Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Offenbar hatte ich die Quintilia nicht brüskiert, worüber ich sehr froh war. Und neue Hoffnung keimte auf, dass ich wohl vielleicht doch kein so schlechter Gesellschafter war, wie ich es mir stets einredete. “Oh, bitte, kein Dank!“, wiegelte ich bescheiden ab und lächelte dabei. Immerhin hatte ich es sehr ernst gemeint. Valentina war eine liebe Person. Eine, die zupacken konnte und sich auch nicht zu schade war, eine Ziege zu tragen. Das hatte mir gut gefallen und würde im Folgenden auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie war schon eine tolle Frau, so wie ich es einschätzte und Serapio musste verrückt sein, eine Verlobung mit ihr aufzukündigen. Als ich bemerkte, dass mein Gast zu Muckel, der etwas weiter entfernt Aufstellung bezogen hatte, hinüber linste und auch die Stimme senkte, gab ich meinem Leibsklaven ein kleines Handzeichen, sodass er den Raum nun ganz verließ. Nepomuk entschwand auch sogleich unter einem Nicken, auch wenn der dabei schmollend den Mund verzog.


    Meine ganze Aufmerksamkeit jedoch war bei der Quintilia, die mir offenbarte, warum ich meinen Cousin in der nächsten Zeit nicht auffinden würde. Ich war perplex. Warum hatte er mir das nicht gesagt? War sein Auftrag etwa so geheim, dass er dem guten Casca davon nichts sagen durfte? Ich hatte in der letzten Zeit vieles nicht mitbekommen, da ich mit mir selbst beschäftigt war, doch eine kurze Nachricht hätte er mir ruhig übersenden können. “Hm,“ stieß ich aus und meine Augen weiteten sich dann ein wenig, als Valentina erzählte, dass er aus diesem Grund auch die Verlobung gelöst habe. “Ja,“ begann ich dann. “Besteht denn bei seiner Mission eine Gefahr für Leib und Leben?“ Schrecklich wäre es, wenn sich das bewahrheiten würde! Doch hätte er auch ruhig vorher noch heiraten können, damit die gute Dame einer sicheren Zukunft hätte entgegen blicken können. Aber ich wollte auch nicht spekulieren. Serapio würde sicherlich triftige Gründe gehabt haben, denn mochte vieles sein. Nur verantwortungslos war er gewiss nicht!


    “Ruso unser Gärtner freut sich stets über jede Hilfe. Er ist sehr fleißig und hat einen sehr grünen Daumen, nur mit der Kreativität einer Frau kann er natürlich nicht mithalten,“ sagte ich schließlich, um auf Valentinas Aussage einzugehen und um nicht in meinen eigenen Gedanken zu versinken. Das gehörte sich nicht bei Tisch und erst recht nicht gegenüber einer so wunderbaren Dame. Meine Hand ruhte noch ein wenig kraulend an meinem Knie, doch ich zog sie zurück und griff nun meinerseits nach zwei Käsewürfeln und einem kleinen Stück Melone. “Nein, nein. Meine Verletzung liegt lange zurück,“ begann ich zu erklären. “Als Kind sollte aus mir sollte ein feiner Reitersmann werden, doch war mein Sitz nicht so stark wie mein Wunsch ein Eques zu sein.“ Ich grinste schief. “Meine militärische Kariere endete also an einem Holzzaun mit einem beinahe zerschmetterten Knie. Aber es hat auch sein Gutes. Ich bemerke nun dank ihm Wetterwechsel recht schnell.“ Ich winkte ab. “Ich habe mich aber schon lange damit abgefunden.“ Tatsächlich war es mit meinem Knie an warmen Tagen besser als an kalten und doch fühlte ich mich bisweilen wie ein alter Mann. Selbst der Medicus hatte mir bereits einen Krückstock empfohlen, doch dafür fühlte ich mich eindeutig noch zu stolz und jung.

    Valentina schien ein wenig durch meinen Scherz erschrocken zu sein, doch das registrierte ich nur am Rande, denn im Geiste war ich voran geschritten, zur Tafel hinüber, welche Muckel uns bereiten würde. Dabei wollte ich gar nicht uncharmant sein, ich bemerkte es nur einfach nicht wirklich, was mir dann und wann eben einmal passierte. Bei den gemütlichen Klinen angekommen – welche über einen Standort verfügten, von dem man noch immer gut in den gefledderten Garten blicken konnte – legte ich mich nieder und verzog dabei ob meines schmerzenden Knies kurz mein Gesicht. Ich konnte ein leichtes Ächtzen nicht unterdrücken und ehe ich es Valentina nachtat, meinen Becher zu ergreifen, massierte ich flüchtig mein Bein. Nebenbei gelang es mir trotzdem den Worten meines Gastes zu lauschen und ihm dabei aufmerksam entgegen zu schauen. Doch was sah ich? War es Melancholie? Das bekümmerte mich, denn bisher hatte ich mir nicht klar gemacht, dass es wohl auch unschöne und belastenden Dinge waren, die die Quintilia mit diesem Hause verband. Zumindest interpretierte ich es in diesem Moment so, da ich ja auch wusste, dass eine Hochzeit mit meinem Cousin nicht zustande gekommen war. Warum auch immer. Deshalb wurde mir nun auch äußerst unwohl unter dem Gedanken, dass ich indirekt versucht hatte, das Gespräch wieder auf meine Person zu lenken, was man eindeutig an Valentinas Frage, ob ich denn niemanden zum Zeitvertreib hätte, erkannte.


    Ich regte mich ein wenig auf der Kline und seufzte leise und unhörbar, ehe ich es war, der nun wieder das Wort ergriff. “Das ist sehr schade, dass du nicht länger bleiben kannst,“ sagte ich, “Aber sei dir versichert, dass du in diesem Hause immer willkommen sein wirst.“ Zwar wusste ich nicht wirklich, was vielleicht Serapio darüber dachte, doch ich schätzte ihn eben so ein, dass er sicherlich nichts dagegen haben würde. “Und du musst auch nicht einsam und verloren hier herum schleichen,“ erklärte ich unter einem wehmütigen Lächeln. “Das tue ich schon ganz alleine. Ich weiß nicht wirklich, wie es um Serapio bestellt ist und ich bekomme ihn gar nicht mehr zu Gesicht und ebenso verhält es sich mit meinem Onkel. Sie beide sind entschwunden und ich habe hier kaum mehr als meine Sammlungen, meine Schriften und die Sklaven.“


    “Hier bin ich schon!...Dominus,“ erklang Muckels deutliche Stimme wie auf‘s Stichwort und tatsächlich näherte er sich auch schon mit einem Tablett voller Köstlichkeiten und zwei kleinen Keramiktellen. Das alles stellte er zielsicher auf den Tisch und blickte erwartungsfroh von einem zum anderen.


    “Siehst du, selbst mein Leibsklave ist froh, wenn er endlich mal jemanden anderen im Haus sieht, also kann ich dich nur bitten, dass dies nicht dein letzter Besuch gewesen ist. Zumal die Umstände auch so garstig waren.“ Ich rümpfte scherzeshalber die Nase und zog eine angewiderte Grimasse. Dann fiel mir etwas auf. “Verzeih‘, ich meine damit nicht die Verlobung, sondern die Ziegen eben gerade im Garten.“ Wahrscheinlich hatte ich nun etwas Falsches gesagt und ob dieser Vermutung blickte ich Valentina ein wenig verschämt entgegen.

    Mir war ihr Lächeln nicht entgangen, welches sich aus einiger Fröhlichkeit heraus unter ihren Worten hin zu ein wenig Wehmut veränderte. “Die Casca Decima Mercator ist immer wieder für eine Überraschung gut!“, sagte ich dennoch recht heiter. Dieser jüngste Vorfall passte herrlich gut in meine Biografie, welche bisher ja auch immer von Pleiten, Pech und Pannen gezeichnet war. Also befand ich mit diesbezüglich in einiger Übung und nahm mir gewisse Dinge gar nicht mehr so zu Herzen. Auf diese Weise lebte es sich besser und vor allem auch freier. Ich nickte auf meine Worte hin und lächelte wieder, während sich Paulinus leidlich beruhigt in Richtung Stall davon trollte. Auch die anderen Sklaven lösten sich von der Szenerie und gingen ihrer Wege. Columbana noch immer etwas gebeugt, wobei sie sich den Rücken hielt. Vielleicht sollte man ihr später eine beruhigende Salbe oder dergleichen zukommen lassen.


    Nun aber freute ich mich auf die kleine Erfrischung und ein nettes Gespräch mit der zauberhaften Valentina, die zu meiner Freude auch einwilligte, mir noch ein wenig Gesellschaft zu leisten. Ihr Lachen nach Muckels Scherz wirkte fröhlich und auch ich grinste breit, als sie vorschlug, dass wir uns hier draußen um einen Tisch scharen konnten. Doch ich winkte ab. “Nein, nein, ich denke es ist besser, wenn wir hinein gehen und dem Chaos den Rücken kehren,“, entgegnete ich. “Ich mag zwar des Chaos vielgeliebter Sohn sein, doch verkrafte ich diese Liebe nur in wohldosierten, kleinen Häppchen...“ Ich lachte auf. “Und wer weiß, vielleicht stürmen in wenigen Minuten auch die Pferde hinaus in die Freiheit, um der Schönheit unserer Rosen endgültig den Garaus zu machen. Da mag ich nicht Zeuge werden!“ Ich ließ ein gespieltes, fatalistisches Seufzen folgen und deutete in Richtung Casa. “Ich freue mich sehr, dass du dich bereit erklärst noch ein wenig zu bleiben. Ich gestehe es nur ungern, aber bisweilen komme ich mir doch ein wenig einsam vor….“ Schlendernden Schrittes machte ich mich auf den Weg in Richtung der Köstlichkeiten, die Candace und nun bereiten würde. Sie war eine fantastische Köchin und selbst sprödes Knoblauchbrot wurde unter ihren Händen zu einem wahren Gedicht.

    Ich strahlte über das ganze Gesicht, denn es war lange nicht mehr vorgekommen, dass eine schöne Sklavin mir derartig nahe gekommen war. Und nun hielt ich sie auch noch so dicht bei mir. Die Menschen machten Ulcus und uns Platz und wir konnten uns somit auf den Weg zu meiner Tonstrina machen.
    “Lavinia ist ein sehr schöner Name,“ erklärte ich. “Deine Domina hat einen sehr guten Geschmack bewiesen, oder trägst du diesen Namen schon länger?“ Es sollte der Auftakt zu einem kleinen Plausch werden. Vielleicht konnte ich ja so ein wenig mehr über diese hübsche Kindchen, das in der Tat eine ansehnliche junge Frau war, in Erfahrung bringen. “Sag mir noch einmal den Namen deiner Domina. Vielleicht kenne ich sie ja….“ In der Tat hatte ich den Namen vergessen, wie so oft. Ich würde meinen Muckel anweisen, sie sich zukünftig an meiner Statt zu merken, denn wenn ich erst einmal Aedituus war, würden mit Sicherheit eine Menge Namen auf mich zukommen.

    Nun war es also so weit gewesen und ich konnte mein Zipfel des Stoffes sinken lassen, nur um mich dann auf die kleine, haarige Bestie zu stürzen, welche sich zuvor noch an unserem schönen Garten gütlich getan hatte. Schon hatte ich sie auch schon fest im Griff und behielt sie auch in diesem, auch wenn sie heftig austrat und meckerte. Offenbar hatte es Argus und Sidonius nicht bedurft, denn auch Valentina hatte sich eine der Ziegen gegriffen. Gemeinsam trug man sie nun zum Stall zurück. Columbana ächzte und machte auch sonst einen Eindruck der unmittelbar verriet, dass sie nach dieser Aktion ein wenig der Ruhe bedurfte. Auch die anderen Sklaven halfen eifrig mit und dann war es geschafft. Alle Tiere waren zurück an ihrem Ursprungsort und die Türe zu ihrer Box konnten geschlossen werden. Zufrieden strich ich mir durch mein inzwischen derangiertes Haar und setzte das Lächeln eines Triumphators auf. Dann schaute ich Valentina entgegen.


    “Ja, das wäre vollbracht!“ Ich nickte und klopfte meine edle Tunika ab. Der leicht stechende Ziegengeruch allerdings war noch nicht gewichen und würde es wohl auch ohne Wäsche nicht tun. “Ich muss dir wirklich danken. Ich hätte nicht gedacht, dass du...“Ich unterbrach mich kurz, denn die Worte, die nun eigentlich über meine Lippen wollten waren nicht so schmeichelhaft, wie die Quintilia es verdient hatte. “Also dass du im Haus warst und dieses ganze Chaos sehen musstest.“


    “Es tut mir wirklich sehr leid, Dominus!“, sagte Paulinus, der nun ebenfalls auf mich zu getreten war. Der Junge wirkte niedergeschlagen und zerknirscht. Eigentlich hätte ich ihn zur Rede stellen wollen, ihn fragen was bei den Göttern er sich dabei gedacht hatte. Ja, ich hatte sehr streng mit ihm sein wollen, doch nun, da er vor mir stand, setzte ich ihm lediglich in einer väterlichen Geste die Hand auf die Schulter.


    “Lass gut sein, mein Junge,“ sagte ich beruhigend. “Sie sind halt sehr lebhaft!“ Eigentlich hätte ich schon längst ein wenig härter zu den Sklaven sein sollen, doch ich brachte es einfach nicht über mich. Die meisten von ihren waren überaus dienstbare Geister und sehr ergeben und loyal. Dennoch würde ich in Zukunft aufpassen müssen, dass mir nicht über die Stränge schlugen. Zumindest nicht, solange Onkel Livianus und Serapio so schlecht abkömmlich waren.


    “Muckel, bereite doch ein paar Getränke für Quintilia Valentina und mich vor. Und vielleicht ein wenig Brot mir Käse?“
    “Ziegenkäse?“ Muckel grinste.
    Ich sah im tadelnd entgegen, scheuchte ihn dann aber mit einer Handbewegung fort. “Nun beeil dich!“ Zu Valentina gewandt sagte ich: “Du wirst doch wohl noch einen Moment bleiben wollen?“ Dass sie das wollte, hoffte ich zumindest und vielleicht könnten wir uns ein wenig unterhalten. Es war schon sonderbar, dass ich sie während ihrer Verlobung mit meinem Cousin nicht viel besser kennen gelernt hatte.

    Innerlich frohlockte ich auch gleich nach den Worten des Tempeldieners. Ich als Aedituus! Nun hatte mein Lächeln wirklich keinen Grund mehr zum Ersterben. Fröhlich schenkte ich meinem Muckel, der ebenfalls grinste und hoch beglückt erschien, einen Seitenblick. “Nun,“ begann ich und wippte einmal hoch motiviert auf meinen Fußballen auf und ab. “Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell hier Aufnahme finde, doch ich bin sehr erfreut und auch überaus daran interessiert, der Minerva meine Dienste so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen.“ Ich schaute dem Aedituus nun fest entgegen, straffte meine Haltung und sprach es aus: “Sofort!?“

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    Es blieb dabei: Mir gefiel was ich sah und es störte mich auch nicht sonderlich, dass die kleine Sklavin mir gegenüber eine derartige Rede führte und den Kopf noch immer stolz empor trug. Im Gegenteil. Mir wäre es mehr als unrecht gewesen, wenn sich ihr Gesicht in Furcht verzogen hätte. Immerhin war ich kein Unmensch oder gar ein wütiges Monstrum vor dem man Angst haben musste. Was mir weniger gefiel war die gaffende Meute, die sich um uns geschart hatte.
    Als das holde Kindchen sich meiner beruhigenden Hand auf der Schulter entziehen wollte, blieb ich standhaft und sah im Folgenden zu, dass meine Hand noch einmal dieses Ziel fand.


    “Mein Name ist Cnaeus Decimus Casca,“ erklärte ich dann und lächelte milde dazu, nachdem mir die Serva mitgeteilt hatte, wem sie diente und was sie von meinem Vorschlag hielt. “Papperlapp!“, entkam es mir bestimmend. “Wir machen das genau so, wie ich gesagt habe.“ Meine Stimme war fest und klang sehr überzeugt und in der Tat war ich nicht gewillt auf die Befindlichkeit der Sklavin einzugehen. Viel eher war mir daran gelegen, dass wir diese unschöne Episode beendeten und den Umstehenden kein Schauspiel mehr boten. “Ich werde es deiner Domina schon erklären und ich bin mir sicher, dass es in ihrem Sinne ist, wenn diese Angelegenheit zur Zufriedenheit aller aus der Welt geschafft ist.“ Nachdem diesen Worten gab ich Ulcus ein Zeichen, damit sich der Hüne in Bewegung setzte, um uns eine Gasse durch die Menschentraube zu bahnen. Und tatsächlich machte er sich auch sogleich an seine Aufgabe, indem er einigen Schaulustigen rüde entgegen trat und ein “Weg da!“ heraus grollte.


    Damit die Sklavin mir auch folgte, legte ich nun – ob sie das wollte oder nicht- den Arm und sie und zog sie mit mir. “So sag mir, schönes Kind, wie deine Domina dich nennt,“, forderte ich dabei. Zum einen um in der Tat ihren Namen zu erfahren, zum anderen, um sie ein wenig abzulenken, falls sie sich sträuben wollte.

    Mit der Zeit, so hieß es doch immer, kam immer auch Rat. Nur wurde mir zunehmend und sehr drängend bewusst, dass Zeit hier keineswegs mehr zur Verfügung stand. Eine Lösung musste her und das sofort. Ich schaute Valentina entgegen, welche ein wenig außer Atem gekommen war und hoffte nun, dass mit gemeinsamer Kraft eine Lösung gefunden wurde. Ich selbst überlegte noch, während die Quintilia allerdings bereits kurzentschlossen und recht bündig meinen Muckel packte und ihm sehr deutlich auftrug, die Hunde aus dem Garten zu schaffen. “Jawohl!“, quittierte ich dazu, schaute dem Sklaven ernst und nickend entgegen und sagte noch: “Und sieh zu, dass sie auch ja nicht wieder kommen!“. Danach kratzte ich mich noch einmal am Kopf, während Valentina weitere Anweisungen erteilte. Die Idee dem Chaos mit einem Tuch auf den Leib zu rücken schätzte ich als eine sehr gute ein. Man konnte so eine Kette bilden und die Ziegen mehr oder weniger gezielt einkesseln. “Eine sehr gute Idee!“, bestätigte ich, als meine Retterin mir entgegen blickte.


    Nun war ich doch froh, dass sie unverhofft im Hortus erschienen war. Bisher hatte ich die ehemalige Verlobte meines Vetters nicht näher kennen lernen dürfen und war nun doch ein wenig überrascht, dass sie eine so handfeste Person war, die gezielt und bestimmt zu Werke ging. Gewiss war ihre Schönheit also nicht der einzige Grund gewesen, warum Serapio sie erwählt hatte, auch wenn sie mir zuvor eher zurückhaltender vorgekommen war.


    Als Columbana mit einem großen Tischtuch erschien und eine Reihe gebildet wurde, bei der alle mit anfassen sollten, ergriff ich den letzten Zipfel des Tischtuchs und bezog ebenfalls Aufstellung. Immerhin waren hier alle Hände mehr als nur gefordert. Der Stoff spannte sich und die Reihe setzte sich in Bewegung. Gezielt und bewusst wie eine konzentrierte Cohorte. Langsam wurde es für die Ziegen immer enger und enger und siebegannen sich unter dem sanften Druck in einer Ecke an der Gartenmauer zu versammeln. Ausbruchsversuche wurden zurück geschlagen und schließlich kam auch wieder Muckel in den Garten gehetzt, dem es gelungen war, die Molosser zur Raison zu bringen. “Gut!“, erhob ich meine Stimme. “Jeder konzentriert sich jetzt auf eine Ziege. Denkt daran, fest zu zu packen, damit sie nicht entkommen kann!“ Mit meinen Blicken hielt ich selbst ein kleineres Exemplar fixiert, welches sich in meiner unmittelbaren Nähe befand. “Vielleicht brauchen wir doch noch Argus und Sidonius,“ sagte ich in Valentinas Richtung. Mein Gesichtsausdruck war fragend. Immerhin war sie eine Dame, der ich nicht zumuten wollte, dass sie eine Ziege zurück in den Stall trug.

    So stoisch wie möglich betrachtete ich mir das Geschehen. Es war schon reichlich vertrackt. Mittlerweile hatte sich auch Columbana wieder in Bewegung gesetzt, um eines der Tiere zu verfolgen. Ich stemmte die Hände die Hüften, schnaubte und überlegte fieberhaft wie man dem Chaos Einhalt gebieten konnte. Ein handfester Plan ließ sich aber auf die Schnelle daraus nicht entwickeln. An mir vorbei tobten immer wieder die Hunde, deren frenetisches Gebell meine Ohren zum Klingeln brachte. Die Ziegen stießen immer wieder meckernde Laute und Ruso und Silas ergingen sich bei jedem Fehlversuch eine der Ziegen zu erfassen in einem für meinen Geschmack recht unflätigen Fluchen. Langsam ging der Jagdgesellschaft auch die Luft aus. Was war nur zu tun? Dann hörte ich noch eine Stimme und aus meinem Augenwinkel heraus nahm ich eine weitere Person wahr. Als ich meinen Kopf wendete erkannte ich Valentina, die mit geraffter Tunika los spurtete, um eines der Tiere von einem Rosenbuch hinfort zu scheuchen. Dann kam sie auf mich zu und ich schürzte meine Lippen. Da war sie also, die Zeugin der Niederlage und der Wirren, dabei hatte ich so gehofft, dass niemand hier erscheinen würde. Aber auch ein wenig Überraschung mischte sich meine aufgeriebene Gefühlswelt. Sie war im Haus gewesen?


    “Nun ja,“ begann ich und kratzte mich zeitgleich am Kopf. Das Hilfsangebot würde ich gerne annehmen, nur wollte ich nicht unbedingt, dass sie wie die Sklaven durch den Garten rannte. Diese Option kam mir so unwürdig vor. “Ich glaube nicht.“ Ein wenig ließ ich die Schultern hängen. “Es war ein fatales Missgeschick und nun...“ Ich deutete im Garten umher. “...Nun läuft alles durcheinander.“ Zusätzlich drohte es auch, eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den schönen Hortus dazustellen. “Wenn wir sie nur irgendwie zusammen treiben könnten…,“ sprach ich meinen nächsten Gedanken aus. Dann blickte ich Valentina entgegen, in der Hoffnung dass sie nun spontan eine Idee hatte.

    [Blockierte Grafik: http://i1344.photobucket.com/a…sca/Silas_zpsxnbdnndg.jpg| Silas [Blockierte Grafik: http://i1344.photobucket.com/a…/Paulinus_zpskgt1odpe.jpg| Paulinus [Blockierte Grafik: http://i1344.photobucket.com/a…Columbana_zpsgi1bam30.jpg| Columbana [Blockierte Grafik: http://i1344.photobucket.com/a…ortulanus_zpsfwl6n74l.jpg]| Ruso[Blockierte Grafik: http://i1196.photobucket.com/a…talesChaos/IR/Nepomuk.jpg] | Nepomuk




    “Coluuumbaaana! Du musst mehr nach links! Nein… rechts! Nun treibt sie doch… Silas? Ja, einfach schneller sein! Nun halt sie doch Paulinus...Ja, Ruso, JA!“, brüllte ich durch den Garten, der zu dieser Jahreszeit in vollem Glanz erstrahlte. Unzählige Blüten reckten sich gen Himmel und sämtliches Gesträuch stand in einer wunderbaren Farbentracht. Emsige Bienchen umschwirrten nektargetränkte Kelche und die Vögel zwitscherten, als wollten sie in meine Worte mit einstimmen. Dabei war das Geschehen durchaus ernst.
    Eine wildgewordene Ziegenherde, angeführt von unserem überaus tierlieben Sklaven Paulinus war aus dem Stall ausgebrochen und tobte nun durch den wunderbaren Hort der Entspannung.
    Einige der Sklaven rannten nun umher, um der Bedrohung der Pflanzen durch diese garstigen Fressfeinde Herr zu werden, doch bisher waren alle Bemühungen vergebens.
    Die Ziegen sprangen und hüpften, schlugen Haken und entkamen ihren unfreiwilligen Häschern ein ums andere Mal.
    “FANGT BEATE ZUERST!“, rief ich wieder lautstark. “SIE IST DIE RÄDELSFÜHRERIN!“
    Seit ich die Ziege Beate damals für eines meiner Opfer für Fortuna ausersehen hatte, war sie die Anführerin der schlimmsten Aufstände im Stall. Nun, da sie ausgebrochen waren gab es kein Halten mehr. Auch nicht für nicht unsere armen Sklaven, welche unterstützt von unseren lauthals bellenden Molosser-Hunden hin und her hetzten.
    “Ja! Paulinus hatte sie fast!“, sagte ich aufgebracht, ehe ich mir mit beiden Händen durch mein Haar fuhr, nur um dann eine einzelne Hand vor den Mund zu schlagen.
    “Aber auch nur fast,“ stellte Muckel lakonisch fest.
    “Nun hilf ihnen doch!“, forderte ich und schaute Muckel entgegen, der noch immer sehr lässig neben mir stand.
    Die Herde war nämlich gerade dabei, die zu Dianalaube zu durchstürmen und laut meckernd dann den Weg in Richtung der wuchernden Rhododendronbüsche einzuschlagen. Immer dicht gefolgt von einem treibenden Sklaven.
    “Wenn du meinst, dass das etwas nützt.“
    Muckel trollte sich und lief nun wie die anderen auch stets im Kreis, drehte sich um die eigene Achse und verfolgte Beate mit ihrer Bande.


    “Das tut mir wirklich leid, Dominus,“ erklärte Paulinus nun schon zum fünften Mal, während er an mir vorbei hastete.
    “Ja, ja, mir auch!“, entgegnete ich, während ich beobachten musste, dass eine der Ziegen nun noch die Muße fand, von unseren Rosen zu kosten.


    “VERDAMMTER MIST!“, brüllte Silas, der außer einem kleinen Haarbüschel in seiner Hand ansonsten nichts von einem der Tiere halten konnte.
    “Na, na, na!“, empörte ich mich daraufhin, obwohl mir selbst zum Fluchen zu Mute war. “Holt doch vielleicht noch Argus und Sidonius!“, schrie ich wieder über die Szenerie hinweg. Das waren immerhin kräftige Männer, die mehr Puste hatten als die nunmehr keuchende Columbana, welche, die Hände in die Hüften gestützt, innegehalten hatte um nach Luft zu schnappen.
    Es war zum Haare raufen! Und es war nur zu hoffen, dass niemand aus meiner Familie gerade jetzt dem Garten einen Besuch abstatten wollte.

    Ob meiner Worte wohl, begann das Gesicht des Aedituus zu erstrahlen. Einen Moment lang hatte ich wirklich befürchtet, ich hätte zu dick aufgetragen. Aber bei derlei Dingen war es wohl mit einer guten Wurst. Man konnte niemals zu dick abschneiden, sodass sich nun die Frage in meinem Gegenüber stellte, welche Erfahrungen ich denn mitbrachte. Nun war es an mir wieder überreichlich zu lächeln. “Aber ja! Ich verfüge über Erfahrungen. Ich habe beim Pontifex pro Magistro, dem ehrenwerten Manius Flavius Gracchus, eine Art Tirocinium im Cultus Deorum absolviert. Ich habe ihm dabei geholfen, den Tempel des Mercurius, der gegenüber des Circus Maximus, von der Unbill des Einflusses keltischer Fremdkultur zu bewahren und ich war höchst selbst anwesend, als ein neuer Tempel für den Aesculapius geplant wurde….“ Ich nickte bestimmt und überlegte noch einmal kurz. “Auch habe ich beim Processus Consularis dem Flavius Gracchus als Opferhelfer gedient.“ So weit zu meinen Erfahrungen. Ob diese ausreichen würden, würde sich zeigen, doch ich war wild entschlossen, hier und jetzt einen weiteren Schritt in meine Zukunft zu tun.

    Noch immer hatte mich umgesehen und schließlich hatte ich tatsächlich jemanden erblickt, der sich hier verantwortlich zeigte. Zumindest dachte ich das, als dieser Jemand auf mich zu kam und fragte, wie er mir denn behilflich sein könnte. Muckel hielt sich noch immer an meiner Seite. “Salve…!“, grüßte ich frohen Mutes zurück. “Mein Name lautet Cnaeus Decimus Casca und ich bin heute hier im Tempel erschienen, weil...“ Meine straffe Stimme verlor sich nun ein wenig unter der Tatsache, dass ich mir die Worte im Vorhinein nicht zurecht gelegt hatte und ich nun keine Ahnung mehr besaß, was ich eigentlich sagen wollte.
    “Klient der Kaiserin!“, zischte Muckel unauffällig in mein Ohr.
    “Oh ja, natürlich… Ich bin ein Klient und unserer geliebten Kaiserin und ich bin hier erschienen, da ich von dem drängenden Wunsch beseelt bin unserer verehrungswürdigen Minerva meine Dienste in Zukunft zur Verfügung zu stellen,“ erklärte ich nun fest und unverblümt. Mir war bewusst, dass ich ohne Umschweife mit der Tür ins Haus gestürzt war, doch war auch nicht in der Stimmung, um hierbei noch weitere große Umwege zu machen. Mein Gesicht strahlte und ich breitete pathetisch die Arme aus. “Und deshalb bin ich hier erschienen und hoffe in dir die Person angetroffen zu haben, die mir bei meinem Vorhaben behilflich sein kann.“
    “Sodalis!“ zischte Muckel wieder.
    “Was?“ flüsterte ich zurück.
    “Sag ihm auch, dass du ein Sodalis der Societas Claudi...“
    “Ach so, ja...“, winkte ich ab und fixierte den Aedituus wieder mit meinen Blicken. “Ich bin auch ein Sodalis der Societas Claudiana et Iuliana… und wie gesagt, sehr bestrebt den Göttern die Dienste zu erweisen, die den Frieden mit ihnen zu erhalten. Dabei geht es ja auch um Wohlstand und die Zukunft unseres kostbaren Imperiums,“ philsophierte ich weiter. “Gerade die erhabene Minerva hat ja so vieles dazu beigetragen, dass...“
    Muckel knuffte mich in die Seite und ich beendete meinen Satz mit einem “Äh ja...“. Hatte ich zu viel gesagt? Ich verstummte nun endgültig, um mein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen.

    [Blockierte Grafik: http://i1344.photobucket.com/albums/p656/Gefion3000/for%20others/Ulcus_zpsxxm073wz.jpg]| Ulcus /[Blockierte Grafik: http://i1196.photobucket.com/albums/aa401/TotalesChaos/IR/Nepomuk.jpg] | Nepomuk


    Ja, ich schaute ihr fragend entgegen und merkte kaum selbst, dass sich mir ein sachtes Lächeln auf die Lippen legte. Meine Gedanken tendierten noch immer hin zu der Musenfürstin Calliope, mit der ich dieses zarte Wesen verglich. Und doch war sie eine Frau, ein wunderschöne obendrein. Dabei hatten Frauen immer die Angewohnheit so reizvoll auf mich zu wirken, wenn sie wütend waren und dem Unbill die Stirn boten. Das war schon bei Nelia so gewesen. Hach! Meine Nelia. Insgeheim hoffte ich noch immer inständig, dass sie nun in einer Welt war, in welcher sie sich vom Nektar der Götter laben konnte. Doch es war nur ein flüchtiger, kaum spürbarer Gedanke, dem ich mich keineswegs hingab. Stattdessen lauschte ich den Worten der Schönheit, welche mir eindeutig erlärten, was sich hier zugetragen hatte, während ich mir meinen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Eine Menschenmenge, welche sich nun anschickte unser kleines Problem hier mit gespannten Blicken zu verfolgen. Wie unangenehm. Mein Lächeln neigte sich ein wenig hin zu einer fast leidvoll verzogenen Miene.


    Dann betrachtete ich noch einmal den besagten Stoff, welchen mein Ulcus durch ein dummen Anrempler verunstaltet hatte. Auch glitt mein Blick über die Datteln, welche noch auf dem Pflaster verstreut da lagen. “Das ist wirklich eine unschöne Angelegenheit,“ erklärte ich dann und straffte mich ein wenig.
    “Ist mir reingelaufen!“, verteidigte sich Ulcus schnarrend. Dann war er es, der Hände in die Hüften stemmte.
    “Mein schönes Kind,“ sprach ich dann die Dame an, die offenbar eine Serva war, was sie für mich noch um einiges verführerischer machte. “… ich werde dir natürlich den Schaden ersetzen.“ Dann wendete ich mich meinem Leibsklaven zu.
    “Gib ihr ein paar Asse, Muckel!“ Ich regte mich unter meinen Worten, hob beschwichtigend die Hände und ging noch ein bis zwei Schritte auf die Sklavin zu, die so wundervoll unter ihrer Aufgebrachtheit ausschaute. Nun konnte ich noch besser sehen, wie makellos sie doch war.
    “Äh...Casca,“ kam es von Muckel, der sich mit seinen Händen auf Höhe seines Gurtes suchend mit den Händen herum tatschte. “Ich glaube, ich habe kein Geld...“
    “Was?“ Ich fuhr zu ihm herum, schaute in sein Gesicht und musste feststellen, dass mir ein dümmliches Grinsen entgegen geworfen wurde.
    “Ich glaube, die Börse liegt noch in deinem Cubiculum… ich könnte ja schnell...“
    “BONA DEA!“, stieß ich vernehmlich aus. “Du bist ein riesiges Rindv...“ meine Stimme stockte und mein Augenmerk huschte wieder über die Traube der Schaulustigen, von denen einige nun lachten, andere schnaubten, wieder andere starrten uns einfach nur an. “Nun ja...“, stieß ich aus, wischte mir die Handflächen an meiner teuren Tunika ab und wendte mich wieder an die Sklavin. Immerhin war mir nicht daran gelegen der Menge ein ergötzliches Spectaculum zu bieten.
    “Mein liebes Kind,“ setzte ich noch einmal an, rückte der Sklavin noch näher, um ihr dann ebenso vertraulich wie vermessen eine Hand auf die Schulter zu setzen. Eine wirklich schöne Schuter war das! “… nun werde ich wohl zu einem Zeitdieb,“ mutmaßte ich. “...doch du kannst mir gerne zu meinem Geschäft folgen, dann gebe ich dir genug Geld, um deinen Schaden auszugleichen und schicke einen meiner Sklaven, um dir bei den Einkäufen zu helfen.“ Genauso wollte ich es machen und ich hoffte sehr, dass die Schönheit zustimmte, damit ich sie noch ein wenig betrachten konnte. Wie ansehnlich sie war!

    Zusammenarbeit? Ich war perpelx. Ich würde die Kaiserin nun öfters sehen? Das musste ich unbedingt Serapio erzählen! Der hatte bestimmt eh nicht mehr an meinen Willen geglaubt. Oder an mein Glück. Als die Kaiserin sich nun verabschiedete, sagte ich voller Glückseligkeit: “Danke!“, und “Ich werde dich nicht enttäuschen!“ Trotz meiner sonstigen Versprechen, die ich jemals gemacht hatte, meinte ich es dieses Mal vollkommen ehrlich. Dabei hatte ich es eigentlich schon immer ehrlich gemeint, doch war mein Fleisch stets schwächer als mein Knie gewesen. Wo war nur Muckel? Ich schaute mich um, während Veturia Serana sich nun entfernte.
    Ah! Da war er ja. Leichenblass und und verschwitzt. Ich winkte ihn herbei, er folgte mit der Hand auf Höhe des Magens. “Casca, mir ist so übel!“
    Ich winkte ab. “Ist ja egal! Weißt du, was mir eben gerade passiert ist?“ Ich strahlte. Aus mehreren Gründen. Zum einen strahlte ich, weil ich die Kaiserin getroffen hatte und nun mehr ihr Klient geworden war. Zum anderen war mir die Göttin Minerva hold. Ich hatte es genau gespürt. Und als ein weiterer Grund stand ich. Mein Gefühl, mein Genius, der sich nun endlich zeigte. Ich fühlte mich voller Kraft und schwebte wie auf Wolken.
    “Wein!“, verlangte ich von einem Sklaven, der in meiner Nähe stand. Dieser nickte und kam mit einem feinen, gut sortierten Tablett auf mich zu. Es war wunderbar. So konnte ich mich trefflich wieder unter die Menge mischen. Ich fühlte mich göttlich, himmlisch und in fernen Spähren.

    Es war kaum ein Tag vergangen. Oder zwei. Dabei fühlte es sich an wie mindestens drei! Nachdem ich bei den Feierlichkeiten zur bestandenen Wahl das Favius Scato auf die Kaiserin getroffen war, war meinem Frohsinn kein Ende mehr zu setzen. Nachdem ich daheim angekommen war, sagte ich sogleich zu unser treuen Sklavin Columbana, dass ich noch gut und gerne einen guten Becher Faustianer vertragen könnte. Sie brachte sie ihn auch sogleich. Ob dieses Hochgefühls war mein Verlust, den mir Scipio und Nelia beigbracht hatten, nur noch halb so schlimm. Fast vergessen war er nach einer halben, kleinen Amphore des köstlichen Getränks.
    Doch auch diese Episode war nun in den Hintergrund gerückt, denn ich war im Begriff meine Zukunft mit beiden Händen zu erfassen, sie zu meinem Mund zu führen und sie quasi… zu schmecken. Endlich, endlich, endlich war es so weit und ich konnte die Stufen zu einer Karriere erklimmen, die wohl ihresgleichen suchen würde. So weit war ich zumindest in meinen Gedanken. Ich grinste auf dem Weg zum Minervatempel und selbst mein defizitäres Knie machte heute erstaunlich wenig Schwierigkeiten. Das war wohl das Gefühl des Aufwinds! Ich war glücklich.
    “Muckel… das wird wunderbar!“, prophezeihte ich.
    Oh ja! Ich konnte mich noch gut an den Hauch des Göttlichen erinnern, der mir widerfahren war als ich im Flavischen Anwesen stand. Die Kaiserin sehen und meine – die mir liebste – Göttin erfühlen. Was wollte ein Mann wie ich mehr?
    “Wirklich wunderbar,“ wiederholte Muckel meine Worte und ich seufzte glücklich.
    “Ich werde die höchsten Höhen erstürmen!“, erklärte ich weiter. “Ich fühle es, das ist der Beginn aller Tage...Mein erster Tag auf dem Olymp!“ Ich strebte die Stufen zum Minervatempel hinauf und rückte meine Kleidung zurecht, ehe ich eintrat. Weihrauchgeruch schlug mir entgegen, doch dieses Mal kam dieser mir vor wie der Duft zukünftiger Welten. Ich strahlte innerlich wie äußerlich und schaute mich im Inneren des Tempels um, ob ich nicht irgendeinen Offizialen erspähen konnte. Doch was sollte ich sagen? In Anbetracht der Lage war es mir vollkommen egal. Ich war hier. Ich war jetzt. Und ich wollte eben was ich wollte. Ich wollte Minerva dienen und meinem Imperium. Ich wollte der Kaiserin dienen und meiner Familie. Und ich wollte mein Ego endlich wieder einmal so streicheln, als wäre es kein bissiger Hund.

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    Wo war er nur? Wie konnte man einen so groben, hünenhaften Klotz wie meinen Coiffeur nur aus den Augen verlieren? Stetig bahnte ich mir einen Weg, wurde angerempelt und rempelte. Zum Schluss ein gebeugtes, uraltes Mütterchen mit einem Körbchen am Arm. Zu meiner Überraschung fluchte sie wie ein Kesselflicker, was sie gleich um etliche Jahre jünger erschienen ließ. Ich zollte ihr nachträglich ein wenig Respekt, indem ich ein “‘tschuldigung,“ hervor nuschelte, doch dann ging es weiter.


    Ulcus unterdessen klaubte so eifrig es ihm eben möglich war nach einzelnen Datteln auf dem Boden. “Nicht so? Wie denn sonst?“, wollte er wissen und glotzte der jungen Dame dümmlich entgegen. In seiner Pranke, zwischen Daumen und Zeigefinger quetschte sich noch immer eine der kleinen Früchte, bereit dazu, zurück in den Korb befördert zu werden. Er richtete sich auf und beschaute sich, wie die junge Frau sich das Tuch betrachtete, welches ihr ebenso auf dem Boden abhanden gekommen war. Unter ihren Worten weiteten sich seine Augen. “Bist mir reingelaufen!“, stieß er aus und dann noch: “Hab kein Geld!“


    In der Tat waren Ulcus Taschen leer, denn ich war in diesem Moment noch nicht dazu gekommen die kleine Summe an ihn auszuzahlen, welche ich ihm und Quix in meiner Güte zugestand. Als die Dame ihre Hände in die Hüften stemmte, legte der große Sklave seinen Kopf ein wenig schief. Das tat er immer, wenn er nachdachte. Dieses Mal wohl darüber, ob er es auf eine Konfrontation mit seinem Gegenüber ankommen lassen wollte oder nicht. Offenbar entschied er sich dagegen, schnaubte und wendete sich ein wenig um, um über die Menschenmenge zu blicken, in welcher ich noch immer tief eingetaucht war. “DOOOMIIINUUUS!?“, röhrte er dann aus vollem Halse.
    Da seine sonore und leicht grollende Stimmlage ebenso unverewechselbar wie laut war, kam ich nicht umhin, seinen Ruf zu hören.
    “UUULCUUUS!?“, rief ich so laut ich konnte zurück und erntete dabei tadelnde Blicke von einer Mutter mit Tochter an der Hand, die ob meines plötzlichen Schreiens neben ihr erschrocken zusammengezuckt war. Unglücklicherweise begann das kleine Mädchen auch noch zu weinen. Ich achtete nicht weiter darauf, sondern begab mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Muckel tat es mir nach.
    “Da ist er!“ Mein Sklave deutete auf eine massige Gestalt, die auch ich sogleich als Ulcus identifizierte, der hilfesuchend nach mir Ausschau hielt.
    “ICH BIN HIER!“ Ich hatte meinen Arm erhoben und deutete so von oben herab auf mich selbst. Dann suchte ich mir weiter unbarmherzig meinen Weg durch‘s Gewühl.


    Mein Bein schmerzte, als ich endlich bei Ulcus ankam und ich musste ersteinmal tief durchatmen, ehe mir die Situation klar wurde. Ich sah ein Mädchen, nein, eine junge Frau, nein, eher eine aufkeimende Knospe, nein, Calliope, die Königin aller Musen, mit wallendem dunklem Haar, großen, schimmernden Augen und einem Gesicht, welches ein Bildhauer nicht ansehnlicher hätte in einen Marmorstein bringen können. Ich atmete ein, während mich ich mich in der Lage sah, allein durch diese Sichtung in ein rühriges Gefühl gestürzt zu werden. Sie war wunderschön! Nur leider lächelte sie nicht. Ein Alarmzeichen!


    “Ulcus, was ist hier los?“, wollte ich deshalb vorsichtig wissen.
    Mein grober Sklave hob den Finger und deutete auf den wütigen Liebreiz vor mir.
    “Sie will Geld!“, grunzte er platt.
    “Geld?“ Planlos schaute ich erst Ulcus, dann das junge Fräulein und dann Muckel entgegen. Letzterer zuckte mit den Schultern. “Wieso?“
    “Wegen den Datteln und dem Tuch!“
    Erst jetzt fiel mir auf, dass die Finger der jungen Frau ein verdrecktes Tuch umspannten. Fragend schaute ich ihr entgegen.

    Ich musste schon zugeben, dass ich unter anderem auch mit einer gehörigen Portion Berechnung bei dieser Feierlichkeit erschienen war. Ich hatte erhofft, Manius Flavius Gracchus zu treffen, oder einen seiner Angehörigen. Vielleicht auch die anderen Größen dieser Stadt, doch nun musste ich feststellen, dass alle meine Erwartungen übertroffen worden waren. Ich stand hier, beim flavischen Garten und redete mit der Augusta! Und mehr noch. Ich hatte es gewagt, meinen Herzenswusch zu artikulieren und nun? Nun harrte ich mit roten Wangen und einigem Feuer im Herzen auf Antwort. Wie durchströmte es mich, als mir sie sagte, dass ich ihren Segen hätte. Das hätte ich niemals zu hoffen gewagt. In meinem Inneren löste sich etwas. Vielleicht so etwas wie der gordische Knoten, der bisher alle meine Hoffnungen auf kleinstem Raum gebündelt hatte. Nun löste er sich und es brach hervor. Mit jedem Wort der Kaiserin mehr. War ich immer noch die Made? Ich lauschte gebannt und konnte nicht anders, als meine Hände ineinander zu verkrampfen. Ich hatte ihren Segen, ihre Unterstützung. Ich hatte eine prestigeträchtige Familie, die sich wohl gerade um ein wahrhaftiges Mitglied mehr bereicherte. Im vollem Umfang! Wieder erhob sich die Freude in mit, die sich in eine Glücksen Bahn brechen wollte, doch ich gestatte es nicht. Stattdessen harrte ich und lechzte nach dem letzten Wort meines hochgeborenen Gegenübers. Patronin!


    In mir brach ein Damm und die Fluten stürzen über mein bisher gemartertes Ego. Klient der Kaiserin! Meine Augen weiteten sich und meine Lippen öffneten sich über meine plötzliche Fassungslosigkeit. Doch es war kein Wort, das über sie hervor trat. Es war nur ein “Oh…,“ und dann versagte mir die Stimme. Ich schluckte schwer und konnte es nur schwer unterdrücken, meine Euphorie in Bewegung auszudrücken. “Ich danke dir, Augusta. Für deine Worte und für deine Unterstützung. Das ist alles, was ich mir je… zu erhoffen, zu erträumen, zu fantasieren gewagt habe!“, erklärte ich mit vor Enthusiasmus belegter Stimme. Meine Augen strahlten und ich wuchs körperlich glatt um einen ganzen Meter. Ich fühlte mich wie ein Gladiator in der Arena, dem die Menge zujubelte. Die Massen kreischten und brachten mit ihren vor Hochstimmung trampelnden Füßen den Boden zum erbeben. Nur ruhig, Casca! Nicht gleich pathetisch werden!, raunte mir eine innere Stimme zu.
    Aber es war so fein, so unverhofft, so gigantisch! Ich konnte gar nicht anders. “Gerne werde ich das Angebot annehmen… als dein … Klient werden!“ Mein Herz hüpfte, es trommelte und ich musste gerade aussehen wie ein wonnevoller Welpe, der der Hand seines Herrn entgegen fieberte. Ich war gerührt, ich war erschüttert. Mein Blut pulste in mir. “Ich danke dir, Augusta. Das sind… das ist… ich bin...“ Ich konnte gar nicht aussprechen. “Ich werde meine Karriere verfolgen und nur Ruhm und Ehre für dich, meine Familie und das Imperium bringen… und für die Götter!“ Fast hätte ich sie vergessen, doch nur fast.

    Sie war hocherfreut mich kennen zu lernen. Mich! Das Lächeln in meinem Gesicht wurde noch eine Spur üppiger. Zwar war mir bewusst, dass es gewisse Etikette waren, die sie ein solches sagen ließen, doch es freute mich über die Maßen, diese Worte von ihren Lippen zu vernehmen. Wie schade, dass Muckel gerade draußen war. Staunen würde der! Und ich staunte auch! Sie hatte meine Blicke bemerkt? Hatte ich sie wirklich derartig angestiert? Schamesröte sammelte sich hinter meinen Wangen, doch noch trat sie nicht hervor. In diesem Moment wünschte ich mir wirklich, ich wäre mehr wie Onkel Livianus, so voller Gravitas oder voller strahlender Selbstsicherheit wie Serapio. Oder so eloquent wie Seiana, oder überhaupt gar nicht so wie ich nun einmal war.


    Als ich bemerkte, dass sich die Augusta in Bewegung setzte, folgte ich ihr in Richtung Hortus, von dem bereits eine laue Brise von wohligem Blütendurft kündete. Doch hatte ich kein Auge für das flavische Kleinod, denn ich war gefangen von der Anwesenheit der Veturia Serena und letzten Endes auch von ihrer Frage. Ob ich irgendetwas auf dern Herzen hätte? Dabei staunte ich sowohl über die Direktheit der Frage, als auch über den Umstand, dass sie gestellt wurde. Aber da war einiges. Beginnend mit dem Tod von Scipio und Nelia, über die schlechten Zeiten des Sägewerks und meines Nicht-Vorankommens in Bezug auf den Cultus Deorum, dann noch die Verlassenheitsgefühle und die träge Lethargie, die mich dann und wann befiel. Ja, das war einiges, doch alles in allem konnte ich des nachts noch gut schlafen und es gab eigentlich nichts auf meinem Herzen, was die Kaiserin interessiert hätte. Oder? So stand ich da, runzelte die Stirn, setzte an etwas zu sagen, verwarf die aufkommenden Worte wieder und schwieg noch einen kurzen Moment, ehe ich mich dazu durchrang dann doch etwas preis zu geben. “Nun ja,“ begann ich zunächst etwas stockend. “Ich bin bemüht… oder also quasi recht interessiert am Cultus Deorum. Ich war auch schon mit dem Pontifex pro magistro Manius Flavius Gracchus, der mich ein wenig unter seine Fittiche genommen hat, in einem Tempel um… eine unschöen Sache zu bereinigen...“ Meine Stimme wurde nun ein wenig fester, denn nach wie vor war ich der Meinung, damals gute Arbeit geleistet zu haben, sodass der elende Priester der Gerechtigkeit zugeführt werden konnte. “...Aber das ist ja gar nicht von Belang… Ich fände es nur schön, wenn du, erhabene Augusta, mir deinen Segen auf meinem Weg hin zu einem Priester… geben könntest.“ Die letzten Worte sprach ich mit einiger Inbrunst, auch wenn ich mir sicher war, dass die werte Kaiserin nicht über derartig göttliche Macht verfügte, um wirklichen Segen zu spenden. Aber immerhin verfügte sie über gottgleiche Verbindungen. Oder hatte ich jetzt zu viel gesagt? Zu viel gewagt? Plötzlich fühlte ich mich wie eine Made, die etwas spröde aus einem Apfel hervor lugte.

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    “Uff,“ keuchte der Hüne, der seines Zeichens ein Coiffeur des Cnaeus Decimus Casca war.


    Seinen wahren Beruf hätte niemand vermutet, denn im Grunde hätte er auch ein Held der Arena sein können. Ungeschlacht, wild und mit einem barbarischen Bartwuchs gesegnet, war er seiner Wege gegangen. Und nun. “Tschuldigung,“ nuschelte er der jungen Frau entgegen, die soeben dem Inhalt ihres Korbes verlustig gegangen war. Ulcus war keineswegs ein feinfühliger Genosse (auf en ersten Blick), doch war er eben nicht aus Stein. Vielleicht mochte ihn mancher eben in einer Arena ttehen sehen, den Gladius schwingend, doch war er durchaus viel weniger als das. Alles was er jeden Tag in der Hand hielt war ein Schabmesser, welches den Herren der Tonstrina seines Herrn einen guten Gewinn einbrachte. Wer hätte schon vermutet, dass er die alten griechischen Dichter gelesen hatte und auch einiges an Lebenserfahrung mit sich brachte? Niemand. So bestimmt auch nicht die junge Sklavin, die soeben in ihn hinein gerannt war. Edles Tuch und Datteln? “Tut mir doppelt Leid,“ erklärte er spröde und grinste ein wenig, was Bewegung in seine sonst unbewegte Mimik brachte. Ein wenig mühte er sich, in gebückter Haltung die ein oder andere Dattel aufzuklauben, doch seine Bemühungen waren behäbig und recht ungeschlacht.


    “ULCUUUUUS!“, rief ich vernehmlich über die Menge der Menschen hinweg. Ich hatte meinen Sklaven einfach aus den Augen verloren. Dabei sollte er mir doch gerade heute als Custos dienen und mir die Massen der Menschen vom Hals halten. Ich war gerade auf dem Weg zurück in meine Tonstrina, wo ich mich über den Erfolg meiner Geschäfte Gewissheit verschaffen wollte. “Was machst du denn da?“ Noch hatte ich keinen Überblick.
    “Vielleicht ist er gestrauchelt?“, vermutete Muckel, doch das konnte ich nicht annehmen. Jemand wie Ulcus strauchelte nicht. Er fiel höchsten wie ein gefälllter Baum und ich sah niemanden auf dem Markt, der fähig gewesen wäre meinem Ulcus einen Stein, nein, einen solchen Felsen in den Weg zu legen.
    “Wo ist er denn?“ Noch mochte ich über die Lage keine Einschätzung abzugeben, denn ich sah meinen Sklaven nicht mehr.
    “Abgetaucht,“ sagte Muckel und lächelte blöde.


    Es war auch wirklich ein unmöglicher Tag, um auf den Markt zu gehen. Es war warm und es war voll. Leiber drängten sich an Leiber und man kam nur mühsam von einem Ort zum anderen. Ich hasste es eigentlich, doch war es auch nun nicht mehr zu ändern. Ich war mittendrin und das würde sich auch ändern lassen. Der Brodem von Garküchen und auselaugten Blüten lag in der Luft. Gestank von Straße und Gasse, alles in allem schwer und rau. Wieso hatte ich nur den Weg über den Markt genommen?


    Ulcus unterdessen, noch gut einige viele Fuß von mir entfernt, begann damit sichweiterhin zu bücken un der der jungen Dame zu helfen, die verlustig gegangenen Lebensmittel wieder vom harten Pflaster zu lesen. “Tut mir immer noch leid,“ grunzte er noch einmal hervor. Des Weiteren handelte er wortlos und blickte immer wieder über seine Schulter zurück.