Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Seneca
    Ich muss mich bei meinen Tirones entschuldigen, ich bin momentan arg eingespannt. Morgen Abend ist aber wieder mit Posts zu rechnen, also haltet durch! ;)


    Rechnet lieber mit übermorgen, liebe Tirones. Dem war schon nicht zu trauen, als er noch nicht germanisiert war, diesem einsamen Iunius da oben im Norden. ;)

    Avianus lächelte erneut, als sie ihm zustimmte. Wäre es anders gewesen, er hätte nicht gewusst was er hätte sagen sollen. Natürlich hätte er mit ihr darüber gesprochen, aber ob er sich von einem anderen Namen hätte überzeugen lassen, wusste er selbst nicht recht. Umso besser, dass Sibel nichts gegen einen kleinen Lucius Lucullus einzuwenden hatte.
    Sein Lächeln verblasste allerdings ein wenig, als Sibel eine Bitte an ihn richtete, die sich doch ein wenig seltsam anhörte. Wer sollte auf die Idee kommen, ihr das Kind wegzunehmen? Es war doch kein Mensch so blöd, den kleinen Sohn eines Stadtkohortentribuns zu klauen. Und wieso in aller Welt sollte er sowas zulassen? Avianus kam gar nicht auf die Idee, dass Sibel eine Amme meinen könnte. Die riss einem das Kind ja nicht direkt aus den Armen, sondern säugte es einfach nur. Ein wenig irritiert blickte er auf seine Frau hinab. Nach all der Anstrengungen und Schmerzen, die sie hinter sich hatte, war sie vermutlich einfach etwas durch den Wind.
    "Niemand nimmt dir dein Kind weg, carissima", wollte er sie beruhigen und verstand dabei selbstverständlich gar nicht, was er ihr damit versprach. Woher sollte er auch wissen, was Sibel eigentlich meinte. "Mach dir über sowas keine Gedanken. Und wenn's jemand versucht, dann nehm' ich denjenigen persönlich auseinander, ja?" Er grinste leicht.
    Wer auch immer auf eine derart verrückte Idee käme, hätte es vermutlich nicht anders verdient, aber die Chance, dass es überhaupt dazu käme, war ja im Prinzip nicht existent. Exakt aus dem Grund fragte er sich auch, weshalb Sibel sich ausgerechnet darum Sorgen machte. Nicht um Krankheiten, die das Kind haben könnte oder die sie nach der anstrengeden Geburt bekommen könnte, nicht darum, dass das Kind eines Morgens einfach tot im Bettchen lag, was ja auch vorkam ... nicht um irgendwelche realistischen Probleme. Nein, sie befürchtete, jemand würde ihr ihren Sohn aus den Armen reißen. Soweit käme es noch. Vielleicht war es auch ihre Vergangenheit, die ihr stets diese Verlustangst aufzwang? Avianus hatte keinen richtigen Plan, worum es wirklich ging und hoffte einfach, seine Worte zeigten die gewünschte Wirkung. Gleichzeitig war er viel zu sehr damit beschäftigt sich zu freuen und Sibel sollte sich ebenso freuen, und sich weder durch ihre seltsamen Sorgen noch die vielen anderen, die da lauerten, verrückt machen lassen. Sie beide würden ihr Bestes tun, soviel stand fest, und mehr konnten sie nicht machen.

    Sim-Off:

    Ich dachte du wüsstest, dass wir hier warten ;)


    Avianus nickte der Amme knapp zu und registrierte Axillas Blick unterdessen kaum und hätte sich so oder so nicht viel dabei gedacht.
    "Falls ihr mit den Truhen Hilfe braucht, fragt unseren Ianitor Araros." Ob der Alte eine große Hilfe wäre, wenn es darum ging, schwere Kisten herumzuschleppen, war natürlich auch so eine Frage. Aber der könnte zumindest weitere Sklaven zusammentrommeln, je nachdem, wieviel Gepäck die Kinder und ihre Amme mitgeschleppt hatten.
    Da die Amme sich wohl um das Gepäck kümmern würde, wandte sich Avianus wieder den Kindern zu. Wenn die zwei wirklich die Nacht zum Tag machten, konnte man Crassus und Marsa auch problemlos in eines der unteren Zimmer stecken. Dort würden sie kaum jemanden stören, wenn es denn so wäre, und die Amme in die nahen Servitricia. Die musste ja wirklich nicht mehr ins selbe Zimmer. "Was haltet ihr davon, wenn ihr zwei euch hier unten ein Zimmer teilt?", schlug er vor. Da die Domus in letzter Zeit wieder voller wurde, schien ihm ein gemeinsames Zimmer praktischer, und später, wenn die Zwillinge älter waren, konnte man immer noch ein zweites Zimmer einrichten.
    "Was die Kampfübungen angeht, kenne ich ein paar alte Veteranen, die früher bei den Cohortes Urbanae gedient haben. Ein ehemaliger Miles oder Optio hätte sicher nichts dagegen, sich hier ein wenig Geld dazuzuverdienen. Die haben zum Teil auch Erfahrung im Ausbilden, und wir bräuchten nicht noch einen Sklaven unterzubringen", stellte er noch einen Vorschlag in den Raum. Hätte er nicht ohnehin schon genug zu tun, hätte er den Part auch selbst übernehmen können. So würde er Crassus' Ausbildung eben in die Hände eines ehemaligen Soldaten mit jahrelanger Erfahrung geben, sofern niemand einen besseren Vorschlag hatte. Atticus hatte einen ehemaligen Gladiator als Kampflehrer, aber dazu ob es Axilla recht wäre, wenn der auch Crassus unterrichtete, konnte Avianus logischerweise wenig sagen.

    Ad
    Aulus Iunius Seneca
    Domus Iunia
    Mogontiacum, Germania superior



    Aulus Avianus Senecae suo s.p.d.


    Nicht nur die Ahnen schauen breit grinsend auf mich herab, alter Freund, selbst die Götter scheinen es zu tun. Ich kann mich nicht erinnern, je in meinem Leben so viel Glück auf einem Haufen gesehen zu haben.


    Es ist beruhigend zu hören, dass oben im Norden alle wohlauf sind. Der Gedanke, dass ein Wiedersehen vermutlich noch ein ganzes Stück in der Zukunft liegt, stimmt mich zwar ein wenig wehmütig, denn natürlich würde ich mich von eurem Glück nur zu gerne selbst überzeugen, aber über deine Briefe freue ich mich natürlich trotzdem jedes Mal wie blöd!


    Ich kann dich beruhigen, vom fett werden bin ich weit entfernt, schon allein deswegen, weil mir schlicht und ergreifend die Zeit zum Essen fehlt. Ich habe inzwischen ein paar eigene Betriebe auf die Beine gestellt, die römischen Iunii haben noch mehr Zuwachs bekommen, dann ist da noch meine Frau, der kleine Lucius bekommt jedem Abend vor dem Einschlafen Besuch von mir – Ja, lach du nur! Ich merke selbst, wie ich zu der Sorte Kerl werde, über die ich mich früher immer lustig gemacht habe – und für den Rest des Tages bin ich Tribunus. Keine Sorge, wie immer übertreibe ich ein wenig. Es geht mir blendend. Trotzdem habe ich manchmal mehr um die Ohren, als mir lieb ist.
    Der erneute Zuwachs also. Kann man das Zuwachs nennen? Die waren ja eigentlich schon vorher da, nur eben nicht in Rom. Jedenfalls hat es noch mehr Iunii in unsere Domus gezogen. Diadematas kleine Geschwister sind aus Baiae zu uns gereist um in Rom eine gute Ausbildung zu genießen. Schade das Diademata die beiden nicht begleitet hat. Sie schuldet mir noch einen gemeinsamen Besuch beim Circus.
    Und dann ist noch mein Neffe Agricola aus der Versenkung wieder aufgetaucht, in der er vor locker 13 Jahren verschwunden ist. Hab ich dir je von ihm erzählt? Ich weiß es nicht mehr. Etwas schwierig ist er, was wohl seinem Alter zuzuschreiben ist, sonst aber ist er ein ganz passabler Junge.
    Du solltest definitiv Rom wieder einen Besuch abstatten, sonst kennst du hier in der Domus bald kein Schwein mehr!


    Von Lucius und meinen allabendlichen Besuche habe ich ja bereits geschrieben. Es geht ihm nach wie vor ausgesprochen gut. Er hat vor nicht allzu langer Zeit das Grinsen als neue Freizeitbeschäftigung für sich entdeckt, strahlt inzwischen alles und jeden an und bringt damit jedes noch nicht tote Herz zum Schmelzen, und wenn er nicht strahlt oder schreit dann quakt und quietscht er fröhlich vor sich hin. Rede ich zu viel über ihn? Muss daran liegen, dass der Kleine derzeit der Mittelpunkt unseres Lebens ist. Sibel verzichtet auf eine Amme und kümmert sich buchstäblich Tag und Nacht um ihn. Du kannst dir also sicherlich auch vorstellen, wie die Nächte derzeit aussehen. Kleiner Tipp: Kurz. Und da ich nicht dauerhaft in ein anderes Zimmer will, muss ich mich wohl oder übel damit abfinden.
    Da kommt mir bei dem Thema gerade noch eine andere Frage: Weißt du bereits, was ihr mit Silana machen werdet? Ich weiß, im Grunde geht es mich nichts an und ich habe auch keine konkrete Idee, wie du das regeln könntest, aber möchtest du wirklich, dass sie ohne deinen Namen und als vaterloses Kind aufwächst? Irgendwann wird sie Fragen stellen, was willst du ihr dann sagen? Ich weiß, es ist vielleicht nicht das beste, sowas über Brief zu bereden, aber ich wollte es zumindest mal ansprechen.


    Und ansonsten? In Rom gibt es auch ein paar Neuerungen, Veränderungen im Stab der Cohortes Praetoriae und Urbanae. Aber bestimmt ist das bereits zu dir durchgedrungen. Es ist ja nicht seit eben erst davon die Rede und als Praefectus ist man zweifellos gut informiert. Ansonsten tut sich überraschend wenig, was mich nicht einmal stört. Ich habe derzeit mehr um die Ohren als mir lieb ist.
    Wenigstens ist der Frühling schon da, ein wahrer Segen, da hast du Recht.


    Setz dich für mich auch hin und wieder vor ein warmes Feuer, wir wollen ja nicht, dass dir die Finger abfallen. Die brauchst du schließlich, um mir zu antworten. Ich werde derweil hier in Rom für Ordnung sorgen, in der Domus in der Urbs, wo auch immer.


    Cura ut valeas.


    Avianus



    PS: Kannst mir meine Freude nicht einfach lassen, was? Aber wenn's dich glücklich macht, salutier ich dann auch dreimal, werter Praefectus.


    Sim-Off:

    Auf die Wertkarte der Gens Iunia

    "Deshalb heißt er hier ja auch Lucius …", sagte er mit Blick auf seinen Sohn, "Naja, und weil der Name ja ohnehin Tradition hat bei uns. Mein Urgroßvater hieß Lucius, also dein Ururgroßvater, und dessen Vater auch. Und haufenweise andere Männer unserer Familie." Wie es zur Gründung der Republik gekommen war, sollte nicht nur jeder Iunius wissen, sondern eigentlich jeder, der auf Bildung Wert legte. Das war zumindest Avianus' Meinung. Bestimmte Leute in Cales sahen das offenbar anders. Es verwunderte ihn daher natürlich, dass Agricola vor seinen Besuchen in der heimischischen Bibliotheca nie davon gehört hatte. Der hatte sich aber glücklicherweise selbst daran gemacht, die Versäumnisse seiner ehemaligen Lehrer nachzuholen. Nicht ideal, aber besser als nichts auf alle Fälle. Und es zeugte zumindest davon, dass der Junge sich bemühte und ein Teil der Familie sein wollte. Die Begeisterung seines Neffen schien allerdings längst wieder verflogen, und Avianus fragte sich, wie dem wohl entgegenzusteuern war. Schließlich ließ sich Agricola seine Laune vermiesen wegen eines Problems, an dem erstens nicht er die Schuld trug und welches zweitens lösbar war. Wie man Soldaten aufmunterte, wusste er. Ein paar lobende Worte, ein freier Abend, was zu trinken ... die beiden letzteren Optionen machten bei seinem Neffen wenig Sinn. Doch zumindest mit der ersteren konnte er es versuchen.
    "Ich gebe zu, es ist mir ein Rätsel, wie ein Lehrer dir den Namen des Mannes verschweigen konnte, der bei der Entstehung der Republik eine derart große Rolle spielte, ob er nun ein Iunius war oder nicht, aber ich bin stolz auf dich, dass du dich so bemühst." Gut, stolz war vielleicht ein klein wenig übertrieben, war es doch selbstverständlich, dass man sich Wissen über die eigenen Vorfahren aneignete. Aber er wollte motivieren und den Neffen nicht erneut vor die bittere Realität setzen, dass er in den vergangenen Jahren, vom Namen mal abgesehen, kein Iunius gewesen war und jetzt nur seine Pflicht tat, wenn er einer sein wollte. Wobei er das eigentlich nicht allein tun musste. Dass er seinen Onkel gebeten hatte, ihm über von der Familie zu erzählen, schien Avianus ein guter Anfang, aber da ging bestimmt noch mehr. "Am besten stellen wir dir einen Lehrer zur Seite, der dir dabei hilft, dich in dem Labyrinth an Texten und Informationen zurechtzufinden. Oder nimm dir einfach unseren Scriba Dicon zu Hilfe, wenn es dir allein zu viel wird ..."
    Bevor er damit allerdings wieder zu einem neuen Thema abschweifte, blieb sein Blick an dem Karnickel hängen. Blähungen? Kaninchen hatten Blähungen? Vermutlich. Wer verdaute, konnte wohl auch Blähungen haben. Wenn man das falsche verdaute. Man lernte wohl nie aus. "Gut, aber bevor dein Freund da für unangenehme Überraschungen sorgt, bring ihn wieder in den Stall. Dort ist er ohnehin besser aufgehoben."

    Agricola machte weder Anstalten, seinen Paullus wegzubringen, noch sprach er weiter über das Thema. Entweder war es gegessen oder sein Neffe wollte es einfach beiseiteschieben. Seit Agricola in die Domus eingezogen war, hatte Avianus einsehen müssten, dass der Bursche etwas eigen war, wie die meisten in seinem Alter eben. Musste wohl daran liegen.
    Der Neffe war also still, Lucius schaute sich neugierig um und gab hin und wieder einen zufriedenen Laut von sich und der Onkel und Vater hüllte sich in abwartendes Schweigen, bis Agricola sich doch noch zu Wort meldete, erst mit der beruhigenden Nachricht, dass Lucius nicht laut genug war, den gesamten Haushalt wach zu halten, dann mit einer etwas seltsamen Frage.
    "Ja … ihn hören … das tun wir alle", stimmte Avianus mit einem gespielt gequälten Lächeln zu. Agricolas Zimmer schien erfreulicherweise weit genug entfernt von dem Schreihals oder der Bursche hatte einen tiefen Schlaf, was er selbst von sich ja nicht behaupten konnte. Was auch immer von beidem zutraf, Agricola konnte sich glücklich schätzen. Avianus hatte sich schon mehr als einmal überlegt in einem der Gästezimmer zu übernachten, wenn am nächsten Tag ein wichtiger Termin anstand, ließ Sibel aber nur ungern allein.
    "Also, die Geschichte der Iunii … ich habe zumindest damit angefangen. Immer wieder mal ein wenig. Denn leider schläft er meistens innerhalb kürzester Zeit ein", erklärte er mit einem leichten Lächeln. Dass sich die Frage, ob er von den Iunii erzählte, überhaupt stellte ... Natürlich erzählte er seinem Sohn von der abenteuerlichen Vergangenheit ihrer Gens. Nur hatte er selten das Vergnügen, länger als ein paar Minuten oder gar eine Geschichte zu Ende zu erzählen. Die Frage, ob Agricola dabei sein sollte, war eine ganz andere. Wenn er sich abends mit seinem Sohn hinsetzte, genoss er die Stille und Ruhe, konnte erzählen, was auch immer ihm gerade in den Kopf schoss, von den Iunii, von Lucius' Mutter oder einfach nur von seinem Tag, und all das ohne darüber nachdenken zu müssen, was irgendwer über ihn dachte.
    "Gerne kannst du zuhören. Vielleicht erzähl' ich dann mal etwas mehr", antwortete er dennoch, weil er wusste, Agricola hatte es bereits schwer genug, seinen Platz in der Familie zu finden. Und Lucius würde es wohl kaum stören, wenn sein großer Cousin mit ihnen im Zimmer saß.
    "Weiterzuplaudern, wenn mein bislang einziger Zuhörer schläft, ist ja mehr als unsinnig. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht ich bin, der das Publikum einschläfert. Und du hast sicher auch nichts dagegen, nicht wahr?"
    Lucius schaute mit großen Augen zu ihm auf.
    "Uhhh."
    "Warst du denn schon in der Bibliotheca? Dort findest du auch einiges über unsere Vergangenheit."

    Avianus schmunzelte nur und schüttelte leicht den Kopf. Ob ein Tier geopfert wurde, hing bestimmt nicht davon ab, ob es einen Namen trug oder nicht, sondern schlicht und ergreifend davon, ob es ein passendes Opfer abgab und wohl auch, ob es entbehrlich war. Er hatte natürlich keine Ahnung, wie viele Rammler in ihrem Stall hockten, wusste aber zumindest, dass ein oder zwei männliche Tiere reichten. Den Abend wollte er aber sicher nicht damit verbringen, über Karnickel zu diskutieren, ein klein wenig belehren würde er den Neffen dennoch.
    "Karnickel hören nicht auf Namen, Caius." Naja, gut. So genau kannte er sich mit Kaninchen nicht aus. Aber ein Kaninchen, das angehoppelt kam, wenn man seinen Namen rief, hatte er noch nie gesehen. "Und selbst wenn ich hier auf der Stelle jedem einzelnen einen Namen geben würde, kämen sie trotzdem irgendwann unters Messer." Spätestens wenn passende Nachfolger da waren. Da konnte Paullus einen noch so tollen Namen tragen. Avianus ging davon aus, dass sein Neffe verstand. Nur verstand er nun wiederum nicht. Dann trug der Junge das Tierchen also einfach nur zum Spaß herum?
    "Aber gut, behalt vorerst deinen Paullus. Pack ihn wieder in den Stall. Das Opfer wirst ja du durchführen, folglich suchst auch du das Opfertier aus", wollte er im Anschluss klarstellen, dass er lediglich den Zuschauer spielen würde. Agricola war schließlich kein Kind mehr, Erwachsener zwar auch nicht, aber genau das sollte er langsam mal lernen, erst recht wenn er in ein paar Jahren der Armee beitreten wollte. Da konnte man es sich nicht leisten empfindlich zu sein.
    Lucius unterdessen hatte es endlich geschafft, eines der Ärmchen wieder aus der Decke zu befreien und steckte ohne langes Zögern die Finger erneut in den Mund.
    "Deine Mama wird das gar nicht toll finden, nanulus", kommentierte Avianus, ließ dem Sohn aber vorerst seinen Triumph, und Lucius stieß ein quietschendes Lachen aus, bevor sein Blick wieder zu der weniger bekannten Gestalt neben ihm und seinem Vater wanderte.
    "Dein Cousin Agricola. Der Sohn von deinem Onkel Regulus", erklärte ihm sein Vater.
    "Chrrrr", gurgelte Lucius mit der Hand im Mund und lächelte sein zahnloses Lächeln.
    "Hmhmhm …", verkniff sich Avianus ein Lachen, hatte aber das Gefühl, dass einer von ihnen dreien nicht ganz so glücklich war. Sein Neffe machte einen nachdenklichen Eindruck. "Sonst alles in Ordnung? Er weckt dich nachts doch hoffentlich nicht?" Wobei mit er natürlich der Zwerg gemeint war. Es reichte schließlich, wenn er die Eltern wach hielt, obwohl sich Avianus da keine allzu großen Hoffnungen machte. Der Kleine schrie manchmal wie am Spieß, dass Sibel ihn bis nach unten ins Erdgeschoss hörte.

    Eben noch hatte er eine sehr einseitige Unterhaltung mit seinem kleinen Sohn geführt, da wurde er im nächsten Moment von der Seite angesprochen. Im Augenwinkel nahm Avianus seinen Neffen wahr, als er den schon wieder müde werdenden Lucius sorgfältig in seine Decke wickelte.
    "Oh, Caius! Entschuldige, ich hab dich gar nicht gesehen. Natürlich, setz dich …" Wie ein kleines, verschnürtes Packet lag der Winzling endlich auf seinem Schoß. Warme Sonnenstrahlen hin oder her, ein frisches Lüftchen wehte dennoch. Erst jetzt sah Avianus auf, um seinen Neffen genauer zu mustern. Vor allem das Fellknäuel in Agricolas Arm fiel da natürlich auf. "… mit einem Kaninchen?", hängte er deswegen etwas irritiert an. Die Dinger waren zum Schlachten und Opfern da. Fürs Kaninchen kuscheln und herumtragen war Agricola doch längst zu alt. Außerdem würde er nicht lange Freude an seinen Kuscheltieren haben, dessen musste sich der Junge bewusst sein. Es sei denn … "Achso, klar! Hast du dir schon eines für dein Opfer ausgesucht? Sehr löblich. Ein hübsches Tierchen hast du da gewählt. Die Laren werden sich freuen!" Nur weshalb der Bursche es herumschleppte, war Avianus noch nicht ganz klar.
    Lucius unterdessen schien das Gerede und fest eingepackt Sein nicht zu schmecken, nestelte in seiner Decke herum, ließ Protest vernehmen und stellte mäßig erfolgreiche Versuche an, sich aus seinem kuscheligen Gefängnis zu befreien.
    "Ksch! Sonst wird dir kalt und ich krieg Ärger", raunte Avianus dem quengelnden Söhnchen zu, hob ihn hoch, betrachtete ihn einen Augenblick lang seufzend und legte ihn wieder auf seinem Arm ab.
    Dass sein Neffe sein Verhalten für peinlich halten könnte, kam ihm gar nicht erst in den Sinn. Die meisten im Haus kannten zumindest einen Bruchteil der komplizierten Geschichte, die sich zwischen ihm und seiner Frau abgespielt hatte, und gönnten ihnen entweder ihr Glück oder behielten ihre Meinung schlicht und ergreifend für sich. Und wäre es anders gewesen, hätte es ihn vermutlich einen feuchten Dreck interessiert. Viel mehr kümmerte ihn, wenn er seinen Sohn betrachtete, dass er es anders machen wollte als die restlichen Männer seiner Familie, sei es sein eigener Vater, den er nie gekannt hatte, sein Bruder, der sich trotz Kind einfach davongestohlen hatte, oder auch Seneca mit seiner unehelichen Tochter, von welcher niemand erfahren durfte. Lucius sollte seinen Vater kennen, er sollte wissen was er ihm bedeutete, und wenn täglich zumindest einen Bruchteil seiner Zeit für den kleinen Lucullus zu opfern alles war, was er dafür tun musste, dann würde er exakt das machen.

    Welch ein Segen die neuerdings wieder wärmeren Tage doch waren! Wenn er abends nach Hause kam, so nahm Avianus sich vor, würde er keine Zeit verlieren, die letzten warmen Sonnenstrahlen zu genießen, bevor sich Sol wieder hinterm Horizont verzog. Er lächelte breit, als er mit dem kleinen Lucius auf dem Arm in den Hortus stapfte. Der hatte wiederum, dem Grinsen in seinem Gesicht nach zu urteilen, ebenfalls sein Glück gefunden. Mit einer Hand im Mund und großen, neugierigen Augen bestaunte er das viele Grün. Lucius freier Arm ruderte unbeholfen in der Luft. "Uuuh", quiekte er leise. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf dem Gesicht des Vaters ab, als er die Decke, mit der er Lucius nach unten getragen hatte, etwas enger um das Kind zog, doch zumindest die Arme frei ließ.
    "Bald wird es noch wärmer, dann können wir das hier öfter machen … wenn dir der Hortus gefällt natürlich", erklärte Avianus. Einen Moment lang beäugte sein Sohn ihn mit unbestimmter Mine.
    "Ah", quietschte er im Anschluss.
    "Nicht ah. Hortus."
    "Ahh."
    "Gut, dann ah", gab Avianus sich schmunzelnd geschlagen. War wohl noch zu früh für richtige Wörter. Lucius strahlte ihn an. Nie würde sein Vater vergessen, wie der Zwerg ihn vor gar nicht langer Zeit zum ersten Mal angelächelt hatte. Inzwischen grinste er ständig und gab sich Mühe regelmäßig quietschige Laute von sich zu geben, ganz so als wüsste er, dass er die Herzen seiner Eltern damit zum Schmelzen brachte.
    Gnnnh", machte Lucius fröhlich.
    "Baum?", fragte der Vater zurück.
    "Aaaahh."
    "Ah", antwortete Avianus lächelnd, nickte als wüsste er ganz genau, was der Kleine meinte, und machte es sich mit dem Knirps auf einer der Bänke bequem. Sein Sohn grinste zurück. Die Sonne senkte sich schon herab, schickte mit letzter Kraft goldenes Licht über die Dächer. Mit dem eingewickelten Kind auf dem Schoß blinzelte Avianus ihr entgegen. Als er seinen Blick wieder senkte, hatte Lucius wieder eine Hand in den Mund gesteckt und lutschte mit halb gesenkten Lidern genüsslich daran herum.
    "Schmeckt's? Fabelhaft! Solange es dir nur gut geht, bin ich schon glücklich. Nur bitte nicht wieder schreien, ja? Davon krieg ich graue Haare."


    Sim-Off:

    Wer mag, der darf übrigens gerne

    "Natürlich sind die Leute in meinem Steinbruch erfahren in solchen Dingen. Die sind nur leider ein ganzes Stück im Norden in der Nähe von Luca", meinte Avianus und lachte leise, "Wenn also meine Leute hier in Rom das allein schaffen, werde ich darauf verzichten, Arbeiter aus meinem Steinbruch abzuziehen, wenn es nicht sein muss. Ich bezweifle, dass es zu großen Problemen kommen wird. Meine Handwerker hier mussten schon mehr als einmal Altäre aus Marmor schlagen und die bewegen sich im Anschluss nicht von selbst. Es wird einfach jemand sehen, was zu tun ist und wen oder was wir dafür brauchen, und ich werde entsprechendes organisieren."
    Beim Vorschlag des Sergiers, doch einfach Marmor für den Opferstein zu verwenden, nickte Avianus. Wenn nicht nur seine Arbeiter die Restauration übernamen, sondern auch noch der eigene, feine Marmor benutzt würde, käme ihm das natürlich seh gelegen. "Marmor für den Opferstein könnte ich günstig liefern. Für anderen Stein hätte ich Lieferanten, aber das wird dann vermutlich nicht viel billiger werden, als wenn wir gleich den Marmor verwenden, den ich euch zu einem Preis anbieten könnte, mit dem zumindest meine Kosten wären. Mein Vorschlag wäre also, wir bedienen uns einfach an den Materialien, die ich problemlos liefern kann", riet Avianus dem Sergius. Man musste die Sache ja nicht komplizierter gestalten als nötig.
    "Ich würde meinen, da einer meiner Handwerker alles Nötige mit dir besprechen wird, setzt du dich einfach noch einmal mit ihm in Verbindung, sobald der finanzielle Teil geklärt ist und im Anschluss wird mit der Arbeit begonnen. Denn natürlich wäre es mir recht, wenn du beim Beginn der Arbeiten bereits bereitwillige Spender auf deiner Seite hast."

    "Naja, also was das Pferd angeht … das werden wir dann noch sehen. Ich glaube nicht, dass ich große Lust haben werde, nebenher zu laufen. Ich werde sehen, ob sich ein zweites auftreiben lässt", kommentierte Avianus zwinkernd. Ganz und gar nicht hatte er darauf Lust. Und er wollte dem Kleinen auch nicht recht zutrauen, auf seinem Hengst zu auszureiten, so begeistert wie der Junge klang, hatte er nämlich den Verdacht, dass Crassus exakt das im Sinn hatte, mal ganz davon abgesehen, dass Avianus nur ungern auf ein anderes Pferd umsatteln würde. Erst sollte Crassus ihm zeigen, was er draufhatte.
    "Nur der Güterverkehr und Reisewagen dürfen tagsüber nicht in die Stadt. Aber die Frage ist doch vielmehr: Wer will denn in der Stadt ausreiten? Es ist eng, stickig und laut. Glaub mir, wenn du lang genug hier bist, wirst du dich freuen, mal raus zu kommen."


    Da Axilla nicht sofort etwas zur Frage der beiden Kinder sagte, nahm sich Avianus schlicht und ergreifend die Freiheit: "Natürlich könnt ihr bleiben." Sie hatten schon besprochen, wo die Amme übernachten würde, dass Crassus seinen Ausritt bekommen würde, wie es mit Lehrern und Erziehung aussah … stellte sich da wirklich noch die Frage nach dem bleiben Dürfen? Avianus schmunzelte.
    "Das Gepäck kann ja schon mal ins Atrium bis eure Zimmer vorbereitet sind", schlug er vor, obwohl es vor der Domus Iunia natürlich nicht direkt von Verbrechern wimmelte. Man musste den Kram ja nicht unnötig lange vor dem Haus stehen lassen.

    Avianus ließ lautstark die Luft aus seinen Lungen entweichen. Den Gehorsam verweigert. Ja, das hatte er wohl irgendwie. Er suchte nach Gründen ... besseren als: Ich hab's Torquata versprochen. Natürlich. Es war schlicht und ergreifend der einfachste Weg gewesen, Probleme für alle Beteiligten zu vermeiden. Andererseits … wie wichtig war der Hadrianus für die Ermittlungen gewesen? Der Kerl hatte sich als absolute Sackgasse herausgestellt. Und mit Torquata verriet er nun auch die andere Seite. So konnte man die Sache natürlich auch sehen. Mag sein, dass er Fehler begangen hatte, aber seinen Eid verraten? Sich das einzugestehen, ließ erstens sein Stolz nicht zu, und zweitens war der Hadrianus im Grunde nichts gewesen, womit man einen vorgesetzten Tribunus hätte belästigen müssen. Und irgendwelche privaten Angelegenheiten seines Vorgesetzten waren den damaligen Centurio nichts angegangen.
    "Für den Mordfall, den wir damals untersucht haben, waren diese Informationen, von allerhöchstens geringer Bedeutung. Der Name des Soldaten: Hadrianus Fontinalis, Centurio der Legio I. Als ich die Möglichkeit bekam, dem Namen nachzugehen, erfuhr ich, dass er verstorben war. Nichts Auffälliges, was Ermittungen verlangt hätte, und ansonsten gab es über ihn auch nichts Nennenswertes zu berichten. Ein harmloser Kerl. Eine Sackgasse sozusagen. Und irgendwelche existenten oder nicht existenten Liebschaften deiner Tochter zu untersuchen war nicht meine Aufgabe", erklärte er, selbst wenn er befürchtete, dass nichts was er sagen könnte, den Senator milde stimmen würde, und versuchte über dessen Ärger vorerst schlicht hinwegzusehen, was nun wirklich nicht einfach war. Was musste er sich auch immer in jede erdenkliche Scheiße hineinreiten.
    "Sie hat mir die ganze Wahrheit versprochen, Senator. Doch niemand konnte sie mir liefern, weder sie oder der Hadrianus noch sonst wer. Und Schreiben von ihr habe ich auch keine weiteren erhalten nach diesem Brief …" Mit zerknirschter Miene nahm er eine der Tabulae auf seinem Schreibtisch zur Hand, nicht irgendeine allerdings, keine, die Notizen oder Korrespondenzen die Truppen betreffend enthielt. Er reichte sie dem Senator.



    Iulia Torquata Aulum suum salutat.


    Vielen Dank, dass du diese Aufgabe für mich übernimmst, denn du nimmst mir eine große Last von den Schultern.
    Bitte mache dir keine Sorgen - die Gerüchte haben nichts mit dir zu tun. Ich würde dir gerne berichten, was sich tatsächlich zugetragen hat, aber ich wage es nicht und ziehe es vor zu schweigen, solange ich es dir nicht selbst sagen kann.
    Ich kann dir leider kaum Anhaltspunkte liefern, da ich zur Zeit nur eine sehr begrenzte Bewegungsfreiheit habe. Aber ich kann dir Namen nennen, die dir helfen werden. Eine von ihnen ist meine Tante Fundania Agrippina, welche in Misenum wohnt. jedoch hat sie weitreichende Geschäftsbeziehungen überall nach Rom und wird bald durch Selenus eine weitere Quelle haben. Ich empfehle dir Selenus wärmstens, denn er ist ein kluger Mann, Sobald er hier ist, werde ich mich erneut mit dir in Verbindung setzen, um ein Treffen zwischen euch zu arrangieren, sofern du dies wünschst.
    Die andere Person ist allerdings weit weg. Sie kann dir jedoch, im Gegensatz zu mir, alles berichten, was tatsächlich geschehen ist und ich vertraue diesem Mann genauso wie dir.
    Sein Name ist Aulus Hadrianus Fontinalis und er dient als Centurio in der in Mantua stationierten Legion.
    Mantua mag weit weg sein, aber er hat sicherlich auch sein Interesse daran, dass dieser Fall aufgeklärt wird. Aber ich bitte dich, dafür zu sorgen, dass Hadrianus anonym bleibt, denn es liegt mir viel an seiner Sicherheit.
    Sei du jedoch auch stets vorsichtig!


    Vale bene
    Torquata


    "Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei dem Soldaten der Gerüchte um den Hadrianus handelte, aber mehr als dieses Schreiben hatte ich nie in der Hand. Der Hadrianus schien ihr wichtig zu sein, mehr lässt sich aber nicht herauslesen. Wie die beiden konkret zu einander standen, das haben sie mit ins Grab genommen." Was so vermutlich auch besser war. Wäre ja noch schöner, wenn die Öffentlichkeit Bescheid wüsste. Die Gerüchte waren schlimm genug gewesen.

    "Nicht nur würde ich vorschlagen, den Senat nach seiner Meinung zu fragen, …", stimmte Avianus dem Iulius zunächst zu, "… sondern auch, die Akten der damaligen Ermittlungen einzusehen. Das von der Garde damals gesammelte Beweismaterial sollte nicht vernachlässigt werden." Er selbst war an keinen Ermittlungen beteiligt gewesen sondern sogar erst kurz vor der Schlacht bei Vicetia rekrutiert worden, doch dass es Ermittlungen gegeben hatte, war ihm nicht entgangen. Würden die beiden Consularen Tiberius und Vinicius für unschuldig befunden, würde auch das damals gesammelte Beweismaterial für nichtig erklärt werden und sicherlich konnte es nicht schaden zu wissen, was man für nichtig erklärte.
    "Der Consular Vinicius wurde für all seine Ämter, während er den Cursus Honorum beschritt, mit Diplomae ausgezeichnet, allerdings ist mir durchaus bewusst, dass die meisten Consulare weit mehr Auszeichnungen vorzuweisen haben. Ich wäre könnte mich also mit einer Ablehnung durchaus anfreunden." Das Thema wäre seiner Meinung nach schnell geklärt, ganz anders aber bei dem Eques:
    "Was den Eques Prudentius betrifft …" Da musste er etwas ausschweifender werden. "Als Aufnahmekriterium für Equites wurde beschlossen, dass Tätigkeit im Militär lediglich zu einer Aufnahme führen kann, wenn der jeweilige Kandidat mit einem Triumphzug geehrt wurde. Ich möchte keinesfalls unnötig eure Zeit beanspruchen, will aber darauf hinweisen, dass dieses Kriterium praktisch jeden einzelnen in den letzten Jahren verstorbenen Feldherrn ausschließt. Für Politiker wurde als Aufnahmekriterium bedeutender Einsatz für das römische Volk beschlossen, unabhängig von Auszeichnungen, Ämtern und dergleichen. Im Exercitus Tätige, die sogar die höchsten Posten bekleideten und ehrenhaft ihren Dienst leisteten, wird aber von vornherein eine Aufnahme verwehrt." Er verstummte, räusperte sich kurz und blickte in die Runde. Ja, ausgerechnet der kleine Centurio wagte es, die Richtlinien zu kritisieren. Vermutlich stand er mit seiner Meinung vollkommen allein da, aber, selbst Soldat, störte ihn diese Sache vermutlich schlicht und ergreifend mehr als den Rest der Anwesenden, die bisher größtenteils ohnehin stumm geblieben waren.


    Sim-Off:

    Sorry, erst vergessen, dann Frust, dann wieder vergessen ... jetzt aber!

    Als Sibel eintrat, blickte Avianus auf und augenblicklich zeichnete sich wieder ein Lächeln auf seinen Zügen ab. Ach, so lief das von jetzt an? Er zog hier verzweifelt alle Register, damit der Kleine wieder ruhig wurde, und Sibel hockte lauschend hinter der Tür? Natürlich hatte sie den Kleinen gehört. Sie schien fast schon einen sechsten Sinn zu haben, wenn es um das Kind ging, aber er hatte ja gar nicht gewollt, dass Sibel angerannt kam. Er hatte es verbockt, dann würde auch er es ausbaden, gar keine Frage. Leise lachend schüttelte er den Kopf.
    "Wie? Singen? Ich doch nicht", flüsterte er grinsend. Und gut sowieso nicht, doch für Lucius hatte es ganz offensichtlich gereicht. Der schlief inzwischen wieder seelenruhig. Was allerdings nicht viel heißen musste, denn er war ja schon einmal ruhig gewesen. Noch immer mit einem Lächeln im Gesicht und gleichzeitig leise seufzend blickte Avianus von seinem Sohn zum Kinderbett. Am liebsten würde er sich einfach nicht mehr bewegen, so angenehm empfand er die jetzige Stille und so wunderbar schien ihm der Gedanke, dass sein Sohn bei ihm absolut wunschlos glücklich war. Andererseits konnte er schlecht für den Rest des Abends hier herumsitzen, war selbst schon müde und wollte nicht riskieren mit dem Kind im Arm einzuschlafen.
    "Ich hab' ihn versehentlich geweckt und dann wollte er nicht mehr einschlafen, bis ich irgendwas gesungen habe. Und ich wette, wenn ich ihn jetzt ins Bett leg, schreit er wieder", erklärte er und blickte etwas unbeholfen aus der Wäsche, in der Hoffnung, dass Sibel ihn aus seiner Lage befreite. Er konnte seinen Zwerg nur zu gut verstehen. Welches Kind würde schon einen angenehm warmen Arm, sanfte Streicheleinheiten und widerwillig gebrummte Soldatenlieder gegen ein simples Kinderbett tauschen wollen? Der kleine Lucius war alles, aber sicher nicht blöd. Andererseits sollte man Kinder nicht verhätscheln, hieß es doch immer. Avianus befürchtete, dass sie Gefahr liefen exakt das zu tun, und irgendwie fühlte es sich noch dazu gut an.

    Über den Namen hatte Avianus schon damals in den Albaner Bergen nachgedacht, als er mit Seneca darüber gesprochen hatte, Sibel zur Frau zu nehmen, zu einer Zeit, als sie noch nicht das geringste über seine Pläne gewusst hatte und er gerade erst angefangen hatte sich mit dem Gedanken anzufreunden einmal mehr einfach das zu tun, was ihn glücklich machte. Er hatte alle Zeit der Welt gehabt, sich einen Namen einfallen zu lassen, sodass ihm die Entscheidung heute leicht gefallen war.
    "Ja … Lucius, wie der bedeutendste Iunius, den es je gab. Und Lucullus nach meinem Vater", erklärte er, als er sich neben sie setzte, "Er gefällt dir doch? Der Name, meine ich." Bei dem Kind stellte sich die Frage gar nicht erst, so verliebt wie Sibel ihren kleinen Sohn beäugte. Nicht nur über das Kind freute Avianus sich wie verrückt, sondern auch darüber zu sehen, dass Sibel wohlauf und glücklich war. Mit einem Mal hatten sie nun alles. Alles was man sich nur wünschen könnte, kam es ihm. Einen kleinen Sohn, einander und die Sache mit dem Ordo Equester und dem Landgut war da auch noch. Und der kleine Lucius würde auch alles haben, was er ihm nur bieten konnte, beschloss Avianus. Eine richtige Familie zum Beispiel. Nicht wie er, der irgendwo bei einem Onkel aufgewachsen war und sich stets gefragt hatte, warum sein Vater nicht da war, und erst recht nicht wie Sibel, die bis vor kurzem gar nicht erst eine Familie gehabt hatte, an die sie sich erinnern konnte.
    "Er ist wundervoll. Das Beste, was wir je gemacht haben", stimmte er Sibel lächelnd zu, "Und eines steht auch fest: Wir machen die hübschesten Kinder." Dabei meinte er seine kleinen Scherze ja durchaus ehrlich. Um nichts in der Welt würde er seinen Sohn und diesen gemeinsamen Augenblick tauschen wollen.
    "Ich bin so wahnsinnig stolz auf euch beide", stellte er fest, während er Sibel und den gemeinsamen Sohn auf ihrer Brust betrachtete. "Dass ihr das heute so großartig hinbekommen habt, das ist das größte Geschenk, das ihr mir hättet machen können. Ruht euch gut aus, ja? Wenn ihr etwas braucht, bin ich den Rest des Tages da." Der Praefectus hatte ihm ja zum Glück erlaubt, sich einen Tag frei zu nehmen, einen Tag, den er nun gänzlich mit Sibel und dem Kind verbringen konnte.