Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Wo waren nur meine beiden Sklaven? Da hatte man schon mal zwei und nun waren beide nicht mehr auffindbar! Oder doch. Blickte man an dem Schlangenmenschen vorbei, konnte man sehen, wie Nelia sich gerade einen Weg durch die bevölkerte Liegenlandschaft bahnte. Während ich also nun Scipio in dieser Angelegenheit fragend bemustern wollte, trank auch er nun einen guten Schluck und kam wohl nicht umhin festzustellen, dass es ausgezeichnet mundete. “Dasch... mein lieber Schcipio... ischt ein wunderprächtiger Fauschtianer von den Hängen des Monte Massico... geschogen von Liber Paters eigener Hand... Er kommt den ganschen weiten Weg ausch Kampanien hierher, nur um mir eine Freude schu machen. Und ja! Man kann nie genug davon bekommen!“, gab ich dann zum besten, ehe ich mir die Amphore vornahm, sie unter einem 'Plopp' entkorkte und noch einmal in einem satten Schwall großzügig in den Becher in Scipios Hand nachschenkte. Dass dabei auch der ein oder andere Tropfen auf meiner edlen Ausgehtunika landete störte mich dabei so gut wie gar nicht.


    “Trink ihn ausch...den Trank der Labe, und vergisch den gröschten Schmerz...wundervoll ist Bachhus' Gabe...Balsam fürsch zerrischne Hersch....“, nuschelte ich verschwörerisch, bedeutete meinem Verwandten zu trinken und klopfte danach fröhlich den Korken wieder in den Amphorenhals. Im Anschluss kicherte ich wie ein kleines Mädchen. “Dasch würdescht du wohl luschtig finden, wenn ich hinübergehe zu diesem...“ Ich zeigte noch einmal auf den leicht bekleideten Tänzer. “...diesem hüllenlosen Bruder der Terpsichore, um mit ihm einen Reigen zu tanzen... aber nein! Nein! Nein!“, insistierte ich zum Schluss noch einmal und schüttelte den Kopf. “Nischt so lange isch auch eine Frau haben kann!“ Ich kicherte noch einmal. “Bischt du schon auf die Löschung der Rätsel gekommen?“, wollte ich dann wissen. “Wenn nischt, habe ich isch hier noch eines für disch... Esch ist klein und grün und sieht ausch wie ein Frosch....Naa?“ Ich blickte Scipio entgegen und hob erwartungsvoll eine Augenbraue.

    “Mann, bist du schwer,“ maulte Muckel, der sich befleißigt hatte, mir tatkräfitg beim Platz nehmen zu helfen.


    Gerade wollte ich ausholen, um meinen Sklaven darüber aufzuklären, dass dies gar nicht sein konnte, da ich ja im Grunde stets ein mäßiger Esser war. Festgelage einmal ausgenommen. Ich hatte auch schon Luft geholt, als ein freundlicher Saturnaliengruß mich erreichte. Mich und meine beiden Sklaven, welche auch sogleich zu Scipio gezogen wurden. Ein wenig empört blickte ich wohl drein, als dieser die Stimme senkte und ihn etwas zu munkelte, doch es war ein Gefühl welches ich sogleich durch einen kräftigen Nipp an meinem Becher hinunter spülte, ehe ich meinem Familienmitglied ein wenig Platz auf der Liege machen wollte. Allerdings wurde ein Arm vertraulich um mich geschwungen, was dieses Vorhaben im letzten Moment unterdrückte. Immerhin. Scipio, den ich nun weintrunken beaugapfelte, war ja auch nicht sonderlich breit. Und dick war er auch nicht. Dafür war er freundlich, ambitioniert und ein netter Zeitgenosse.


    “Schcipio!“, brachte ich heraus. “ISch musch dir mitteilen...isch bin gar nischt be...trunken! Isch habe nur einen guten, schönen... Wein getrunken!“ Wie zur Bestätigung meiner Worte hielt ich dem jungen Mann den Becher geradezu unter die Nase.


    Dass ich mir vorsichtshalber gleich noch eine kleine Amphore mitgebracht habe, erwähnte ich mal nicht. Man sah es ja auch so ganz gut.


    “Und scho ein Fescht ist doch immer ein Grund, um unter Menschen schu gehen... wenn sie doch schon mal da sind...und sie sind doch scher unterhaltscham...“ Zur Bekräftigung meiner Worte zeigte ich in den Raum und merkte gar nicht, dass ich auf einen weitestgehend entblätterten Schönling deutete, der eine Art lasziven, erotisch anmutenden Schlangentanz aufführte. Als ich erkannte auf was ich gerade die Aufmerksamkeit zu lenken versuchte, zog ich so schnell meinen Finger zurück als hätte ich mich verbrannt. Dann jedoch zuckte ich mit den Schultern, trank einen großen Schluck und wendete mich wieder an Scipio. “Wilscht du auch ein bisschen Wein? Nelia bringt dir sicher...“ Ich schaute mich um. Wo war sie denn? Und Muckel auch!

    Vorsichtshalber schaute ich noch einmal in meine Tasche, um wirklich sicher zu gehen, dass das Schreiben auch an Ort und Stelle war. Nicht auszudenken, wenn ich es in meiner Eile... nein, da war es! Den Göttern sei Dank! Wohlverwahrt und ohne Knick. Noch einmal sog ich tief den Atem in mich ein und zählte stumm bis Zehn. Dann atmete ich wieder aus und suchte mit meinen Blicken Muckel, der offenbar ein Wort mit dem Nomenclator wechselte und zu mir hinüber deutete. Automatisch straffte sich meine Haltung etwas und ich schob mir eine verirrte Strähne aus der Stirn. Noch einen Moment dauerte es, ehe Muckel ein frohgemutes Grinsen erstrahlen ließ, einen Daumen in positiver Manier erhob und mich dann herbei winkte.


    “Also gut, Casca... keine Dummheiten jetzt... puh...puh...pfuhhhh....“, pustete ich nach der kleinen Ansprache an mich selbst hervor und liftete mich im Anschluss nahtlos von der kleinen Wartebank.


    “Er empfängt dich!“, zischte mir mein Sklave unnötigerweise zu, als ich an ihm vorbei ging.
    “Davon bin ich jetzt wirklich auch ausgegangen!“, flüsterte ich scharf zurück. “Ich bin doch nicht do...“ Aber weiter kam ich nicht, denn die Tür stand offen und man konnte schon einen Blick auf Manius Flavius Grachhus erhaschen.


    Schnell warf ich so gut es ging ein Grinsen ins Gesicht und stakte so würdevoll es mein Knie zuließ in den Raum hinein, stand dann vor dem Pontifex und reichte ihm ebenso wie er mir die Hand. Es war ein freundschaftlicher Handschlag, was mich sonderbarerweise überraschte. Doch warum? Weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass der Flavier sich freute mich zu sehen? Lange war es her, seit ich vor ihm stand und es waren Zeiten, an die man sich nicht so wirklich gerne zurück erinnerte. Natürlich nicht wegen Flavius Gracchus, sondern wegen der leidigen Umstände.


    “Oh...Salve!“, sagte ich und räusperte mich dann. Was mich herführte? “Die Freude ist ganz auf der meinigen Seite... ich meine... es ist lange her und ich... ich war mir gar nicht sicher ob... also naja..ich...ahm...“ Was mich herführte? Menschenskinners, Casca! “Danke, dass du mich empfängst. Was mich herführt ist eine Angelegenheit, die mir sehr auf der Seele brennt. Nämlich meine Zukunft und mein Wunsch mich...nunja... mich und mein Streben in Zukunft den Göttern zu unterstellen...also mich ihnen zur Verfügung zu stellen...ahm ja...und da dachte ich, also...Serapio dachte das gemeinsam mit mir, dass es ratsam wäre, in eben dieser Angelegenheit deine Salutatio aufzusuchen.“


    Na bitte. Rhetorisch zur Null hintendierend, inhaltlich mäßig... nur mein Lächeln saß perfekt. Während ich ihn so dabei anschaute stellte ich fest, dass Flavius Gracchus sich kaum verändert hatte. Rein optisch, wie ich fand.

    “IO! IO! IO SCHATURNALIAAAAAA!“, röhrte ich aus vollem Halse durch die Gänge des Hauses, noch während ich aus meinem Zimmer torkelte. Nach meiner längeren Krankheit, von welcher ein Medicus meinte, es wäre eine unglückliche Vermischung diverser Gallensäfte, bedingt durch Ruhe- und Rastlosigkeit, fühlte ich mich heute doch relativ beschwingt. Den Tag über hatte ich mir noch fest vorgenommen, mich zu schonen und meinen Kräften somit noch ein wenig Aufwind zu verleihen, doch die anhaltende Pflege von Nelia und Muckel hatten mich nach Wochen der Schwäche doch so weit wieder hergestellt, dass ich mich an den ein oder anderen Weinkelch gewagt hatte. Mir waren Süppchen und Ingwerwässerchen auch langsam über. Außerdem waren die Saturnalien und da lag man nicht leidend danieder. Besonders nicht dann, wenn im Hause eine rauschende Feierlichkeit zelebriert wurde. Zwar hatte ich mich weniger am Essen, sondern viel mehr am Wein schadlos gehalten, doch war dies ein Umstand, der meinen Knochen nur allzu redlich die Lebensgeister wieder eingehaucht hatte. Muckel hatte mir einige Kostbarkeiten von der Tafel gebracht, doch nun war mir danach, mich selbst ins Getümmel zu stürzen.


    “Casca! Du solltest besser im Zimmer bleiben! Dir wird nur wieder schlecht!“, redete Muckel, mein wandelndes Gewissen mir in ein ebensolches, doch über diesen Punkt war ich schon hinaus.


    “Wasch mascht du eigentlisch noch hier?“, brachte ich ihm lallend entgegen, während Nelia an meine Seite geeilt war, um mich ein wenig zu stützen. “Du hascht frei und Nelia auch... Ich....Ich...“ Ich klemmte mir die kleine Amphore noch ein wenig fester unter den Arm und hielt mit der anderen Hand meinen Weinkelch empor. “Ich komme gut allein klar....“ Unter diesen Worten schlingerte ich gen Festivität und achtete nicht mehr auf meinen Sklaven, der mir jedoch stehenden Fußes folgte.


    Noch immer beim Laufen auf Nelia angewiesen, folgte ich dem Klang des rauschenden Festes und taumelte schließlich hinein in das Gewühl. Als erstes stachen mir natürlich die Tänzerinnen ins Auge und die leicht Bekleideten, welchen sich zwischen den Klinen hin und her navigierten, um den Feiernden das ein oder andere anzureichen. Doch auch weiter ließ ich meine Blicke schweifen und wunderte mich gar über mich selbst, dass ich den Abend in meinen Räumlichkeiten verbracht hatte, anstatt hier. Noch am Morgen war mir speiübel gewesen. Doch jetzt? Ich hievte meine Amphore empor und nötigte Nelia, mit meinen Becher zu halten, damit ich ihn gut befüllen konnte. Derweil vernahm ich das Wort Rätselwettbewerb. Leise und weinselig kicherte ich vor mich hin, ehe ich den Becher wieder an mich nahm und den Kelch zum Munde schwang. Ich liebte Rätsel, auch wenn ich ihnen nie auf die Schliche kam und mir selbst kaum welche einfielen. Ähnlich verhielt es sich mit Witzen und frohen Possen, deren Pointen mir immer beim Nacherzählen misslangen.


    “Hascht du dasch gehöööört? So viele Rätsel.... Neeeliaaaaaaa....“, leierte ich hervor, während meine Blicke sich auf eine schlanke Schönheit in luftig seidigen Hüllen richtete, die lächelnd auf mich zu kam, um mir irgendeine kulinarische Kostbarkeit auf einem Tablett anzubieten. Es waren Austern oder dergleichen. “DU hascht Augen jo schön wie ein Reh...“, gestand ich der Dame zu, welche kokett kicherte, während ich auf ihren Busen stierte. Feine feste Dünen, sich hebend und senkend unter dem lustigen Atem.Ich rang nach Luft und löste mich von dem Anblick. Dann klammerte ich mich an Nelia und wagte mich weiter in den Raum vor. Den Becher wieder reckend. “Ioooo Schaturnaaaliaaaa!“, plärrte ich noch einmal vernehmlich.
    “Schaff ihn auf irgendeine Kline und dann sind wir weg!“, raunte Muckel. “Er will allein klar kommen, dann soll er doch! Wir haben frei!“


    “Ja...ein bisschen schitzen wäre nicht schlecht... oder liegen... oder...“ An mir lief gerade ein weiterer gut gebauter Halbnackter vorbei, dessen Haut golden bemalt war und ich war mir sicher, dass er mir zugezwinkert hatte. Dabei hatten wir uns noch nie zuvor gesehen!


    “Los! Da drüben ist noch eine!“ Muckel deutete auf eine Liegestatt, die noch unbewohnt war und tippte Nelia dann an der Schulter an, damit sie sich auch ja beeilte. Ich unterdessen hielt meine kleine Amphore die im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin noch jungfräulich und halb voll war, in guter Umklammerung. Wer sich neben den Blickfängern in Form von Tänzern, Masken und diversen luftigen Schönheiten noch im Raum befand bekam ich zunächst gar nicht mit. Ich war voll konzentriert auf die Kline, die ich mit den Blicken fixierte und ansteuerte, um mich dann ächtzend auf ihr nieder zu lassen.

    Ich muss meine ID's Cnaeus Decimus Casca, Mica und Onatas noch länger abwesend melden. Diese Woche ist der Umzug, dann ist Weihnachten, dann dies und dann das. Ich werde voraussichtlich erst Mitte Januar überhaupt wieder einen Kopf für irgendwas haben. Tut mir leid, dass alles so ewig dauert. -.-

    Ich melde mich an dieser Stelle und entschuldige mich bei allen meinen Spielpartnern. Mein RL und mein Arbeitsleben schlägt zur Zeit mächtig zu. Neben einem neuen Aufgabenbereich beruflich stecke ich auch noch mitten in einer Hausrenovierung und ich brauche derzeit ein bisschen. Ich bin nicht weg, aber ich kann auch immer nur abends mal reinschauen. Da Casca und auch meine anderen IDs imo nur eine Nebenrolle haben, ist das hoffentlich nicht ganz so schlimm.


    Liebe Grüße,
    der Casca (der Mica und der Onatas)

    Keine Stunde war seit meinem Erwachen vergangen und von meiner Hast, so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen war nur noch mein schwerer, heftiger Atem, ein stark schmerzendes Knie und zwei bis drei widerspenstige Haarsträhnen geblieben, die sich sehr deutlich sträubten es dem Rest der sauber gekämmten Haarpracht gleich zu tun.


    “Bona Dea...,“ schnaufte ich und ließ mich unter der Hilfe meines Sklaven etwas steif auf einer steinernen Bank im Atrium des Flavius Gracchus nieder.


    “Sieh's positiv. Offenbar ist die Salutatio noch nicht zu Ende.“


    Ich schaute mich um. Offenbar warteten hier noch einige Gestalten auf Einlass, was aber nicht bedeutete, dass ich auch wirklich noch mein Anliegen vorbringen konnte. Faustus' Schreiben war sicher verwahrt in einer kleinen Stofftasche, die mir über die Schulter hing und wenn es sein musste, würde ich es dem Nomenclator direkt vor den Leib schlagen, wenn er mich nicht mehr hinein lassen würde. Immerhin! Ein überstürzter Morgen und die Furcht davor mich vor Faustus für das Verschlafen rechtfertigen zu müssen, trieb einiges an Entschlossenheit in meinen Leib, die kaum noch Platz für irgendein Hadern ließ. Noch immer pumpte ich nach Atemluft ich wischte mir den aufkeimenden Schweiß von der Stirn, ehe ich Muckels Hand wegschlug, deren Finger versuchten die Wirrniss in meinem Haupthaar zu richten.


    “Geh da rüber zur Tür und warte, bis jemand aufmacht und dann sag, dass Cnaeus Decimus Casca hier ist, mit einem wichtigen Anliegen und einem Schreiben von Faustus Decimus Serapio!“, befahl ich meinem Sklaven, weil ich mich im Augenblick fast außerstande sah, noch einmal aufzustehen und auf meinem brüchigen Knie selbst hinüber zu wanken.


    Muckel schaute mich einen Moment lang ein wenig unsicher an, doch dann machte er sich auf den Weg, um am besagten Ort zu warten. Eigentlich durfte nichts schief gehen. Meinen Namen kannte Flavius Gracchus mit Sicherheit noch und selbst wenn nicht, so kannte er bestimmt meinen Cousin. Wie auch immer. Wieder spürte ich die Nervosität in mir aufsteigen, doch mit einigen tiefen Atemzügen müsste sie eigentlich in den Griff zu bekommen sein.

    In meinem Cubiculum angekommen, schlüpfte ich aus meinen Sandalen und ging ein paar patschende Schritte mit nackten Füßen, ehe ich mich auf meinem Bett nieder ließ. Meine Gedanken kreisten noch immer um den nächsten Tag und das sollten sie auch die nächsten Stunden noch tun. Eigentlich hatte ich mir immer vorgestellt, dass man, sobald man einen festen Entschluss gefasst hatte, oder zumindest die Zukunft konkret vor sich liegen hatte, ruhiger wurde. Aber bei mir war das nicht der Fall. Ich stand immer wieder auf, tigerte ziellos durch das Zimmer oder ich versuchte mich durch andere Dinge abzulenken. Nichts half wirklich. Schließlich stand dann tatsächlich das scheue Wesen, welches man unter dem Namen Timaia kannte in der Tür und überreichte mir verstohlen das Schreiben, welches Serapio aufgesetzt hatte. Ich umschloss es fest mit der Hand und überlegte kurz, ob ich es öffnen und lesen sollte. Letzten Endes entschloss ich mich dagegen. Einige Zeit verschaffte meine Figurensammlung, die ich liebevoll entstaubte, mir Ablenkung. Zum zweiten Mal an diesem Tag und so lange, bis die Sonne langsam hinter dem Horizont versank und es Zeit wurde zu schlafen. Schlaf allerdings wollte sich nicht so zeitig einstellen und ich war froh, als ich letzten Endes doch in einen nervösen Schlummer versank.


    Im Traum sah ich Gracchus auf einem Thron aus Stein sitzen und ich sah einen Mann, der mir als gesichtsloser Priester entgegen trat und der mich in irgendeiner Form unterweisen wollte. Das alles geschah in einem recht beklemmenden und unheimlichen Ambiente, in einem schwarzen Tempel. Rauch waberte um mich herum und ich hörte ein Röcheln im Hintergrund. Immer wieder floss der schwere Atem der Zeit hin zum Altar, zu einem großen, dunklen Stier und ich entschloss mich dazu davon zu fliegen, da die Atmosphäre mir zu geisterhaft anmutete. Durch das Fenster versuchte ich zu entfliehen, natürlich mit den Armen flatternd wie ein gefangenes Vögelchen. Doch dann griff etwas nach mir, schüttelte und rüttelte mich und schnappte in einem letzten schnarchenden Atemzug nach Luft, ehe ich erschrocken meine Augen aufschlug.


    “Casca! Bei den Göttern, hör auf zu Schnarchen und wach jetzt endlich auf!“


    Der Schleier der Nacht war sofort verschwunden, als ich Muckel ins Gesicht stierte. Meine Kehle fühlte sich ein wenig trocken und gereizt an und mein ganzes Bett war vollkommen zerwühlt.


    “Was ist?“, wollte ich wissen. Dann blinzelte ich zum Fenster hinüber. “Muckel! Verdammt!“


    Das durfte nicht wahr sein! Fahrig und überaus eilig kämpfte ich mich unter dem Laken hervor und brachte es zu einem sicheren Stand.


    “Wasser! Ein Tuch... eine Rasur....ich muss mich kämmen und bring mir meine Tunika!“, brachte ich heraus, wobei ich schon selbst hinüber zur Truhe eilte. “Ich habe verschlafen!“ Diese Erkenntnis traf mich hart und mein Herz begann zu rasen. “Ich werde zu spät zur Salutatio kommen!“ Mit dem Armen rudernd scheuchte ich Muckel durchs Zimmer, der sich wirklich anstrengte, alles verlangte zusammen zu tragen. Immer wieder blickte ich zum Fenster hinüber, als würden Blicke allein genügen, den Lauf der Sonne aufzuhalten. Verdammt, dass durfte wirklich nicht passiert sein! [...]

    Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sprechen schaute ich Faustus dabei zu, wie er seine Schrift und seine Syrinx einsammelte, während er mir eine knappe, wenn auch einleuchtende Antwort gab. Ganz pragmatisch eigentlich. Aber brauchbar? War ich das wirklich? Tief in meinem Inneren gärte noch immer meine Auflehnung gegen die Dinge, die er mir gesagt hatte, doch das alles sollte den Kopf doch nicht erschüttern. Wahrscheinlich war es ja wirklich so, dass ich nach einiger Zeit mit einem Lächeln auf diesen Moment zurück blicken konnte, gemeinsam mit ihm. Aedituus. Es klang so verdammt weit weg von meinem jetzigen Leben, doch es würde mir bestimmt gefallen Wege zu öffnen, hin zu den überirdischen Gefilden, die nur Götter wirklich kannten. Einen weisen Rat erteilen. Ich! Bilder keimten mir auf. Ansehnliche Bilder, die Mutter bestimmt stolz machen würden. Und natürlich Vater, die Decimer im Allgemeinen. Sie waren einfach plötzlich da und erfüllten mich mit Zuversicht. “Ja...lächelnd bei einem Wein und frohen Mutes!“, kam es aus mir heraus. Doch es sollte schon morgen sein, dass ich einen ersten sehr ernsthaften Schritt in Richtung dieser Zukunft setzen sollte? Gedankenverloren und nach einem letzten Nicken zum Abschied, hatte ich meinem Cousin hinterher gesehen.


    Ich hatte gar nicht bemerkt, wie viel Zeit verstrichen war, weil ich so beschäftigt gefunden hatte, auf die Tischplatte vor mir zu starren. Irgendwie hatte sich ein recht klammes Gefühl in meinen Magen geschlichen, wo es auch sogleich einen festen Knoten des Unwohlseins bilden wollte. Und in meinem Kopf? Dort hallte noch immer das Echo dieses Gespärchs nach. Muckel kam wieder. Ich hörte es an seinen raschelnden Schritte auf dem Gras und an dem leichten 'Tock', dem Geräusch, mit dem er die Schale mit den Pfirsichen auf den Tisch stellte.


    „Wo ist denn dein Cousin?“ Er schaute sich suchend um.


    „Och Muckel!“ Ich seufzte schwer - ein weiteres Mal.


    “„Was denn?“


    „Ich denke nach...“


    „Worüber?“


    „Über ein Indiviuum...nein...mein individuelles Selbst, das allein für sich niemals epochal und edel werden kann... und dass... Leidenschaften niemals ein Köder für ein leicht zu entzückendes Herz sein sollten...dass ich immer nur ein serviles Element in einem großen Getriebe sein soll... und dabei ein Heidengeld verdiene...irgendwann...“ Zugegeben, ein Heidengeld verdienen war doch auch immer ein großer Köder und es hörte sich nicht einmal schlecht an. Im Gegenteil.


    „Äh ja... Wie viel hast du getrunken?“ Muckel beugte sich über den Tisch und schaute prüfend in meinen Becher.


    „Hm?“ Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. “Offenbar nicht genug,“ entkam es mir ergeben, ehe ich mich erhob. Muckel gab ich nur ein Zeichen, dass er mir folgen sollte, ehe ich mich auf den Weg in mein Cubiculum begab.

    Ich bin nicht der Held des Diskussionen, aber ich will nun doch mal reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Das vielleicht mehr, mal weniger...schaun wir mal...


    Das IR ist nun einmal historisch angelegt. Und an dieser Stelle finde ich es auch vollkommen richtig, dass es als 'historisch' ausgezeichnet wurde. Es mag zwar stimmen, dass der Fokus eben sehr auf diese Tatsache ausgerichtet ist, doch ich denke auch mal dass es daran liegt, dass es eben nun einmal so ist. Hmm....ja... Das lehrt meine Erfahrung.


    Aus dem Nähkästchen
    Als ich mich damals hier zum ersten Mal angemeldet hatte, war das der Tatsache geschuldet, dass mich jemand mehr oder weniger 'heiß' gemacht hatte durch Erzählungen, Links und Beschreibungen. Es hieß dann: 'Komm doch, komm,..ist nicht schlimm...bitte, bitte, bitte...brauchst auch nur einen Sklaven spielen, der muss eh nix wissen'. Voll klasse...lalalala... Gut, habe mich – meines Erachtens – mit Engelszungen belabern lassen und - mittlerweile bin ich hier und muss nun meinerseits, nach der langen Zeit erkennen, dass es nun wirklich nicht immer leicht ist, selbst – bei aller Begeisterung - jemanden für das IR zu gewinnen. Da erwische ich mich dabei zu sagen: 'Komm schon...büdde büdde büdde...nur als Sklave, die sind eh...'dumm' was das Historische angeht.' Diejenigen die sagen...'Hmm...ja...vielleicht' sind eh auf allerlei historischen Boards vertreten und lieben das Spiel mit der Geschichte, doch auch diese sagen so etwas wie: 'Hngh...mal gucken, dass ist alles so viel, viel zu komplex, das erschlägt mich von der ganzen Historie her.' Alles gute und hervorragende Rollenspieler! Ich denke, es liegt daran, dass das IR in seiner Struktur und seinem Regularium her eben nicht so ist wie jedes andere X-beliebige Board und darüber hinaus schon so (verdammt) alt ist und mit der Zeit eben gewachsen ist. Das allein schon ist eine Ausnahme im aktuellen Netz. Wenn ich z.B. sage meine erste ID war zum ersten Mal 2009 hier angemeldet, gucken alle komisch. Allein der Zeitraum schüchtert ein in der modernen Welt. Auch als Gast kann man hier eben mitlesen. Dieses erste 'Erschrecken' (das ich auch noch selbst gut in Erinnerung habe) liegt meines Erachtens nicht nur daran, dass dieses Board als 'historisch' ausgewiesen ist, sondern an vielen spezifischen Begriffen, die meistens auch in Latein gehalten sind, die kaum ein (und auch noch so guter) RPGler ohne googeln kennt. (Latein ist 'out') Ferner liegt es eben an den absolut gewachsenen, (und auf den ersten Blick) undurchsichtigen Strukturen, die man nur auf den ersten Blick schwer nachvollziehen kann als Außenstehender. ( Einem wächst schon einmal eine gotische Kathedrale aus dem Kopf, beim Versuch alles bei den ersten Versuchen verstehen zu wollen) Und das ist das Erschreckende daran. Entweder man ist bereit nachzulesen und zu verarbeiten, wenn man es 'ernst' meint oder man ist es nicht.
    Nähkurs Ende


    Als 'Gast', der mal eben reinschaut sieht eben nicht, dass das Wissen über einen laaaaaangen Zeitraum erworben wurde und die Komplexität, die dazu gehört nun einmal mit dazu. Wie ich schon sagte. Es schüchtert ein in seiner massiven Historizität. Und nun zu behaupten, dass ein jeder sofort damit klar käme....wäre vermessen. (Ich nehme mich nicht aus). Das widerspräche der eigenen Erfahrung und jener, die ich in jüngster Zeit hatte. Man schreckte ja sogar zurück auch nur einen Sklaven zu spielen, Sicherlich- und da stimme ich Vala vollkommen zu – ist es ein offenes Play, in dem jeder willkommen ist! (Ich sage immer: Denk dir die SMS weg...das Auto und die Aspirin. Aber es ist] nun einmal historisch und in der Antike angesiedelt! Und da führt kein Weg dran vorbei.)


    Vielleicht wäre dem Ganzen wirklich schon geholfen, wenn man in der Werbung eindeutig klar machen würde, dass man hier Wissen erwerbenkann und dass es keinesfalls von Anfang an gefordert ist. Egal in welcher Rolle. Der Spaß am Schreiben zählt und eben der am eigenen Charakter, den man verkörpert (behaupte ich mal). Von dieser Motivation lebt ein Board. Und kleinkarierte Nickeligkeiten gehören gehören meines Erachtens nicht in eine gute Mitgliederwerbung, wie Curio hier erwähnt, denn genau DAS ist es, was neue Mitglieder eher abschreckt, als sie zu gewinnen. Diese absolute Kennerschaft um jedes minimale Detail, das irgendwo, irgendwann mal in der Geschichte wichtig war. Details kann man bei Bedarf später noch korrigieren. Ich gestehe, dass ich aus der (nicht unbedingt nur historischen) Rollenspieler-Ecke komme, in der exklusive geschichtliche Details der Fantasie nachstanden und in der das Spielerische vor dem eigentlich historischen Kontext stand. Vielleicht sollte sich das IR hier gerade bei der Mitgliederwerbung ein wenig positionieren. Rein (sklavisch) historisch oder auch ein wenig freies RPG? Ich glaube, die Wahrheit trifft sich in der Mitte, was auch gut ist und da ist ja auch eigentlich das, was der aktuelle Text aussagt, aber man sollte es schon ein wenig hervor heben....hm.... Gut, jetzt habe ich mal wieder viele Worte produziert. -.- Aber was solls. Ist ja auch schon spät.


    Just my 50 Cents ( in epischer Breite, und so).

    Ein wenig hoffnungsvoll hatte ich nach meinen Worten nun doch noch meinem Cousin entgegen geschaut. Dabei wusste ich auch nicht so recht, worauf sich diese Hoffnung beziehen sollte. Vielleicht darauf, dass er so reagieren würde wie Mutter? Nachgiebig, meine Äußerungen bejahend und abnickend? Nein, er würde mich nicht an der Schulter fassen, mit mir ein paar Schritte gehen und mir milde, aufbauende Worte entgegen bringen, die mein Gemüt besänftigten, selbst wenn er nun tatsächlich nickte. Dies allerdings bezog sich auf meine Einsichtigkeit mit der zukünftigen Behandlung der Sklaven. Aber es folgte auch ein kleiner Trost als er meinte, dass mein Schicksal vielleicht doch kein Schlechtes wäre, da viele Soldaten auf den Schlachtfeldern zurück blieben, an Krankheiten starben oder gar ihr Bein komplett einbüßten. Dies alles war in meinen Kindheitsträumen natürlich niemals ein Thema gewesen und ich musste mir vor mir selbst gestehen, dass es dies bis zum heutigen Tag nicht war. Blutige Schlachten wurden doch immer nur woanders geschlagen, weshalb es mir Probleme bereitete, sie mir vor dem inneren Auge in aller Tiefe und Abscheulichkeit auszumalen. Als die lynchwütige Masse in die Casa Decima hatte einfallen wollen, war es doch schon so weit gewesen. Und was hatte ich getan? Auf jeden Fall hatte ich nicht heldenmütig das Schwert in die Höhe gereckt, sondern ich lag bebend und zitternd mit der Nase auf dem harten Boden meiner ureigenen Realität und hatte mich an meine Caesarfigurette geklammert. Ich war halt kein Massa, kein Sparsus und auch kein Serapio. Mein Blick fiel unvermittelt auf seinen Schwertarm. Vielleicht war es ja in aller Bitterkeit der Selbsterkenntnis auch wirklich gut so. Ich schnaubte mir meine Anspannung von der Seele, die sich nun wenigstens ein bisschen lösen wollte, obwohl Faustus mir nun heftig widersprach.


    Die kleinen Verlockungen waren eben nichts, was sich der Dienstbeflissenheit in den Weg stellen sollte. Das wären so wohl auch Vaters Worte gewesen. Das dienende Glied in einer Kette, die sich schwer und fest um ein leidenschaftlich klopfendes Herz schloss. Bis es verkümmert, dachte ich neuerlich renitent und seufzte nun doch vernehmlich und schwer, doch ich sollte ja nun aufhören zu dramatisieren und in mich hinein zu lauschen, als schon die spöttische Frage von Faustus an mich gerichtet wurde, ob er denn aussähe wie ein ausgetrockneter Brunnen. Ich schüttelte schwach den Kopf und wollte gerade etwas erwidern, als er meinte, es würde nichts zur Sache tun. Also schwieg ich und lauschte weiter, bis mein Cousin sich erhob. Offenbar hatte er alles gesagt, was er mit mitzuteilen hatte und an dem ich gewiss noch eine Weile zu knabbern haben würde. “Ja... verstanden, ich krieg's in den Griff“ nuschelte ich dann – mich geschlagen fühlend - vor mich hin, ehe ich mich räusperte und lauter und wesentlich deutlicher sprach. “Ich meine ja...natürlich. Ich werde dem großen Ganzen gewiss dienlich werden und pünktlich sein...“ Ich schnappte noch einmal tief nach Luft. “...ein wahrer Decimer, mit den Zügeln fest in den Händen.“ Natürlich auch wohl gekleidet und adrett. Ich nickte Faustus mit leicht zu Fäusten geballten Händen zu, während ich mich noch an einem Lächeln versuchte, welches allerdings scheiterte als mit bewusst wurde, wie nahe ich nun dem nächsten Schritt in meinem Leben war. Morgen schon! Ganz früh! Beim obersten Pontifex! Ein wenig Unruhe mischte sich nun doch noch einmal unter mein eh schon bewegtes Innenleben. “Was genau wirst du denn schreiben? Ich meine... was genau soll ich ihm denn sagen?“

    Von der Seite hatte ich Camelia mit flüchtigen Blicken betrachtet und hatte noch überlegt, ob ich ihr etwas Aufmunterndes sagen sollte. Immerhin verriet ihre ausgeprägte Mimik rege Gedanken, wobei sie zeitgleich auch ein wenig verunsichert wirkte, was sie gar nicht sein musste. Dennoch meinte ich auch offenes Interesse und Achtung an der hohen Vestalin in ihren Augen auszumachen. Nun, gleich würde sie ja sehen, dass Messalina noch niemanden gebissen hatte, so weit mir das zu Ohren gekommen war. Und tatsächlich kam uns auch ein freundliches 'Salve' entgegen. Oder zumindest mir. Ich lächelte noch immer und nahm auf einem der angebotenen Sessel Platz. Tatsächlich hatte Faustus diese Plätze gut gewählt, denn sie lagen mitten im Geschehen und ein jeder der von links nach rechts wollte musste unweigerlich an uns vorbei. Ein wenig auf dem Präsentierteller saß man hier und ich mühte mich, meine Haltung so würdevoll wie möglich zu gestalten ohne dabei altväterlich zu wirken. Muckel wedelte ich ein wenig nervös zu, damit er endlich diesen dämlichen– mit einem Haufen blanker Muschelschalen übersäten – Teller an die Seite stellte. Der bot nämlich wirklich kein schönes Bild.


    “Oh...Tante Drusillas Hochzeit...sie war wirklich einmalig. So anders und erfrischend,“ erklärte ich dann rasch und lachte leise auf, nachdem Messalina noch Camelia nach einer späteren Kostprobe ihres Könnens gefragt hatte. “Sie war wirklich und ungelogen eine phänomenale Braut.“ Während ich noch sprach folgte ich mit den Blicken Messalinas Deut hinüber zu Borkan und nickte unwillkürlich. “Das ist kein Sklave,“ erklärte ich dann leise gen Vestalin. “Das ist Borkan.“ Gut, der Name allein erklärte auch nichts. Kurz musste ich nun selbst einmal im Gedächtnis kramen, doch dann meinte ich mich zu entsinnen. “Er ist meines Wissens ein Freigelassener. Zumindest glaube ich das. Aber... hast du ihn nicht auch bei Tante Drusillas Hochzeit gesehen? Da war er auch schon Faustus' Begleiter.“


    Unterdessen hatte sich die reizende Camelia ihr Instrument anreichen lassen und äußerte sich sehr bescheiden über ihre Kunst. Dann setzte auch sie sich und die Saiten der Kithara erklangen untermalend zur Widmung, welche sie nun tätigte. Oh? Sie wollte noch einmal singen? Jetzt gleich? Wir hatten uns ja noch gar nicht richtig mit Messalina unterhalten! Ich unterbrach überrascht das Gespräch und lehnte mich ein wenig in meinem Sitz zurück. Natürlich hatte ich niemals etwas gegen schöne Melodien, die ansatzlos als Visitenkarte dienten, besonders nicht, wenn sie von einer entzückenden, unermüdlichen Künstlerin stammten, die dem Fest in aller Bescheidenheit nun ihren unvergleichlichen Stempel aufdrücken wollte. Nur nahm ich ihr bei ihrem Tatendrang die Bescheidenheit nicht mehr unbedingt ab. Was folgte war ein zartes Lied über die Freuden, die ein verliebter Mensch nach Zeiten der Einsamkeit empfinden konnte, wenn er sein adäquates Gegenstück fand. Sehr passend eigentlich für eine Verlobungsfeier, bei der man immer wünschen konnte, dass eine schöne Verbindung bis in die Ewigkeit Bestand haben mochte. Als auch der letzte Ton verklungen war, klatschte ich entzückt. “Herrlich!“, rief ich halblaut und meinte dann zu Messalina: “Ich habe es ja gesagt! Wie ein Vögelchen, dass den Morgen begrüßt!“ In der Erwartung, dass wir bei dieser Darbietung zusätzlich zu den Logenplätzen noch einmal mehr in den Vordergrund gerückt wurden, vergewisserte ich mich, dass mein Sklave auch wirklich diesen Teller beiseite geräumt hatte. Gut, das hatte er getan, also konnte ich nun beruhigt weiter lächeln.

    Ja, es tat doch wohl, mir einmal derartig das Herz zu erleichtern und obendrein endlich einen – mit den eigenen Lippen geformten – Entschluss zu fassen. Beinahe hätte ich meinen eigenen Worten entlastet hinterher geseufzt, doch schon im nächsten Moment sollte sich gefühlsmäßig der Boden einen Spalt auftun. Es war genau der Moment, in welchem Faustus sehr deutliche Worte bezüglich Herzensangelegenheiten sprach, die konträr zu Dienst und Familienehre standen. Und da war er wieder, der leichte Schock beim Verspüren eines innerlichen Drucks, der sich plötzlich löste und eine Welle der Erschütterung durch mich hindurch trieb. Unwillkürlich hatte sich meine Hand noch fester um den Becher gekrampft. Richtig, ja, ich war nicht auf der Welt um irgendwelchen Neigungen nach zu gehen, die ich meinte zu verspüren, doch der Trotz der sich augenblicklich ob dieser energischen Ansprache einstellen wollte sagte mir, dass tief empfundene Neigungen doch sehr wohl eine Rolle spielten, wenn man denn auch wirklich gut sein wollte in dem was man zu tun gedachte. Wie oft hatte ich diese Diskussion mit Vater? Tausend Mal. Und es war immer wieder Mutter, die mich danach auffing und mir mit samtenen Worten nach dem Munde redete. Immerhin war ich ihr heiß geliebtes Nesthäkchen und obendrein noch eines mit einem gebrochen Flügel. Ich mühte mich, meine Miene ausdruckslos zu halten und atmete ein paar Mal – hoffentlich unauffällig – kräftig durch. Mit langen Blicken verfolgte ich, wie Muckel sich nun widerstandslos aufmachte, um ein wenig Obst aufzutreiben und schnaufte ein nichtssagendes “Hm...“ hervor.


    Doch Faustus hatte noch lange nicht geendet und er erzählte, welchen Weg er sich in seiner eigenen Jugend für sich ausgedacht hatte. Natürlich tat er dies, um mir zu berichten wie witzlos und nichtig jugendliche Zukunftsträumereien waren. Ich lauschte stumm und noch immer aufgewühlt seinen Worten. Besonders als er Bellerphon erwähnte, der am Ende seiner Laufbahn vom geflügelten Pferd herunter stürzte und für den Rest seines Lebens ein verteufelt armer Krüppel war, dem nichts mehr als Einsamkeit blieb. In meiner Kindheit habe ich diese Geschichte ungern gehört, denn immerhin verdankte ich einem ähnlichen Vorkommnis mein eigenes Knieleiden, welches mich an der Erfüllung meines eigentlichen Traumes hinderte. Und dass er nun erzählte, dass er sein wahres Können in der Verteidigung Roms und bei der Militaria Equestris gefunden hatte, machte es irgendwie auch nicht wirklich besser für mich. Genau das war in arglosen Kindertagen auch mein Traum gewesen. Ich sah mich auf feurigen Rössern mit einem hoch erhobenen Gladius in der Hand. Ich spielte mit meinen Freunden Triumphzüge durch, die untermalt waren durch imitiertes Tröten und Geschepper mit allerlei Küchenuntensilien und natürlich hatte ich Massa beneidet. Mehr als das! Nein, diese Ansprache traf mich wirklich schlimm. Überhaupt mochte ich es gar nicht, zurecht gewiesen zu werden, denn ich hatte immer mein Möglichstes getan! Ich war ein strebsamer, fleißiger Schüler, der stets an den Lippen der Lehrer hing und ich schlug meine eigenen Schlachten in Athen unter den Fittichen von Xantokles, dem senilen Meister der Rhetorik. Gut, Rhetorik war auch nicht immer meine Stärke, aber immerhin war ich immer bemüht gewesen auf diesem Gebiet ebenfalls wacker zu sein und das auch immer unter der Fahne der Decimer.


    Und nun sollte ich das Seufzen und Denken lassen. Ich brachte es zu einem Nicken und einem konsternierten Gesichtsausdruck, mit dem ich Faustus nun entgegen schaute.


    Doch auch die – in meinen Augen – nächste Rüge folgte schon auf dem Fuße. Es ging um Muckel, den ich zugegebenermaßen fast so sanft behandelte wie meine Figurensammlung. Faustus meinte nun, dass Sklaven niemals die Freunde ihres Besitzers seien können und dass alles durcheinander geraten würde, wenn man die Zügel schleifen ließ. Neuerlich erfasste mich eine Welle des Widerwillens gegen diese Worte. Muckel war vieles! Mein Gedächtnis, mein mahnendes Gewissen, meine rechte Hand, meine linke Hand, mein verlässlicher Begleiter, meine Stütze beim Laufen, mein Laufbursche, mein Wecker, mein Barbier, mein Mundschenk und in letzter Zeit war er sogar mein einziger Gesprächspartner. Ja, das alles mochte er sein, aber eines war er gewiss nicht: Mein Freund! Nein, so hatte ich ihn noch nie betrachtet! Etwas angebittert kräuselten sich meine Lippen. Das allerdings war nicht unbedingt Faustus Worten geschuldet. Es stimmte ja, Muckel hatte wirklich keinen Respekt, doch so weit ich mich erinnern konnte, war das immer schon so gewesen. Ich besaß ihn nun seit so vielen Jahren, seit meiner Kindheit, und vieles hatte sich einfach schleichend und ohne großartige Zur-Kenntnisnahme meinerseits entwickelt. Gut, vielleicht war ich auch zu Nelia zu weich. Von Anfang an, doch sie hatte sich einfach so leise in mein Herz geschlichen wie ein verzagtes, hilfloses Katzenjunges. Dabei war sie keines! Bei Leibe nicht! Und da waren wir wieder bei meinen Herzensangelegenheiten.


    “Hm...,“, stieß ich wieder hervor. “Ich...ahm..ja...“ Mit noch immer verspannten Fingern hob ich meinen Becher und trank einen guten Schluck. Geräuschvoll setzte ich das Trinkgefäß dann wieder auf der Tischplatte ab und wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. Meine Blicke richteten sich – an Faustus weit vorbei - in die rot-violette Pracht des Lavendelbusches zu unserer Rechten. Was bei der großen Mutter sollte ich jetzt nur erwidern? So ging es mir immer bei solchen Gesprächen und mit Grauen erinnerte ich mich noch an das Gespräch mit Seiana, bei welchem sie mir die Betriebe überantwortet hatte. Ich war vollkommen betrunken gewesen und mit Wein besudelt. Eine wahrhaft peinliche Vorstellung war das gewesen. “Ja...ich...,“ sagte ich dann leise vor mich hin, ehe ich mich von der Pracht der Blüten los riss. All meiner aufgewühlten Gefühle zum Trotz wisperte mir eine innere Stimme zu, dass ja im Grunde alles richtig war, was Faustus gesagt hatte. Hatte ich mich nicht zuvor noch in den Raum geworfen, ich sei nicht mehr als ein nutzloser Schwärmer? Warum sollte es mich nun wundern, wenn die Antwort in Form eines aufrüttelnden Fußtrittes kam? Aber so ganz konnte ich es auch nicht auf sich beruhen lassen.


    “Ich weiß, dass ich manchmal zu weich bin, mit mir und mit Muckel. Auch mit Nelia“, brachte ich wacker heraus. “Aber ich werde mich bemühen das zu ändern! Und wie gesagt, ich wollte auch immer zu den Legionen,“ griff das irgendwie schon von Faustus scheinbar abgehakte Thema noch einmal auf. “Das wäre mein Lebenstraum gewesen. Zum Wohle Roms und der Familia. Aber das... Schicksal wollte es nun einmal anders mit mir haben, doch leider hat es mir nicht verraten, an was es dabei genau gedacht hat.“ Zugegeben. Ich klang zunächst noch ein wenig bitter, doch das sollte sich legen, während ich weiter sprach. “...Also was bleibt sind nun einmal die Eingebungen... nein, viel eher die Tendenzen des Herzens um wenigstens zu erspüren, in welche Richtung es nun gehen soll. Wie soll ein Mensch denn auf einem Gebiet zu Ehren gelangen, wenn er genau weiß, dass ihm seine Aufgaben nicht das klitze kleinste Bisschen entgegen kommen? Ein solcher Mensch kann nur scheitern, wenn er die Kraft für sein tagtägliches Tun aus nichts weiter als bloßem Pflichtgefühl ziehen muss. Es wäre, als ob man Wasser aus einem mehr und mehr versiegenden Brunnen schöpft. Was bleibt wäre dann trockener Boden, der nur noch wenig zur Ehre gereicht, da auf ihm rein gar nichts mehr wachsen will.“ Ich ertappte mich dabei, wie ich beim Sprechen auf die Tischplatte starrte. Dabei gewahrte ich die Panflöte die noch ein wenig unter der Schrift, die Faustus mitgebracht hatte hervor lugte. “Hast du aufgehört an die kleinen Fantasien und Lockungen des Herzen zu glauben, die einem Menschen immer wieder neue Möglichkeiten aufzeigen und ihn weiter und weiter treiben? Ich meine... es muss doch... auch Leidenschaften geben.“

    Tatsächlich ergriff das Fräulein meinen Arm und hakte sich unter. Damit durfte wohl die erste Hürde hin zum Korbsessel der decimischen Vestalin genommen sein, zu der ich nun meine Schritte hinüber setzte. Mein Knie ziepte unter jedem Schritt, doch ich ignorierte es tapfer. Immerhin wollte auf dieser Feierlichkeit nicht lahmen wie ein altes Ross. Was die junge Camelia betraf, so blieb ich ihr zugewandt und lächelte ihr entgegen. Aus Hispania stammte sie also. Diese Provinz des Reiches hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen, doch ich hatte mir viel davon berichten lassen. Schließlich stammten die Decima nicht nur aus Attica, selbst wenn mir mein eigenes Aufwachsen dies hatte weis machen wollen. Camelia erzählte mir nun ein wenig von ihrem Vater und ihrer Mutter und ich lauschte andächtig, wobei meine Blicke allmählich schon bei Messalina weilten. “Ja, auch mich wird nichts in die Politik bringen,“ erklärte ich dann, als Camelia nun meinte, dass es ihren Vater wieder auf das Land zurück gezogen hätte. “Sie ist eine schmutzige Kunst.“ Das meinte ich ehrlich. Schon manch ein Mann war mit erhobenem Haupt durch die Pforte der Politik geschritten und kam letzten Endes gebrochen wie ein geprügelter Sklave wieder heraus. Doch dann stutzte ich. War Camelias Schwester, die bei der rauschenden Wolke Drusilla wohnte etwa die Dame, die von einem wilden Opferbock um ein Haar niedergetrampelt worden war? Das war auf der Hochzeit meiner Großtante mit dem sagenumwobenen 'Bubu' gewesen. Ja, ich erinnerte mich, wenn auch nicht sehr genau.


    “Auch ich habe meinen Vater verloren,“, sagte ich dann, als ich merkte, dass die Stimmung der jungen Decima ein wenig kippte. Ich schaute ihr entgegen und nickte ihr noch einmal zu. “Aber was wir haben ist ja immer noch... all das hier!“ Mein Lächeln verkümmerte zwar ein wenig, doch es war durchaus aufrichtig gemeint. Im Trösten war ich noch nie besonders gut gewesen und ich wusste auch nicht, ob Camelia derartiges nun benötigte. “Nun sind wir hier und wir werden es doch genießen, nicht wahr?“ Ich ließ es nun zu, dass sie von meinem Arm abließ, denn inzwischen waren wir an unserem Bestimmungsort angekommen. “Salve Messalina!“, sagte ich freundlich und ich neigte mein Haupt ein wenig, um einen salbungsvollen Gruß anzudeuten. Ja. Nun waren wir da. Ich schaute noch einmal über meine Schulter und stellte fest, dass mein Sklave mir gefolgt war. Noch immer mit meinem Teller in der Hand. Dann schaute ich noch einmal in die Richtung, in der Faustus sich aufhielt und erst dann blickte ich wieder Messalina entgegen. Das Lächeln welches sich nun einstellte war aufrichtig, auch wenn ich mich ein wenig unvorbereitet fühlte. “Ich freue mich sehr, dass wir uns hier wieder begegnen,“ erklärte ich. “Ich hoffe, dir geht es gut? Das letzten Mal haben wir uns bei Tante Drusilla getroffen.“ Ich hielt noch einmal inne. “Das war eine schöne Feier!“, behauptete ich und räusperte mich. “Vielleicht darf ich dir nun Camelia vorstellen. Sie kommt aus Hispania und sie ist eine wahre Künstlerin mit der Kithara, der sie die schönsten Töne entlocken kann. Und auch ihrer Stimme! Vielleicht hast du es schon vernommen? Sie singt so zart wie eine Nachtigall.“ Unter diesen Worten formten sich meine Worte noch einmal zu einem vollendeten Lächeln. Gut. Das war gar nicht mal so schlecht für den Anfang. Alles weitere lag nun in den Händen der Dienerin der Vesta.

    Ja, mein Cousin hatte bestimmt recht mit seinen Vorschlägen zur weiteren Handhabung der Tonstrina. Mit Grausen dachte ich an Ulcus und Quix, obwohl letzterer mit ein wenig mehr Pflege durchaus ansehnliche menschliche Zügen bekommen könnte. Beim grauseligen Ulcus jedoch war Hopfen und Malz verloren und er würde sich wohl am besten als Torwächter vor dem Hades eignen. Mich schauerte immer, wenn er mit vor dem inneren Augen entgegen trat. Etwas Sauberes musste her, etwas Ansehnliches und Gepflegtes, mit einem Händchen für die Kundschaft. Natürlich auch mit einem Auge für die neuste Mode der Metropole. Wahrscheinlich würde ich mich doch noch einmal auf den Sklavenmarkt begeben müssen, oder eben einen passenden Angestellten suchen. Nur woher nehmen und nicht stehlen? All diese Gedanken allerdings waren nun nicht mehr im Fokus, denn immerhin war das Gespräch schnell auf meine Zukunft gekommen. Ein Thema, bei dem ich mich allein gelassen, immer nur im Kreis drehen konnte, wie ein Hund der fanatisch seine eigene Rute jagte.


    Immerhin hatte mir Faustus recht vehement widersprochen, als ich meinte zu nicht mehr als zu einem Schwärmer zu taugen. Vielleicht war gerade diese raue Ansprache, mit der er mich nun bedachte, etwas, was ich unbedingt brauchte. Doch einige von seinen Aussagen schafften es sogar mir zu schmeicheln. Ein Decimer war ich, gebildet und mit Stil? Ich konnte ihm in ersten Moment überhaupt nichts entgegnen, denn meine Selbstwahrnehmung sagte mir grausamer Weise jeden Tag etwas anderes. Ich linste verstohlen zu Muckel hinüber. Gut, so weit man meinen Sklaven als Mittel zur Erkenntnis bezeichnen konnte.


    “Hm... ja... ja...“, gab ich bestätigend von mir, als Faustus sich über der Senat ausließ. Ein weiteres “Ja,“ folgte, als er nun noch einmal die Frage die Cultus oder Verwaltung aufwarf.


    Ein bisschen verspannt krallte ich meine Finger um den Becher. Cultus, Verwaltung, Cultus, Verwaltung, wieder Cultus und wieder... der Hund bellte frenetisch und schnappte neuerlich nach seinem Schwanz. Was sollte es sein? Ich hob meinen Kopf und schaute meinem Cousin entgegen. Kaiserliche Kanzlei. Das klang im Grunde genommen recht gut, nur verband ich mit 'kaiserlich' immer auch noch ein wenig die Wirrnisse, die eine Horde Wildgewordener lautstark 'Fleeeisch' vor der Villa krakeelen ließen. Aber das war ja nun vorbei und so wie es sich anhörte, standen die Türen nach allen Seiten hin offen. Ob über Livianus, Varenus oder über den flavischen Pontifex Gracchus. Aton. Ich musste unwillkürlich grinsen, auch wenn dies objektiv gesehen eine denkbar schlechte Situation für ein Grinsen war. Vielleicht beseitigte ich es deshalb mit einem neuerlichen Schluck aus dem Becher, ehe ich nach Worten suchte.


    “Es ehrt mich sehr, dass du einen sprachgewandten Mann in mir siehst und nicht nur ein Anhängsel aus Attika,“ kam es mir zuerst in den Sinn. “Einen Mann mit Stil aus der Familie der Decimer...“ Tatsächlich trafen diese Worte auf mein Gemüt wie ein herrlich warmer Sommerregen. Ich zog ein wenig voluminös Luft in meine Lungen und ließ sie nur langsam wieder aus. Es war eine leichte Ergriffenheit, die mich nun heimsuchte, doch es ging um mehr als Reaktionen auf eine empfundene Schmeichelei, ermahnte ich mich selbst. Faustus hatte hier alle Wege treffend und unkompliziert entblättert. Ich brauchte nur noch mit dem Finger auf eine der Optionen tippen und sagen: Ich wähle diese! “Ich kann mich einfach nicht entscheiden,“ erklärte ich dann zu meinem eigenen Frust noch einmal, ehe mich nun dazu durchrang alles noch einmal zu durchdenken. “Vielleicht hast du ja Recht, dass mit der Weg in den Cultus Deorum besser liegt, da ich bei genauerer Betrachtung nicht glaube, dass ich meine Tage einzig und allein in irgendeinem Offizium verbringen möchte. Ich brauche immer etwas Praktisches um die Hand. Etwas, was meines Erachtens auch mit Sinn erfüllt ist.“ Ich deutete auf meinen Papyrus. “Als ich meinte, ich sei ein Schwärmer war das nicht einfach nur so dahin gesagt. Ich liebe große Worte und große Gesten und ich fürchte, in der kaiserlichen Kanzlei oder gar bei den Finanzen werde ich diese nicht finden. Es sei denn bei den Empfängern von Schuldscheinen.“ Ich schmunzelte unter meinen Worten ein wenig müde. “Es ist so schwierig, aber ich glaube... ja, ja, ich glaube, mein Herz ist mehr den Göttern zugeneigt. Nur möchte ich auch nicht aus naiven Annahmen heraus einem schnell gewählten Weg folgen. Wahrscheinlich tue ich mich deshalb so schwer... Aber... alles Hadern wird nichts nützen,“ seufzte ich schlussendlich hervor. “Die Salutatio des Pontifex ist morgen früh, sagst du?“ Ich nickte. “Dann werde ich mich dort einreihen und auf das Beste hoffen.“ Mit einem Empfehlungsschreiben dürfte es auch gar nicht so schwer sein. Darüber hinaus war Flavius Gracchus ein Mann, der mir nicht gänzlich fremd war. Immerhin hatte er mir in seinem Hause ein Obdach geboten, nachdem wir gemeinsam aus dem Pferdestall hatten fliehen müssen.

    Unter leise schlürfenden Geräuschen hatte ich mich der köstlich salzigen Muscheln angenommen, hatte noch einige kleine Pastetchen verzehrt und tunkte nun gerade einen Bissen herzhaftes Brot - gespickt mit ein wenig Fisch - in eine kleine Schale Garum. Dabei waren meine Blicke stets über die Gästeschar gewandert und ich hatte es auch nicht unterlassen können, der lieblichen Decima Camelia ab und an zuzulächeln. Gerade noch dachte über ein Thema nach, in welchem ich mich einigermaßen heimisch fühlte und mit dem ich die junge Dame in ein kurzweiliges Gespräch verwickeln konnte, als mein Sklave mich auch schon wieder an seine Anwesenheit erinnerte.


    “Iss doch nicht alles durcheinander! Du wirst dir wieder den Magen verrenken.“


    Ich fuhr herum und schaute Muckel empört entgegen. “Lass das meine Sorge sein!“, zischte ich ihm entgegen.


    “Du weißt doch, dass deine Sorgen schnell auch zu meinen Sorgen werden!“


    “Dann hört auf dich zu sorgen!“, forderte ich und schob mir demonstrativ das Brot in den Mund, welches ich auch sogleich mit einem Schluck Wein hinunter spülte. “Du bist nicht meine Amme!“


    “Ich bin doch nur besorgt, dass...“


    “Nun ist es aber gut!“, empörte ich mich leise. “Es besteht kein Anlass ... !“


    “Noch!“


    “Weißt du Muckel, du kannst mich wirklich langsam mal....“ Ich bemerkte, dass sich eine Hand auf meine Schulter legte und ich blickte flüchtig zur Seite, eben zu jener Stelle hin. Dann hob ich den Blick.


    Es war Faustus, der sich für das Geschenk der Quadriga bedankte. Ich nickte und lächelte ehrlich. Es freute mich wirklich sehr, dass mein kostbares Kleinod in kundige Hände gekommen war, die es eben so pfleglich behandelten, wie es das von mir gewohnt war. Nicht auszudenken, wenn Faustus es als läppisch abgetan hätte. Auch dass mein Cousin etwas Symbolisches an dem kleinen Kunstwerk finden konnte, erfreute mich sehr. “Man sollte nicht immer darauf hören, was manche sagen. Die meisten reden nur so dummes Zeug daher, weil sie in ihre eigene Stimme... nun, ich will nicht sagen verliebt sind, aber... ja,“, sagte ich ein wenig beschwichtigend auf sein beklommenes Lachen hin, wobei ich meinem Sklaven einen eindringlichen Blick schenkte. Ja, diesen Schuh konnte auch er sich sehr wohl anziehen. Doch dann kam Faustus auch schon auf eine Bitte zu sprechen, die mich zur edlen Vestalin hinüber blicken ließ, die nun in einem Sessel mitten im Geschehen thronte. Mein Cousin hatte recht. Sie würde gewiss früher oder später Gefahr laufen auf ihrem isolierten Posten – selbst wenn dieser inmitten der Gästeschar lag – ein wenig zu vereinsamen. Augenblicklich nickte ich verstehend und konnte doch nicht anders, als die Stirn kraus zu ziehen. Ich sollte sie unterhalten und ihr die Gäste vorstellen?


    “Puhhh...,“ kam es unverhofft aus mir heraus und ich schaue wieder – vielleicht auch ein wenig skeptisch - meinem Cousin entgegen, der gerade den Bock zum Gärtner machen wollte.


    Ich kannte doch selbst kaum jemanden und wahrscheinlich wusste Messalina mehr von den Gestalten, die sich im Peristyl tummelten als ich selbst. Trotzdem konnte ich jetzt schlecht 'Nein' sagen, zumal ich ja auch nichts dagegen hatte, mich in Messalinas Nähe zu begeben. Im Gegenteil. Ich mochte sie ja ganz gerne und darüber hinaus brachte die Nähe von Vestalinnen bestimmt auch Glück. Meine Blicke schwenkten nun zu der reizenden Camelia hinüber, die mir laut Faustus Ansinnen Gesellschaft beim Gesellschaft leisten... leisten sollte...


    “Ja...das erscheint mir eine überaus gute Idee zu sein. Das werde ich sehr gerne tun!“, sagte ich unter einem jovialen Tonfall, der soviel besagen sollte, dass ich auf diese Idee auch gleich selbst hätte kommen können.


    Ich drückte Muckel unumwunden meinen Teller in die Hand und umfasste mit der Linken meinen Weinkelch, während ich mich mühsam ächzend unter meinem leidenden Knie auf die Beine erhob. “Wohl an,“ sprach ich und bot der kitharabezwingenden Nichte des Faustus galant meinen Arm an. “Gehen wir doch hinüber zu Messalina.“ Ich deutete mit meiner kelchbewehrten Hand in die passende Richtung und wollte mich in Bewegung setzen.


    “Aber ich glaube, wir wurden selbst einander noch nicht so recht vorgestellt. Ich bin Cnaeus Casca und bin selbst erst seit ein paar Wochen in diesem Haus. Ich komme den weiten Weg aus Piräus. Ich hoffe es nicht vermessen zu fragen, aber... woher stammst du?“ Ich hatte nämlich noch nie von einer Decima Camelia gehört, aber das sollte nichts heißen und dieses Manko ließ sich ja nun ausbügeln.

    Noch unter dem heiteren Lächeln meinerseits, gewahrte ich, dass mein Cousin den nunmehr gänzlich leeren Becher des Iuliers wieder auffüllte, nur um im nächsten Moment auch ein Trankopfer für Minerva zu fordern, damit sie wohl auch weiterhin geistiges Chaos in unerschütterliche Struktur wandelte. Nun, darauf wollte ich auch im eigenen Interesse gerne meinen Kelch erheben, was ich schließlich auch tat, nur um große Tropfen meines Weines dem Erdboden zu überantworten. Minerva war mir schon immer die liebste Göttin im Pantheon gewesen, was wohl daran liegen mochte, dass ich ihr viel Ambivalentes unterstellte, über das man sinnieren konnte. Da waren zum einen Schneid, Schlagkraft, Ehre und jede Menge Mumm in den unvergänglichen Knochen, zum anderen aber stellte ich sie mir so liebreizend vor wie ein feingliedriges Reh, mit einem Gesicht so schön, das kaum ein Marmor, mit dem man es erfassen wollte, seiner würdig war. Hinzu gesellte sich in meiner Fantasie auch noch die Weisheit einer greisen Matrone, die sich trefflich mit der Hitzigkeit eines Ziegenbocks paarte. “Der holden Minerva“, murmelte ich unter meinen Gedanken und ohne überhaupt selbst an meinem Wein genippt zu haben, vergoss ich nun unter den Worten “Io, Io!“ auch noch einen weiteren guten Schluck für Bacchus, nachdem Faustus auch diesen in seiner glühenden Ansprache bedachte.


    “Muckel! Wein!“, forderte danach und hielt meinem Sklaven den halbleeren Kelch hin.


    “Ja, die Götter sind heute durstig,“ seufzte Muckel und befleißigte sich, mittels einer Karaffe nachzuschenken.


    Während ich nun meinen Trank genießen konnte und mir unter Muckels Mithilfe einige knusprige Delikatessen sicherte, strömten immer mehr Gäste in das Peristyl, von denen mir flüchtig ein recht unscheinbarer, schmaler Herr auffiel, den mein Cousin nun begrüßte. Ein Germanicus, wie ich zu erlauschen dachte, doch die Gespräche der anderen und die damit verbundene Lautstärke ließen es kaum zu, dass ich mehr in Erfahrung bringen konnte. Also lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die Knabbereien auf meinem Teller, welche mir zum Teil auch von dem holden, musikalischen Fräulein zur Rechten angeboten worden waren. Mit spitzen Fingern griff ich also nach einem recht kross geratenen Bilch und nagte sittsam daran herum, während ich die neuerlich Eintreffenden musterte.
    Zum einen handelte es sich hierbei um die ehrenwerte Vestalin Messalina, welche ich seit Tante Drusillas Hochzeit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, zum anderen um den würdevollen Hausherrn und Pater Familias nebst Gattin. Als ich letzteren erspähte schluckte ich schwer an meinem Bilch und rückte mich auf meiner Kline zurecht. Eigentlich hätte ich dem honorigen Mann schon längst einmal meine Aufwartung machen müssen, immerhin wohnte ich nun schon eine Weile in seinem Haus. Andererseits aber war es wohl besser, dass er von mir noch keine Notiz hatte nehmen können, denn schließlich hatte ich außer meinem Gesicht, meinem Familiennamen und einer sich mehr und mehr leerenden Kasse nichts vorzuweisen. Ich beobachtete also, wie Livianus das holde Paar ansprach und ließ meinen Teller sinken.


    “Das ist er doch, oder? Der Praefectus Urbi? Das Familienoberhaupt! Der große Mann im Haus!“, wollte Muckel aufgeregt wissen, indem er sich wieder flüsternd zu mir hinab neigte.


    Ich nickte stumm und nahm noch einen Bissen.


    “Das ist doch die Chance! Dann kannst du nachher gleich zu ihm hinüber gehen und...“


    Weiter kam Muckel nicht. “Und was?“, hakte ich nach.


    “Na, ihm sagen dass du... Cnaeus Decimus Casca bist!“


    “Ach?“ Stutzend schaute ich meinem Sklaven entgegen, der gerade meinen Namen ausgesprochen hatte, als würde es sich um Manna aus den Himmeln handeln, das die Menschen glücklich macht. “Ich bin mir sicher das weiß er schon und selbst wenn nicht, würde ihm dieses Wissen auch nichts bringen.“


    “Du bist auch... kein bisschen...“ Muckel machte eine vorantreibende Bewegung mit den Armen. “...vorwärts gerichtet.“


    “Hmpf...“ An dieser Stelle ersparte ich mir jedweden Kommentar. Noch einmal schaute ich zu Decimus Livianus hinüber, der sich mit Quintilia Valentia unterhielt und fingerte auf dem Teller nach einer Miesmuschel.

    Es freute mich natürlich sehr, dass Quintilia Valentia mein Geschenk zu würdigen wusste. Immerhin hatte ich es nicht wirklich gerne hergegeben. Und sie hatte recht, es war eine schöne Holzarbeit, von passionierten Händen gefertigt, wie alle meine Figuren, auf die ich bekanntlich sehr stolz war. Vielleicht hatte ich mich auch deshalb des leicht wehmütigen Blickes nicht erwehren können, mit dem ich die feine Schatulle noch einmal bedacht hatte, ehe ich sie überreichte. Nun denn. Ein freizügiger Geber war den Göttern immer hold! Eine herzliche Umarmung meines Cousins hatte mich dann aber auch sogleich über den flüchtigen Trennungsschmerz hinweg getröstet und ich musste feststellen, dass er mich nicht ohne Übertreibungen der Menge vorgestellt hatte. Sicherlich, dass ich aus Piräus stammte stimmte, doch als einen wahren Kenner Ovids und der Damenwelt hätte ich mich selbst niemals bezeichnet, auch wenn ich zugegebenermaßen gerne mit Damen schäkerte. Nein, nein, meines Wissen bargen Damen auch immer die ein oder andere Überraschung, auf die man im Nachgang dann doch gerne verzichtet hätte. Faustus' Verlobte allerdings machte einen recht patenten und überaus glücklichen Eindruck auf mich. Mein Cousin musste sehr stolz auf sie sein, denn sie war wirklich eine ansprechende, hübsche Frau. Carissima Valentina Ich lächelte und nickte und einen Moment lang fragte ich mich, ob mir selbst eines Tages ein derartiges Glück beschert sein würde. Dieser Moment allerdings verflog auch wieder recht schnell, denn ich wusste sehr genau, dass meine Tage mit anderen Sorgen und Nöten gänzlich angefüllt waren. Zudem hatte ich meine reizende Nelia um mich, meine Nymphe Erato und meine kreative Muse, die mir mein Reich richtete und meine Pflanzen bewässerte.


    Auch den beiden Nichten der Quintilia lächelte ich entgegen. Dass es Zwillinge waren war nicht zu übersehen und Borkan, ja, den Guten kannte ich noch. Iulius Licinus nickte ich entgegen, ebenso wie Iulius Dives, welcher ein Mann zu sein schien, der der Eile die Ehre geben wollte, diese Veranstaltung so schnell es ging wieder zu verlassen. Das hatte ich noch mitbekommen, doch Arbeit ging ja immer vor dem Vergnügen, nicht wahr? Dass etwaige alte Konflikte schwelten, dessen war ich mir natürlich nicht bewusst.
    Nun lag ich auf der Kline und wollte gerade an meinem Becher mit verdünntem Wein nippen, als sich allerdings ein wahres Schauspiel bot. Nein, eigentlich kein Schauspiel! Es war eine recht zarte melodiöse Darbietung eines kleinen Gedichts, von niemand anderem vorgetragen als von dem jungen Fräulein zu meiner Rechten, der ich soeben noch zu geprostet hatte. Im ersten Moment hatte ich ihr den Mut hier ihre Stimme derartig entzückend zu erheben gar nicht zugetraut, da sie nun doch ein wenig scheu gewirkt hatte. Doch ihr kleiner Beitrag zeugte schon von einem mutigen Herzen am rechten Fleck. Ich drückte Muckel meinen Becher in die Hand und applaudierte frei heraus. “Wunderbar, wirklich wunderbar!“ Ich beschaute mir, wie Faustus aufsprang die junge Frau in seine Arme schloss.


    “Komm jetzt nicht wieder ins Schwärmen!“, hörte ich die Stimme meines wandelnden Gewissens und ich wendete mich Muckel zu.


    “Still!“, befahl ich träge.


    Hätte ich Muckel nur in meinem Cubiculum gelassen! Doch zum Ärgern blieb recht wenig Zeit, denn der Mann, welcher mir nun als Iulius Dives bekannt war, erhob seine Stimme zu einem Hoch auf den Gott Apoll.


    “Hier!“, sprach Muckel und hielt mir den dazu benötigten Becher wieder hin.


    Ich nahm ihn unter einem dumpfen Grummeln entgegen und erhob ihn auch sogleich zum Trunkspruch, doch konnte ich nicht umhin, ein wenig zusammen zu zucken, als Iulius Licinus nun recht voluminös 'Dem Apollon!'“ skandierte.


    “Dem Apollon!“, sagte nun auch ich halblaut und trank einen Schluck, wobei mir nicht entging, dass der Urheber des Trankopfers nun überreichlich seinen gesamten Kelchinhalt dem Unsterblichen kredenzte.


    “Vielleicht war ihm der Wein zu dünn,“ mutmaßte Muckel mir grinsend ins Ohr. Offenbar war es ihm auch aufgefallen.


    “Dann wird Apoll wohl nun darüber genauso indigniert sein wie ich über dich!“, zischte ich zurück. “Halt einfach den Mund, oder ich lass dich verprügeln!“


    Ich schaute mich um, ob es nicht vielleicht jemanden gab, der diesen kleinen Schlagabtausch mitbekommen hatte. Das war aber hoffentlich nicht der Fall, also lächelte ich wieder heiter in die Runde.