.
"Klar, gute Idee", stimmte er ihrem Vorschlag zu. Er dachte kurz nach. "Gibt es irgendeinen Ort hier in der Nähe, wo ich dir Nachrichten hinterlassen kann?" Es schien ihm die einfachste Möglichkeit ihr auszurichten, wann er Zeit hatte, ohne mit ihr persönlich zu sprechen. -
Die Tatsache, dass sie sich nicht einfach unter Tränen davonmachte, sondern blieb, ließ Avianus aufatmen, nur um einen Augenblick später zu begreifen, dass sie jetzt direkt vor ihm weinte.
Das Schlimmste war aber, dass er nicht einmal sofort eine Antwort hatte. Er hatte selbst viel zu tun und selbst wenn er hier versprach, sich irgendwann wieder mit ihr zu treffen, konnte er nicht garantieren, dass sie sich davon nicht vielleicht doch zuviel erhoffte.
"Ich habe fast jeden Tag Dienst bis Abends, besonders viele freie Tage habe ich auch nicht ...", begann er und redete gleich darauf weiter, damit sie keine Zeit hatte, es als Absage zu verstehen. "... aber wenn dich das nicht stört ..." Er sah sich noch einmal nach der Castra um, die lag glücklicherweise noch in sicherer Entfernung. Und da gab es noch etwas. Er war sich nicht sicher, ob er es aussprechen sollte. Sie schien ihm eigentlich bereits niedergeschlagen genug. "... und es wäre gut, wenn uns nicht zu viele Leute gemeinsam sehen." Er hoffte, sie verstand, was er damit meinte. Er war nicht in der Position sich nicht darum zu scheren, was andere von ihm dachten. Sie war eben nicht die Art Frau, die man bei ihm erwartete, wahrscheinlich nicht einmal als Lupa. -
Innerlich griff sich der Iunier an den Kopf. Er ahnte, dass sein Ton zu hart gewesen war. Aber er war müde und hatte im Grunde schon wieder anderes im Kopf gehabt und schon gar nicht daran gedacht, dass sie derart empfindlich reagieren würde. Aber es verriet ihm wiederum, dass es um etwas ging, das ihr wichtig war.
"Ich... hör zu..." ... manchmal weiß ich genau, was ich eigentlich tun oder sagen sollte, aber dann - mögen die Götter wissen warum - mache ich irgendetwas anderes. Er fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. Nein, er sprach es nicht aus. Stattdessen legte er sich andere, einfachere Worte zurecht. "... es tut mir leid. Was ist los?", fragte er ruhig, seine Augen noch immer fragend auf sie gerichtet. -
Die beiden vorhergehenden Gruppen verließen den Raum, um sich an die Arbeit zu machen.
"Verstanden, Centurio", kam es von dem dritten Trupp.
Avianus kaute einen Moment lang auf der Unterlippe. Er würde sich zusammenreißen, so viel stand fest. Aber er wollte nicht dieselben Fehler machen, wie früher.
"Wirklich alle abtasten?", fragte er dann noch ein wenig zögernd. "Auch die Senatoren?" Er dachte dabei nur an Begegnungen vor dem Tor der Castra, wo sich manche Besucher für ein derartiges Prozedere zu wichtig vorgekommen waren.
Ein paar der anderen grinsten bei seiner Frage leicht. -
Auf halbem Weg zur Castra glaubte er etwas zu hören. Erst dachte er, es wäre Einbildung. Bis er erneut seinen Namen hörte und sich sicher war, dass er sich nicht irrte. Er blieb stehen, sah über die Schulter und entdeckte Sibel im Halbdunkel, die ihm nachlief. Zögerlich warf noch einmal einen kurzen Blick nach vorne zur Porta der Castra und schob die Augenbrauen zusammen. Irgendetwas in seinem Verstand, mahnte ihn weiterzugehen. Über dieses etwas setzte er sich hinweg, machte er kehrt und ging wieder zwei, drei Schritte der jungen Frau entgegen, um ihr dann fragende Blicke zu schenken.
"Ja?" Seine Stimme war ernst, vielleicht ein wenig zu ernst, aber dennoch ruhig.