Beiträge von Titus Matinius Pacatus

    An einem Novembernachmittag entschloss sich Pacatus, dem Ziegeleibesitzer Fecenius Chilo einen Besuch anzustatten. Eine gute Gelegenheit, auch den langgestreckten Vicus Navaliorum in Augenschein zu nehmen, denn dieser Chilo wohnte am südlichen Ende des Vicus, gleich beim Hafen. Aber Novembernachmittage sind kurz, noch dazu, wenn die Wolkendecke, wie heute, kaum zweihundert Fuß über dem Land liegt und schon mittags das Dunkelwerden ankündigt. Von seinem Haus bis zu dem des Chilo war es mindestens ein halbe Meile, weshalb Pacatus sich beeilte, um wenigstens bis zum Hafen zu kommen.


    Die Häuser waren hier selten aus Stein gebaut, meistens aus dick verputztem Fachwerk und oft mit Holzschindeln gedeckt. Den meisten konnte man ansehen, dass sie sich auf keinen Architekten berufen konnten. Oft waren es notdürftige Improvisationen ihrer Erbauer oder phantasievolle Umbauten aus Lagerschuppen und Werkstätten, in deren Nachbarschaft sie auch standen.


    Als er den Hafen erreichte, kam etwas Wind auf, der die herrschende Kälte noch verschärfte. Pacatus dachte an Roma, wo es sicher etwas wärmer war, aber genau genommen gab es dort auch solche Tage, an denen das Wetter bleiern auf der Seele lastete. Man kann nicht Alles haben, sagte er sich, denn er hatte ja in voller Absicht die Wärme des Südens gegen die Freiheit von den Schergen dieses verfluchten Kaisers eingetauscht. Hier konnte man wenigstens frei atmen. Kalte Luft zwar, aber gute, freie Luft. Und den Gestank der Gassen von Roma war er auch los. Er schaute über den Fluss. Der Rhenus war mächtiger als der Tiber und auf dem gegenüber liegenden Ufer war der ungebändigte Wildwuchs der Flusswälder zu erkennen. Eine freie Landschaft.


    Er musste jetzt das Haus dieses Chilo finden und begann, sich durchzufragen.

    Im Officium angekommen, bat Pacatus den Fremden herein und schloss die Tür. Boduus blickte kurz auf, aber Pacatus gab ihm zu verstehen, dass er sich selbst um den Ankömmling kümmern würde.


    "Bitte komm rein und setz dich hier hin. Wie ist Dein Name? Und worum genau geht es? Du sagtes etwas davon, dass Du Aedituus werden willst, ist das richtig?"

    "Komm erst mal mit in das Officium der Scribae, gleich am Ende des Flurs". Pacatus zeigte in die Richtung auf eine offen stehende Tür und ging los.


    Sim-Off:

    Es geht im Officium III weiter

    Pacatus kam etwas verstimmt vom Markt zurück. Der Typ mit dem hervorragenden Eintopf hatte heute seinen Stand geschlossen. Er hatte deshalb irgendwo anders ein paar Brote mit Käse gegessen, die ziemlich geradeaus geschmeckt hatten. Er schwor sich, dass er diesen Schrott nie wieder anrühren würde und hatte seinen Schwur mit einem Becher Honigwein bekräftigt. Genau genommen hatte er eigentlich den erbärmlichen Geschmack der Brotes hinuntergespült.


    Als er in die Curia kam, sah er einen Mann, der vor der Tür zum Materiallager stand und wartete. Offenbar hatte der da geklopft. "Salve Fremder, ich bin Matinius Pacatus, der Scriba des Aedils. Zu wem willst Du? Hinter der Tür sitzt niemand, das ist das Materiallager".

    Natürlich wusste Pacatus nicht, ob für diese Aktion überhaupt Gelder bereitgestellt worden waren. So, wie die Sache aussah, schien das nicht der Fall zu sein, dachte er für sich. Er runzelte die Stirn. Das erklärte natürlich so manches.


    "Na, wenn es beim Geld hapert, dann fangen wir eben klein an. Ich denke, dass gravierende Bauschäden am ehesten bei Gebäuden zu finden sind, die miserabel gepflegt werden. So etwas kann ich mit der Hilfe eines Bauhandwerkers leicht herausfinden. Wenn ich so eine halb vermoderte Barracke gefunden habe, dann kann man ja immer noch einen Architekten her holen".


    Dann fiel Pacatus noch etwas Wichtiges ein: "Ich muss ja in manche Gebäude auch rein, manchmal vielleicht sogar aufs Dach. Wie ist das denn zum Beispiel bei Tempeln? Da darf doch in einige Räume nur der Priester rein".

    Zitat

    Der Aedil: "Aber ich glaube, der alte Domitius ist auch Architekt... vielleicht kann der ein bisschen aushelfen und macht's für wenig Geld. Oder du nimmst einen erfahrenen Bauhandwerker, der ist vielleicht nicht so teuer."


    So langsam hatte Pacatus das Gefühl, dass er einem großen Geheimnis auf der Spur war. Die ganze Fragerei hatte immer nur recht ausweichende Antworten zu Tage gebracht. Natürlich glaubte er nicht wirklich an diesen Gedanken, aber er erinnerte sich daran, dass ihm, wenn er in Roma hinter einer Sache her war, manchmal ganz ähnliches passiert war, bevor dann irgendwann ganz dicke Hunde exhumiert worden waren. Pacatus wischte den Gedanken weg; wahrscheinlich war es bloß so, dass hier kein Schwein richtig Bescheid wusste. Deshalb nahm er die Idee, einen Bauhandwerker dazu zu nehmen, dankbar in sein Repertoire auf. Den Domitius konnte er sich dann immer noch vornehmen, wenn dieser Lysander nicht aufzutreiben war.


    "Gut, kümmere mich mal darum. Aber, haben wir denn überhaupt Geld für die Aktion? Und wieviel ist es?"


    Das mit dem Geld könnte natürlich ein plausibler Grund dafür sein, dass bei der Sache mit der Überprüfung der Gebäude alles andere als Eile an den Tag gelegt wurde.

    Pacatus eilte zum Officium der Duumviri. Man soll ja keinen allzulange warten lassen, sonst meckern die Leute wieder über den verschlafenen Amtsschimmel. Als er dort war, sah er, dass die Tür halb offen stand. Waren die Kerle etwa ausgeflogen? Nein, einer war wenigstens da. Pacatus klopfte der Form halber an die Tür und trat ein.


    "Salve Duumvir, bei mir sitzt ein Besucher namens Domitius Clemens. Er sagte, er wäre der Sohn von Domitius Massula. Er möchte Dich sprechen, weil er eine Stelle als Agrimensor sucht. Hast Du Zeit?"

    Boduus war gerade auf einem Beschaffungsgang, um einen Eintopf zu erbeuten und die beiden anderen Scribae hingen über ihren Schreibpulten, wo sie an dringenden aber unwichtigen Terminarbeiten pinselten, als ein junger Mann mit reichlichem Haarschopf hereinkam. Pacatus beäugte ihn sorgfältig und legte sein Schreibzeug beiseite. Die Liste mit den öffentlichen Gebäuden konnte jetzt noch ein bißchen warten.


    "Salve, mein Freund. Agrimensor? Hm, ich glaube nicht, dass ich Dir dazu etwas sagen kann, ich bin neu hier. Mein Name ist Matinius Pacatus. Ich geh gleich mal zum Duumvir rein, um Dich anzumelden. Also, Du suchst eine Anstellung als Agrimensor. Darf ich Deinen Namen erfahren? Für den Duumvir, damit der gleich Bescheid weiß. Nimm aber doch bitte erst mal Platz".


    Er wies auf einen Hocker neben dem Schreibpult. Sessel waren als Einrichtung in der Curia aus Geldmangel nicht bewilligt worden.

    Pacatus ging rein.


    "Salve Aedil, ich wollte noch mal fragen wegen der Gebäudeüberprüfung. Ich hab ja mittlerweile etwas Überblick über die Stadt. Ich such grade nach einem Architekten, der mir dabei helfen kann. Weisst Du einen? Beim Archivar hab ich gesehen, dass da früher ein gewisser Lysander dabei war. Ich meine, dass der Architekt mir eigentlich nur zu sagen braucht, worauf ich achten muss. Wenn der die ganze Tour mitlaufen muss, wird es vielleicht doch ein bißchen teuer, oder?"

    Pacatus hatte seinem Sklaven Struthas aufgetragen, eine Liste der wichtigen Einwohner des Vicus Navaliorum zusammenzutragen. Der hatte hatte die letzten Tage den ganzen Vicus abgelatscht und (fast) alle Klatschbasen des Viertels nach den 'very important persons' ausgefragt.


    Als Pacatus nach Hause kam, hatte Struthas schon einiges aufgesammelt und auf einen Fetzen Papyrus gekritzelt. Struthas konnte, wie viele andere auch nur Großbuchstaben schreiben und seine Orthographie taugte eigentlich nur für das gesprochene Wort. Immerhin hatte er schon vier Namen zusammengebracht.


    I. CN ANTIUSS ALBINOVANUS WERFFTBOSS
    II. N FECAENIUS CKILO ZIGELEIBOSS
    III. ARTABATSUS BAUT WAGEN
    IV. NERU VATINIUSS TUGIO PÄLZHÄNDLER


    "Struthas, weisst Du auch, wieviele Leute die beschäftigen und ob einer von denen im Ordo Decurionum sitzt?" Struthas meinte, dass der 'ZIGELO' fast fünfzig Leute beschäftigte, der Antius dreissig, bei Arbazus Fehlanzeige und der Tugio nur sieben. Und in diesem Ordo säße nur der Antius. "Sind das alles Angestellte oder auch Sklaven?" Nein, die Sklaven hätte er nicht mitgerechnet und der 'ZIGELO' hätte seine Arbeiter auch in Häusern untergebracht, wo er nur eine niedrige Miete verlangen würde, antwortete Struthas.


    "Dann fang ich mal mit Fecenius Chilo an", brummte Pacatus.

    Der Mann hatte einen schier endlosen Redeschwall losgelassen. Werbemäßig. Sozusagen ein redendes Zirkuspakat. So beeindruckt Pacatus auch war, er kam sich nun etwas fehl am Platz vor, denn kaufen wollte er ja nun gar nichts. Der Mann würde sich vielleicht verscheißert fühlen, wenn er jetzt bloß mit einer wohlfeilen, dummen Frage ankäme.


    "Salve, Händler, verzeih, dass ich nichts kaufen will, sondern nur ein bißchen fragen. Ich bin Matinius Pacatus, Scriba beim Aedil. Der hat mir aufgetragen, die städtischen Gebäude auf Bauschäden zu überprüfen und ich bräuchte dazu etwas Hilfe von einem Architekten. Bei der letzten Überprüfung, das hab ich rausgekriegt, soll ein Architekt namens Lysander mitgearbeitet haben. Und der soll bei Freya Mercurioque angestellt gewesen sein. Weißt Du, wo ich den finden kann?"

    Pacatus hatte sich inzwischen die Stadt von oben bis unten angesehen, zumindest das, was innerhalb der Mauern war. Mithilfe von Struthas, der seine Nase mittlerweile in alle Ecken gesteckt hatte, war er ganz gut im Bilde darüber, was an städtischen Gebäuden hier herumstand und eventuell verrottete. Aber allzuviele Hinweise auf vergammelnde Gebäude hatten sie noch nicht auftreiben können.


    Jetzt wollte er doch noch mal den Aedil nach dem verdammten Architekten fragen. Er watzte also hinüber zu dem Aedil und klopfte an.

    Pacatus hatte sich jetzt schon mal die Basilica von innen und außen angeschaut. Außen sah sie ganz proper aus, wenn man mal davon absah, dass der rote Anstrich in den Portici vor allem an den Pfeilern von dem regen Verkehr an vielen Stellen abgeschabt war, wenn nicht gar der Putz schon beschädigt war. Innen war leider gar nichts zu erkennen, weil sich auf alle Wände und Decken der Ruß der Öllampen und Fackeln abgesetzt hatte. Eigentlich hatte er aber gar nicht vor, den Bauzustand der Basilica zu untersuchen, sondern er wollte herausfinden, wo man diesen Architekten finden konnte, von dem der Troglodyt gesprochen hatte.


    So ging er zu dem Stand von Freya Mercurioque. Schräg gegenüber befand sich ein Marktstand, an dem Gewürze angeboten wurden, allerdings war das Sortiment ziemlich elend. Er nahm sich vor, den Stand nachher unter die Lupe zu nehmen.


    Dann betrat er den Laden neben dessen Tür man den Schriftzug 'F. M. Q.' lesen konnte. Nachdem er sich an das dustere Licht gewöhnt hatte, sah er, dass hier niemand anwesend war.


    "Salvete, ist hier jemand?"

    Pacatus legte die Tabula zurück auf den Tisch. "Dann werd ich dort mal fragen. Wer nicht fragt, bleibt dumm. Ist doch so? Eigentlich hast Du es hier unten ganz gemütlich, wenn man sich mal an das Licht hier gewöhnt hat. Ich glaub, ich schau mal öfters bei Dir rein. Gut, dann geh ich mal fragen. Vale Narcissus".

    Schön, da war nun doch etwas Schriftliches aufgetaucht. Pacatus wusste, dass die meisten Leute zwar Schreiben und Lesen gelernt hatten, aber wenn's mal zur Sache ging und man den Griffel in die Hand nehmen musste, dann liess man's doch lieber sein. Und hier in der Provinz war das vielleicht noch krasser. Umso besser, dass der Troglodyt doch fündig geworden war.


    "Hast Du hier noch nen Platz zum Sitzen? Ich würd mir das gerne mal durchlesen". Als er die Tabula sah, war seine Begeisterung dann doch etwas gedämpfter. Wenig. Gekritzel. Er ging näher an eine Lampe, fing an zu dechiffrieren und sich das Wichtigste zu merken. Er brauchte mehr Information.


    "Was ist mit dem Architekten? Den würd ich dann doch ganz gerne mal sprechen. Wo find ich den?"