Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Du mixt hier Zeug zusammen, das vorne und hinten nicht zusammen gehört...


    Wenn ich aus meinem Weihnachtsurlaub zurück bin, kann ich dich gern mit Einzelnachweisen zuschmeißen. Nur erstmal dazu: Wenn eine unverheiratete Römerin mit einem Römer (verheiratet oder nicht ist egal) ein Kind zeugt, dann hat das mit der Lex Minicia absolut nicht das allergeringste zu tun. Dann kommt das Kind selbst dann nicht unter die Patria Potestas, wenn der Vater das Kind annimmt, weil es ohne Ehe nicht ohne Adoption in seine Gens kommen kann. (Rechtliche Schlupflöcher für Soldaten mit nachträglicher Anerkennung einer Ehelichkeit mal außen vor)


    Uneheliche Kinder sind von der Erbschaft und von einer Karriere als Senator oder Ritter ausgeschlossen, ebenso bei zig kulturellen Ämtern. Wo bitte also ist das besser? Ein Peregrinus kann aufsteigen, ein uneheliches Kind kann das nicht.


    Abgesehen davon wurde historisch im ersten Monat ein Kind in die Bürgerliste eingetragen, da würde der Vater angegeben. Der könnte da ggf. widersprechen. Vaterschaftsurteile gabs damals auch schon, völlig ohne DNA. Da wurden dann Zeugen gehört, ob Mann A mit Frau B gepoppt hat oder nicht. ;)


    Der Ehemann könnte, wenn er das Kind nicht annahm, das ganz einfach aussetzen und fertig. Das war straffrei und galt nicht als Mord (auch wenn ein Baby da nach spätestens einer halben Stunde von den streunenden Hunden gefunden wurde). Der musste sich deshalb aber noch lang nicht scheiden lassen. Grade bei ärmeren Familien war das ganz normal, weil man nicht alle ernähren könnte.


    Und Schändung greift NUR, wenn der Rechteinhaber an der Frau nicht damit einverstanden ist, dass die mit einem Mann schläft. Sonst nicht.


    Wie gesagt, ich schmeiß dich gerne mit Literatur zu, wenn ich wieder daheim bin. Zum Thema Konkubinat hab ich da mehr als genug.

    Äh... Nein. Nur, wenn der Vater Peregrinus war. Wenn aber eine römische Bürgerin von einem römischen Bürger ein Kind kriegt, ohne dass die beiden verheiratet sind, dann folgt das Kind nach ius gentium dem Stand der Mutter. Und das Konkubinat war im römischen Reich weder selten, noch verwerflich. Es schloss zwar Kinder von allerlei Ämtern und von der Erbschaft aus, aber das gab es selbst in höheren Schichten recht häufig. Und da wurden keine Peregrini draus.

    Moment! Was passierte hier gerade? Und wann hatte irgendjemand vor, ihn darüber aufzuklären, dass es gerade passierte? Atticus war nicht ganz sicher, ob gerade das passiert war, was er dachte, dass es passiert war. Erst eröffnete seine Mutter hier, dass er die nächsten Jahre in Alexandria weit entfernt von Rom verbringen sollte, und dann redete sie kurz von einem Fürsprecher und – schwupps – hatte er einen Patron? Oder war das doch nur ein Hilfsangebot? Aber warum sollte der Consular ihm einfach so helfen? Atticus bemühte sich zwar immer, nett und höflich zu sein, aber so nett und höflich war er ja nun auch nicht, als dass ihm im Gegenzug einfach so ein Anhänger der Nobilitas zu einem Ritterring verhelfen wollte.


    Er war sich noch immer nicht ganz sicher, und diese erste Schrecksekunde merkte man ihm wohl auch durchaus an, als er dann seinem Gastgeber antwortete. “Es wäre mir eine sehr große Ehre, wenn du mein Patron werden würdest“, riet er einfach mal ins Blaue, dass das nun ein tatsächliches Angebot gewesen war, sein Patron zu sein. Aber wenn man keine Ahnung hatte, musste man ja wenigstens so überzeugend auftreten, als hätte man welche. “Ich werde mich auch immer bemühen, dass ich mich deiner Hilfe dann als wert erweisen kann.“ Atticus hatte keine Ahnung, ob es bei der Annahme eines Patronats noch etwas zu versprechen oder zu sagen gab. Für einen winzigen Augenblick warf er einen fast hilfesuchenden Blick seiner Mutter zu, ehe er sich daran erinnerte, dass er ja nun ein Mann war. Wenn auch erst seit diesem Jahr. Und als Mann musste er da alleine durch. Da konnte man nicht nach seiner Mama rufen.
    Also gab er – ganz Mann – einfach zu, dass er keine Ahnung hatte. “Ich weiß nicht... muss man da noch etwas sagen? Du bist mein erster Patron. Ich will alles richtig machen und nichts vergessen.“

    Er sollte nach Alexandria? Für mehrere Jahre? Atticus musste sich einen Moment beherrschen, dass ihm nicht die Kinnlade nach unten fiel. Eigentlich sah man ihm Überraschung ja nicht so unbedingt an, aber diese Neuigkeit war doch eine sehr große Herausforderung für seine Ruhe.
    Der Consular griff natürlich diesen faden auch gleich auf und stellte Atticus dann auch wieder eine frage, die er im ersten Moment mit einem “Hm?“ nur kommentieren konnte. Wieder wanderte sein Blick zu seiner Mutter, dann wieder zurück zum Purgitius, der ja noch auf eine Antwort wartete, dann immer wieder zu seiner Mutter, die ihn auch auffordernd ansah. Jetzt wusste er, wie sich die Kaninchen im Stall zum Hof fühlten, wenn die Köchin vorbeiging.
    “Ähm, in meiner Familia... also in der von meiner Mutter, da sind mehr militärische Ämter Tradition. Auch wenn mein Vater lange Jahre in der Kanzlei tätig war, da... ähm... glaube ich doch, dass ich vielleicht eher im Militärdienst sein werde. Aber... vielleicht geht es mir ja irgendwann wie... Vetruvius? Der war doch auch Tribun, nicht?“ Bei letztere war sich Atticus nicht sicher. Er wusste nur, dass besagter Vetruvius sehr viel über Architektur geschrieben hatte, unter anderem auch über den Bau von Kriegsmaschinen.

    Wieder überlegte Atticus kurz, aber mit der Erklärung konnte er sich anfreunden. “Vielleicht sollte man aber trotzdem einmal experimentell dann nachprüfen, ob die Berechnung auch stimmt. Manchmal sind die Dinge ja trotzdem anders, als man sie errechnet hat.“
    Ihm fiel zwar gerade kein Beispiel ein, aber er wusste, dass nicht alles, was man berechnete, deshalb stimmen musste.
    Ob der Grieche, den er meinte, der war, der irgendwas mit dem Umfang der Erde berechnet hatte, wusste Atticus auch nicht. Eigentlich hatte er ja ein sehr gutes Gedächtnis, aber in diesem Punkt ließ es ihn in diesem Moment zumindest komplett im Stich. Daher begnügte er sich mit einem “Ich glaube schon....“ und versteckte sich anschließend ein wenig hinter seinem Weinkelch, da er wirklich nichts sinnvolles anzufügen hatte. Und wenn man keine Ahnung hatte, ...

    Gut, das Mädchen gehörte also zu Iunius Avianus. Damit wusste Atticus dann zumindest schonmal, welcher seiner Cousins der Mann hier war. Er verkniff sich die Frage, warum dessen Freundin beinahe im Balneum ertrank. (An mangelnden Schwimmfähigkeiten konnte es nicht liegen, in dem Wasser konnte man problemlos stehen.) Stattdessen erinnerte er sich wieder an seine Manieren und stellte sich artig vor. “Ich bin Titus Pompeius Atticus, Sohn von Gaius Pompeius Imperiosus und Iunia Axilla. Meiner Mutter und meinem Vetter Silanus gehört das Haus hier.“ Atticus zuckte kurz die Schultern. “Aber es sagt irgendwie trotzdem jeder, ich wär ein Iunius. Also von daher ist das irgendwie schon in Ordnung.“ Atticus hatte sich an diesen Umstand schon mehr als gewöhnt. Zuweilen musste er selbst aufpassen, sich nicht als Iunius Atticus vorzustellen.
    “Um ehrlich zu sein hab ich gar nichts gemacht“, fuhr er dann fort, während sein Vetter die Frau in seinen Armen wiegte. Jetzt schien sie auch wach zu sein, wenngleich sie noch gesprächiger war als Malachi. “Ich hab nur dabei gestanden, als Malachi... ähm....“ sie geküsst hat. Nun, das konnte er seinem Vetter so wohl nicht sagen. So wie er sie im Arm hielt, das erkannte Atticus schon. Er konnte mit dieser ganzen Mädchen-Junge-Kiste zwar nichts anfangen, aber dass das wohl so war, das erkannte ja selbst ein Blinder mit Krückstock. Da redete man besser nicht darüber, dass irgendjemand anders sie geküsst hatte, auch wenn das anscheinend zur Rettung beigetragen hatte.


    So oder so aber hörte Avianus wohl auch gar nicht richtig zu und machte sich eher Sorgen um das Mädchen. Er fragte, ob er sie hochtragen sollte. War vermutlich auf Dauer bequemer als hier auf dem Boden. Hier war es zwar gut geheizt und deshalb bei weitem nicht kalt, aber sicher nass und unbequem.
    “Oh, sicher. Hat man schon ein Zimmer für sie hergerichtet? Sonst sag ich schnell bescheid, damit sie sich ausruhen kann.“

    Die arme Corinna, die musste wohl sehr durcheinander sein, dass sie nicht ihn fragte, was sie tun sollte, sondern schon so rausstürmen wollte, ohne dass Atticus etwas dazu gesagt hatte. “Halt, Corinna. Schick Agnodice. Ruh' du dich aus. Nimm dir ruhig den restlichen Tag frei“, sagte er in seinem besten Hausherren-Ton zu ihr, als sie grade an ihm vorbei wollte. In dem Zustand und so nass konnte er die ja nicht auf die Straße scheuchen! Da würde er nichtmal Pontus vor die Tür scheuchen, und der war ein Hund! Am Ende war dann Corinna noch krank oder stürzte auf der Straße, weil sie so durcheinander war. Nein, nein, Agnodice war da die bessere Wahl. Abgesehen davon würde der Medicus sich auch nicht trauen, zu DER 'nein' zu sagen, wenn er grade nicht kommen wollte.


    Malachi stand einfach nur so ruhig wie immer an der Seite, hob gerade noch das Schild von Atticus auf, und sagte nichts. Allerdings hatte Atticus wie immer bei dem Gladiator das Gefühl, dass er vielleicht auch etwas zu ihm sagen sollte. Atticus nannte das immer 'auffordernde Schweigsamkeit'. Ein Trick, den er sich auch schon das ein oder andere Mal zueigen gemacht hatte. Wenn man nur lange genug scheinbar gleichgültig und schweigend bei einem anderen Menschen herumstand, dann sagte der irgendwann von ganz allein irgendwas, einfach, weil ihm die Stille unheimlich war. Nur Malachi konnte das ganze weit besser als Atticus. “Ähm, du kannst auch gehen, Malachi. Ich denke, wir kommen hier zurecht.“
    Malachi nickte nur kurz und machte sich auf den Weg.


    Jetzt hatte sich Atticus auch endlich mal so weit gesammelt, dass er nicht mehr wie ein Blasebalg dastand und einigermaßen hausherrenmäßig auftreten konnte. Zumindest, sofern das für einen Fünfzehnjährigen gegenüber einem Älteren denn möglich war. Zumindest stand er jetzt gerade und hatte wieder richtig Luft.
    “Ähm, ja, salve. Ich... ich weiß eigentlich gar nicht, was hier passiert ist. Du.. du kennst das Mädchen? Ähm, Frau?“ Da Atticus reichlich wenig von eben jener gesehen hatte, maßte er sich kein Urteil über deren Alter an.

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    Die Frau hustete und würgte Wasser hervor. Malachi drehte sie sofort zur Seite, damit sie leichter das Wasser herauswürgen konnte, und klopfte ihr ein paar Mal so kräftig auf den Rücken, dass wohl sogar der römische Neptun Wasser ausgespuckt hätte. Anscheinend wirkte diese Methode tatsächlich und war keine Erfindung. Über alles weitere und die Konsequenzen daraus allerdings musste wohl doch ein Medicus urteilen, das überstieg nun wirklich sämtliche seiner Kenntnisse.
    Also stieg er dann auch gleich von der Frau herunter und begab sich ohne den geringsten Kommentar oder erklärendes Wort beiseite und sammelte einfach nur Stumm wieder seine Übungswaffen ein.




    Atticus hatte das alles mit Erstaunen mit angesehen. Offensichtlich schnappten Mädchen wohl nach Luft, wenn man sie küsste. Warum auch immer. Vielleicht gehörte das einfach zu den Mysterien der Weiblichkeit, die sich keinem Mann – und ganz besonders ihm nicht – erschlossen.
    Irgendwie vermutete er, dass er als quasi-Hausherr irgendwas sinnvolles zu der Sache sagen sollte. Der andere Mann, der dazu gekommen war, musste einer der Vettern seiner Mutter sein, aber Atticus hatte keine Ahnung, welcher von den beiden. Dafür waren die Vettern seiner Mutter schlicht zu wenig im Haus, als dass er mehr von ihnen als den Namen wusste. Vermutlich ging es ihnen aber anders herum genauso.
    Eigentlich hatte er die beiden ja im Haus noch richtig willkommen heißen wollen. Sein Vetter Silanus war ja vermutlich auch wieder tagelang absolut unabkömmlich, so dass er als einziger Mann im Haus übrig blieb. Was an sich ja schon kurios war, war er eigentlich ja Pompeier. Aber alle Leute nahmen ihn immer nur als Sohn seiner Mutter wahr, nie als der seines Vaters.
    Aber wie dem auch sein mochte, das hier jetzt war definitiv nicht auf seinem Plan gewesen, und jetzt den Verwandten unbekannterweise zu grüßen erschien irgendwie unpassend. Überhaupt, wer war die Frau, die es geschafft hatte, in einem Balneum fast zu ertrinken?
    “Ähm....“, kam es also wenig redegewandt aus ihm heraus, und er wusste wirklich nicht, was man in so einer Situation zu sagen hatte. Irgendwie rettete er sich in ein “Holt schon jemand einen Medicus?“

    Atticus ließ jetzt auch endlich sein Schwert sinken und ließ das Schild los, das mit einem ziemlich lauten und dumpfen Knall auf dem Boden landete. Irgendwie war er ja erleichtert, dass hier kein Einbrecher war, der irgendwen totgeschlagen hatte. Aber offenbar gab es trotzdem eine Verletzte. Wie konnte man sonst erklären, wie jemand in nicht einmal hüfttiefem Wasser ertrank? “Weißt du... was man... da machen muss?“ schnaufte er ein bisschen außer Atem und sah Malachi an. Der war ja immerhin Gladiator und nicht Medicus. Und auch sonst war niemand mit dieser Befähigung im Haus. Wer dachte da auch schon daran?


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    “Nicht genau“ antwortete Malachi nur knapp und schnappte sich auch schon den Körper der Frau. Er war kein Heiler und kein Seefahrer, noch nicht einmal war er im früheren Leben Fischer gewesen. Aber wenigstens hatte er seinem Rabbi als Kind einigermaßen gut zugehört und erinnerte sich an die Geschichte des Elisha. Also legte er das Mädchen flach auf den Rücken und begab sich rittlings über sie, legte seine Hände auf die ihren, brachte ihre Köpfe auf gleiche Höhe und atmete einmal kräftig mit seinem Mund in ihren. Entweder, das half wirklich, oder wie die vielen anderen Geschichten der Nevi'im war auch das mehr Wunsch als Wirklichkeit.

    Atticus kam außer Atem im Balneum angetrabt und war mehr als froh, dass scheinbar doch kein Gegner zu sehen war. Wenn jetzt hier jemand bewaffnetes gewesen wäre, wäre er wohl zu sehr außer Atem gewesen, um ernsthafte Gegenwehr zu leisten und dieses Haus zu verteidigen. Zum Glück war Malachi weit weniger außer Atem und schien durchaus kampfbereiter zu sein. Auch wenn ihre Waffen hier zur allgemeinen Sicherheit aus Holz waren. Aber auch mit einem guten Stück Haus konnte man schließlich einem anderen durchaus mehrere Knochen brechen oder in die Augen stoßen und ähnliche unangenehme Dinge. Aber all das war offenbar auch gar nicht nötig. Hier waren nur zwei sehr nasse Mädchen.


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    “Was ist los?“ fragte Malachi auch schon, kaum, dass sie zur Tür herein waren. Es schrie ja keiner nur so zum Spaß um Hilfe. Und eines der beiden Mädchen schien ja auch ohnmächtig zu sein.

    Die Übungsstunden mit Malachi waren anstrengend. Einfach nur anstrengend. Zwar war der Sklave ihrer Mutter vermutlich schon vierzig Jahre alt oder noch älter – Atticus hatte sich nie getraut, ihn das zu fragen, und von sich aus erzählte der Gladiator ja absolut nichts – aber trotzdem hatte der eine weit höhere Ausdauer als sein fünfzehn Jahre alter Schüler. Abgesehen davon hatte Atticus im Grunde auch wenig Lust, unbedingt das Kämpfen zu lernen, aber seine Mutter bestand darauf. Das war wohl eines der Dinge, die ein Mann unbedingt können musste, auch wenn der gar keine Lust dazu hatte, irgendwo einen Feind des römischen Reiches mit dem Schwert zur Strecke zu bringen und Blut fließen zu lassen.
    So oder so hatte Atticus auch nach dieser Übungsstunde mehr als einen blauen Fleck und war von oben bis unten mit feinem Sandstaub bedeckt, der sich vornehmlich in seinen blonden Haaren verfangen hatte und bei jeder Bewegung knirschte. Atticus versuchte ja, nicht öfter als nötig auf dem Boden zu landen, wenn er den Gladiator angriff oder einen Angriff mit dem Schild zu blocken versuchte, aber allem Anschein nach war er in diesem Anliegen einfach noch nicht konsequent genug.


    Also kam er ziemlich dreckig vom Hof zur Porta wieder herein. Wie immer öffnete der Ianitor. Diesmal allerdings hatte er beim Eintreten Neuigkeiten. “Es ist Besuch im Haus, junger Pompeius. Die Vettern deiner hohen Mutter, Dominus Seneca und Dominus Avianus, sind heute gekommen.“
    “Oh“, machte Atticus etwas müde. Verwandte also auch noch! Und auch noch zwei, die kämpfen konnten, waren doch beide bei den Legiones! Als wär der Tag heute nicht schon niederschmetternd – im wörtlichen Sinne – genug gewesen. “Ist meine Mutter auch schon da und hat sie begrüßt?“
    “Nein, Domine, Domina Axilla ist noch nicht wieder daheim“
    Noch ein Schnaufen, mit dem er dem Ianitor das schwere Schild überreichen wollte, als plötzlich ein ziemlich gellender Hilferuf ertönte. Auch das noch! Atticus nahm natürlich seine Bewaffnung etwas fester in die Hand und lief in Richtung des Balneums. Auch wenn er dabei nur halb so schnell wie Malachi war und irgendwie mehr dabei schnaufte.

    Jetzt kam Atticus doch ein wenig ins Grübeln. Da sein Lehrer sich nie so genau über den Sonnenlauf geäußert hatte, war ihm nicht bekannt, ob das mit dem Fünfzehntel denn stimmte oder nicht. Was er sicher wusste, war, dass im Sommer die Tage länger schienen und im Winter es eher dunkel wurde, so dass die Länge einer Stunde tatsächlich variabel war und nicht davon abhing, ob man sich amüsierte oder nicht. Und es gab sicher keinen Grund, warum der Consular ihn hierbei anschwindeln sollte.
    Also versuchte er diese neue Information einzusortieren in seine (spärlich gefüllte) Bibliothek des Wissens und überlegte, ob die Schlussfolgerung seines Gastgebers damit richtig war.
    “Aber dadurch, dass ich weiß, wie hier in Rom der Sonnenstand zu einem bestimmten Tag ist, weiß ich doch nicht zwangsläufig, wie der Sonnenstand an einem anderen Ort ist. Selbst wenn ich davon ausgehe, dass die Sonne überall und immer denselben Lauf nimmt und daher die verhältnismäßige Änderung des Sonnenstandes sich überall gleich verhält, muss ich doch trotzdem eine initiale Messung machen, von der ausgehend ich rechnen kann. Oder nicht?“
    Atticus fragte das mit ehrlichem Interesse. Er lernte ja durchaus sehr gerne. Aber nur weil die Sonne hier in Rom um einen bestimmten Gradsatz wanderte, hieß das doch nicht automatisch, dass man daraus schließen konnte, wie sie sich an anderen Orten änderte. “Ich meine, ich hab doch gelesen.... wie hieß er gleich? Der Grieche, der das in Alexandria gemacht hat?“ Ein hilfesuchender Blick. Er hatte den Namen vergessen. Bei seinem Lehrer hätte er jetzt einen Schlag bekommen, weil er gesprochen hatte, ohne vorher sein Argument richtig zu durchdenken. Er hoffte aber doch, dass ihm dies bei einem Abendessen im Hause eines Consulars erspart blieb. “Ähm, also ich meine, dass dort die Schattenlänge ja eine andere war.“

    Je länger Atticus zuhörte, umso mehr musste er seine Enttäuschung verbergen. Das, was der Consular beschrieb, war keine Mathematik, sondern bloßes Beobachten. Nichts, wofür man unbedingt eine Kreiszahl brauchte, und noch weniger, wofür man nun lernen sollte, dass diese eben nicht zweiundzwanzig Siebteln entsprach. “Ja, aber dafür muss man nichts berechnen. Hierfür genügt es ja, einen entsprechenden Stab in den Boden zu stecken und dann den Schatten mitzuzeichnen. Oder man schaut auf einer Schattentafel nach. Dafür braucht man noch nicht mal Trigonometrie. Das ist bloße Beobachtung.“ Oder anders gesagt, das war nichts, womit man Schüler quälen konnte. Und wohl nichts, was in Atticus große Begeisterung hervorrief.

    Eigentlich hatte Atticus bislang immer nur die Erfahrung gemacht, dass alle Leute panikartig den Raum verließen, sobald das Gespräch auf Mathematik kam. Das war sozusagen ein eigenes Naturgesetz, das nur bislang noch von keinem der Philosophen in seinen Tiefen ergründet wurde. Das hier schien die Ausnahme von der Regel zu sein. Entgegen seinen Erwartungen wiegelte der Consular das Gespräch nicht ab und kam doch wieder auf Bademeister zu sprechen, sondern schien an Mathematik ebensolche Freude zu haben wie Atticus selbst. Kurz ging ein prüfender Blick zu seiner Mutter, als der Consular sie erwähnte. Die schien jedoch auch der Begeisterung nicht im Wege zu stehen.
    Also gab es keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten. Atticus strahlte kurz über die Erkenntnis, jemanden gefunden zu haben, der dieselben Interessen zu haben schien, wie er selber. Dass dieser jemand geschätzte 30 Jahre älter war als er, hinderte da kaum. “Vielleicht für die Berechnung von Hanggrundstücken? Berge sind ja doch eher große Kegel und keine Würfel, vielleicht braucht man da gebogene Kurven?“ mutmaßte Atticus also mit Begeisterung drauf los, wozu Landvermesser Kreisberechnungen brauchen könnten. “Aber das mit den Sonnenuhren versteh ich jetzt nicht. Um die zu bauen braucht man Kreise? Ich hab noch nie gesehen, wie eine gemacht wird. Und unser Lehrer will eher, dass wir die Theorie begreifen, wie etwas geht, und ist weniger ein Mann praktischer Beispiele...“

    Innerlich seufzend langweilte sich Atticus friedlich vor sich hin, als er dann doch aus seinem Wachschlaf gerissen wurde. Ihr Gastgeber richtete das Wort direkt an ihn, und es dauerte eine Schrecksekunde, bis diese Information auch vollständig in seine Tagträume vorgedrungen war, und ebenso lange, bis die Erkenntnis durchsickerte, dass die Höflichkeit wohl eine Antwort gebot. Diese, und der bohrende Blick seiner Mutter.
    “Ich fand die Bademeister eigentlich immer ganz nett“, begann Atticus also, um irgendwie kenntlich zu machen, dass er doch mit halbem Ohr zugehört hatte. Und um Zeit zu schinden, damit er eine bessere Antwort geben konnte. Was ihn und seine Freunde bewegte? Nun, da fiel die Antwort wohl unterschiedlich aus. Seine Freunde waren alle Älter als er, und wenn er gemein wäre, würde er sagen, dass diese im Moment am meisten von diversen weiblichen Bekanntschaften bewegt wurden. Das ging sogar soweit, dass einige von ihnen kaum mehr Zeit fanden, sich am Tiberufer zu treffen. Er selber hingegen konnte dieser Freizeitbeschäftigung so gar nichts abgewinnen. Ihm reichte noch der Schmatz der Tiberia vor Urzeiten bei dem Rennen vollauf, um sich sicher zu sein, dass er auf diese Art von Spielchen keine Lust hatte.
    Egal welchen Teil hiervon aber Atticus auch erzählte, er war sich sicher, dass seine Mutter davon nicht begeistert wäre. Folglich musste etwas anderes her. Was hatte der Consular gesagt? Rhetorik? Literatur? Politik? “Die letzten Tage haben wir versucht, unserem Lehrer zu folgen, als er uns den Satz des Archimedes zur Kreisberechnung beibringen wollte. Meine Freunde debattieren auch noch, wozu dieses Wissen im normalen Leben mal nützlich sein könnte.“ Wobei das momentane Mehrheitsvotum auf ein 'zu nichts und wieder nichts' hinauslief.
    “Aber ich weiß nicht, ob Mathematik so ein gutes Tischgespräch ist“, meinte er etwas unsicher, da er sich sowieso nicht sicher war, dass auch nur irgend jemand – sich selbst eingeschlossen – eine grobe Ahnung von den geometrischen Lehren des Archimedes hatte.

    Atticus bewunderte die Wand. Und den Boden. Dann zur Abwechslung mal die Decke. Dann den Tisch. Und schließlich wieder die Wand.
    Er hatte keine Ahnung, warum er hierher mitgeschleift worden war. Und noch viel weniger Ahnung hatte er, worüber seine Mutter und der Consular da eigentlich debattierten. Er hatte sich auch nie Gedanken darüber gemacht. Und auch jetzt, wo das Gespräch an diesem Punkt angelangt war, wollte er sich gar keine Gedanken darüber machen. Er hatte bis vor wenigen Wochen noch nicht einmal ein Pferderennen gesehen, ihm reichte es im Moment, irgendwie zu verstehen, dass das spannend war und wie wahrscheinlich es war, welcher Fahrer gewinnen würde. Wie die Wettquoten sich errechneten interessierte ihn da deutlich mehr als die Frage, wer was für welche Leistung zahlen sollte – oder eben auch nicht. Hauptsache, die Rennen fanden statt!


    Aber sicherheitshalber behielt er diesen wohl in dieser Runde etwas arg pragmatischen Ansatz wohlweislich für sich, um weder seine Mutter noch den Consular weiter zu befeuern.
    Während die beiden sich also um des Imperators Bart zankten, futterte er nach und nach einige der kleineren Häppchen. Und bewunderte die Umgebung.
    Irgendwann aber merkte er doch, dass man ihn wohl beobachtete. Kurz überlegte er, ob er eine Frage an ihn verpasst hatte, war aber ziemlich sicher, dass niemand ihn angesprochen hatte. Also guckte er nur unschuldig fragend zu Purgitius zurück und zuckte kurz die Schultern. Er wusste ja wirklich nicht, worauf seine Mutter hinaus wollte. Und selbst wenn, war es ihm schlicht zu egal, als dass er sich jetzt hierüber den Kopf zerbrechen wollte. Er verstand ja noch nicht einmal, warum er überhaupt hier war.


    Wegen Geschäftsaufgabe verkauft Titus Pompeius Atticus GROSSE Mengen an feinster, ägyptischer Seide zum Spottpreis von 10 Sesterzen je Elle!
    Alle Schneider oder Konkurrenten, die Restbestände kaufen wollen, mögen sich mit einer kurzen Mitteilung an Titus Pompeius Atticus in der Casa Iunia* wenden.

    Sim-Off:

    *Kurze PN reicht, ihr erhaltet dann ein persönliches Angebot