Beiträge von Cnaeus Decimus Casca

    Wieder wich das schöne Kind einige Schritte von mir zurück während ich noch sprach und ihre weißen Knöchelchen der Finger stachen hervor, als sie sich an ihrem Gewand festkrallte. Oder waren letzten Endes Muckels Worte es gewesen, die sie nun verwirrten? Ich schenkte ihm einen langen Seitenblick, woraufhin er sich wieder ein wenig zurück zog. Immerhin konnten es meine Worte über die Courage eines Tapferen wohl kaum gewesen sein.


    “Die Veteranen werden nicht besiegt!“, behauptete ich mit selbstbewussten Schwingungen in der Stimme. Ich sollte nun endlich beginnen, selber daran zu glauben und meine Worte konsequent auszusprechen, erschien mir ein richtiger Weg. Es konnte nicht sein, dass ich weiche Knie bekam, nur weil ein paar geifernde Wölfe sich vor der Tür zu einem Rudel zusammen gefunden hatten, das nun gemeinschaftlich die Wand anheulten. Als die Schönheit nun ihren Namen aussprach, wurde mein Blick wieder sanfter.


    “Mira...“, wiederholte ich ein wenig sinnierend. “Wundervoll!“


    Am liebsten hätte ich sogleich wieder meine Hand ausgestreckt. Vielleicht um die ihre zu fassen, zu drücken und über der Brust zu meinem Herzen zu führen. Doch es war nur ein dummer Impuls, den ich wohl zu unterdrücken wusste. Dennoch... Sie war wundervoll, ganz wundervoll, mit einem wundervollen Namen und einem noch wundervolleren... Antlitz. Ein solches Gefühl hatte ich selten erlebt. Eigentlich noch nie, auch wenn ich übrigen weiblichen Reizen gewiss nicht abgeneigt war, so war dies doch das erste Gesicht, welches mich wirklich fesselte. Ich lächelte ein wenig schräg und ganz berührt. Was konnte ich nur tun, um ihr die Angst zu nehmen, die an diesem Ort um sich schnappte wie ein tollwütiger Hund? Ich hatte wohl gesehen, dass auch Mira ihren Blick hin zu der Zusammenrottung der Sklavenschaft gewendet hatte. Wohl an! Ich wischte mir einen verlorenen Strohhalm von der Tunika und setzte mich in Bewegung.


    “Nichts ist verloren und doch weint ihr schon herum!“, sprach ich die Sklavenschaft an und hob mein Haupt dabei. “Die Schlacht hat noch nicht einmal begonnen und schon seid ihr verzagt!“ Die nervöseste der Sklavinnen, jene, welche geschrien hatte, schaute zu mir auf. Noch hockte sie auf dem Boden und ließ sich trösten. Irgendetwas in mir freute sich diebisch darüber, diese Worte ausgesprochen zu haben. Es war ein Kindheitstraum gewesen, eines Tages wacker auf einem Schlachtfeld zu sein. Hoch zu Ross und mit gezücktem Schwert. Ein Traum, der sich wohl niemals erfüllen würde. Lange hatte ich Massa, welcher beim Militär seine Karriere machen konnte beneidet, bis ich mich mit meinem Los abgefunden hatte, welches mein Knieleiden mir auferlegte. Und dieses Los führte schon einmal an einen Ort wie diesem, wo es nichts anderes gab als Sklaven, Pferde, Mistgabeln und einen Senator.


    “Selbst wenn sie hier eindringen, was sie NIEMLAS tun können, so steht uns immer noch ein Weg offen!“ Ob meiner Vehemenz schaute Muckel ein wenig schockiert drein, doch das war mir egal. “Ihr glaubt, ihr könnt nichts tun? Oh doch! Ihr könnt mit beiden Händen Kraft aus euren Herzen schöpfen und den einzigen Feind besiegen, der hier in diesem...“ Ich bedeutete einen Kreis mit meiner Hand. “....diesem...Stall....gegenwärtig ist....“ Ich schöpfte nach Atem, was eher zu einer ungewollt theatralischen Pause wurde. “Und dieser Feind ist eure Furcht!“


    Meine Blicke zuckten über die Gesichter der Sklaven. Meine Worte schienen in irgendeiner Form angekommen zu sein, denn sie sagen nichts und schauten mich an. Ihre Augen erinnerten mich ein wenig an jene von Kühen, wenn es donnert.


    “NIEMAND wird hier eindringen,“ wiederholte ich noch einmal und ich musste gestehen, dass ich mich recht wohl fühlte unter meinen eigenen Worten, denn sie bestärkten mich selbst. Wieder suchte mein Blick Mira.

    “Ja, morgen ist alles vorbei!“, sagte ich gefasst. Vielleicht ein wenig wie ein Mann, der sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatte: Dem Ende des Seins. Doch noch war es ja nicht soweit. Noch befanden wir uns alle in der angstdurchtränkten Realität der absoluten Ungewissheit, gekoppelt mit dem Lärm einer euphorisierten Masse, den dumpfen Schlägen eines Rammbocks und dem unverwechselbaren Odeur von Pferdedung. Ein wenig zögerlich zog ich nun meine Hand von der Schulter des zartes Geschöpfs zurück. Eher widerwillig als zögernd, wenn ich ehrlich war. Kurz flammte in mir noch einmal der Gedanke an Iuppiters Blitzbündel auf, der mit Sicherheit auf mich niederfahren würde. Nicht nur, weil ich ein Lügner war, sondern auch wegen der Vermessenheit, mich hier in Schwärmereien zu ergehen. Hatte ich nichts besseres zu tun? Nun, während ich der ängstlichen Stimme lauschte und in diese grünen Augen sah, war ich durchaus geneigt...


    “Nein!“, entfuhr es mir dann, ohne genau zu wissen, welchem Umstand genau dieses 'Nein' gelten sollte. Dann fiel es mir wieder ein. “Ich meine....Nein. Sie werden uns hier nicht finden.“ Ich deutete vage auf die Stalltür. “Es gibt noch einen Weg hinaus. Hinten in die Gassen!“ Wieder fand mein Blick den ihren und ich kam nicht umhin sämtliche Beschreibungen eines perfiden Fluchtplanes zu vergessen. “Also ich meine... die Veteranen werden das Haus mit dem Leben verteidigen...“... Während wir um das selbe rennen würden wie die Hasen. Ein wenig frevelhaft war dieser Gedanke schon und er zeugte nicht unbedingt von Mannhaftigkeit eines wahren...Decimers...dennoch! “Wir werden auf jeden Fall in Sicherheit sein und niemand kann uns etwas anhaben, weil....ja...“ Zugegeben, meine Rhetorik war auch schon einmal besser gewesen, doch mir fiel einfach nichts ein. Mein Augenmerk schwankte hinüber zu der wimmernden Sklavin, die sich noch zuvor in einem verzweifelten Aufschrei ergangen hatte. Die Sklaven hatten sich noch weiter zusammen gerottet.


    Ein wenig neigte sich mein Haupt und mein Blick zuckte wieder hinüber auf die Liebreiz vor mir. “Nun schau nicht drein wie ein Reh!“ Götter! Versuchte ich mich da etwa an einem Lächeln? Ja, eindeutig. “Der Tapfere mag vor der Gefahr zunächst erschrecken, doch spürte er überhaupt keine Furcht, so wäre er nichts als ein dummer Narr!“ Ich nickte pathetisch zu meinen weisen Worten. “Und weißt du, was einen Narren von einem mutigen Menschen unterscheidet?“, fragte ich rhetorisch.


    “Die Wahl seiner letzten Worte?“, fragte Muckel, dessen Kopf sich nun in mein Blickfeld schob.


    “Der Tapfere weiß, dass die Furcht das Maß für die Größe des Heldenmutes ist!“ Ein wenig waren meine Arme versucht, sich auszubreiten und irgendwo in mir erwachte wieder dieses Gefühl, welches durchaus als maskulin zu erspüren war und ein Nuance Erhabenheit mit sich brachte. Ein unglaublicher Kontrast zu den anderen Emotionen, welche die Hände beinahe zittern lassen wollten. Doch sie taten es nicht. Fasziniert blickte ich auf die Sklavin, von der ich nicht einmal den Namen wusste. “Wie heißt du?“, entkam es mir dann, ehe ich noch weiter nachdenken konnte.

    Ich hatte es sehr wohl registriert, dass die junge Sklavin unter meinen scharfen Worte, welche ich an meinen Leibsklaven gerichtet hatte zusammen gezuckt war. Es hatte nicht in meiner Absicht gelegen, sie zu erschrecken oder noch mehr bange Furcht in ihr Herz zu treiben. Von den dummen Gedanken, die Muckel geäußert hatte einmal abgesehen. Gut, vielleicht hätte auch ich sie gedacht, doch es war doch etwas anderes, ihnen auch eine Stimme zu geben. Ein Pferd opfern. Dafür war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort. Außerdem wäre ein Pferd wohl auch das falsche Tier für ein solches Ansinnen gewesen. Noch immer waren die Stimmen der Euphorie auf der Straße zu hören, mit welcher das dahergelaufene, räuberische Gesindel die Beute vor Augen sah, von der sie nur noch das solide Holz der Porta und ein paar Veteranen trennte. Wieder brauten sich in mir die Befürchtungen zusammen und das Blinzeln, mit welchem die Schönheit vor mir den Fluchtweg bedachte, während sie ihre furchtsame Frage stellte war mir nicht entgangenen.


    Glaubte ich an meine eigenen Worte? Zumindest wollte ich es verzweifelt gern. Noch immer lag meine Hand auf der zarten Schulter und es war doch ein recht angenehmes Gefühl, welches sich unter meine eigenen Zweifel mengte. Dieses Gefühl war sanft und fein und in gewisser Weise auch männlich, so wie es sich darstellte. Eine sonderbare Kombination, so wie es sich empfand und und ich schürzte flüchtig meine Lippen unter der Erkenntnis, dass ein wundervolles Wesen vor mir stand, welches ein großer Teil von mir beschützt wissen wollte.


    “Iuppiters Blitz möge auf mich nieder fahren und mich versengen, wenn ich meine Worte nicht in Wahrheit gesprochen habe!“


    Ich versuchte mich an einem aufmunternden Lächeln, während Muckel ein vertrockentes Lachen hervor schnaubte, welches ich geflissentlich ignorierte. Wieder rummste es dumpf und wieder ertönte Jubelgeschrei, nur abgedämpft durch ein wenig Entfernung und die Mauern der Stallwände.


    “SIE WERDEN HIER REINKOMMEN!“, schrie eine ältere Sklavin auf und schürte noch ein wenig die Befürchtungen der Versammelten, die sich nun alle in eine Ecke zurück zogen, die der Tür gegenüber lag. Ein älterer Sklave versuchte sie zu beruhigen.


    Ein denkbar ungünstiger Moment, der das Heldentum in mir ein wenig ins Wanken brachte. Dennoch. Ich schöpfte neuerlich tiefen Atem und schaute der Sklavin vor mir in die Augen, wobei ich bemüht war so viel Ruhe wie möglich in meine Blicke zu legen. Kein einfaches Unterfangen, denn es erforderte Konzentration. “Und ich sage noch einmal: Morgen ist das alles vergessen!“

    Ich hätte ja wirklich gerne behauptet, dass meine Worte der Erbauung gedient hatten, damit die junge Sklavin vor mir nicht mehr diese Furcht empfand, doch anscheinend hatten sie das Gegenteil bewirkt. Sie begann zurück zu weichen, wobei sie sich für ihren eigenen Fehler, im Weg zu stehen entschuldigte. Sie hatte wirklich eine zarte Stimme, die eine Saite in mir zum entzückten Schwingen brachte. Hinreißend! Einfach hinreißend! Dieser Schimmer in ihren Augen und die scheue Frage, die sich darin barg! Mir half es in jenem Moment selbst, mich ein wenig von der vertrackten Lage fort zu denken und die Umstände zu vergessen und sicherlich auch das, was ich eigentlich hatte tun wollen: Zum Senator hinüber zu gehen und die sehr wohl statthafte Frage zu stellen, was dieser Titel unter dem wohl bald brüchigen Dach zu bedeuten hatte. Doch dieses Vorhaben verpuffte gerade im Nichts oder war einfach fortgeweht von den sanften Schwingen der Anemoi. Beides war möglich und ich war verzückt. Noch immer.


    Wieder trafen mich ihre Blicke, während ihre Worte mich auf einen harten Boden zurück brachten, der angefüllt war mit Stroh und einigem Staub. Das Ganze in einer Realität, die nahe legte, dass alle im Stall Versammelten und darüber hinaus noch meine Familie und dieses Haus schon in Kürze durch die Hände des kriminellen Mobs ihr persönliches Karthago erleben könnten. Was also könnte unsere Situation bessern? Ich rang tief nach Atem, während mir Worte wie "nichts", "ein Wunder" oder “eine hauseigene Legion“ in den Sinn kamen. Der Grund, weshalb ich sie nicht aussprach war wohl der, dass ich meine eigenen Ängste weder thematisieren, noch zeigen wollte. Hier ganz bestimmt nicht. Deshalb hatte ich wohl Glück, dass Muckel für mich antwortete:


    “Wir könnten Fortuna eines der Pferde opfern!“


    Gerade deswegen setzte ich ihm ein scharfes: “Sei still!“ entgegen und ich hob ein wenig ruckartig meine Hand. Muckel war ob der seltenen Härte in meiner Stimme wohl verblüfft. Sein Mund klappte zu, ohne weiteres von sich zu geben.


    Das Letzte was ich wollte, war vor dieser Schönheit dazustehen wie ein Hanswurst oder meinerseits von Bedenken getrieben. Ich straffte meine Haltung, während ein enormer Lärm bis in den Stall drang. Jubel aus einer Vielzahl von Mündern, die sich samt ihrer Besitzer vor unserer Porta auf der Straße zusammengerottet hatten. Dann krachte es dumpf, wenn auch noch bis in den Stall hörbar. Offenbar war man weiterhin stetig um ein Eindringen bemüht. Ich schluckte den Kloß, der sich mir im Hals festsetzen wollte hinunter, ehe ich der Sklavin beinahe väterlich die Hand auf die Schulter setzte.


    “Es gibt noch immer einen Weg hinaus,“ Ich versuchte so beruhigend zu klingen, wie es mir eben möglich war und nickte einmal bestimmt dazu, während ich der Sklavin in die Augen blickte. “Diese Familie hat schon Schlimmeres überstanden!“, behauptete ich selbstsicher, ohne spontan einen Beleg dafür vorbringen zu können. “Und schon morgen wird all das hier vergessen sein!“ So hoffte ich.

    Ich stutzte kurz, als ein bezaubernd schönes, grünes Augenpaar mir entgegen blickte und ich meinte für die Winzigkeit eines Moments würde ein wenig Anspannung von mir abfallen. Genau dieses Gesicht hatte ich schon aus der Ferne gesehen und genau diese kleine Gestalt, die meine bewundernden Blicke schon des Öfteren verfolgt hatten, wie sie zwischen Säulen und Türen herum huschte und doch immer wieder verschwand. Nun stand sie direkt vor mir und schaute zu mir auf, mit einem Gesicht, aus dem die Furcht zwar Bände sprach, aber an das ich mich gut erinnern konnte. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch der Moment, in dem ich mich gerade gefangen wähnte schien sich über unendliche Zeit zu spannen. Eine Zeit, in der ich nichts anderes tun konnte, als eben dieses junge Gesicht zu betrachten. Faszinierend und schön und es erschien, als würde ein einziger Lidschlag zu einem ganzen Äon, in dem die betörenste der Najaden der heiligsten Quelle entstieg und...


    “Casca?“


    “Was?“, fragte ich ein wenig leise und selbstvergessen und drehte nur widerwillig meinen Kopf zu meinem Sklaven.


    Dieser blickte mir nur entgegen und zuckte mit den Schultern, ehe er ein “Ehm...“ ausstieß und dann abwinkte. “..Nichts!“


    Grinste er etwa? Verwundert hob ich eine Augenbraue und schaute wieder auf die Sklavin vor mir, der ich meiner Unachtsamkeit mit dem Fuß zu nahe getreten war. Ich konnte gar nichts anderes tun als zu lächeln, denn meinem Innersten erschien es wohl so, als sei dies die selbstverständlichste Art, diesem Wesen zu begegnen. Wieder verfing sich mein Blick auf ihrem Antlitz, ehe ich mich dazu durchringen konnte, mich zu räuspern.


    “Ich...,“ hob ich an, doch unterbrach ich mich noch einmal, ehe ich meine volle Entschlossenheit wieder fand. “Ich bin dir auf den Fuß getreten. Das lag nicht in meiner Absicht!“


    Es war wohl eine Feststellung, die einer Entschuldigung am nächsten kommen musste. Eigentlich hätte ich mich für gar nichts entschuldigen müssen bei einer Sklavin, doch sie wirkte so verängstigt, eingeschüchtert und scheu. Irgendetwas musste ich sagen, zumindest verspürte ich den ungeheuren Drang das zu tun. Irgendetwas heroisches vielleicht.


    “Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst!“, sagte ich mit einiger Inbrunst, auch wenn das angesichts der gegenwärtigen Lage nicht unbedingt den Tatsachen entsprach.


    “Außer vor Casca vielleicht....“, ergänzte Muckel murmelnd, doch er hatte Glück, dass ich es nicht gehört hatte.

    “Hast du das gehört?“, flüsterte Muckel mir entgegen und verrenkte sich nun ein wenig den Hals, um zu der Pferdebox hinüber zu starren.


    Es hatte es eilig gehabt mich ein wenig vom Ort des Geschehens zu bringen, als würde er fürchten, dass ich irgendeinen Unsinn täte. Doch das hatte ich gar nicht vor gehabt. Ich hatte mich lediglich gewundert, dass vollkommen fremde Leute Aton mit Senator ansprachen und das mit einer Natürlichkeit, als wären wir in der Curia. Natürlich hatte ich das gehört! Doch was sollte ich machen? Ein einziges “Aber, und das war schon zu viel? Das war angebracht! Das war das Haus der Decima und wer sollte sich denn darum kümmern, wenn nicht jemand aus der Familie? Außer mir war ja kein anderer da und es war wichtig, was hier vorging. Sehr wichtig!


    “Muckel...wirklich! Ich werde jetzt zu ihm rüber gehen, und dann...klären wir das!“


    Ich straffte schon meine Haltung, doch Muckel legte vorsichtshalber wieder die Hand auf meinen Arm, den ich ihm neuerlich hastig entzog.


    “Und wenn er wirklich Senator ist? Was willst du denn dann....ich meine, da ist doch sch....“


    “So ein Unsinn!“, schnitt ich ihm sogleich das Wort ab.“Wenn Aton plötzlich zum Senator wird, dann könnte ich selbst schon übermorgen...“ Ich überlegte kurz, doch mir fiel auf die Schnelle kein passendes Äquivalent ein. Ein Hannibal sein? Zu tragisch und im Grunde auch unwichtig. “Wie auch immer! Die Welt steht in Flammen und wahrscheinlich auch gleich unser ganzes Haus! Wer weiß wo Seiana nun ist, Serapio oder mein Bruder... und dann kommt einfach jemand hier herein, der die Gesamtsituation völlig ign...“


    Weiter kam nun ich wiederum nicht, denn ich hatte mich ein wenig rückwärts von Muckel fort bewegt, damit er endlich seine bewahrenden Finger von mir ließ. Bei dieser Gelegenheit hatte ich jemanden angerempelt, oder besser: War ihm auf den Fuß getreten. “Oh, verzeih'!“, entkam es mir, während ich mich zu diesem Jemand herum drehte.

    Bei mir in der 'Tonstrina Hispania' ist noch Caius Decimus Flavus als Angestellter eingetragen, was ein wenig schwierig ist, da dieser im Elysium verweilt.


    Kann man den entfernen?*fiep*

    So fühlte sich also Verlorenheit an. Gepaart mit einem Schuss Angst und der Gewissheit, dass wohl nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Es war erschöpfend, schweißtreibend, machte weiche Knie und war überhaupt nicht gut für den Teint, wie ich ja an Muckel gesehen hatte. Am besten ich merkte es mir gut für den Zeitpunkt, an dem ich einmal meine Memoiren schreiben würde. So in dreißig bis vierzig Jahren, wenn wir denn alle Glück hatten und hier lebend heraus kamen. Immerhin hatte ich für meinen Kommentar ein Nicken von Aton erhalten. Nach Lachen war sowieso niemandem. Meine Stirn lehnte noch immer an der Wand der Box, doch das änderte sich, als jemand hinzu trat. Ich hob den Kopf und mein Blick fiel auf einen Mann. Offensichtlich mit einer Botschaft. Ich erwiderte sein Nicken, nur um dann perplex drein zu schauen, als er mich links liegen ließ und sich an Aton wandte. Muckel rückte ein wenig näher und sah mir entgegen. Ich sah zurück und zuckte dann mit den Schultern, wobei sich meine Augen ein wenig weiteten und sich meine Unterlippe verzog.


    Als die Worte fielen, die verkündeten, dass dieser Mensch den Senator zu sprechen wünschte, ruckte mein Kopf wieder herum. Senator. Senator? Ich blinzelte, schaute auf das Pferd, dann auf Aton und fragte mich noch immer, ob ich mich verhört hatte. Doch ich war mir schließlich sicher, als das Wort auch leise über Atons Lippen kam. Ich drückte mich von der Wand weg und war doch sehr versucht, etwas zu sagen. “Aber...“, entkam es mir und ich wollte noch anfügen, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln konnte, doch ich fühlte die Hand meines Sklaven auf meiner Schulter, die ich sofort versuchte wieder davon zu wischen. Irgendwie kam es mir so vor, als würde Aton aus einem Traum erwachen und ich im Gegenzug in einen hinein fallen. Vielleicht waren auch alle ein wenig verrückt geworden? Die Umständen schrien ja förmlich nach so etwas. Muckel zog mich mit sich. “Besser du sagst jetzt gar nichts!“ flüsterte er mir entgegen und ich nickte schwach. Mir fiel auch gar nichts mehr ein.

    [..] Während mein Sklave und ich uns durch die Gänge mühten, wurde mir trotz aller Wut im Leib wieder deutlich, dass es hier um mehr ging, als nur Gegenstände, die zu Bruch gegangen waren. Was, wenn der Mob hier wirklich eindringen würde, was durchaus zu befürchten stand? Muckel gönnte ich einen Seitenblick und er wirkte blass, auch wenn das aufgrund seiner Hautfarbe nur schwer zu bewerkstelligen war. Angespannt hievte ich die Kiste voran, während uns einige Sklaven überholten. Der älteste unter ihnen blieb stehen.


    “Zum Stall!“, sagte er dann etwas außer Atem, wie er war und deutete in die Richtung, in der dieser lag. “Alle sollen zum Stall!“


    Dann schwenkte sein Blick auf meinen Arm, genauer gesagt auf die Hand, die den Griff der Kiste hielt und seine Augenbraue krümmte sich ein wenig in die Höhe. Es lag mir auf der Zunge. Es lag mir doch wirklich auf der Zunge, doch ich schluckte meinen Kommentar hinunter und nickte Muckel zu. Gemeinsam schlingerten wir weiter und ich wusste genau, dass ich nicht der einzige war, der sich hier etwas verkneifen musste. Verdammt! Die Lage war ernst, doch es lag mir fern mich noch einmal umzuschauen, um zu sehen, ob die Porta auch wirklich hielt. Außerdem konnte man sie von hier aus auch gar nicht sehen.


    “Ehrlich Casca... Alle fürchten um ihr Leben und du nur um … das hier!“ Sein Kopf ruckte nach unten und ich wusste, dass er die Kiste meinte.


    Ja, was glaubte er eigentlich? Dass ich keine Angst hatte? Dass ich keine Wut hatte? Dass ich keine... Befürchtungen oder dergleichen hatte? Ich war ein Mensch voller Emotionen und im Augenblick hatte ich so viele, dass ich schon gar nicht mehr wusste, welcher ich zuerst nachgeben sollte!


    “Was weißt du schon! Wir sind hier, wir sind alle entehrt! Sie werden uns das Dach über dem Kopf und unser Leben rauben! Wir sind am Ende und da ist... gerade nur rechtens, dass ich genau das rette was mir auf dieser Welt noch bleibt! Und es ist mir vollkommen egal, was du dabei empfindest!“, ranzte ich ihn an, wohl wissend, dass meine Stimme gerade in extrem lautes Crescendo übergegangen war und ich aufpassen musste, dass sie nicht völlig nach hinten kippte. Das wird da mit uns herum schleppten war ein wichtiger Teil meiner Kindheit und noch wichtigerer Teil meiner Lebensträume, die ich im Alter von sechs Jahren in den Orcus hatte werfen müssen.


    Muckel verkniff sich alles. Sogar sein Gesicht und er schleppte weiter. Allein weil er wusste, dass ich in einer Stimmung wie dieser nicht in der Lage war das Wort 'Contenance' überhaupt zu denken. Wir erreichten den Hof und bald darauf den Stall, wo schon eine illustre, nervös gespannte Menge versammelt war, die sich leise verhielt und ebenso wie ich hoffte, dass die Tür zur Straße hielt. Die Pferde schnaubten beunruhigt und ich bahnte mir den Weg zwischen einigen Sklaven hindurch und ließ die Kiste auf den Boden, woraufhin ich mich aufrichtete und den Arm ausschüttelte. Dann nickte ich allen zu und zog mich in eine Ecke zurück, in die mir nur Muckel folgte. Ich war außer Atem, doch ich bemühte mich, nicht laut nach Luft zu schnappen.


    “Casca!?“, flüsterte mir Muckel entgegen, doch schenkte ihm nur einen bösen Blick und hob die Hand, um im Vorfeld schon jedwede Kommentare abzuwehren. Auf die konnte ich gerade gar nicht.


    Ein wenig kraftlos stieß ich mich von der Wand ab und ging hinüber zu dem Mann, der ihm als 'Aton' im Gedächtnis geblieben war. Dieser stand bei einem der Pferde, als wolle er es beruhigen. Vielleicht sollte ich das auch tun. Also, mich beruhigen und mich irgendwie ablenken von der herabwürdigenden Situation. “Sie sind unruhig,“, sagte ich lapidar und deutete auf die scharrenden Pferde. “Wer kann es ihnen verdenken. Wir haben ihnen nicht mal die Möglichkeit gelassen, sich auf die vielen Gäste vorzubereiten.“ Es sollte ein Scherz sein, doch irgendwie hatte ich schon im Gespür, dass er mir nicht glücken würde.


    “Wenn wir fliehen müssen, dann lassen wir die Kiste einfach unter dem Stroh!“


    Muckel hatte sich genähert und ich verdrehte die Augen. “Genau das werden wir nicht hier tun! Hier sind doch genug Leute, die dir tragen helfen können!“, zischte ich ärgerlich zurück, wohl wissend, dass Muckel recht hatte. Wir würden sie nicht mitnehmen können. Ich wischte mir die Hände an meiner Kleidung ab, da sie ein wenig schweißnass waren und lauschte einen Moment in mich selbst hinein. Hatte ich soetwas schon einmal erlebt? Nein, hatte ich nicht und war nie versessen darauf gewesen. Ich seufzte und lehnte mich erschöpft gegen das Holz einer Boxenwand.

    “Bei allen Söhnen von Dis!“ fluchte ich vernehmlich auf dem Weg in meine Räume. “Die Unterwelt möge sie alle verschlingen! Hades möge sie würgen und der Styx sie ersäufen! Die Furien sollen auf ihnen reiten von hier bis in den Schlund von Kerberos!“


    Sie waren einfach hier eingedrungen! Einfach so!


    “Hätten sie nur einen Hals! Nur einen einzigen...!“ Ich deutete wahllos auf irgendeinen Punkt an der Wand.


    “Ja, was dann?“, wagte es Muckel nachzuhaken, während er die Tür öffnete und nach mit hinein schlüpfte.


    “Durchtrennen! Abschneiden! Aufschl...“


    “Später....“ Muckel machte eine beschwichtigende Geste und ich verschluckte den Rest meiner Worte, nur um meine Faust zu ballen und auf die Verwüstung zu blicken. Vieles war zu Bruch gegangen und meine Sammlung lag zum Teil in Scherben, zum Teil noch ganz auf dem Boden verstreut. Jemand hatte meine Besitztümer aus dem Regal gefegt! Wie konnten sie es nur wagen, dieses Haus, diese Familie, diesen Ort zu überfallen, alles zu zerstören und die Bewohner nieder zu schlagen. Wie Verbrecher!


    “Bastarde und Hurensöhne hat er gesagt!“ Ich schnaufte und zeigte auf die Kiste. “Pack das ein!“ Es war sonst nie meine Art Muckel anzuherrschen, doch im Augenblick konnte ich nicht anders. Eigentlich hätte ich bei der Tür bleiben müssen. Es wäre meine Pflicht. “VERDAMMT!“


    Muckel beeilte sich und klaubte dies und das vom Boden auf. “Nicht die! Die von Marius! Die vergoldete! Und vergiss Alexander nicht!“, motzte ich.


    Muckel hob eine weitere Figur hoch, doch ich winkte ab. Es war mir gleich. Alles war mir gleich. War das nicht eine Situation, von der Mutter immer sagte, sie würde sogar den letzten Esel dazu bringen, sich in ein Schwert zu stürzen? Nein! Solche Vergleiche waren sicherlich fataler als alles was bereits geschehen war. Es klapperte, doch bald hatte mein Sklave alles gepackt. Einschließlich ein paar Sesterzen in einem kleinen Säckchen. Ich blickte mich im Raum um und half dann Muckel beim Tragen.


    “Dreck sollen sie fressen diese Söhne einer räudigen....Kuh!“, kommentierte ich die ungeahnte Schwere der Kiste und mühte mich hinkend, mit meinem Sklaven Schritt zu halten. Ich war wirklich zu nichts Nütze.

    “Götter! Ich glaube wir leben noch!“


    Ich hob den Kopf, als Muckels Stimme zu mir vor drang und machte mich daran, mich mühselig zu erheben. Meine Gedanken rasten und ich wusste nicht recht, wo ich in all dem Unglück beginnen sollte, sie zu sammeln. Ich war fassungslos und konnte nur noch auf das schauen, was übrig geblieben war. Ein Toter und Scherben und als ich hörte, was man mit dem armen Mann machen wollte, drohte sich mir der Magen umzustülpen. Es konnte auch von dem Mob kommen, den ich schon durch die Türe brechen sah. Dann schweifte mein Blick hinüber zu dem Veteranen, der sich daran machte als Erster anzupacken, um die leblose Hülle den Bestien vorzuwerfen.


    “Die brauchen keine Hilfe!“ raunte Muckel mir zu und ich glaubte, noch ein wenig Panik in seiner Stimme zu hören. Seine Hand fand an meinen Arm. “Lass uns zum Stall gehen! Da sollten doch alle hin...“


    “Ich weiß nicht...“


    Bei allen Göttern! Ich wusste nicht einmal selbst mehr, was g e n a u ich nicht mehr wusste. Auf jeden Fall wollte ich mich nicht verkriechen und irgendwie wollte ich es doch tun.


    “Dein Bein! Was wärst du denen denn nütze?“, zischte Muckel mir entgegen.


    Ich war gar nicht froh, in diesem Moment, der doch einen Helden erforderte auf meine...Achillesferse angesprochen zu werden, auch wenn diese bei mir mehr im Knie lag. Ich war mir schon während dieses ganzen monströsen Szenarios nicht besonders als Mann vorgekommen und Muckel machte es jetzt nicht besser. Im Gegenteil.


    “Lass uns gehen, Casca!“ Mahnende Worte, unter denen ich die vertrauliche Hand meines Sklaven von meinem Arm wischte.


    Inzwischen hatte sich die Porta wieder verschlossen, vor der man den Toten abgelegt hatte. Es war ein widerwärtiges Bild. Varenus? Fort. Halb erschlagen, wenn nicht gar ganz! Und alles was blieb war das, was man noch in zwei Händen tragen konnte. Meine Sammlung!


    “Los Muckel!“, entkam es mir und mit einem gehetzten Blick schaute ich mich noch einmal im Atrium um, welches zu einem Ort der Verwüstung geworden war. “Wir packen!“


    “Was?“


    “Meine Sammlung!“ Schon schritt ich aus, unter einem Hinken, das zunehmend stärker wurde. Ich hasste mein Bein. Es machte mich träge und versetzte meiner Männlichkeit, die hier vielleicht mit einem Schwert in der Hand gefordert gewesen wäre einen herben Tiefschlag. Muckel folgte mir, offensichtlich froh, mich nicht mehr zum Gehen antreiben zu müssen. In mir kochte Groll. Gegen diese...diese.... gegen sie alle, die uns das angetan hatten und gegen mich und die Umstände.

    Ich lauschte noch immer und ein fröhliches Lächeln lag auf meinen Lippen. Es klang wirklich gut, doch in meinem Hinterkopf gingen noch immer die Gedanken herum, dass ich im Grunde keine Ahnung hatte. Nur das musste man ja nicht unbedingt jedem mitteilen. Ich schaute in die Runde und nahm schließlich die Wachstafel entgegen und warf einen langen Blick darauf, ehe ich meinen Namen darunter schriebt, nur um sie dann weiter zu reichen. Ich würde mich unbedingt heute noch einmal um den Barbier kümmern müssen. Ihm vielleicht einen Besuch abstatten, einmal in die Bücher sehen, oder so etwas, um auch ja nicht den Überblick zu verlieren.

    Ich war geschockt von all der Gewalt, die um mich herum ausgetragen wurde. Und das in dem Heim, in dem ich lebte. Wahrscheinlich würde es nicht lange dauern, bis die Casa in Trümmern lag und wer weiß was noch...


    “Wir hätten nur durchs Fenster gehen müssen!“, quetschte Muckel heraus, der neben mir auf dem Boden lag und die Hände schützend über den Kopf hielt. “Was machen die denn? Ich will hier weg!“


    Ich musste schlucken und konnte es immer noch nicht fassen.Die ganze Zeit über hatte ich versucht, unsichtbar zu bleiben und es war mir, wie meine heilen Gliedmaßen verkündeten, auch durchaus gelungen. Mein Blick wanderte besorgt hinüber zu Varenus. Es war einfacher, sich über andere Gedanken zu machen, als über sich selbst. Warum hatte er nur den Mund aufmachen müssen? Meine Reiterfigur lag immer noch neben mir. Suchend schaute ich mich um und ich bemühte mich, das Blut auf dem Boden nicht zu sehen.


    “Halt einfach den Mund!“, schnappte ich in Richtung Muckel. Mein Herz raste ganz schön. “Wir bleiben einfach hier liegen und warten ab.“ Ich klang nicht sonderlich stoisch. Das war mir vergangen. So fühlte es sich also an, wenn alles verloren war. Elend und hilflos.

    “Ich weiß nicht recht Muckel!“ Skeptisch hatte ich mich im Spiegel angesehen und meine neue Tunika bewundert. Immerhin hatte ich beschlossen, mich nicht mehr gehen zu lassen und wollte beginnen, nun doch noch mehr auf mein Äußeres zu achten, als ich das in den letzten Wochen getan hatte. “Meinst du, sie trägt auf?“ So recht konnte ich mich noch nicht an die grünliche Farbe gewöhnen, doch ich schätzte es, dass sie mir bis knapp an das Knie reichte.


    “Ich finde, sie wirkt nicht so weibisch wie die Rote,“ erklärte Muckel gerade fachmännisch und er hatte seine Hand an sein Kinn gehoben, was ihn grüberlisch wirken ließ.


    Als die Tür schließlich aufflog, zuckten wir beide zusammen und fuhren herum. Götter! Was wollte dieser Mensch? Erschrocken starrte ich ihn an und als ich die Botschaft erfasste, weiteten sich meine Augen. Muckel und ich schauten uns an. Möglichkeiten Näheres zu erfahren gab es nicht, denn der Bote war verschwunden.


    “Sind wir jetzt alle tot?“, fragte Muckel, nachdem er sich aus der Schreckstarre gelöst hatte und ich schluckte.


    Damit hatte ich nun beileibe nicht gerechnet. Noch einen Moment starrte ich auf die Tür, während sich meine Gedanken überschlugen. “Ich äh...“ Ich wischte mir über das Gesicht und geriet dann in Bewegung. Um nichts auf der Welt wollte ich ins Atrium.


    “Wir könnten durch das Fenster fliehen!“, brachte Muckel hastig heraus und auch er war nun der Hektik verfallen. Kurzentschlossen schleifte er einen Stuhl vor das Fenster. “Ich stelle mich auf den Stuhl, mache eine Räuberleiter und du ziehst mich dann...“


    “Nichts da!“, herrschte ich ihn an. Ich war kein von Göttern verfluchter Feigling, auch wenn das Ganze nun fürchterlich unangenehm werden konnte. Aber schließlich war ich es gewesen, der das Haus nicht hatte verlassen wollen. “Verdammt!“, fluchte ich leise und hob meinen Blick. Er fiel direkt auf meine Sammlung und ich biss mir auf die Unterlippe... Was wenn... Kurzentschlossen hielt ich auf eines der Regale zu und schnappte mir den glorreichen Caesar auf einem bergziegenähnlichen Ross. Was, wenn die Rebellen... Oh nein! Noch einmal musste ich schlucken, ehe ich mich zusammen riss. Tief rang ich nach Atem und beschloss für mich, der ganzen Sache würdig entgegen zu treten.


    “Komm schon Casca!“, flehte Muckel und deutete auf den Stuhl, doch ich schüttelte den Kopf.


    “Nein!“, sagte ich noch einmal. “Wir gehen ins Atrium. Jetzt sofort! Und das so würdig wie möglich!“


    “Würdig!“, echote Muckel ungläubig.


    “Ich weiß Nepomuk. Du bist ein Sklave und hast von so etwas keine Ahnung. Von daher!“ Ich straffte meine Haltung und fasste meine Reiterfigurette fester, ehe ich auf die Tür zu steuerte und den Gang zum Atrium betrat. Muckel folgte mir zögerlich, aber auf dem Fuße.

    [...]Es waren schon viele versammelt, doch so recht mochte ich meinen Blick nicht umher schweifen lassen. Soldaten in einem Heim waren schon etwas, an das man sich erst einmal gewöhnen musste, doch würde dafür sicherlich keine Zeit bleiben. Einige Sklaven standen in einem kleinen Pulk beisammen. Auch Aton war bereits anwesend und ich nickte ihm flüchtig zu, auch wenn ich bisher herzlich wenig Bekanntschaft mit ihm hatte machen können. Situationen wie diese verbanden doch ungemein.


    “Ich bleibe hinter dir!“, raunte mir Muckel zu, und ich nickte, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass kein heroischer Gedanke hinter seinem Vorhaben steckte.


    Was blieb zu tun? Abwarten, auch wenn das Herz ein wenig schneller schlug.


    [SIZE=7]Edit: Verlinkung[/SIZE]

    Casca hatte Varenus die ganze Zeit über mit seinen Blicken bedacht, während dieser sprach. Die Socii Mercatorum Aurei. Das klang altehrwürdig und irgendwie konnte der junge Römer noch nicht so recht daran glauben, dass er nun eine der Personen sein sollte, die dazu beitragen würden das Banner dieser Gesellschaft wieder hoch zu halten. Noch vor einigen Tagen war er vollkommen mittellos gewesen. Casca schob ein wenig die Unterlippe vor und nickte dann unbestimmt und grüblerisch. Gewinnoptimierung und Maximierung lag auf jeden Fall in seinem Sinne und so hätte er Seiana dann auch auf jeden Fall etwas vorzuweisen. Darüber hinaus würde es auch definitiv das eigene Ego ein wenig streicheln, wenn man Mitglied bei so etwas wäre. Es klang gut. Ohne Zweifel gut. Da konnte er Dexter nur zustimmen. Eine Aufstellung der Betriebe, die sich beteiligen würden, wäre sicherlich auch nicht schlecht. Casca dachte an seinen Barbier. Konnte man das, was ein Barbier tat eigentlich unter „Waren“ verbuchen oder war es eher eine Dienstleistung am Kunden? Letzteres, oder? Da brauchte man kein Lagerhaus. Aber für das Holz schon. Wer zahlte das dann? Bei den Göttern! Er wünschte er wäre schon der alte Hase, der er gerne sein wollte. Doch von seinen wirren Gedanken ließ er sich nichts anmerken, sondern schaute stattdessen in die Runde, ehe sich sein Blick wieder auf Varenus setzte.

    Ich stand noch immer im Raum, doch ich muss nicht lange warten, bis Titus Decimus Varenus sich zu mir herum drehte. Ich lächelte nach der Begrüßung und nach den Glückwünschen, zu denen ich wie ich empfand nur allzu eifrig nickte. “Vielen Dank, Varenus!“, sagte ich mit einigem Stolz in der Stimme. “Ein Ratschlag wäre immer willkommen!“ Genau das war er. Schließlich schaute ich auf den angebotenen Sitzplatz und steuerte dann direkt darauf zu. Mit einem leisen Seufzen setzte ich mich nieder und dachte noch einmal daran, ob es nicht doch besser gewesen wäre, die Unterlagen mitzuführen. Aber nein. Nein, es würde schon passen. Mein Blick richtete sich dann auf die weiteren Ankömmlinge. Beide hatte ich noch nie zuvor gesehen. Helvetier, wie ich ob der Einladung mutmaßte. Ich nickte ihnen begrüßend zu und lauschte ihren Worten und hielt einem der Sklaven stillschweigend meinen Becher hin, damit er mir Wein einschenken konnte. Nur nicht zu viel, ermahnte ich mich selbst. Immerhin hatte ich mir geschworen, diesem Getränk fortan nicht mehr zu huldigen.

    Ich hatte mir eine Weile überlegt, ob ich die Unterlagen mitnehmen sollte. Immer wieder habe ich Muckel das Für und Wider vorgebetet. Eine Mitnahme der Unterlagen stützt das Gedächtnis und außerdem würde es mir helfen, weil ich noch so neu in den Geschäften war. Andererseits wäre es gewiss kein gutes Bild, wenn ich der Einzige wäre, der ständig etwas nachzulesen hatte. Vielleicht brauchte man im Grunde auch gar kein Vorwissen, um bei der Gründerveranstaltung teilzunehmen. Ich beschloss also, den Mut zur Lücke zu haben und machte mich auf den Weg. Meine erste Amtshandlung quasi im Hause der Decimer und überhaupt. Noch vor Wochen hätte ich mir nie träumen lassen, eines Tages mal der Herr über einen Barbier zu sein und ein Sägewerk obendrein.


    Vor den Räumen angekommen, straffte ich meine Haltung und schritt durch die Tür. Mein Blick fiel auf Dexter. Der zweite auf Varenus. Der dritte auf die anderen. Ich nickte allen freundlich zu. “Salve!“, sagte ich vernehmlich und lächelte. Zu etwas anderem konnte ich mich noch nicht entschließen.