Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Ein wenig neigte ich mein Haupt, während ich die soeben geschüttelte Hand aus der meinen entließ. So, so. Ein weiterer Verwandter, mit dem ich noch nie die Ehre hatte. Das lag natürlich auch daran, dass ich mich bis auf Weiteres vergraben hatte, um der aufgekommenen Melancholie zu frönen. Die Briefe an Mutter hatten es nicht besser gemacht, doch damit musste allmählich Schluss sein. Vielleicht was das Umräumen des Zimmers zum Aufziehen neuer Moden ja ein guter Beginn. Oder so. “Ostia!“, wiederholte ich freudig. Ich war noch nie in Ostia gewesen, doch ich hatte von der Pferdezucht gehört. Pferde gehörten zu meiner geheimen Leidenschaft, auch wenn Mutter seit meinem damaligen Reitunfall immer nur sehr sparsam reagiert hatte, wenn ich mich auf den Rücken eines Pferdes schwingen wollte. Also war ich auf das Sammeln von Figuren umgestiegen. “Herrlich! Ich liebe Pferde!“, entfuhr es mir.


    “Berichte mir von der Zucht.“ Ich machte mir keine Gedanken darüber, ob ich eventuell ein wenig zu impulsiv reagiert hatte und deutete in den Raum. “Ich bin gerade mit Muck... meinem Sklaven am Umräumen. Ein wenig frischer Wind für... neue Energie... Ich dachte mir...“ Ich ließ meinen Finger durch die Luft kreisen. “... Ich... hätte die Regale und die Sammlung lieber auf der anderen Seite.“ Ja, was sollte ich sagen? “Hilfe ist immer willkommen!“ Nach einer Schweigesekunde hielt ich auf die Kiste zu, an der ich zuvor gezerrt hatte. “Du kannst hier mit anfassen.. das muss da rüber.“ Ich ruckte mit dem Kopf in die Richtung eines Punktes, der ungefähr vor den Füßen meines Sklaven lag.

    “Äh...ja, *hngh* ...verstehe!“, gab ich von mir. Keine Reise nach Mantua. Wie konnte ich nur so dumm sein, die Umstände in denen wir lebten vergessen zu haben. Trotzdem war ich um so glücklicher so noch einmal bestätigt zu bekommen, dass in der näheren Zukunft nichts dergleichen stattfinden würde. Etwas nervös befingerte ich die Dokumente und bemerkte erst danach, was ich da gerade tat. Unvermittelt zog ich meine Hände zurück und legte sie in den Schoss. “...*hngh*....“ Ach, ich ärgerte mich sehr über diesen Schluckauf und noch mehr, dass ich nun vollkommen überrumpelt da saß. Noch nie war ich für irgendetwas außer mir selbst, meinen Studien und vielleicht noch Muckel verantwortlich gewesen. Und nun gleich zwei Betriebe und einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsdruck. Ich hob meine Hand und kratzte mich am Hinterkopf, während ich Seiana anblickte. Gewiss wäre jetzt die Zeit ein wenig Boden gut zu machen und nicht gänzlich wie ein Depp da zu stehen.


    “Ich danke dir für dein Vertrauen!“, sagte ich dann und bemühte mich würdig zu klingen. “Ich werde mich sehr bemühen, die Betriebe zur Zufriedenheit aller zu führen!“ Das meinte ich ganz ernst. Es mochte bestimmt eine Vielzahl von Fragen geben, die jemand, der sich mit der Materie auskannte noch stellten würde. Wieder der Schluckauf. Doch dieses Mal gelang es mir, wenigstens das Geräusch zu unterdrücken. Insgeheim schwor ich mir, mich nie wieder zu betrinken. Zumindest nicht ohne offiziellen Anlass, bei dem auch vom Rest der Familie zu erwarten war, dass er nicht einfach nur nüchtern da saß. “Ich... ich könnte mir den Betrieb hier in Rom gleich einmal ansehen...,“ bot ich an. “Und ich werde auch gleich dem Verwalter des Sägewerkes schreiben.“ Während diese Pläne allmählich in mir zu reifen begannen, lächelte ich. Endlich etwas zu tun! In mir freute sich der aufstrebende junge Mann, der es endlich schaffte, sein angeheitertes Pendant im Geiste zur Seite zu schieben. Ich wurde nüchtern! Geradezu freudvoll griff ich neuerlich nach den Dokumenten.

    Ja, was sollte ich noch sagen? Es war mir wirklich peinlich und dass Seiana diese Tatsache mit scharfen Worten bestätigte, machte es auch nicht besser. Einen Moment lang hüllte sich Schweigen um die Situation und ich fühlte mich bemustert. So musste sich eine Muschel auf dem Teller vorkommen, die von außen viel zu hässlich war, als dass man auf eine Perle im Inneren würde schließen können. Ich hob eine Augenbraue und schluckte flüchtig, während ich meinerseits auf Seiana sah, wie sie da saß mit aneinander gelegten Fingerspitzen und eben diesem abschätzenden Blick. *hngh“, quittierte ich und lauschte dann, nachdem mein überlegendes Gegenüber sich einen Ruck gab. Cursus rebus vulgaribus an der Schola? Ich kam gerade vom Studieren und wusste plötzlich nicht mehr genau, was ich mir erhofft hatte. Doch anscheinend hatten - vom reinen Gefühl her - neue Studien nicht dazu gehört. Ich sollte mich also gut vorbereiten. Dass Seiana es war, die die Prüfungen auch noch einsehen konnte, stimmte mich ad hoc nicht sonderlich fröhlich, doch das war noch nicht alles. Zwei Familienbetriebe?


    Meine Augen weiteten sich spontan. “*hngh“ Ein Sägewerk in Mantua und einen Barbier? Ich hatte keine Ahnung von solchen Geschäften und mit Staunen senkte ich meinen überraschten Blick auf die Unterlagen, die mir zugeschoben wurden und streckte dann meine Hand danach aus, um sie noch näher zu mir zu ziehen. “Was... also ich...*hngh...“ Tatsächlich. Dort stand es schwarz auf weiß und ich lugte zu Seiana hinüber. Nicht recht wissend, ob mir dabei die Kinnlade herunter gefallen war. Doch etwas in mir fühlte sich unglaublich gestreichelt. Geehrt vielleicht, auch wenn ich mir nicht sicher war, was es war. “Betriebe?“, hakte ich nach und nickte dann. Ich nahm die Unterlagen an mich und begann, diese zu überfliegen. Kein Zweifel. Schließlich lächelte ich.


    “*hngh“ Dann deutete ich auf die Schriftzeichen. “Bist du sicher? Ich meine... ich...ich meine...das ist wirklich...“ Meine Blicke drückten das nackte Erstaunen. Es klang nach Arbeit, aber auch nach etwas zu tun. Eigentlich war ich nicht der Mensch, der untätig herum saß und Kisten von rechts nach links schob, nur um etwas zu tun zu haben. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, so kamen mir die neuen Aufgaben doch sehr entgegen. Einerseits. “Ich...werde dich nicht...*hgnh …. enttäuschen!“, versuchte ich selbstsicher über die Lippen zu bringen, auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie ich das alles bewerkstelligen wollte, was in diesem Fall das 'andererseits' darstellte. “Muss ich dafür nach Mantua reisen... oder... geht das auch von hier aus?“ Ich war mir plötzlich doch nicht mehr sicher. Irgendwie keimte das Gefühl auf, von einem Gemüsekarren überrollt worden zu sein. Ganz plötzlich auf der Straße. Ich schaute Seiana fragend an.

    Muckel und ich hatten den Kopf leicht schief gelegt. Mein Blick war noch immer auf den... nun ja... Eindringling gerichtet. Er wirkte nicht sonderlich viel älter als ich, doch ich war nicht der Mann, der das Äußere anderer gut einschätzen konnte. Meine Mutter hatte einmal gesagt, man könne einen ausgewachsenen Gladiatoren in eine eine feine Tunika und eine Palla stecken und ich würde die werte Dame mit 'Mütterchen' ansprechen. Mein Gegenüber indessen war noch immer schamesrot und ich hob eilfertig die Hände. Immerhin kannte ich mich mit Peinlichkeiten aus und wusste sehr genau, dass sich derartiges nicht sonderlich gut anfühlte.
    “Das muss dir... also....“ … nicht peinlich sein, wollte ich eigentlich sagen, doch ich entschied mich im letzten Moment um und sagte nichts. Mit eigenen unangenehmen Gefühlen stellte ich fest, dass mein Sklave Nepomuk nun hinter vorgehaltener Hand lachte, was bis zu mir hinüber gluckste.
    Stattdessen schaute ich auf die dargebotene Hand und entschloss mich, herzhaft zu zu fassen. Decimus Dexter also. “Cnaeus Decimus Casca!“, sagte ich mit erfreutem Unterton in der Stimme. Dann deutete ich vage im Raum herum. “Ich wohne hier!“ Eigentlich 'hauste' ich eher, doch immerhin konnte man die Bemühungen sehen, mit welchem ich daran war, Ordnung in das Chaos zu bringen. “Ich bin noch gar nicht lange hier...“ ergänzte ich dann. Nur falls es Fragen geben sollte. “Äh...was führt dich zu mir?“

    “Los Muckel! Das muss schneller gehen!“, ächzte ich geschäftig und erntete ein Knurren von meinem Sklaven, der eine Kiste in die Richtung eines neuen Regals hievte.


    Ich hatte ich dazu entschlossen, meine Figurensammlung umzuordnen, noch immer nicht recht sicher, was ich sonst mit meinem Leben anzufangen gedachte. Auch ich schleifte gerade eine Truhe durch den Raum.


    “Und warum genau mussten wir diesen ganzen Kram vorher einpacken?“ Muckel wischte sich mit einer Hand über den Nacken.


    Es war warm im Raum und Aktivität machte es nicht besser. Doch sollte ich jetzt Mitleid mit ihm empfinden? Immerhin schwitzte ich auch.


    “Weil das einfach....“, begann ich zu erklären, bis ich mich anders entschied. Er war ein Sklave und ich musste ihm gar nichts mitteilen. “Weil das eben mein Wunsch war!“


    Außerdem würde es nicht ausbleiben, dass ich früher oder später Besuch bekommen konnte und ich wollte ein bisschen aufräumen. In der vergangenen Zeit hatte ich mich und meine Wohnverhältnisse in meinen Räumen ein wenig schleifen lassen. Nepomuk war dabei nur insofern eine Hilfe, als dass er dabei behilflich war, Dinge herumliegen zu lassen. Jetzt, in dieser Phase des Umräumens war es besonders schlimm und man fühlte sich doch eher an einen Lagerraum erinnert. Gerade ruckte ich noch einmal an der Truhe, um sie in die gewünschte Richtung zu bringen, als die Tür geradezu aufbrach und gegen die Wand schlug. Ich zog mich erschrocken zurück und auch Muckel war zusammen gezuckt. Beide schauten wir auf den Ankömmling, der so unvermittelt auf dem Boden lag, dass er es wohl selber nicht fassen konnte. Ich blinzelte, während der unverhoffte Gast sich aufrappelte, mit verlegener Röte im Gesicht und eine Begrüßung hervor brachte.


    Muckel lachte überrascht auf, wahrscheinlich weil sich in diesem Lachen die Schrecksekunde Bahn brach.


    “Ja....äh...Salve!“, gab ich zurück und trat auf den Fremden zu. “Kann ich.... also kann ich dir irgendwie....“ Ich blickte zu meinem Sklaven und dann auf mein Gegenüber zurück “...ja...also helfen?“

    Nur ein Schluck! Es war nicht zu überhören, dass Seiana mir nicht glaubte, wie es wohl auch nicht zu überhören war, dass 'nur ein Schluck' eine satte Lüge war. Überhaupt hatte ich mir in der vergangenen Zeit vieles zurecht gelegt, was man so auf keinen Fall vertreten konnte. Doch was hätte ich denn machen sollen? Ich war frustriert gewesen, was zugegebener Maßen zu einer freien Entfaltung einer Persönlichkeit geführt hatte, die ich eigentlich nicht sein wollte. Außerdem war es das erste Mal, dass mir jemand sagen musste, dass ich meine Lebensweise ändern sollte! Die Götter wussten, dass ich mich niemals zuvor so gehen lassen habe und ich hatte eigentlich nicht vor...Ich war ein Vorzeigeschüler gewesen. Gut, von Zeit zu Zeit etwas vergesslich, aber immerhin ja auch in Athen... Ja, ich war auch alt genug, um Verantwortung zu übernehmen. Während ich lauschte presste ich meine Lippen aufeinander und kämpfte stumm gegen den Schluckauf an.


    Als Seiana sagte, ich würde der Familie auf der Tasche liegen, hob ich abrupt den Kopf. Eigenengagement? “Aber...“, wollte ich ansetzten, und meine Lippen formten dieses Wort auch bereits, doch ich kam nicht dazu, es auszusprechen. “Du vergeudest dein Potential.“ Meine Augen weiteten sich kurz und ich nickte betroffen. “Das tut mir wirklich *hngh alles sehr Leid...“, begann ich mit schwerer Zunge. Zumindest war der Verstand noch klar genug, um zu denken. Eine Folter, wenn man es genau betrachtete. Man war dazu verdammt sich selbst zu lauschen, während der Verstand innerlich aus lauter Affekt gegen das Gesagte, gegen den Schädel schlug. Und was sollte ich nun damit tun? Ausflüchte erfinden? “Ich habe das Gefühl, dass alle etwas zu tun haben und ich *hngh* … war auch schon in Rom und habe mich umgesehen und sehr … also gar sehr...inten.. *hgnh ...siv überlegt, was ich denn nun....also...wie ich in Zukunft...“ Aus lauter Gewohnheit heraus begann ich nun wieder mit der Hand zu wedeln. “....und ich bin mir sicher, dass ich mit meinem Alter *hngh … durchaus in der Lage bin, doch die Verantwortung für … für mich selbst natürlich auch alles Weitere...*hngh* ...“ Als ich bemerkte, wie widersinnig meine Rede war, hielt ich inne damit und seufzte dann tief, nur um wieder den Kopf sinken zu lassen. “Das ist mir sehr peinlich!“, gestand ich dann.

    Irgendwie fühlte sich die Sitzfläche des Stuhles ein wenig hart an, wie ich empfand. Es konnte jedoch auch an der recht unangenehmen Situation liegen, dass mir das gerade jetzt auffiel. Natürlich war mir das musternde Augenmerk nicht entgangen und auch verschränkte Arme eines Gegenübers waren zumeist keine Vorboten einer vorbehaltlosen Beglückung. Ich blinzelte, als Seiana sich ein klein wenig vor neigte und der Tadel schien ihr ins Gesicht geschrieben. Ein klein wenig hob ich meine Augenbraue, auf alles gefasst. “Du bist betrunken,“ stellte sie nüchtern fest und ich presste meine Lippen aufeinander, ehe ich nach Atem schnappte. “Ahm...*hngh ...Ich ahm...“ Schon vor der Tür hatte ich überlegt, was ich zu sagen gedachte, doch so recht wollte mir noch immer keine Entschuldigung in den Sinn kommen. Stattdessen versuchte ich es mit einem gewinnenden Lächeln und sämtlicher Konzentration auf meine Sinne. Dann hob ich meine rechte Hand, um wie gewohnt einen versiegten Redefluss mit kreisenden Gesten wieder zu beleben, doch dann fielen mir schlagartig die Flecken auf meiner Brust ein und ich ließ sie schnell zurück schnellen. “Ich...h...*hick... abe jetzt nicht damit gerechnet, dass du...*hick....“ Rhetorisch hervorragend Casca! Ich seufzte ein wenig und ließ die Schultern hängen. “Es ...war ... nur ein Schluck.“

    Die Irritation in meinem Gegenüber war mir natürlich nicht entgangen und auch das Stirnrunzeln erkannte ich sehr wohl Wie gut, dass ich Nepomuk in meinen Räumen zurück gelassen hatte, sodass er nicht auch noch zu meiner Misere beitragen konnte. Wahrscheinlich reichte mein Zustand, gekoppelt mit dem Faut-Pas einfach die Tür zu öffnen auch so schon aus, wie der Tadel seitens Seianas zeigte. Ein eher hastiges, vielleicht auch ertapptes Lächeln erreichte meine Mundwinkel und schaute noch einmal auf das Türblatt, ehe ich es wagte mich weiter in den Raum hinein zu navigieren. “Ja....na *hick* ...türlich. Ich...ahm...“, kam über meine Lippen, ehe ich mich doch noch einmal herum drehte und die Tür ein wenig zu geräuschvoll schloss. Dann steuerte ich auf einen Stuhl zu, der seitlich des Schreibtisches stand. Auch wenn ich es nicht unbedingt wahrhaben wollte: Ein wenig zusammenreißen musste ich mich schon, um mich hoch konzentriert darauf zu zu bewegen. Meine Hand ruhte noch immer auf meiner Brust und ich räusperte mich noch einmal flüchtig, als ich mich auf der Sitzfläche niederließ. Noch einmal ließ ich ein Lächeln folgen. “Ent *hick*... schuldige...,“ setzte ich noch einmal schnell nach. Es war wohl der schlechteste Moment des Tages, um Decima Seiana gegenüber zu sitzen. Gut. Bestimmt wäre ein noch späterer Zeitpunkt bedeutend schlechter gewesen.

    Eigentlich war ich kein unordentlicher Mensch. Und eigentlich war ich auch kein Mensch, der zum Unmaß neigte. Ich konnte mir selbst nicht erklären, wie die Inhalte diverser Becher des lieblich roten Getränks in meinen Magen gelangt waren. So zügellos! Ich ärgerte mich und schritt mit einer Hand auf meiner befleckten Brust so zügig aus, wie ich es unter den Umständen vermochte. Dabei durchkreuzte ich das Atrium und einen kleinen Flur, ehe ich vor den Räumlichkeiten von Decima Seiana angekommen war und das Türblatt mit einem stieren Blick fixierte. Mein Schluckauf hatte nicht nachgelassen und ich war froh, dass mich bis auf ein paar seltsam dreinblickende Sklaven niemand gesehen hatte. Dennoch. Der Höhepunkt stand noch bevor. Ich straffte meine Haltung, strich mir noch einmal durch das etwas länger gewordene Haar und überlegte flüchtig, was - bei allen Fluten des Styx – ich für eine Entschuldigung hätte, mich derartig gehen zu lassen.


    Ich hob meine weinschwere Hand und klopfte an. Wahrscheinlich deutlich zu leise und ich entschloss mich, die Tür einfach zu öffnen. Mein Kopf schob sich durch den entstandenen Spalt. Seiana saß am Tisch und blätterte in diversen Unterlagen, also räusperte ich mich und öffnete die Tür ein wenig weiter.


    “Verzeih mein Ein...*hick*...dringen, aber ich … *hick..... wäre dann...da!“

    Ich schrieb noch immer. Auch immer noch begleitet von dem ein oder anderen Schluck aus meinem Becher, der sich dann und wann einer Auffüllung erfreute. Doch der Geist des Alkohols ersetzte auf keinen Fall den eigenen und so spickte ich den Brief für Massa mit immer krakeliger werdenden Begebenheiten aus meinem Leben, die so eigentlich nicht stattgefunden hatten. Als es klopfte hob ich den Kopf und blickte gen Tür.


    “Ich habe dir gesagt, du sollst draußen bleiben!“, herrschte ich mit merkwürdig schwerer Zunge dem Türblatt entgegen. Erst als es erstaunlich ruhig blieb, kam mir in den Sinn, dass Muckel wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen wäre, anzuklopfen.


    “Herein!?“, stellte ich nachfolgend in den Raum.


    Nichts geschah. Also erhob ich mich. Ein wenig zu rasch wohl und ich schlug mit dem Handgelenk in der aufgekommenen Eile gegen den Becher, der umstürzte, sodass dessen Inhalt den begonnenen Brief flutete und einen Teil meiner Kleidung. Ich knurrte, doch es nützte nichts. Noch über mein Beinkleid wischend machte ich mich leicht schlingernd auf zur Tür, um sie schwungvoll zu öffnen. Davor stand ein Sklave mit nichtssagendem Gesichtsausdruck. Mein Muckel stand dahinter und grinste schief. “Er wollte nicht eintreten...“


    “Warum nicht?“, schnappte ich und schaute dem Ankömmling entgegen, während ich verbergend meine Hand vor das Malheur auf meiner hellen Tunika legte. “Was wünschst du?“, fragte ich weiter.


    Meine Augen weiteten sich ein wenig, als der Sklave mir die Botschaft nannte, dass Seiana mich zu sehen wünschte. Es hatte ja so kommen müssen und im Grunde war ich schon längst gewappnet, mir unangenehme Fragen stellen zu lassen. Doch ausgerechnet heute, ausgerechnet jetzt hatte ich nicht damit gerechnet! Dennoch nickte ich und vollführte eine wedelnde Handbewegung, um dem Boten anzudeuten, dass er gehen konnte, da der Inhalt seiner Nachricht angekommen war.
    “Ausgerechnet...“, zischte ich, als ich mich sogleich herum drehte, um wieder in das Zimmer zu staksen. Muckel folgte mir auf dem Fuß.


    “Was ist los? Musst du vorher noch mal?“ Er schaute auf meine Hand, die noch immer die äußerst ungünstige Stelle meines Körpers schützte.


    “Ich muss mich umziehen....“, brachte ich hastig heraus und ich eilte schon hinüber zu einer der Truhen.


    “Hast du denn so viel...Zeit?“ Muckel hob eine Augenbraue. “Ich denke, das hieß doch 'sofort' und nicht dann wenn es dir gerade passt...“


    “Ich brauche kein Jahr um mich umzuziehen!“ Ich riss mir die Tunika vom Leib, warf sie achtlos auf den Boden und fischte aus der Truhe eine neue hervor um sie eilig über zu stülpen. Doch neu war wohl übertrieben. “Was ist das?“, fragte ich und deutete auf die matschbraunen Flecke auf dem Stoff über meiner Brust. Straßendreck, eindeutig. Muckel zuckte mit den Schultern. “Du legst schmutzige Kleidung in die Truhe?“ Ich war einen Moment lang fassungslos. Wozu hatte ich eigentlich einen Sklaven? Und was war das? Nein! Diese Frage stellte ich mir besser nicht. Ein Schluckauf! Ich schnaufte. “Ver...*hick*..dammt!“


    “Du könntest Broschen anpinnen, dann fällt es nicht so auf.“


    Damit war es beschlossen. Ich musste einfach mit Muckel andere Seiten aufziehen! Doch nicht jetzt. Ich ging zur Waschschüssel, griff einen Lappen und rieb nutzlos damit auf den Flecken herum. Es brachte nicht viel und es war auch egal!


    “Ich ...*hick*...gehe jetzt!“


    Ich ließ meinen Sklaven stehen und machte mich auf den Weg.

    “Guck mal!“, kam es von Muckel, meinem Sklaven. Er hatte es sich mir gegenüber am Tisch auf einem Stuhl bequem gemacht und die Füße auf die Stelle Tischplatte gelegt, die noch nicht mit Schriftrollen bedeckt war. Ich missbilligte das zutiefst, doch ich hatte keine Lust auf eine Diskussion. Träge hob ich meinen Kopf, den ich bisher müde mit einem Arm abgestützt hatte und kam seiner Aufforderung nach. Muckel hatte sich einen Stilus zwischen Oberlippe und Nase geklemmt und rollte gefährlich mit den Augen, während er zusätzlich noch eine Grimasse zog.


    “Interessant!“, nahm ich seinen Ablenkungsversuch zur Kenntnis und senkte meinen Blick wieder auf den Papyrus vor mir.


    “Nun sei doch nicht so ernst!“, maulte mein Sklave und der Griffel fiel mit einem hölzernen Geräusch auf die polierte Tischplatte. “Lass uns in die Stadt gehen...“


    Ich schnaufte und hatte überhaupt keine Lust in die Stadt zu gehen. Dort war ich in der letzten Zeit schon zu oft gewesen. Mein Knie schmerzte bereits vom vielen Laufen und ich hatte mich im Grunde satt gesehen an den Insulae, den Märkten, den Straßen, den Gebäuden und vor allem am Forum! Neben den Erkundungen hatte ich Thermen gesehen, war durch deren Wasser gewatet und hatte mich entspannt. Zumindest hatte ich es ehrlich versucht! Ich war an einem Abend in einem Lupanar gewesen, was sich im Nachhinein als böser Fehler herausgestellt hatte. Das leichte Mädchen, welches man mir versprochen hatte war alles andere als leicht, hatte Haare auf den Zähnen, eine schiefe Perücke auf dem Kopf und wie sich herausstellte, hatte sie auch verdammt lange Finger gehabt. Bis heute wagte ich es nicht einmal Muckel einzugestehen, dass mein Geldbeutel mitsamt der weinschweren Stimmung an jenem Abend verschwunden war. Weinschwer! Das war es. Ich langte nach meinem Becher und setzte ihn mir an die Lippen.


    “Du könntest aufhören, dich zu betrinken und deine Momoiren schreiben zu wollen!“, mahnte mich Muckel. “Mir ist langweilig!“


    Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund und tunkte meine Schreibfeder wieder in die Tinte. Die Schrift verschwamm schon leicht vor meinen Augen, doch das machte gar nichts! Eigentlich neige ich nicht zu Melancholie, doch es gab so erschreckend wenig zu tun. Zumindest nichts außer an das zu denken, was ich gerne getan hätte. Damals! Ich hatte zum Militär gewollt und mich beschlich das Gefühl, dass dies so ziemlich jeder außer mir konnte. Oder jeder, der zwei gesunde Beine hatte. Und wie immer in solchen Momenten blieb mir nichts mehr zu tun, als ein Schreibtischtäter zu sein oder zu werden, meinen Bruder Massa zu beneiden und mich für einen Tag oder zwei in Selbstmitleid zu versenken. Und das bis zum Hals. Das Militär war dieser Tage beschäftigt. Die anderen, soweit ich das abschätzen konnte auch. Und was tat ich? Ich war neunzehn und so langsam wäre zumindest die Idee für irgendeine Laufbahn mehr als herzlich willkommen. Solche Ideen fand man nicht auf den Straßen der Stadt! Und auch nicht in der Therme. Und wenn doch, so hatte ich in den letzten Tagen etwas fürchterlich falsch gemacht.


    “Ich habe keine Lust auf die Stadt! Ich schreibe keine Memoiren, sondern halte lediglich meine Erlebnisse fest und außerdem schreibe ich Mutter und Massa.... Und betrinken tue ich mich auch nicht!“ Letzteres setzte ich nach, während ich mir noch einmal aus dem mittelgroßen Krug nachschenkte.


    “Hm, hm.“ Muckel nickte und seine Augen weiteten sich ein wenig. “Erlebnisse! Ihr Götter! Du verschanzt dich hier in deinen vier Wänden, zwischen Papyrus und Weinkelchen, nur um ab und an mal die Nase aus der Tür zu strecken und nach gammeligen Pferdefigürchen auf dem Markt zu wittern!“


    Diese Zusammenfassung meines jüngsten Betätigungsfeldes war so nicht ganz korrekt und wenn ich ehrlich war, traf sie mich zutiefst. Ich hatte schon eine Menge getan! Die weise Minerva würde es wissen, dass ich bei Weitem mehr getan hatte! Ich hatte nachgedacht und das ziemlich stark!


    “Du vergisst dich! So redest du nicht mit mir! DU weißt genau, dass es gar nicht einfach ist, sich in einer Stadt zurecht zu finden, die so anders ist als Piraeus und wenn DU dich würdest entscheiden müssen, was du mit deiner Zukunft anfangen möchtest, dann wäre es... ja... gar nicht so leicht!“


    “Ich hatte schon Vorstellungen, nur dann kam alles anders und ich habe dich gekriegt! Ja, und vielleicht fragst du mal die Leute, die hier im Haus wohnen! Das sind deine Verwandten! Schon vergessen? Die leben, atmen und man kann sie ansprechen!“


    “Ach was!?“, schnappte ich.


    Muckel hätte sich diesen Seitenhieb ruhig sparen können. Doch ich wollte nicht, dass mir jemand etwas einflüstert, oder dergleichen. Das hatte ich bei Mutter genug gehabt. Ein Mann musste sich eben mitunter absetzen von dem Willen und Wünschen anderer, um... um sich selbst klar zu werden in welche Richtung... das Leben... und überhaupt.


    “Du könntest ein weltabgekehrter Philosoph werden und in irgendeine Tonne ziehen, gleich links hinter dem Markt. Wie Diogenes. Und ab und an bringt dir dann jemand einen Schluck Wein vorbei, damit du für ihn irgendwas orakelst oder die Korrespondenz erledigst!“


    Ich erhob mich abrupt von meinem Stuhl. Das war nun wirklich genug! Was bildete er...“Was bildest du dir eigentlich ein, du Sklave du?“ Ich ertappte meine Hand, wie sie in der Luft herum gestikulierte. Mein Stimme klang grollend und recht laut. “Mach, dass du raus kommst!“ Ich deutete gen Zimmertür.


    Muckel brummte etwas vor sich hin und erhob sich. “Mit Vergnügen!“


    Ich merkte, dass mir vor Wut die Lippen bebten. Ein anderer hätte ihn wahrscheinlich verprügelt für seine Impertinenz, doch dazu konnte ich mich seit unseren Kindertagen nicht mehr durchringen.


    [color=darkred]“Und bleib draußen!“, warf ich ihm noch herrisch hinterher, ehe ich mich wieder auf den Stuhl sacken ließ.


    Endlich Ruhe! Ich ließ meine Augen gen Papyrus rollen und ließ sie hastig über den begonnenen Brief tasten.


    Mein lieber Bruder!


    Ich hoffe, du bist wohl auf und unversehrt. Mir geht es hervorragend und es besteht kein Grund zur Sorge. Mit meinen Überlegungen für meine Zukunft bin ich schon ein großes Stück weiter und es wird mir eine Freude sein....


    Na. Tatsächlich wusste ich gar nichts mit mir anzufangen und das schon seit geraumer Zeit. Doch sollte ich schreiben: „... In Bezug auf meine Zukunft weiß ich nur, dass sie voraussichtlich stattfinden wird und ich beginne bald, mit den Wänden zu reden?“ Das wäre ein gänzlich falscher Ansatz.

    Ich muss meine Abwesenheit leider noch etwas verlängern. Mein Job frisst mir gerade meine ganze Freizeit auf und ich komme weder zum Schreiben, noch zum Lesen. -.-


    Das gilt auch für meine ID Aias. Ich hoffe, in zwei Wochen ist es besser.


    Liebe Grüße!

    Ich muss mich noch bis spätestens Montag abmelden. Es tut mir sehr Leid, zumal ich ja noch hier neu bin. Aber vorher schaffe ich es leider wahrscheinlich nicht, auch wenn ich mich bemühe. Das gleich gilt auch für Aias.


    Liebe Grüße,


    Casca

    Ich starrte wirklich vor Staub und Schmutz und ich konnte mir einen Seitenblick auf meinen Sklaven nicht verkneifen, um zwischen seiner und meiner Kleidung einen Vergleich anzustellen. Muckels Tunika war am Sam grau und einige mattbraune Flecken zeugten vom Wandern in den Straßen. Ein leichtes Seufzen entfuhr mir. Ich sah genauso aus. Der Vorschlag sogleich in das Balneum zu gehen war bestimmt nicht schlecht und Entspannung klang verlockend, auch wenn ich sie in meinen Gedanken gleich mit ein wenig Schlaf in Verbindung brachte. Sollte ich das tun? Ersteinmal baden? Es kam mir so frech vor, gleich nach der Ankunft und ohne Begrüßung des Hausvorstandes gleich an das leibliche Wohl zu denken. Aber wenn er doch so vielbeschäftigt war?
    “Nun, wie lange ich unterwegs war?...Ich war...“ Ich überlegte noch, als auch schon die nächsten Worte von Massa folgten. Doch nicht nur Serapio schien beschäftigt zu sein und wieder war es Enttäuschung, die sich breit machte. Später zusammensetzen? Ich nickte aus einem Reflex heraus und biss mir auf die Unterlippe, während ich mich schalt, dass ich doch kein kleines Kind mehr war, das es nötig hätte nach Aufmerksamkeit zu verlangen. Trotzdem! Wir hatten uns so lange nicht mehr gesehen. Doch er hatte es ja gesagt. Rom geht vor! Rom, Rom, Rom. Von dieser Stadt hatte ich ersteinmal genug gesehen. “Vale!“, sagte ich dann und merkte, dass ich mir ein wenig Frust in der Stimme nicht verkneifen konnte.
    “Dann lass und baden gehen!“, knurrte Muckel, der mir wohl die Anspielungen auf seine Person noch nicht verziehen hatte.
    Ich presste die Lippen aufeinander und schaute meinem Bruder nach. Vielleicht wäre es nicht schlecht.

    Muckel hatte mich ob der Schritte fragend angesehen, doch ich hob nur eine Augenbraue. Dann zuckte ich mit den Schultern und stellte die weitere Pferdefigur in das Regal. Ehe ich sie jedoch wirklich losgelassen hatte, trat jemand in das Zimmer und ich fuhr herum. Selbst wenn ich die Schritte gehört hatte, so war es doch ein wenig überraschend und auch verwunderlich, dass dieser Jemand nicht angeklopft hatte. Hastig ließ ich die Figur los, die meine Hand noch immer berührte und sie zuckte zurück, als hätte ich etwas Verbotenes angefasst. Ein volltönender Gruß erschallte und eine wohl unvermeidlich Frage. Wieder blickte ich zu Muckel, der noch neben der Kiste saß. Auch dieser schien ein wenig überrascht, doch offenbar war er weitaus weniger perplex.


    “Wir sind...“, begann er doch ich stoppte ihn mit einer schnellen Handbewegung.


    Es war doch wohl nicht an einem Sklaven noch vor seinem Herrn zu sprechen, selbst wenn diesem einen Moment lang die Sprache verschlagen hatte. Ja, hatte man denn niemandem in diesem Haus von unserer Ankunft erzählt? Hatte es sich noch nicht herumgesprochen? Nein? Konnte es ja auch nicht. Ich räusperte mich und ging auf den Fremden zu.


    “Mein Name ist Cnaeus Decimus Casca!“, brachte ich der Begrüßung und dem Mann entgegen. “Salvete!“, holte ich nach. Schließlich zeigte ich auf meinen Sklaven und meine Kiste, ehe die kreisende Geste den ganzen Raum mit einschloss. “Das ist mein Sklave Muc...Nepomuk und wir sind gerade erst aus Piräus angekommen.“ Mein Lächeln wurde freundlich und herzlich, doch ein wenig einseitig schief. Ein Umstand, den ich zu korrigieren versuchte. “Wer bist du?“, fragte ich dann doch nach einem kurzen Überlegen. Es war nur recht und billig nach dem Namen des vermeindlichen Eindringlings zu fragen, auch wenn unbedingt schlussfolgern musste, dass auch er ein Teil der Familie war.

    “Nun sei doch ein wenig vorsichtiger!“, ermahnte ich meinen Sklaven, der vor der geöffneten Truhe hockte und mir meine Sammlerstücke anreichte. Eins nach dem anderen. Mit vorsichtigen Fingern setzte ich sie in das Regal vor dem ich stand und wischte noch einmal mit einem feinen Tüchlein darüber. Mutter und etwaige Freunde fanden mein Handeln diesbezüglich immer skurril, doch es war nun einmal meine Leidenschaft.


    “Das Zeug hat die Reise überlebt, dann wird es es wohl auch noch ins Regal schaffen,“ meinte Muckel und betrachtete skeptisch eine kleine Reiterfigurette, die er hervorgefischt hatte. “Das Ding ist unglaublich hässlich!“, stellte er fest und reichte es mir an. Ich pflückte es beinahe aus seinen Finger und musste gestehen, dass ich mich fast ein wenig persönlich angegriffen fühlte. Die Figur zeigte Caesar höchst selbst, sollte es zumindest, auch wenn der Kopf des Reiters ein wenig misslungen anmutete und das Pferd dazu aussah, als wäre es eine steigende Bergziege. Einer unserer Sklaven hatte sie selbst angefertigt und mir geschenkt, als ich noch ein Kind war. Doch sie als hässlich zu bezeichnen kam mir nie in den Sinn. Vielleicht ein bisschen unzulänglich hier und da. Aber hässlich? Fast zärtlich ließ ich die Kuppe meines Zeigefingers über die Flanke des Pferdes streichen.


    “Sei nicht zu verzückt! Wir müssen noch das ganze Kram einräumen!“, ließ Muckel verlauten und deutete auf die Kiste. Ich rümpfte die Nase.


    “Du vergisst dich! Wir müssen gar nichts!“, erklärte ich blasiert und trat einen schritt zurück. Es war die Aufgaben meines Sklaven das zu tun und ich wusste selbst nicht so recht, warum ich mit Hand anlegte. Doch, eigentlich wusste ich es schon. Ich wollte meine Pferdefigürchen nicht mit ihm allein lassen.


    Muckel reichte mir ein weiteres Exemplar. “Hat Vorteile,“ brachte er hervor. Wir würden schneller fertig werden und könnten uns endlich etwas umsehen!“ Es gab Tage, an denen ich meinen Sklaven hasste. Dieser war einer davon. Hatte Mutter nicht gesagt, ich wäre zu lasch ihm gegenüber? Ich wollte es nun wirklich nicht wahr haben und außerdem war ich jünger gewesen, als ich ihn bekommen habe. Und darüber hinaus war Muckel so ungemein... dreist! Ein Schnaufen entfuhr mir und ich machte weiter, polierte ein wenig den Caesar und nahm ihm die nächste Figur aus der Hand. Irgendetwas lief hier verdammt falsch, doch ich kam nicht mehr dazu, mir vertiefende Gedanken zu machen, denn ich hörte bereits Schritte durch die offene Tür, die sich offenbar dem Zimmer näherten.

    Ich nickte zu seinen Worten und verzog ein wenig den Mund, nachdem mein Bruder mich 'Kleiner' genannt hatte. Gut, ich war wirklich kleiner als er und jünger und doch fühlte ich mich inzwischen schon längst als Mann. Dabei würde ich niemals auf die Idee kommen, Mutter aus meinem Herzen zu verbannen, doch ich musste zugeben, dass ich froh war ihren Fängen entkommen zu sein. Auch wenn sie erwartete, dass ich ihr schrieb. Und das würde ich gewiss tun, um sie zu beruhigen und ihr nicht zusätzliche graue Haare wachsen zu lassen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch langsam wurde sie alt. Massas Hand landete auf meiner Schulter. Ein Bad? Das klang ausgesprochen gut, nach all dem vielen Staub und der dörren Hitze und auch eine Erfrischung würde ich nicht ausschlagen. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Nepomuk sich regte, doch ich beachtete ihn in diesem Augenblick nicht weiter. “Einen Reisenden?“, hakte ich nach, als Massa sagte, dass das Balneum für einen solchen bereit wäre. “Du meinst für einen Angekommenen!“ Ich grinste dazu. Von Reisen wollte ich nun ersteinmal nichts mehr wissen. Doch sofort horchte ich wieder auf. Massa war nur ein paar Tage hier?


    In meinem Inneren machte sich klammheimlich der Hauch von Enttäuschung breit. So lange Jahre hatten wir uns nicht mehr gesehen und nun standen wir voreinander, nur damit ich feststellen musste, dass dieses Wiedersehen nicht lange währen sollte. Doch so recht hineinfallen lassen in dieses Gefühl wollte ich mich nicht und ich kam auch gar nicht dazu. Warum ich keine attraktivere Begleitung hätte? Ein leises Auflachen entfuhr mir und ich blickte zu Nepomuk hinüber, der die von ihm ebenfalls gehörten Worte mit einer Bittermiene quittierte. “Mutter hat ihn mir geschenkt, gleich nachdem du weg warst,“ sagte ich, ehe auch ich meine Stimme zu nur einem Wispern senkte, das nur mein Bruder hören konnte. “Ich habe einiges versucht, doch er wird einfach nicht hübscher!“ Dann lächelte ich wieder. Nepomuk war einfach ein Fall für sich und das Schönste an ihm war wohl, dass er still war, wenn er nachts schlief.


    Muckel räusperte sich, verschränkte die Arme vor der Brust und wippte auf den Fußballen auf und nieder. “Ein Bad klingt wirklich sehr gut, nur ich werde warten müssen, bis ich offiziell empfangen worden bin. Ich hoffe, Serapio hat nichts gegen eine eine gute Kruste Straßenstaub an seinem Gegenüber,“ brachte ich hervor und blickte an mir hinunter.