Beiträge von Rediviva Helena

    >>> Ein fremder Jüngling <<<


    "Das ist mir schon klar." erwiderte der Junge patzig und schüttelte den Kopf. Wer sonst sollte im Officium des Duumvirs zu erwarten sein? "Es gab einen schlimmen Unfall beim Hafen. Sie brauchen dorrt dringend Hilfe." Er überlegte nach dem Namen jener Frau, die ihn sandte, doch er fiel ihm nicht mehr ein. "Du musst schnell dorthin, jemand sandte mich aus dich zu holen."

    Der Aufprall war schmerzhaft gewesen. Sie war eine solche Behandlung kein bisschen gewöhnt und so ironisch es auch klingen musste, wenn man sich diese Lage genauer betrachtete... Ihr Zuhause, wo auch mmer sie war, hatte sie stets gut vor solchen Zusammenstößen bewahrt. Sie richtete sich wieder in eine sitzende Position und versuchte dann, vorsichtig aufzustehen, doch direkt presste er sie wieder zu Boden. Helena wusste nicht, was sie hier noch tun sollte. Sie kam nicht weg und jemand, der ihr helfen konnte war auch nicht hier. "Ihr werdet alle dafür bezahlen, was ihr uns angetan habt. Ausrotten kann man euch leider nicht, doch ausbluten lassen." Langsam machte sich nicht nur Angst, sondern auch Entsetzen in ihr breit. Wie konnte nur solch ein Hass aufkeimen? Irgendetwas war verdammt falsch gelaufen...


    "Aber ich habe doch nichts getan." meinte sie nun und war ganz erstaunt, dass dieser Junge von vielleicht höchstens siebzehn Jahren sie hatte aussprechen lassen. Sie versuchte ihn anzulächeln, doch bei seinen kalten Augen war es ihr gänzlich unmöglich. Eben noch hatte er so geschlagen gewirkt und nun völlig unnahbar. Aber wie kam es, dass er ausgerechnet sie herausgezogen hatte? Gerade sie hatte sich doch meistens auch für die schwächeren eingesetzt. Sie war es doch, die übermäßgen Reichtum verabscheute. "Ganz gleich, wen ich genommen hätte. Die Reichen sollen sehen, dass es jeden von ihnen treffen kann. Uns fragt auch niemand, ob wir vielleicht die Falschen sind, die unter ihnen leiden." Helena wusste nichts zu erwidern, sie gab ihm irgendwo recht. Traurig sah sie zu Boden. Die ganze Situation machte sie nieder und sie wusste nicht, damit umzugehen. War das nun ihr Ende? Hier am Hafen, wo sie den Leuten helfen wollte?


    "Nicht Titus." hörte sie da eine leise Stimme. Sie klang traurig und sehr jung - Helena hatte sie schon einmal gehört. Als sie ihren Blick hob, konnte sie das kleine Mädchen erkennen, dem sie vorhin schon helfen wollte. Sie lächelte ihr zu, doch das Lächeln war von Trauer gezeichnet. "Geh kleines." hörte sie die Anweisung von 'Titus'. Sie sah wie das kleine Mädchen verschwand, was ihr den leichten Schimmer von Hoffnung gegeben hatte. Nun riss der junge Mann sie wieder hoch und presste sie schmerzhaft gegen die Wand. Aus einem inneren Reflex heraus wollte sie ihn wegschieben, was er mit einem heftigen Schlag in den Bauch quittierte, der sie zusammensinken ließ. Er gewährte es ihr, auf die Knie zu fallen und nun musste sie weinen. Die Hoffnungslosigkeit der Leute und ihrer eigenen Lage war einfach zuviel.


    Sie spürte, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Unruhig hob sie den verweinten Blick und sah Titus an, der ihr einen Becher entgegen hielt. Unsicher nahm sie den Becher. Es roch nach Wein, aber nach einem seltsam gewürzten. Kräuter schwammen darinnen. Sie sah Titus fragend an. "Ich möchte nichts..." doch als Antwort erhielt sie nur ein mahnendes "Trink!" das keine Widerrede zuließ. Zögerlich hob sie den Becher an den Mund und trank ein paar Schluck. Sie kannte den Beigeschmack irgendwoher...


    Als sie aufstand, wurde ihr plötzlich schwindlig. Schwankend suchte sie Halt. Jedes Zeitgefühl schien mit einem Mal verloren und ihre Zunge war auch so unendlich schwer. Sie tastete nach Titus, der sie auch stützte. Doch lange trugen ihre Beine sie nicht mehr und sie sank zusammen. Langsam verschwamm die Welt bis nur noch warme Dunkelheit da war, die sie umfing.

    Helena zählte ihm die Münzen in die Hand ab und legte auch ein klein wenig darauf. Dann lächelte sie dem Händler zu. "Ich danke dir. Ich nehme an wenn ich auf der Suche nach einem Wächter sein sollte, schaue icih hier wieder vorbei." erklärte sie und entfernte sich ein paar Schritte vom Stand. Sie musste versonnen lächeln. Freya wirkte sehr überrascht, dass sie von dort wegkam. Hoffentlich hatte das keine tieferen Gründe... Das wäre eine mittelschwere Katastrophe, da Helena absolut kein Durchsetzungsvermögen an den Tag legen konnte.


    Sie drehte sich wieder zu Freya um, die dem Händler noch etwas an den Kopf warf, was Helena's Augen größer werden ließ. Vermutlich war dies der Grund für ihre Überraschung. Und doch musste Helena sich schnell wieder umdrehen und tat als habe sie nichts gehört, ehe sie unhöflich lachen würde. Freya hatte den Nagel auf dem Kopf getroffen. Als díe junge Sklavin näher kam, meinte Helena nur trocken: "Ja, in der Tat. Meine Nase hat mich davor bewahrt mich noch länger vollsülzen zu lassen." Doch sie sagte nichts weiter dazu und machte sich nun auf den Weg über die Märkte, während hinter ihnen zorniges Gebrummel erklang: "Sklavin werden noch sehen was davon haben! Herrin sie gewiss bestrafen wird! Und dann Sklavin haben nichts mehr zu lachen!" Helena glaubte Verzweiflung in seiner Stimme zu vernehmen, die wohl daher rührte, dass Freya recht hatte.

    Helena entfernte sich gemeinsam mit Freya vom Stand des Sklavenhändlers. Auch andere boten hier ihre "Frischwaren" an, die ebenfalls sehr vielversprechend aussehen. Aber Helena hatte Freya gesehen und in ihr wurde ein Wille geweckt, dass sie nur diese Sklavin wollte. Helena war gespannt auf die Geschichte Freya's. Was sie für ein Leben hatte. Dass Sklaven kein übermäßiges Vertrauen zugesprochen wurde, war ja mittlerwele völlig normal. Während sie schweigend an den Ständen entlangschlenderten, achtete Helena darauf, dass sie die gleiche Höhe hielten und Freya nicht hinter ihr ging. Gewiss sah Helena es ebenso, dass Freya nichit auf dem gleichen Stand war, aber für sie war ein Sklave nichts schlechteres als jeder Peregrinus. Dann endlich erhob Helena ihre Stimme, um das Schweigen zu brechen. "Du bist froh, endlich von dort fort zu sein, stimmt's? Und gewiss fragst du dich, was für ein Leben nun auf dich wartet." begann Helena. Sie könnte nun direkt damit beginnen, Freya ihre Aufgaben zu erklären, aber sie wollte keinen Monolog führen und Freya in den Dialog mit einbinden. Ihr Blick schweifte zu Freya und sie lächelte diese freundlich an.

    Helena überlegte, was sie von Freyas Antwort halten sollte. Dass ihre Worte ehrlich waren, bezweifelte sie nicht im Geringsten. Der direkte Blickkontakt hätte keine Lügen gestattet. Und so lächelte Helena ihr nur ein weiteres Mal zu, bevor sie den Sklavenhändler zu sich winkte. Dieser kam auch sogleich herangeeilt. Sein Gespräch war anscheinend in eine gänzlich andere, als sie erhoffte Richtung gegangen. So zumindest sah seine Miene aus und auch die der sich entfernenden Kunden. Ehemaligen Kunden. Ex - potentielle Kunden.


    "Ich habe mich entschieden." ließ sie verlauten und deutete kurzerhand auf Freya. Helena hoffte sehr auf ein gutes Verhältnis zwischen ihnen beiden, denn dies war ihr am wichtigsten, wenn sie sich eine Bedienstete anlachte. Nach kurzer Verhandlung des horrenden Preises - den Helena allerdings gut verstehen konnte - nickte sie Freya zu. Der Händler schüttelte immer noch den Kopf, dass Helena... "Iche kanne nicht verstehe warum Herrin gehen ein Risiko und lassen Bande hier. Herrin kanne komme in Gefahre und wer meine Waren kauft dann? Wenn Sturkopf allerdings läuft davon, dann Herrin kommen wieder und... Gut Herrin, ich akzeptieren deine Vorschlag." Helena verdrehte die Augen nur ins Blaue und winkte die Sklavin zu sich.

    'Damit kann man leben' - diese Worte lösten bei ihr weitere Belustigung aus, dachte sie doch an Kaya. Eine ihrer ersten Offenbarungen war, dass sie Kinder hasste und in einem Haushalt mit zweien von ihnen war es nicht sonderlich ratsam. "Mehr brauche ich gar nicht wissen. Das mit den Kindern ist noch so ziemlich am Wichtigsten. Und nun eine Frage, die mir wirklich wichtig ist, die ich ehrlich beantwortet haben möchte. Würdest du ein Höchstmaß an Vertrauen missbrauchen? Ich behandle Sklaven nicht nach Gesetz sondern wie jeden anderen Menschen auch..." Helena wusste, wie naiv diese Frage war. Aber gerade weil sie so kindlich - offen war, warf sie viele aus dem Ruder und ließen ihren Gegenüber vor Verblüffung ehrlich antworten. Und wenn es gelogen war, so musste man schon ein sehr guter Lügner sein, damit es nicht auffällt.

    Augenblicklich wurde aus Helenas warmen Lächeln ein belustigtes Schmunzeln. Diese Freya hatte genau das ausgesprochen, was sie selbst gedacht hatte. "Das ist für solche Lebensverhältnisse recht lang. Ich nehme an, du würdest recht gerne weg von ihm?" stellte Helena eine Frage, die sie sich nie und nimmer verneint vorstellen konnte. Sie blickte noch einmal kurz zu dem Händler, der laut lachte und dem Manne begeistert auf die Schulter klopfte. Dieser hingegen wirkte nicht mehr so begeistert von den Worten des Händlers und rasch wandte Helena den Blick wieder ab. "Was kannst du denn alles? Lesen und Schreiben? Kochen? Magst du Kinder?" fragte Helena direkt um auszuloten, ob diese Frau dort überhaupt geeignet wäre. Notfalls musste sie all diese Dinge lernen, aber Helena fand Freya unwahrscheinlich sympathisch und fände es sehr ärgerlich, würde sie diese zurücklassen müssen.

    Helena warf einen beinahe ängstlichen Seitenblick in Richtung des Händlers, der allerdings in einer angeregten Unterhaltung mit einem Paar stand. Und diese Unterhaltung schien beidseitig angeregt zu sein. Helena schauderte, sie konnte sich ganz und gar nicht vorstellen mit diesem... stinkenden Objekt ein ausführliches Gespräch zu führen, während der übelriechende Atem in Form eines Schwalls schlechten Lateins in ihr Gesicht fand. Nachdem sie sich wieder einigermaßen von diesem grauenhaften Gedanken erholt hatte, wandte sie ihre ganze Aufmerksamkeit wieder der Sklavin vor sich zu. "Ich bin Helena. Wielange musst du es schon bei diesem..." Helena suchte nach einem Titel, mit welchem sie den Händler bezeichnen konnte, fand aber auf die Stelle nichts passendes und ließ das Objekt des Satzes also einfach weg. "... aushalten?" Sie hoffte, dass sie mit dieser Frage mehr Worte als nur eine kurze Zusammenzählung der Wochen und Monate als Antwort erhielt.

    Während Helena nur einzelne Wortfetzen wie "... der Krieg..." und anderer Dinge wahrnahm, die sich um Germanien drehten, blieb ihr Blick an einer Sklavin hängen, die sie anstarrte. Germanien, dort hatte sie Maximus verloren, ihren geliebten... ehemaligen Gemahl. Und nun hatte der Sklavenhändler es doch geschafft, sie von ihrem Vorhaben wegzubringen, sich die Sklaven genau zu betrachten. Sie hörte ihm zwar nicht zu, doch die Sklaven musterte sie auch nicht besonders aufmerksam. Ach er würde es ihr schon nicht übel nehmen, dass sie Metellus Antrag nicht zurückkgewiesen hatte. Sie seufzte sich einmal laut aus ihren Gedanken heraus und näherte sich jener, die sie so anstarrte, während der Händler neben ihr schritt. "Diese ist ein gute Sklavin... Sie nur machen manchmal Ärger mit wenig spreche. Sie kommte nicht aus den Krieg, sie werdet verkauft von alte Herr." plauderte er. Helena's Augen verengten sich zu Schlitzen und sie bemerkte beiläufig: "Oh könnte das dort vorne nicht neue Kundschaft sein?" Und Helenas Plan ging auf. "Herrin haben Recht! Herrin warten, gleich wieder sein für sie da!" und schon schnellte er auf seine neuen Opfer zu.


    Helena hingegen musterte die junge Frau. "Salve." sagte sie ein wenig distanziert. Dieses Mädchen plapperte nicht mit den anderen, sie schien ein wenig außen vor zu sein. "Wie heißt du?" fragte Helena freundlich und lächelte sie warm an.

    Helena schlenderte allein über die Märkte. Sie brauchte dringend eine Leibsklavin, denn Kaya hatte sich als nicht sehr geeignet erwiesen und befand sich nun unter den Fittichen ihres Bruders. Zudem fand Helena vielleicht sogar ein paar neue Kleider. Und wie eh und je blieb sie an jenem Stand stehen, wo sie einst auch schon Cynara und Kaya gekauft hatte - und Pentesilea. Der Händler erkannte Helena augenblicklich als eine sehr gute Kundin und wieselte auf sie zu. Helena's Blick bekam einen gereizten Hauch, denn sehr gut konnte sie sich an die anzüglichen Blicke bezüglich der Sklaven erinnern - und an Kayas Schilderungen. "Salve!" grüßte sie und er erwiderte eifrig mit einem Nicken ihren Gruß. "Du hast ja wieder recht viel im Angebot." meinte Helena, die den Begriff "Angebot" allerdings nicht mochte. Sie kaufte keine Sklaven für Arbeit sondern für Gesellschaft. Und sie zwang jene auch zu nichts, was sie nicht wollten. Nicht sehr römische, aber dafür menschliche Einstellungen, wie sie und schon viele zuvor fanden. "Ich kommen direkte aus Germanien und ich müssen sagen viiele gute Sklavinnen dort sind! Auch Sklaven. Schau Herrin du brauchen gewiss neuen Körpersklaven..." plauderte er daraus los, während sie ihren Blick durch die Reihen gehen ließ. Sie ignorierte sein überaus schlechtes Latein und beobachtete die Sklavinnen...

    "Verdammt! Was sucht so eine pikfeine Schlampe wie du hier?" warf er ihr mit lauter und aggressiver Stimme an den Kopf. Ihr Herz schien in diesem Moment stehenzubleiben. Sie hatte doch einfach nur helfen, als sie hierher gekommen war. Und noch immer war ihre größte Hoffnung, dass dieser Junge zurückkehren würde, damit man der Bevölkerung helfen konnte. Sie selbst wog diese beiden Sachen gegeneinander ab und empfand sich als sehr töricht. Und doch empfand sie keine Angst, nur Verständnislosigkeit. "Antworte du Miststück!" schrie er sie an, seine Wut schien sich mit jedem Augenblick zu erhöhen. Helena wollte zurückweichen, aber plötzlich spürte sie einen schmerzhaften Druck an ihrer Schulter. Er presste sie mit seiner linken fest gegen die Mauer. "Warum tust du das?" fragte sie verständnislos und leise. Es bedrückte sie, denn was in seinen Augen stand, war offensichtlich: Blanker Hass.


    Und nun wurde Helena die Gefahr der Situation bewusst. Sie fürchtete darum, dass er vor absolut nichts zurückschrecken würde. Langsam zeichnete sich Angst in ihren Augen ab. Und sie wusste, dies war ein sehr schwerer Fehler, denn las das Tier Angst in den Augen seines Opfers, dann schlug es zu. Und mit diesem weitergeführten Gedanken schämte sie sich, denn genau diese Denkensweise schürte vermutlich seinen Hass. "Halt die Fresse, Edelnutte" schrie er sie an und übte einen schrecklichen Druck auf ihre Schulter aus, sodass sie nach Luft schnappen musste. "Ihr seid es doch, die für all das hier verantwortlich sind! IHR!" Helena begann langsam zu verstehen, worauf er anzielte. Und sie wünschte in diesem Moment, eine andere Tunika als jene mit dem Purpurstreifen angezogen zu haben. "Ich habe doch nicht..." setzte sie geziert an, bekam aber sogleich einen heftigen Schlag auf die Wange, der sie verstummen ließ. Der Schmerz begann nur langsam zu brennen. Vielmehr hatte der Schock ihre Glieder gelähmt.


    Er musste wahrlich wütend sein. Niemand würde es wagen, einen Priester und einen Angehörigen der Oberschicht zu schlagen. Priester waren unantastbar und sie als Pontifex eigentlich recht bekannt. Und doch sah niemand sie. Sie waren im Schatten des Unfallortes und bei dem allgemeinen Chaos achtete niemand auf diese kleine Lappalie. Gerade wollte Helena wieder ansetzen zu sprechen, als sie die Tränen in den Augen des Jungen sehen konnte. Und da verrauchte auch der letzte Zorn in ihr und sie sagte nur leise: "Es tut mir leid." Doch die Wut ihres Gegenüber schien noch nicht verraucht zu sein. "Es tut dir LEID? Was tut dir Leid! Du hast doch keine Ahnung was ihr hier angerichtet habt. Ihr habt das Leben mancher Leute zerstört. Auch die so schändlichen Sklaven ließen vielleicht Familie zurück, auch wenn sie in euren Augen nur Dreck sind." Helena erschrak. Tote. Natürlich hatte es Tote gegeben. So weit hatte sie gar nicht gedacht. Sie sah nur überall die Tränen und das Blut - aber Tote?


    Sie senkte den Blick, doch mit seiner Rechten riss er brutal wieder ihr Kinn hoch. "Und nicht nur heute, nein. Wann kümmert ihr reichen Säcke euch eigentlich um uns? Wann?" sagte er nun ruhiger, aber mit noch immer von Hass erfüllter Stimme. "Ich..." doch er schien nichts davon hören zu wollen, sondern packte sie und warf sie zu Boden. Anscheinend ging es ihm hier ausschließlich um Rache.

    Helena wurde durch das laute Schreien herbeigelockt und was sie sah, ließ ihren Atem stillstehen. Gerade als sie eine Häuserecke passiert hatte und auf das Geschehen sehen konnte, bemerkte sie den ächzenden Kran. Doch ihr lautes Rufen kam zu spät und mit lautem Krach fiel das Gerät um. Helena konnte gar nicht hinsehen und wandte den Blick zu Boden, als sei sie selbst getroffen worden. Das Schreien und Flehen war laut. Helena sah kurz, nahezu verzweifelt wieder zum Geschehen hin. Dann erst ging sie mit großen Schritten auf den Unglücksort zu. Aus den Schritten wurde dann ein kurzer Sprint. Sie hatte keine Angst, dass ihr vielleicht etwas geschehen konnte. Und das konnte sich vielleicht zu einem Fehler entwickeln.


    Sie hatte Angst um die Menschen, denen das Unglück geschehen war. Als sie ankam blickte sie in kalkweiße Gesichter und sah weinende Frauen und Kinder. Viel Blut war zu sehen, hier an Kleidung, dort in Gesichtern. Diie vielen Marmorsplitter, die herumlagen, deuteten darauf hin, dass der Kran nicht das einzige Unheil war. Helena erblickte ein alleinstehendes Mädchen, das bitterliche Tränen weinte. Erschrocken schritt sie zu ihr, nicht wissend wie sie hier helfen sollte. Mit freundlichem Lächeln kniete sie vor dem jungen Ding und ergriff eine ihrer Hände. Das Mädchen sah Helena mehr oder weniger entsetzt und tieftraurig an. Ein leises "Papa" kam aus ihrer Kehle und Helena's Herz wurde klamm. War er etwa verunglückt? Sie schloss das junge Mädchen wortlos in die Arme, welches dies geschehen ließ. In unheilvollen Zeiten waren Menschen eben doch wieder einander verbunden. Helena sah sich um und rief einen vorbeilaufenden Mann herbei, er solle das Mädchen in Sicherheit bringen. Und er tat wie ihm aufgetragen, wenn der ärmlich aussehende Mann auch missbilligend auf den angus clavus auf ihrer Tunika blickte.


    Helena richtete sich auf und überlegte, wie sie weiter helfen konnte. Mit zaghaften Schritten und einem mehr als schlechten Gefühl im Bauch näherte sie sich dem Kai. Eine leichte Staubwolke war aufgewirbelt worden und das viele Schreien machte Helena nervös. Hilfe musste her, sie allein konnte nichts ausrichten. "Junge!" rief sie laut einem vorbeieilendem Jüngling zu, der auch sogleich herankam. "Hier, nimm das Geld. Doch bei den Göttern, richte dem Duumvir aus, was hier für eine Katastrophe geschehen ist. Rediviva Helena schickt dich!" Der Junge nickte, nahm das Geld aber nicht an. Mit verächtlicher Stimme meinte er: "Ich nehme kein Geld. Kein Geld kann Menschenleben aufwiegen." Verletzt sah Helena den Jungen an, doch es blieb keine Zeit für lange Diskussionen und so ließ sie ihn ziehen. Seine Worte schmerzten sie doch was sollte sie tun? Sie gehörte zur reicheren Schicht, aber sie hatte doch niemandem etwas getan, sondern versuchte zu helfen.


    Da erblickte sie den nächsten Menschen, der offensichtlich allein nicht zurecht kam. Mit schnellen Schritten näherte sie sich der älteren Frau, die möglicherweise eine Händlerin war. Sie sah sehr traurig aus und auch hier vermutete Helena einen schweren Verlust. Doch ehe sie sich der Frau nähern konnte, wurde sie hart an der Schulter erwischt und stolperte überrascht ein paar Schritte seitwärts. Sie hatte nicht die feindseligen Blicke bemerkt, die sich auf sie gerichtet hatten. Noch ehe ihre brennenden Augen allerdings den Angreifer erspähen konnten, wurde sie ein weiteres Mal geschubst und landete hart mit dem Rücken an einer Wand. Sie kniff die Augen zusammen und konnte dann ein zorniges, noch recht jugendliches Gesicht erkennen.

    >>> Ein fremder Jüngling <<<


    Völlig außer Atem hatte der schmutzige Junge die Regia erreicht und sich bis zum Officium des Duumvirs durchgefragt. Seine Kleidung war schon sehr alt und wies viele Flicken auf, das Geld reichte nicht für eine Neuerung. Sein Gesicht war staubig und zeigte eine blutige, frische Schürfwunde. Er riss die Tür des Officiums von Metellus einfach auf, er hatte keine Zeit für unangebrachte Höflichkeiten. "Duumvir?" fragte er kalt.

    Helena klopfte zaghaft an. Doch ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete sie die Tür. Sie hatte sich fest vorgenommen, nun wieder mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, wenngleich Minervina bald nach Rom abreisen würde. "Hallo Publius." sagte sie freundlich und schritt auf ihn zu, um ihn einen sachten Kuss auf die Stirn zu hauchen. Sie blickte auf das Spielzeug, dass um ihn herum verteilt lag und setzte sich neben ihn.

    Auch Agrippa interessierte sie in diesem Moment kein bisschen. UNd selbst wenn es für sie von Belang war, sie war durchaus bekannt, hatte viele bedeutende Verbindungen und war zudem erfolgreich. Auch wenn sie sich manches in ihrem Leben anders vorgestellt hatte, als es bisher verlief. Sie schloss ihre Augen und überlegte. Sollte sie einfach so "ja" sagen? Dies war eine wichtige Entscheidung und Maximus selbst war noch nicht lang bestattet. Sie ging auf den Kuss mit ihm ein und vertiefte diesen zärtlich und voller Liebe. "Ich sähe keinen Grund, warum ich dies nicht tun sollte. Einzelheiten müssen in der Tat besprochen werden, doch dir gebe ich meine Einwilligung." sagte sie zärtlich und blickte ihm wieder in die Augen.


    Sim-Off:

    Ich geh einfach davon aus, dass er schon "weg" ist, denn die Beerdigung war für Ende letzten Monats angesetzt. Den Post werde ich nachträglich auf das entsprechende Datum setzen.

    Sie wandte den Blick nicht von Metellus ab, in dessen Gesicht sich die Sonne abzeichnete und geheimnisvolle Schatten warf. Doch seine Mimik zeigte nicht mehr das Verlangen von eben, er schien ernster zu werden. Und dieser liebevolle und doch schwerwiegende Blick ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie ahnte, was er sagen wollte, doch sie wusste nicht wie sie mit der Situation umgehen sollte. Und als seine Worte ihre Vermutungen bestätigten, schlich sich eine längst vergessen geglaubte Röte auf ihre Wangen. "Marcus..." sagte sie nur leise und wandte dieses Mal nicht sein Cognomen an. Sie war verlegen und würde sich am Liebsten in ein Mauseloch verkriechen. Sie konnte mit solchen Situationen nicht umgehen, die patrizische Gelassenheit war komplett wieder abgelegt.


    Sie erhob sich langsam wieder und näherte sich ihm. Sie fühlte sich wie in einem wunderschönen Traum. Inmitten des warm erhellten Zimmers, mit den allerdings schon leicht dunkleren Strahlen und dem freundlichen Ambiente. Inmitten einer grünen Landschaft. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein. An eine Verlobung hatte sie immer nur im Geheimen gedacht, doch nie wirklich ernsthaft in Betracht gezogen. Sie hatte immer geglaubt, Metellus interessierte sich nicht so ernst für sie. "Dein Stand ist mir nicht wichtig." sagte sie zärtlich und schritt ganz nah an ihn heran, um zu ihm aufzusehen. Selbst wenn er ihr wichtig war, er würde gewiss für eine Heirat ausreichen. Das Herzschlagen wollte einfach nicht aufhören. Zaghaft griff sie nach seiner Hand und führte sie zu ihrem Herzen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

    "Ja, in der Tat." wiederholte sie sich wieder einmal und lächelte. Sie mochte ihn und schämte sich nun, wie sie in der letzten Zeit mit ihm umgesprungen war. Sicher hatte er sein Ansehen zu wahren, doch im Herzen war er wohl wirklich noch immer der gleiche wie einst. Sie musterte seine Züge, die von der Spätnachmittagssonne stark erhellt wurden und sie blinzeln ließen. Sie lächelte. Es wirkte als sei er es, der so strahlte. Und vielleicht war es für sie ja auch so. Dann sprach er weiter und mit fragendem Blick legte sie den Kopf schief. "Unter welchen Bediingungen?"

    Sie wollte gerade widersprechen, spürte dann aber schon einen leichten Druck an ihrer Hand, der sie aus der Culina fortzog. Sie stolperte hinter dem energischen und gar nicht mehr charamanten Metellus hinterher. Als er die Tür eines wohlbekannten Zimmers hinter sich verschloss, blickte sie ihn kopfschüttelnd an. "Wie langweilig." meinte sie mit einem frechen Schmunzeln. "Ich wäre ja für etwas neues gewesen." fügte sie mit einem scheinheiligen Lächeln an und ließ sich auf der Bettkante nieder.

    Sie hob sacht ihre Hand und legte diese auf seine Wange. Zärtlich kraulte sie nun mit zwei Fingerspitzen die Schläfe, während ihr Blick den Hauch von Laszivität annahm. "In der Tat." antwortete sie mit einem leisen Wispern. Vielleicht sollte sie ihre Gefühle noch nicht leben, doch das war eine Entscheidung die noch gefällt werden müsste. Sein Grinsen wies dezentes Verlangen auf, was ihr Lächeln auf etwas breiter werden ließ und sie den Blick nun auf seine Brust richtete. Zu diesem Punkt folgte auch sanft und sachte ihre Hand.