Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    "He, Avianus."
    "Hmmm?" Der Iunier öffnete die Augen und blickte in das Gesicht eines Kameraden. "Was?", fragte er ein wenig barsch. Es würde sich niemand über seine schlechte Laune wundern, eher wenn er gut gelaunt wäre.
    Er konnte nicht einmal sagen ob er geschlafen oder nur gedöst hatte. In letzter Zeit waren die Übergänge fließend. Avianus setzte sich auf und fuhr sich durch die Haare.
    "Dein Verwandter unterhält sich anscheinend ganz nett mit dem anderen Centurio", gab der andere zurück.
    "Ach?" Avianus wusste nicht viel mehr dazu zu sagen und blickte stattdessen zu den beiden Centurionen hinüber. Dabei spürte er kurz den Blick Senecas auf sich ruhen. "Ach."
    Avianus rümpfte kurz die Nase.

    Avianus hatte die meiste Zeit auf dem Rücken liegend in den Himmel gestarrt. Er war fertig mit all dem.
    Erst als der Centurio Anstalten machte, irgendetwas wichtiges zu sagen, setzte er sich auf, nur um kurze Zeit später zu erfahren, dass er vorerst genau dort bleiben würde, wo er sich jetzt befand.
    Erst Essen, jetzt Decken... wenn es jetzt nicht anfängt zu regnen, haben wir es ja fast schon gemütlich, dachte er sarkastisch und legte sich wieder hin. Nein, er hatte keine weiteren Fragen.

    Und erneut musste der Centurio seine kräftige Stimme unter Beweis stellen. Tut dir nicht langsam der Hals weh, Mann?, fragte sich Avianus nur genervt in Gedanken. Ihn schmerzte sein Schädel auch so schon genug. Aber er war hier wohl nicht der Einzige, der sich nicht so recht im Griff hatte. Der einzige Unterschied bestand darin, dass der Helvetier in einer Position war, in der er sich das leisten konnte.
    Avianus räusperte sich kurz und starrte erst mal stirnrunzelnd auf das Stück Holz, das der Centurio gerade aufgesammelt hatte, wohl um hier im Fall der Fälle wieder für Ordnung zu sorgen, falls irgendjemand doch noch Probleme machte. Als ob noch nicht genug Prügel verteilt worden wären.
    "Miles Aulus Iunius Avianus, Cohortes Praetoriae, Cohors II, Centuria IV", leierte er mit Blick auf den Stock herunter und erwartete, dass sich für ihn die Sache soeben erledigt hatte. Alles wie erwünscht, kein sinnloses oder provokantes Gelaber. Nach einem Medicus konnte er wohl trotzdem nicht verlangen.

    Avianus beobachtete mit gemischten Gefühlen, wie sich die beiden Milites um seinen Verwandten kümmerten. Jetzt, da er wieder die Kontrolle über sich selbst hatte, widerstand er dem Drang darauf zu reagieren. Weitere Dummheiten konnte er sich nicht mehr leisten, wenn er diesen Tag halbwegs heil überstehen wollte.
    Der Geschmack von Blut breitete sich auf seiner Zunge aus, als es ihm von der Nase in den Mund rann. Angewidert spuckte er auf dem Boden und nahm dann doch noch dankbar ein Stück Stoff von seinem Nebenmann an.
    Und bevor einer seiner Kameraden dem Befehl des Centurios folgte trat Avianus vor. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen, bevor hier noch mehr dumme Sprüche fielen, die ihn auf die Palme bringen konnten. Schließlich war er gerade daran erinnert worden, wie kontraproduktiv es doch war, sich zur Wehr zu setzen, und sei es nur verbal. Es ging ihm also mehr darum, sich selbst einen Gefallen zu tun, weil er sich nur zu gut kannte. Vielleicht konnte er ja von hier verschwinden, wenn sein Name auf der ach so wichtigen Liste stand, oder sich zumindest irgendwo nach hinten stellen, wo er das Gebrüll des Centurios besser ignorieren konnte.

    Unsanft landete Avianus erneut auf dem Boden und wischte sich mit mäßigem Erfolg das Blut unter der Nase weg, bevor er sich wieder auf die Beine stellte.
    Auf Senecas Nicken hin schob er sich, nicht ohne noch einen zerknirschten Blick zurückzuwerfen, wieder an seinen Platz zwischen den anderen Prätorianern.
    Natürlich war er ein Idiot. Wie bescheuert musste man sein, um als Gefangener den zu beleidigen, von dessen Wohlwollen man abhängig war. Wäre es keine Kurzschlussreaktion gewesen, hatte Avianus auch nicht mal im Traum daran gedacht, ein derartiges Theater zu veranstalten. Aber auch jetzt, nach der erniedrigenden Prügelattacke und der gebrochenen Nase, die noch immer scheußlich weh tat und das wohl auch noch die nächsten Tage tun würde, hatte er nicht das Gefühl, einen gewaltigen Fehler begangen zu haben. Sollten sie sich etwa die ganze Zeit über anhören, wie erbärmlich sie doch alle waren? Namen notieren wollte der Centurio, dann sollte er das doch machen und sich den Rest sparen. Und doch war sich der Iunier nicht sicher, ob er es noch einmal genauso machen würde.
    Seine Kameraden beachtete er derweil nicht wirklich. Sollten die anderen ihn doch dumm angaffen.

    Schneller als er es erwartet hatte raste der Cassis des Centurio auf ihn zu. Avianus hatte keine Chance auszuweichen oder gar abzuwehren. Ein Krachen ertönte in seinem Schädel, kurz wurde es schwarz vor seinen Augen, aber da spürte er bereits den feuchten Boden unter sich. Höllischer Schmerz breitete sich in seinem Gesicht aus. Irgendjemand packte ihn. Das erste was er dann sah, als sein Blick wieder klar wurde, war ein Pugio und die Visage des Centurios. Auf einen weiteren kurzen, stechenden Schmerz in seiner Wange folgte für den Iunier in diesem Moment nur schwer verständliches Gebrüll.
    Warm, klebrig und feucht rann es an seinem Gesicht hinunter und er hinderte seine Hand daran, danach zu tasten.
    Avianus war völlig überrumpelt, obwohl er natürlich mit einer Reaktion des Helvetiers gerechnet hatte, und blieb auf die wohl eher rhetorisch gemeinte Frage des Mannes hin stumm. Auch sonst kam kein Laut über seine Lippen. Jetzt noch zu jammern anzufangen, würde sein Stolz nicht ertragen. Er schenkte dem Centurio erneut kalte Blicke, in seinem Inneren hoffte er jedoch, er würde von ihm ablassen, damit er nicht noch länger auf dem Boden liegen musste wie ein Hund. Noch mehr wünschte er sich aber seinen Gladius, um nicht mehr ganz so wehrlos zu sein. Nur einen kurzen Augenblick lang richteten sich seine Augen auf Seneca bevor sie wieder zu dem Helvetier zurückkehrten.
    Immerhin konnte er sagen, dass er es nicht bereute.

    Zitat

    Original von Lucius Helvetius Corvinus


    Avianus schnaubte einen Moment lang. Sein Blut begann zu kochen, während ihn einer der Prätorianer neben ihm unschlüssig musterte, wahrscheinlich nicht sicher darüber, ob der Iunier sich weiterhin still verhalten würde. Mit einem Mal suchte die angestaute Wut einen Ausweg. Ohne eine weitere vorwarnende Reaktion walzte er durch die Reihe vor ihm und stieß auf dem Weg zu dem Centurio noch einen der beiden Rebellen-Soldaten zur Seite.
    "Ich höre mir diese Scheiße mehr nicht an! Jeder Iunier hat doch mehr Ehre in seinem kleinen Zeh, als deine verdammte Gens je aufbringen könnte!!!", blaffte er den Centurio an und blieb und mit bebenden Nasenflügeln stehen, als hätte er sich gerade noch zusammengerissen, dem Mann keinen Arschtritt zu verpassen.
    Alles andere hatte er sich gefallen lassen. Die Niederlage genauso, wie die respektlose Behandlung gegenüber ihm, Seneca und dem Rest der Centurie, aber jedes Fass lief irgendwann über. Eisig starrte er den Helvetier an und realisierte nur langsam, was ihm gerade passiert war.
    Was zur Hölle mache ich hier eigentlich.
    In seinem Gesicht zeichnete sich keine Regung mehr ab. Ebenso wagte er es nicht, zu Seneca hinüberzusehen. Er wusste auch so genau, dass er gerade ziemliche Scheiße gebaut hatte.
    Avianus bewegte sich keinen Schritt mehr und gab sich so selbstsicher, wie er es als Gefangener nur konnte. Er konnte schließlich weder vor noch zurück. Lieber bereitete er sich auf den Tritt vor, den er gleich kassieren würde.


    Sim-Off:

    Du wolltest es wohl nicht anders ;)

    Sein Grinsen verging Avianus nun endgültig. Während er das "Gespräch" der beiden Centurionen beobachtete, hatte er mehrmals das Gefühl, aus der Reihe tanzen zu müssen, um seinen Vetter zu unterstützen. Als der fremde Miles Gebrauch vom Griff seines Pilums machte. Als er das höhnische Grinsen des anderen Miles auffiel. Als der Rebellen-Centurio der Meinung war, "lustige" Namen verteilen zu müssen.
    Trotzdem riss er sich, so schwer es auch war, am Riemen. Während einer Schlacht konnte man einander helfen, doch die war jetzt vorbei. Hier würden sie am Ende immer den Kürzeren ziehen. Wenn er selbst dann nicht tatsächlich so aussehen wollte wie der andere Centurio, hielt er sich besser aus der Sache raus, auch wenn er dabei noch so mit den Zähnen knirschte.
    Zwar entlockte es ihm erneut ein leichtes, kurzes Lächeln, als er zum gefühlten zehnten Mal hörte, dass ihre Centurie nicht besiegt worden war, er zweifelte jedoch nicht an der Tatsache, dass es recht wenig an ihrer Situation ändern würde.
    "Du spinnst doch. Unser Centurio wird uns nicht hängen lassen", sagte er dem Mann neben sich. Zumindest mich nicht, fügte er im Stillen hinzu. Sollte der Soldat Recht haben, Seneca würde bestimmt etwas tun, wenn er es konnte.

    Avianus starrte den fremden Centurio missmutig an, einerseits weil es ihm überhaupt nicht gefiel, was hier vor sich ging, andererseits weil er sich fragte, ob er auch so scheiße aussah, als hätte man ihn mit der Vitis verdroschen.
    Der Centurio sah auch nicht so aus, als wäre er in der Stimmung für aufsässige Kommentare. Genau das war es aber was Seneca jetzt von sich gab.
    Obwohl ihre Lage ernst war und die anderen allem Anschein nach eine eiserne Miene bewahrten, musste Avianus dabei schmunzeln. Wäre er kein Gefangener hätte er vielleicht gelacht, so blieb es aber bei einem etwas dümmlichen Grinsen, das sich wieder verflüchtigte als einer der Soldaten neben ihm ihn ansprach.
    Er wandte sich an seinen Kameraden.
    "Ich habe keine Ahnung", antwortete Avianus ein wenig verwirrt. "Wieso, was glaubst du denn?"
    Allzu schlimm würde es schon nicht werden. Oder zumindest nicht schlimmer als bisher, wenn sie sich halbwegs zusammenrissen. Der Iunier dachte noch einmal über Senecas Antwort auf die Frage des Centurios nach.

    Vor allem bei der Aushändigung der Corona Muralis an Seneca zeigte sich Avianus nicht unerheblich stolz. Ihr Centurio war schließlich nicht auf eigene Faust die Mauer hochgeklettert. Die Auszeichnung war ein fast noch größerer Trost als die Phalera, die ja jeder bekam, der die Schlacht überstanden hatte. Senecas Bemerkung konnte er deshalb nur mit einem müden Lächeln erwidern.
    Kurz darauf war es endgültig vorbei. Die Kaiserlichen mussten kapitulieren.
    Avianus packte das wenige, das er noch bei sich trug zusammen. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in ihm breit. Zum Gefangenen werden zu können, so weit hatte er gar nicht gedacht. Er hoffte nur, egal wo es jetzt hinging, irgendwann wieder in Rom zu landen.

    Ein Helm landete neben ihm im Gras. Avianus hob den Kopf, erkannte aber erst auf den zweiten Blick, wem er gehörte. Als er seinen Vetter sah, wäre er am liebsten vor Freude hochgeschossen. Was ihn davon abhielt war der Ausdruck in dessen Gesicht. Er erinnerte ihn an das, was heute alles auf dem Feld hinter ihnen geschehen war und was er eigentlich bereits wieder verdrängen wollte. Bei ihm hatte eigentlich die Freude überwogen, überhaupt noch zu leben.
    Jetzt blieb ihm aber die Sprache weg und auch sonst sagte keiner der Männer ein Wort. Die Stille fühlte sich seltsam an. Avianus räusperte sich kurz und dachte einen Moment lang nach. Dann klopfte er seinem Verwandten auf die Schulter. "Wir haben alle getan was wir konnten, Centurio", sagte er müde. Na toll. Jetzt begann er schon auf dieselbe Art zu reden, wie der Legat. Aber vielleicht war es etwas anderes, wenn er es sagte. Er wusste es, hatte es selbst gesehen, war selbst einer dieser Truppe gewesen, die verdammt nochmal die Stadtmauern hätte erobern können.
    Und auch wenn ihm die Frage auf den Lippen lag, hakte er nicht nach, wie Seneca und die anderen es rausgeschafft hatten. Bestimmt waren sie nicht siegreicher abgezogen als ihre Kameraden vor ihnen.

    Als Avianus gemeinsam mit einer Handvoll Prätorianer den Sammelpunkt erreichte, hatte der Legat der VII. bereits begonnen seine Rede zu schwingen. Das Adrenalin wich langsam aus dem Blut des Iuniers und machte Platz für die Müdigkeit, die sich dahinter angestaut hatte. Er hörte nur noch mit einem Ohr zu, zu beschäftigt war er damit, sich daran zu hindern, sich auf den Boden zu setzen, um wenigstens noch einen Rest an Würde zu bewahren. Lediglich als einer der Männer neben ihm die Worte "Barbaren aus dem Norden" wiederholte, horchte er auf und bekam gerade noch den Rest der Ausführungen mit. Hier im Norden hatten sie sich wohl ziemlich getäuscht, als sie dachten, die Schlacht würde gar nicht mal so schlecht laufen.
    Der Jubel am Ende der Rede hielt sich schließlich in Grenzen. Kein Wunder. Keine Rede konnte die Tatsache ändern, dass sie nicht die Sieger der Schlacht waren. Avianus jedenfalls war froh sich nunn doch endlich ins Gras fallen lassen zu können bis Befehle kamen.
    "Glaubt ihr die anderen haben es rausgeschafft?", fragte er mit beiläufigem Ton. Die anderen zuckten mit den Schultern.

    Für Avianus kam die Nachricht über die Niederlage völlig überraschend, wie ein plötzlicher Schlag ins Gesicht. Im ersten Moment musste er sich dazu zwingen es wahrzuhaben, nur langsam sickerte jedoch durch sein Bewusstsein, was das für ihn und seine Kameraden auf der Mauer bedeutete. Da stand aber Seneca bereits hinter ihm, sagte etwas, das er nur ansatzweise verstand, und schob sich an ihm vorbei. Der Mund des Iuniers klappte auf und schloss sich wieder. Verschwinde? Nicht schaffen? Casa Iunia? Bist du verrückt?
    Am liebsten hätte er noch irgendetwas gesagt oder sich geweigert, sich zurückzuziehen, während andere noch kämpften. Und doch wandte er sich ab, nicht ohne leicht den Kopf zu schütteln, und kletterte die Leiter hinunter von der Mauer. Bestimmt kam Seneca da irgendwie wieder raus. Der Gedanke am Ende mehr Verantwortung für seine Gens zu übernehmen zu müssen als jetzt behagte ihm nicht.
    Das letzte Stück sprang er von der Leiter hinunter, um schneller für die nachkommenden Kameraden Platz zu machen. Der Iunier riss sich zusammen, nicht noch einmal einen Blick zurückzuwerfen, was ohnehin sinnlos gewesen wäre. Wie hätte er von da unten sehen sollen, was oben auf der Mauer passierte? Nein, besser rannte er. Wohin war nicht schwer zu erraten. Sie waren nicht die einzigen die flohen.
    Ein ganzes Stück weiter verlangsamte er seine Schritte wieder und bevor er sich mit ein paar anderen der Centurie sammelte, blickte er doch noch über die Schulter. "Verdammt."

    Avianus fragte sich ob sein Cousin wirklich daran glaubte, dass sie hier siegen würden, oder ob er es nur sagte, damit sie weiterhin ihr Bestes gaben. Vielleicht war er selbst auch nur deshalb so pessimistisch, weil er so weit vorne stand und generell kaum den Überblick behalten konnte. Den erwünschten Effekt hatte Senecas Gebrüll zumindest und Avianus' Hintermann war mit seinem Schild wie eine Wand im Rücken des Iuniers. Nachgeben war nicht drin.
    Die Nachricht vom Tod des Laberiers hatte sie auf der Mauer oben jedenfalls noch nicht erreicht. Auf dem Feld unten schien sich aber etwas zu regen. Niemals würde Avianus in den Sinn kommen, was sich gerade auf dem Schlachtfeld ereignet hatte.

    Viel zu end war es. Avianus gab sich alle Mühe, unter dem Druck der Gegner, die sich vor ihm drängten nicht nachzugeben. Der Soldat hinter ihm drückte ihm sein Scutum in den Rücken und gab ihm so zumindest etwas Unterstützung.
    Unweit von ihnen hastete die quer stehende Crista durch die Reihen.
    "Seneca, ...!", brüllte er ohne nachzudenken über den Lärm hinweg, brach jedoch ab. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich gegen die Rebellen. Wir werden hier noch alle draufgehen!, wollte er eigentlich hinzufügen und obwohl es genau das war, was er dachte, gab es doch unzählige Gründe, es nicht auszusprechen. Es wäre unprofessionell, würde weiteren Männern ihre Zuversicht kosten, er würde seinem Vetter gewissermaßen die Schuld zuschreiben, an was auch immer, und jeder von ihnen hatte besseres zu tun, als dem Iunier zuzuhören.
    Und vor allem, noch standen sie.

    Noch immer fragte sich Avianus, was sie hier auf der Mauer taten. Natürlich wäre es ein Vorteil die Stadt einzunehmen. Wenn sie es denn schafften. Und das machte dem Iunier Sorgen. Wenn sie hier nicht weiterkamen, war es das. Einfach wieder runterlassen, würde man sie wohl eher nicht.
    Das Schicksal schickt mich wohl von einer aussichtslosen Lage in die nächste. Hoffentlich um mir nachher wieder zu zeigen, dass sie so aussichtslos gar nicht war.
    Man hatte ihn bestimmt nicht gerade erst unter dem Gladius des Rebellen herausgezogen, damit hier alles aufhörte. Außerdem wusste sein Vetter bestimmt, was er tat. Er war ja nicht umsonst Centurio.
    Avianus zog einem Rebellen den Gladius über den Helm, der Mann ging zu Boden, ob ohnmächtig oder tot war nicht sicher.
    Innerhalb kürzester Zeit lagen auf den Mauern die Toten, immer wieder trat man mit dem Fuß auf eine der Leichen.
    Wenn ich heute durchkomme, will ich eine Auzeichnung, so viel steht fest.

    Avianus rechnete damit, in den nächsten Augenblicken von einer Klinge durchbohrt zu werden, als ihn plötzlich jemand packte und zur Seite zog. Ein Blick über den Rand seines Schildes zeigte ihm den zusammenbrechenden Rebellen. Erleichterung ließ ihn tief durchatmen, was ihm ein weiteres Mal stechenden Schmerz in der Magengegend bescherte.
    Mehr Pause war dem Iunier jedoch nicht gegönnt. Senecas Befehl ließ ihn kurz zusammenfahren. "Jawohl, Centurio", war alles was er in diesem Moment hervorbrachte. Er stemmte sich mühsam hoch und nahm ein Gladius, von dem er nur vermuten konnte, dass es sein eigenes war. Einerseits bedeckten es Blut und Dreck, andererseits war keine Zeit, sich länger damit zu beschäftigen. Eine scharfe Klinge war alles, was zählte.Dann der nächste Befehl. Avianus folgte seinen Kameraden, die die Leitern zur Mauer trugen. Die Stadt stürmen??? Er konnte die Anordnung unmöglich falsch verstanden haben: Die Leitern wurden gerade ans Mauerwerk gelehnt. Die ersten kletterten hinauf. Auch Avianus setzte wie automatisch den Fuß auf die erste Sprosse und begann zu klettern. Seine Deckung würde er erstmal nicht mehr so schnell unbeachtet lassen. Keinen Augenblick lang ließ er den Schild über seinem Kopf sinken, während über ihnen die Rebellen versuchten, ihre Mauern mit allen Mitteln zu halten. Wenn sie erst einmal dort oben waren, würde es noch einmal richtig scheußlich werden, so viel stand fest.


    Die ersten der Centurie waren an ihrem Ziel angelangt. Avianus war froh, das Scutum über sich zu haben, die wütenden und schmerzerfüllten Schreie, die auf der Mauer ertönten, reichten ihm. Er brauchte nicht auch noch zu sehen, was ihn erwartete. Dann war es soweit. In einem Augenblick, in dem die umstehenden Feinde bereits mit anderen der kaiserlichen zu tun hatten, schob er sich über die Brustwehr. Hätte er in diesem Moment über die Schulter geblickt, hätte er zumindest ansatzweise etwas über die Ausmaße dieser Schlacht erfahren. Stattdessen stellte er sich dem nächsten Rebellen entgegen.

    Der Gladius bohrte durch die Kehle eines Rebellen. Wieder ein Feind weniger. Aber auch die eigene Centurie war beträchtlich geschrumpft. Seine Hände schmerzten bereits, so sehr umklammerte er die Griffe von Schwert und Schild. Wahrscheinlich hatte er bereits Blasen an den Fingern. Dennoch gab sich Avianus siegessicher, die Worte seines Vetters verstärkten dieses Gefühl. Vielleicht würden sie ja siegen. Es sah im Moment zumindest nicht schlecht für die Prätorianer aus. Das war zumindest das, was sein Bauchgefühl ihm sagte.
    Wieder wehrte er einen Hieb ab, achtete jedoch einen Augenblick zu wenig auf seine Deckung und die Kante des gegnerischen Scutums traf auf seine Magengrube. Es fühlte sich an, als würde mit einem Mal alle Luft aus seinen Lungen gepresst. Ein seltsames Dröhnen ging durch seine Ohren, verdrängte das bisherige Pfeifen, während er zurückstolperte und keuchend und hustend zu Boden ging. Der Gladius entglitt seiner Hand. Nur mit Mühe konnte er die weiteren Schläge abwehren, das Scutum schützend über sich haltend. Der dumpfe Schmerz in seinem Unterleib ließ die Sekunden unerträglich lang erscheinen. Unterdessen tasteten seine Finger verzweifelt nach dem Schwert. Irgendwo musste es noch auf dem Boden herumliegen. Irgendwo. Es musste einfach.
    Der Iunier verfluchte den Bürgerkrieg, die Rebellen und vor allem seine Unerfahrenheit.

    Angriff. Das Wort hallte in Avianus Kopf wider wie ein Echo. Er hätte nicht einmal selbst zu gehen gebraucht, so sehr schoben sich die Männer in seinem Rücken den feindlichen Truppen entgegen.
    Dann trafen die Schilde aufeinander und mit dem Donnern, das dabei ertönte, wurden alle restlichen Gedanken aus seinen Gehirnwindungen weggewischt. Er brauchte mit einem Mal nur noch zu funktionieren. Unfassbar lange fühlte es sich an, wie die Prätorianer vor ihm, die ihn von den Rebellen trennten, nacheinander fielen oder verletzt wurden und man immer weiter vorrückte.
    Der Iunier stand inzwischen näher am Geschehen als ihm lieb war. Der Gladius eines Gegners traf sein Scutum. Keine Zeit blieb, um erneut darüber nachzudenken, gegen wen man eigentlich kämpfte.
    Avianus' Schwert schnellte vor, glitt von den Schulterplatten der gegnerischen Rüstung ab und bohrte sich in den Oberarm des Rebellen. Den Schmerzensschrei des jungen Mannes nahm der Iunier kaum wahr, bei dem Lärm der um sie herum herrschte und dem Pfeifen das ihm in den Ohren lag.
    Mit wachsender Beunruhigung stellte Avianus jedoch fest, dass der Feind immer weiter zurückwich und hoffte, dass Seneca es schnell genug bemerkte, sollte etwas dahinterstecken.

    Fast alle ihrer Centurie waren heil über den Fluss gekommen. Beinahe ein Wunder wenn man den Beschuss Seitens der Gegner bedachte.
    Auch an Avianus war die Enführung des Präfekten praktisch unbemerkt vorbeigezogen. Als er jetzt, in den wenigen Sekunden, in denen sich die Centurie wieder ordnete, den Hals rekte und sich umsah, erblickte er nirgendwo das Pferd mit dem Decimer. "Wo ist unser Praefectus abgeblieben?", fragte er über den Lärm hinweg gerade noch verständlich den Mann neben sich.
    "Das ist eine Schlacht, Kleiner, sei froh, wenn der da den Überblick behält", antwortete dieser und deutete mit einem Nicken zu Seneca.
    Die Centurie setzte sich in Bewegung und während sie näher an die Feinde kamen, konnte Avianus zwischen deren Soldaten besorgte Gesichter erkennen. Sie haben genausoviel Schiss vor der Sache wie ich, dachte er. Der erwünschte beruhigende Effekt dieser Tatsache blieb jedoch aus.
    "Mittite!", erscholl es auf der anderen Seite des Schlachtfeldes so laut, dass selbst der Iunier es noch hören konnte und der Himmel füllte sich erneut mit Speeren.