Beiträge von Titus Matinius Pacatus

    Die beiden waren offenbar so in einige Details am Gebäude vertieft, dass keiner auf seine Frage reagierte. Pacatus schaute noch einmal angestrengt in die Höhe, aber konnte nichts Bemerkenswertes entdecken. Schließlich klopfte er einem der beiden auf die Schulter: "Salvete, verzeiht die Störung. Ist einer von Euch beiden der Architekt Lysander?"

    Klar, die üblichen Fragen. Woher. Wieso. Pacatus war das in der letzten Zeit öfter gefragt worden. Wenn man irgendwo neu ist, muss man den Leuten verklickern, wo man herkommt. Das lässt irgendwann mal nach. Wenn man dann wieder weggeht, fängt die Fragerei wieder an. Warum gehst Du weg, wohin gehst Du. Da ist Gleichmut gefragt. Inzwischen war der Wirt mit zwei dampfenden Schüsseln zurückgekommen, die er mit einem 'Wohl bekomm's' auf dem Tisch abstellte. Pacatus nahm seine Schüssel zwischen seine Hände, bevor er zum Löffel griff.


    "Nein, das germanische Wetter bin ich nicht gewohnt. Wie sollte ich auch? Ich komme aus Roma, da gibt's zwar auch mal trübe Tage, aber nicht ganz so kalt". Er begann vorsichtig zu löffeln. "Man kriegt hier kalte Finger und es tut verdammt gut, wenn man sie an so einem Kump mit heißer Suppe aufwärmen kann".


    Ein paar Tische weiter schien es Streit zu geben und es wurde laut. Der Wirt, der ein paar beachtlich breite Schultern sein eigen nannte, bewegte sich gemächlich auf die Streithähne zu, worauf der Lärm gleich wieder verebbte. Pacatus löffelte noch ein Weilchen. "Der etwas eigenartige Mensch, mit dem ich Dich auf dem Forum gesehen habe, ist das Dein Bruder?"

    "Matinius Pacatus, einfach zu merken", antwortete Pacatus. "Hier ist Dein Schreibpult. Das Schreibzeug ist im Regal daneben. Ich arbeite für den Aedil, überprüfe den Verrottungsgrad der städtischen Gebäude und helfe ihm bei der Marktaufsicht. Ansonsten fange ich Besucher ab, das können wir uns dann aufteilen und Echnaton macht die eiligen Schreibarbeiten. Für Dich bleibt die Post des Duumvir und die Edikte der Decuriones. Da hilft Dir aber auch Boduus. Wahrscheinlich musst Du auch Botengänge machen und das Geld bei den Decuriones eintreiben. Da kannst Du die auch gleich kennenlernen".


    Pacatus ging zu einem Schränkchen und holte drei Becher und einen Krug. "Hier, etwas Met zur Begrüßung. Eigentlich gibt das das Stadtsäckel nicht her, aber man hilft sich. Echnaton, komm her und nimm auch einen Schluck. A propos Stadtsäckel: vielleicht kriegst Du auch Aufträge vom Quaestor".

    "Danke, vielleicht kann ich's brauchen". Nachdem die Petronierin bekundet hatte, dass sie eine Kneipe nicht scheute, ging Pacatus mit ihr hinüber. Es war ein einfaches Haus mit einem Holzporticus, wie es Pacatus schon in der Stadt gesehen hatte. An der Außenwand waren die üblichen Graffiti zu lesen, auf denen der Wirt seinen Laden anpries oder Gäste sich ihrer vergangenen Saufgelage brüsteten. Irgendeine Pomponia bot auch ihre Dienste an, samt Preis. Pacatus trat ein und suchte einen Platz. Der Gastraum war ziemlich voll, was man schon am Lärm der durcheinander redenden Gäste bemerkte, lange bevor sich die Augen an das dustere Licht gewöhnt hatten.


    Pacatus rief den Wirt, der bei seinem Eintreten ohnedies schon einen langen Hals gemacht hatte und sich gleich in Bewegung setzte. Er fand auch einen Platz an einem langen Tisch, an dem schon einige Leute saßen und tranken. Nachdem sie Platz genommen hatten, sagte er zu Petronia Octavena: "Etwas Besseres wird man hier kaum finden, glaub ich. Ich hoffe, es stößt Dich nicht ab".


    Zum Wirt sagte er: "Salve Caupo, wir möchten uns hier etwas aufwärmen, hast Du vielleicht ein warme Suppe?" Der Wirt bot eine Knochenbrühe mit Zwiebeln, Pastinaken und Speck an. "Einverstanden, Petronia Octavena?"

    Was, schon wieder einer? Nein, diesmal kam kein Besucher zur Tür herein, sondern der der Duumvir höchstselbst und schleppte den vorhin durchgewinkten Domitier mit sich. Der war aber Scriba geworden und nicht Agrimensor. Pacatus war damit durchaus zufrieden, hatte er doch jetzt noch einen Kollegen, der mithelfen konnte, hereinschleichende Besucher abzufangen und auszuquetschen.


    "Willkommen Domitius Clemens, hier im besucherfreundlichsten Officium von Mogontiacum und der umliegenden Civitates. Nimm nochmal Platz bitte, ich zeig Dir gleich Dein Schreibpult. Der dahinten in der Ecke ist Echnaton. Er ist Servus publicus und der schnellste Schreiber hier in der Curia. Mich kennst Du ja schon. Der Dritte von uns ist Boduus, der macht gerade einen Beschaffungsgang, um einen Eintopf zu erbeuten und kommt gleich zurück".

    Pacatus grinste. "Ich werde mir Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen es auf die Verwaltungspraxis haben könnte, wenn man Vorhaben nach den Kriterien 'brennend wichtig' und 'bloß wichtig' unterteilt. In diesem Sinne, vale, Aedil".

    Eilenden Schritts kam Pacatus in sein Officium zurück. Man sollte ja Besucher nicht unmäßig lange warten lassen, weil sich dann in deren Gehirnen der Gedanke von den langsam mahlenden Mühlen der Administration festzusetzen pflegt.


    "Der Duumvir hat gesagt, ich solle Dich mal fix reinschicken. Viel Erfolg, Petronius Crispus. Es ist gleich gegenüber, die Tür ist offen".

    Die Dame schien lakonische Antworten zu lieben. Pacatus war's egal. Er spähte an der Straßenfront entlang und entdeckte eine Kneipe mit dem schönen Namen 'Ultimum Naufragium', die sich an ein großes Lagerhaus drückte. Vielleicht konnte er dort mehr erfahren.


    "Du scheinst nicht aus diesem Viertel hier zu kommen, Petronia Octavena. Du würdest auch besser in den Vicus Apollinensis passen, wo ich Dich neulich gesehen habe, richtig? Ich wohne hier, aber am anderen Ende des Vicus. Zu diesem Fecenius Chilo will ich, weil er einer der einflussreichsten Männer im diesem Vicus ist. Vielleicht kann er mir helfen. Ich will nämlich als Magister Vici kandidieren". Pacatus ärgerte sich jetzt, dass er das mit dem Magister rausposaunt hatte. Nun war diese Petronierin der erste Mensch, der davon erfuhr. Wer weiß, wohin die Tante das noch rumerzählen würde. Beim Hades, den Lapsus hätte er sich auch sparen können.


    "Vielleicht kann ich in der Kneipe dahinten etwas erfahren. Ein warmes Süppchen oder ein Schlückchen Honigwein wären bei diesem verfluchten Germanenwetter vielleicht auch nicht uneben, ganz nebenbei gedacht. Wenn Du Lust dazu hast, dann komm mit".

    Pacatus wetzte um die Curia herum in die angegebene Straße und sah dort gleich zwei Typen vor einem eingerüsteten Haus stehen, die nach oben schauten und diskutierten. Das Haus war eigentümlich gebaut, zumindest kam das Pacatus so vor, denn aus Roma war er anders gebaute Häuser gewohnt. Aber auch hier schien das Haus etwas aus der Reihe zu fallen, wenn man es mit den Nachbarhäusern verglich. Es war niedriger und hatte einen Porticus, der auf Holzsäulen stand, während die anderen Häuser meist ein zweites Stockwerk hatten und verputzte Säulen unter den Portici. Aber er war nicht hier, um Architektur zu studieren.


    Wie jeder das so macht, wenn einer in die Höhe schaut, stellte sich Pacatus dazu und schaute auch in die Höhe. Nach einer Weile sagte er: "Salvete. Ist einer von Euch beiden der Architekt Lysander? Den suche ich. Mein Name ist übrigens Matinius Pacatus".

    Der Alte hatte etwas lange gebraucht, bis er mit der Auskunft rausrückte, trotzdem war Pacatus froh, dass er endlich auf eine bissfeste Information über diesen geisterhaften Lysander gestoßen war. Aber gleich darauf schaltete der Kerl wieder auf seinen werbemäßigen Sprachmodus um und bot einige Backwaren an. Weil er jetzt aber wusste, wo er den Lysander finden konnte, ließ Pacatus den Ärger über den Reklamesprech gar nicht aufkommen und verordnete sich gute Laune.


    "Fein, dann werde ich mich mal dahin aufmachen, danke vielmals für die Auskunft. Ja, ich nehm mal zehn Stück Honiggebäck mit. Vielleicht kann ich damit auch den Lysander etwas ködern. Wieviel macht das?"

    Wenn hier im Officium immer ein solcher Publikumsverkehr ist, dann kann ich meine Sonderaufträge auf den Müll schmeißen, dachte sich Pacatus. Dann fiel ihm aber ein, dass da auch noch Boduus war, der jetzt zwar jede Menge liegen gebliebener Schriftstücke aufarbeitete, aber irgendwann musste der ja auch mal damit fertig werden. Jetzt erst mal den Petronier durchwinken.


    "Nimm bitte Platz. Es dauert nur einen Moment und ein kleines Weilchen. Ich sag dem Duumvir Bescheid".

    Der Alte mit dem Rauschebart spuckte aus, stand von seinem Hocker auf und ging ins Haus. Blöd. Sonst war momentan keine Seele am Hafen zu sehen, die man nach dem Haus von Chilo fragen könnte. Wie auch immer, irgendwas würde sich finden.


    "Salve Petronia Octavena. Wie Du siehst, geht's auch mit einem Knuff ganz fabelhaft. Das Gespräch kann man ja auch später nachholen, oder? Ich habe mir den Vicus hier mal ein bißchen angeguckt, obwohl es heute etwas duster ist. Und ich suche das Haus von Fecenius Chilo. Er soll hier irgendwo wohnen. Kennst Du den zufällig?"

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    Der Petronier: "Salve, ich will mit dem Duumvir reden!"


    Die Tür öffnete sich und schon kam der nächste Karrierehengst hereinspaziert. Heute war offensichtlich Karrierewetter. Der Duumvir würde sich wundern. Diesmal war es der schnoddrige Typ vom Forum. Mit dem Entwurf für eine Marktordnung würde es heute wohl nichts mehr werden.


    "Ah, salve Petronius Crispus. Du willst zum Duumvir? Gerne. Mit welchem Anliegen?"

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    Asius: Nun. ich glaube nicht, dass ich derartige grundlagen noch erlernen muss.ich beherrsche latein in Wort und Schrift. diese grundlegenden Dinge sind fuer mich kein Problem.


    Wie man sich täuschen kann, sagte sich Pacatus, da kommt einer gerade aus der Germania Magna und hat doch schon ein volle Ausbildung. Na, wenn der sich richtig ins Zeug legt, dann kann er auch Kaiser werden.


    "Ja, wenn das so ist, mein Freund, dann steht Deinem Fortkommen ja nichts mehr im Weg. Warum hast Du nicht gleich gesagt, dass Du schon eine religiöse Unterweisung hinter Dir hast? Dann bist Du beim Pontifex genau richtig. Warte, ich schau mal nach ..., ah ja, Marcus Petronius Crispus ist der Pontifex, gerade frisch gewählt. Geh zu ihm hin, sein Haus ist leicht zu finden, wenn Du aus der Curia rausgehst, links die Straße hoch, kurz vor dem Tor zum Castellum. Ich wünsche Dir viel Erfolg!"

    Pacatus hatte gerade zu einer Kurve angesetzt, um einem alten Fuzzy mit Rauschebart nach dem Haus dieses Chilo zu fragen, als er einen kräftigen Stüber in den Rücken bekam. Er drehte sich um und hatte da eine junge Frau vor sich, die sich ganz bedröppelt entschuldigte.


    "Eh, was ist das denn? Äh, da kriegst Du einen Knuff ins Kreuz, drehst Dich um und was siehst Du? Das hübsche Mädchen von neulich, das mit dem muffligen Typ auf dem Forum herumstand. Machst Du das immer so, wenn Du jemand kennenlernen willst? Erst einen Rempler und dann ein freundliches Gesicht?" Pacatus setzte ein großzügiges Lächeln auf. "Kannst Du haben: Mein Name ist Titus Matinius Pacatus, ich freue mich riesig darauf, Deinen Namen zu hören. Und jetzt, wo ich Dich sehe, verzeih ich Dir auch den Rempler".

    Pacatus hob die Augenbrauen. Neue Aufgaben und die alten noch nicht mal richtig angefangen? Er wollte vermeiden, dass er dreimal täglich aus einer Aufgabe heraus und in eine andere hinein gejagt werden würde.


    "Dann sag mir doch, wie dringend die Marktordnung ist. Dringender als die Gebäudegeschichte? Und, was willst Du in der Marktordnung drin haben? Marktzeiten, Vorschriften für Standplätze, Verteilung der Standplätze oder ...? So, wie Du klingst, gibt es noch keine Marktordnung hier, da brauch ich gar nicht ins Archiv zu gehen. Schade eigentlich, der Archivar ist ja wirklich ein lustiger Vogel".


    "Und die Marktaufsicht? Da müsste ich ja den ganzen Tag auf dem Markt rumrennen und die Preise notieren. Oder, wie siehst Du das?"

    Pacatus nahm sich auch einen Hocker. Im Augenblick konnte er sich noch keine rechte Vorstellung davon machen, worauf Asius hinauswollte. Also: Er kam frisch aus Germanien und wollte Aedituus werden ... Warum kam der dann in die Curia? Pacatus kratzte sich am Kopf.


    "Gut, Du willst also Aedituus werden. Hm, da musst Du aber vorher noch einiges lernen. Zum Beispiel, wie man römischen Göttern Opfer darbringt. Oder wie man den Tempel in Ordnung hält. Ich meine, es wäre am Besten, wenn du beim Tempeldienst erst mal einige Zeit als Discipulus aushilfst. Dabei kannst Du das Nötige lernen und auch einige Kröten verdienen. Nein, das ist nicht viel, aber man kann damit hinkommen. Und wenn Du Dir genug abgeguckt hast, dann kannst Du Dich auch als Aedituus bewerben".