Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Zum Wagenrennen waren sie pünktlicher. Zwar hatte seine Mutter gerne etwas Essen wollen, ehe sie hierher kamen, aber Atticus hatte hierbei keine Kompromisse gemacht und war einfach vorgegangen – was seiner Mutter nur die Wahl gelassen hatte, hinter ihm herzukommen oder ihn allein gehen zu lassen. Offensichtlich aber hatte sie sich entschieden, nachzukommen, denn als Atticus sich einen Platz suchte, war seine Mutter nicht bei ihm. Ihm war es egal.
    In Tunika und den hochgeschlossenen Cabatinae, beides mit einem schmalen Purpurstreifen verziert, um ihn als Angehörigen eines Ritters zu kennzeichnen, kletterte er einfach quer über die Bänke, um so an einen der freien Plätze beim Rennen zu kommen. Sich hinten anzustellen und zu warten, bis die mitten auf dem Weg miteinander quatschenden alten Männer fertig unterhalten hatten, kam für ihn gar nicht infrage. Hier und da kam dann mal ein 'tschuldigung“, wenn er sich vorbeiquetschte, hier und da war ein kleiner Hopser notwendig, um von einer Reihe zur nächsten zu kommen, aber schließlich hatte er sich einen guten Platz in relativer Nähe zur Ziellinie ergattert. Kurz hinter einigen singenden Russata-Anhängern und schräg zu einer verhältnismäßig hübschen Frau höheren Standes, von der er durch ein paar Sprachfetzen mitgekriegt hatte, dass sie die Veneta mochte.


    Kurz überlegte er, ob er einfach was sagen sollte, und dachte sich dann: Was solls?
    “Ich glaub nicht, dass die Veneta gewinnen kann. Der Fahrer hat noch gar kein öffentliches Rennen gewonnen, aber Proteneas von der Russata schon zwei! Ich würde auf den wetten. Naja, wenn ich Geld mit hätte.“
    Atticus meinte das gar nicht böse, sondern wirklich als ernst gemeinten Tipp. Vielleicht wusste die Frau das ja nicht. Und Atticus war ja durchaus gerne hilfsbereit. Und das Prinzip des Wettens, einfach weil man Fan war, hatte sich ihm in seinen jungen Jahren und der Tatsache, dass er noch nie ein Rennen gesehen hatte, noch nicht so ganz erschlossen.
    Dann aber gab der Editor noch ein bisschen weiter vor ihm das Startsignal, und dann war der Tipp sowieso für Atticus vergessen. Er stand nur aufgeregt auf und feuerte einfach alle an.

    Atticus war aufgedreht. Heute waren endlich mal so richtig große Spiele! Dass es Spiele für einen Toten waren, war ihm dabei total wurscht. Hauptsache, es gab mal etwas zu sehen, was er noch nicht kannte.
    Im Grunde war Atticus ja eher ein Bücherfreund als ein solcher von roher Gewalt. Verstand sollte über Materie stehen. Vor allem, wenn man zwar größer war als alle anderen in der Klasse, aber schmal wie ein Strich. Aber er hatte noch nie etwas so Großes erlebt, was auch so groß angekündigt worden war. Abgesehen davon gingen alle seine Freunde auch hin und redeten seit Tagen von nichts anderem. Da musste er schon allein hingehen, um am nächsten Tag mitreden zu können und eine Meinung auch überzeugend vertreten zu können.


    Leider aber war seine Mutter weniger begeisterungsfreudig, so dass sie nicht noch vor dem Morgengrauen aufgestanden waren, um auch ja in der ersten Reihe zu stehen, wenn alles für den Einzug ins Theater bereitgemacht wurde. Erst nach Prima Lux und einem seinem Geshcmack nach sowas von überflüssigem Frühstück waren sie aufgebrochen. Und da war die Pompa schon unterwegs und Atticus konnte gar nicht all das ansehen, was er sehen wollte.
    Dementsprechend zerrte er siene Mutter an der Hand hinter sich her, als es zum Theater ging, um wenigstens dort schnell einen guten Platz zu ergattern. Seine Mutter versuchte noch, ihn festzuhalten, aber irgendwo nach dem Einlass und vor dem Treppenaufgang entwand er sich ihrem Griff und schlängelte sich an diversen Menschen vorbei, drückte hier, drängelte da, und war schließlich bei einem der Ausgänge auf die Tribüne angelangt. Sehr schnell war dann auch ein Platz in den Reihen der Ritterschaft ausgemacht, und als seine Mutter endlich etwas gehetzt aussehend hinterherkam, stand er nur kurz auf die Bank und winkte mit beiden Armen zu ihr herüber, so dass sie ihn orten und sich zu ihm schleichen konnte. Er selbst schaute gebannt dann dem Einzug von hier oben zu, hörte die Musikanten, überflog die Tafeln mit den Informationen und bestaunte schon einmal die Rennpferde. Er hatte sich fest vorgenommen, die gesamte Veranstaltung zu besuchen, jede dargebotene Attraktion. Auch wenn es bis in die Abendstunden gehen würde und er zwischendurch ganz sicher seinen Platz würde verlassen müssen. Dennoch wollte er keine Sekunde hiervon verpassen und wartete schon mehr als gespannt darauf, dass es endlich 'richtig' losging.

    Verdammt, der Kaiser hatte das kleine Spielchen durchschaut. Titus lief rot an, und das in den Worten versteckte Kompliment machte ihn noch zusätzlich verlegen. Etwas unbeholfen kratzte er sich den Nacken und schaute auffällig unauffällig zu Boden. Und natürlich war das Verhalten von Pontus in diesem Moment auch nicht unbedingt hilfreich.
    “Ja, an ihm kann ich das mit der Führung und der Verantwortung noch ein wenig üben, bis ich älter bin. Pontus: Accumbe! Und natürlich zerrte der junge Hund weiter an seiner Leine und machte vorbildlich nicht 'Platz'.
    Titus grinste den Kaiser kurz unbeholfen an und beugte sich zu dem Hund hinunter. Eine Hand legte er mit strengem Druck auf den Rücken und drückte den Vierbeiner mit wiederholtem, strengen “Accumbe!“, gefolgt von einem ob der Wehrhaftigkeit des Hundes eher verzweifelten als strengen "Accumbito!“ Aber schließlich lag der Hund, plattgedrückt von seinem Herrchen, und schaute fragend hoch. Kurz wedelte noch der Schwanz, ehe die Erkenntnis wohl durchgesickert war, dass er gerade ein 'böser Hund' gewesen war und ein kleinlautes Winseln ertönte, begleitet mit sehr großen Hundeaugen.
    Titus verzog kurz mitleidig den Mund, musste aber streng bleiben. Er stand wieder auf und blickte nun wieder zum Kaiser. “Ich glaube, ich sollte das noch besser üben. Ein Hund sollte eigentlich leichter zu führen sein als Menschen. Also sollte ich das auch erst können.“

    Nun, was interessierte einen Jungen in seinem Alter, der heute zum ersten Mal die Toga eines Mannes trug? Am interessantesten in diesem Moment fand Atticus eigentlich seinen Hund, der wieder aufgestanden war, mal kurz am Kaiser geschnüffelt hatte, und jetzt beschlossen hatte, wieder spielen zu wollen und daher an seiner Leine etwas herumzog. Das war aber wohl kaum eine Eignung für eine Ritterschaft.
    Atticus überlegte kurz, wie er diese Frage am sinnigsten beantworten könnte. Verwaltung oder Militär? Gab es da ein "Oder", wenn man Ritter war? Von dem, was Atticus bislang darüber wusste, war in seinem stand der Übergang zwischen beidem ja durchaus oft fließend.


    “Der Vater meiner Mutter war Tribun, mein Vater war Procurator. Daher nehme ich an, dass sowohl das Militär wie auch die Verwaltung Teil meines Erbes sind und mir im Blut liegen können.
    In der Schule habe ich schon viel gelesen. Die Ansichten Platos über den Staat und seinen Herrscher fand ich ebenso interessant wie jene Schrift des Tullius Cicero über das Staatswesen. Allerdings befassen diese sich eher damit, was einen guten Herrscher ausmacht und wie man ein guter Politiker ist.
    Die Schriften des Annaeus Seneca beschreiben eher, wie man ein guter und tugendhafter Mensch ist. Und die Geschichte des Titus Livius, die ich gerade lese, ist eher eine Erzählung, was geschehen ist, gibt aber auch nur wenig Anhaltspunkte speziell für Ritter.


    Ich möchte ein guter Ritter sein, der dem Staat nützt. Ich weiß, dass meine Mutter sich wünscht, dass ich in die Fußstapfen ihres Vaters trete. Ich selber muss denke ich noch lernen, was es heißt, ein guter Ritter zu sein, bevor ich darüber ein Urteil fällen kann, was der geeignetste Weg dahin ist.“


    Vielleicht wäre aus Atticus auch ein guter Politiker geworden. Denn er war ein bisschen stolz auf sich, dem Kaiser eine Antwort zu geben, ohne die eigentliche Frage beantwortet zu haben. Also grinste er Cornelius Palma auch freudestrahlend an. Und versuchte dabei Pontus etwas fester zu halten, auch wenn dieser mit einem leisen, spielerischen Knurren mittlerweile den "Feind Leine" bekämpfte und herzhaft daran herumzog.

    Der Kaiser richtete das Wort an ihn und erwartete wohl eine einigermaßen intelligente Antwort. Auch seine Mutter erwartete eine solche und machte das deutlich, indem sie ihm einen sanften Stoß mit ihrem Ellbogen in seine Seite gab, nachdem er nicht gleich etwas sagte. Ja, sogar Pontus schaute ihn ganz erwartungsvoll an!
    Es war ja nicht so, als ob Atticus nicht wissen würde, was er sagen sollte und was von ihm erwartet wurde. Aber er hatte so überhaupt gar keine Lust darauf! Er wäre viel lieber wieder am Strand in Ostia und würde den Schiffen dabei zusehen, wie sie langsam in Richtung Hafen an ihm vorbeifuhren. Oder den Fischern beim Werfen der Netze- Aber vermutlich war das hier auch die einzige Chance, die er erhalten würde, mit einem Kaiser zu sprechen und wohl ein wichtiger Schritt für seine Karriere. Und es war ja nicht so, als ob seine Mutter ihn nicht schon häufig damit zugetextet hätte, welche Art von Zukunft sie sich für ihn wünschte.


    Also holte Atticus erstmal Luft und legte sich in Gedanken seinen Satz zurecht. Es war ihm egal, ob das dadurch nun zu lange dauerte, um ihn klug und schlagfertig erscheinen zu lassen, und sprach dann sehr überlegt und genau, ohne Füllworte oder zu stocken.
    “Meine Mutter wünscht sich sehr, dass ich diesen Auftrag auch erfüllen kann, wie mein Vater es auch schon vor mir getan hat, und dass ich, wenn ich meinen Wert als Mann dann bewiesen haben werde, als Ritter Roms dem Wohle Roms dienen werde.
    Ich denke, dass das ein nobler Wunsch ist, der sich lohnt, in Erfüllung zu gehen. Aber erst einmal sollte ich noch einiges von Männern lernen, die diesen weg vor mir gegangen sind.“

    Vielleicht hatte es etwas länger gedauert, das alles so zu sagen, aber Atticus war mit seiner kleinen Rede durchaus zufrieden. Er hatte vorgebracht, was er vorbringen sollte, und gleichzeitig in Bescheidenheit klar gestellt, dass es ihm damit gar nicht so eilig war. Und es waren fehlerfreie, lange Sätze gewesen. Es konnte wohl also keiner der hier Anwesenden über ihn meckern.

    Pontus zerrte erst noch eine Weile spielend an seiner Leine und kaute das dicke Leder dabei ordentlich durch. Aber nach einer Zeit der Aufregung beruhigte sich der halbgewachsene Hund und begnügte sich damit, wartend neben seinem Herrchen herumzuliegen und nur ab und an die Augenbrauen fragend zu heben, wenn einer der Togaträger etwas näher an ihnen vorbeikam.
    Atticus indes empfand das alles hier als schrecklich langweilig. Natürlich war er nicht so dumm, nicht zu verstehen, warum seine Mutter ihn mitnehmen wollte und wie wichtig das für seine spätere Karriere sein konnte. Aber trotzdem war es nichts anderes, als Herumstehen-und-still-sein-und-sich-benehmen, was wohl für jeden Jungen seines Alters als Synonym für 'langweilig' gelten musste.


    Irgendwann aber wurde seine Mutter aufgerufen und trat nach vorne, und als gehorsamer Sohn kam er ihr natürlich hinterher und blieb schräg hinter ihr stehen. Pontus tappste müde wiederum hinter ihm her und setzte sich dann einmal gähnend – stellvertretend für sie beide wohl – neben seinen Herrn und beobachtete dann müde ein paar Staubkörnchen, die durch die Luft flimmerten.

    Das war kein 'Nein, dein Hund muss draußen bleiben'! Damit durfte er mit, und Atticus strahlte über seinen soeben errungenen Sieg über die Erwachsenenschaft. Zumindest solange, bis die Prätorianer ihn nach Waffen absuchten und er damit beschäftigt war, seine Toga irgendwie festzuhalten, damit das Ding nicht von seinen Schultern rutschte.
    Atticus hörte die Frage, die wohl an seine Mutter gestellt war, trotzdem antwortete er einfach gleich.
    “Das sind Vettern. Oder ein Vetter und ein...Ur...großcousin“ Ungefähr. Sie hatten wohl alle den selben Urgroßvater, oder in Atticus' Fall: Ururgroßvater.


    Pontus beobachtete den Vorgang mit schiefgelegtem Kopf äußerst interessiert und ließ ein fragendes Brummeln vernehmen. Dass jemand seinen Menschen so anfasste, kannte er nicht, und man konnte sehr deutlich an dem Hundegesicht ablesen, dass er sich nicht sicher war, ob ihm das wirklich gefallen sollte. Da aber sein Mensch nicht schrie oder sich wehrte, blieb er einfach sitzen und beobachtete weiter.
    Irgendwann war dann sein Mensch wohl fertig und gab ihm einen kleinen Wink. Sofort klebte der junge Hund am Bein seines Herrn, ließ sich die Leine aus dem Maul nehmen (nicht, ohne wenigstens das untere Ende davon aber noch festzuhalten und herzhaft darauf herumzukauen) und folgte weiter den Weg entlang.

    Natürlich war Atticus noch immer wütend. Seine Mutter hatte ihn für ihr dummes Abenteuer allein gelassen, und seinen Vater hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt war er gänzlich verschwunden und hatte seine Familie im Stich gelassen. Einfach so – weg. Noch nicht einmal geschrieben hatte er ihm, seinem ältesten Sohn! Selbst-ver-ständ-lich war Atticus stinksauer.
    Seine Mutter hatte wenigstens den Anstand noch, sich zu schämen. Das reichte natürlich nicht, Atticus wieder ganz zu versöhnen. Aber es war wenigstens ein bisschen was. Auch wenn es Atticus nicht so befriedigte, wie er dachte, dass es das würde. Natürlich hatte er sich gewünscht, dass seine Mutter seinen Schmerz auch empfand, und noch viel schlimmer. Aber zu merken, dass er sie wirklich verletzte, verursachte trotzdem einen komischen Stich in seiner Brust.


    Trotzdem konnte er nicht damit aufhören. Darum hatte er auch so darauf bestanden, dass er nur dann mit in den Palast und zum Kaiser mitkäme, wenn Pontus auch mitkommen würde. Abgesehen davon hatte er keine Lust, in den Palast zu gehen und mit dem Kaiser zu reden. Was sollte der ihm schon sagen, außer 'Salve'? Er würde die ganze Zeit sich benehmen müssen und möglichst intelligent wirken und konnte weder etwas lesen, noch sich mit einem Freund unterhalten oder irgendetwas machen, was auch nur ein bisschen Spaß machte. Da wollte er wenigstens seinen Hund dabei haben. Pontus hörte ja auch gut und mit dem neuen Halsband und der schicken Leine konnte wohl auch niemand was dagegen haben. Stubenrein war er schon lange.


    Heute hatte Atticus zum ersten Mal eine Toga an. Eine Erwachsenen-Toga. Dem ganzen waren etliche Rituale vorangegangen, die ihn jetzt mit seinen vierzehn Jahren zum Mann machen sollten. Das Verbrennen seiner Spielsachen war nicht so schlimm gewesen. Er spielte schon lange nicht mehr wirklich damit.
    Was ihn aber doch irgendwie nervte, war das Fehlen der Bulla. Nicht, dass er das Ding an sich vermisste. Aber das Gewicht fehlte einfach um seinen Hals. Er fühlte sich trotz dieser Stoffmengen richtiggehend nackig und musste sich andauernd davon abhalten, über seinen Nacken zu streichen, um dieses kribbelnde Gefühl loszuwerden, wo sonst das Lederband entlanggescheuert hatte.
    Etwas stacksig stieg er aus der Sänfte. Sofort war Pontus neben ihm und klebte an seiner Seite, die schwarzen Hundeaugen stetig auf seinen Herrn gerichtet. Seine Mutter sprach die Wachen an und reichte ihnen den Wisch von seinem Urgroßüberzigeckenverwandtvetters.
    “Kann Pontus mitkommen?“ fragte er dann auch gleich, um den Punkt gleich zu Anfang zu klären, und deutete dabei auf seinen knapp vier Monate alten Hund, der die eigene Leine momentan noch höchstbrav im eigenen Maul trug.

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    Allein. Es wird dunkel. Meine Mutter und meine Geschwister sind auch nicht da. Ich kann sie weder riechen, noch sehen. Überhaupt sehe ich in der Kiste nicht viel. Ich versuche, herauszukommen. Die Kiste ist zu hoch. Ich kann nicht hinausspringen. Ich kann sie nicht umwerfen. Ich bin allein.
    Ich rufe. Vielleicht hört mich jemand. Ich singe laut und hoch, damit mein Rudel mich hört. Immer wieder lausche ich. Erst tut sich nichts. Ich heule lauter. Ich höre Schritte. Eine Stimme redet leise auf mich ein. Ich kenne sie nicht. Ich sehe niemanden. Ich heule wieder. Noch lauter. Die Stimme wird eindringlicher, aber ich sehe immer noch niemanden. Ich gebe nicht auf, heule lang und hoch.


    Eine andere Stimme kommt dazu. Ich erkenne sie wieder. Sie gehört dem jungen Menschen. Er klingt noch viel wütender. Ich winsele. Ich höre seine Schritte auf dem Steinboden. Er schimpft mich. Ich winsele noch mehr. Anspannung in meinem Körper. Ich erleichtere mich, damit sie weicht. Ich sehe den Schatten eines Menschen über mir. Es ist der junge Mensch. Er schimpft noch viel mehr mit mir. Ich winsele. Er tritt gegen die Kiste. Es wackelt. Ich fiepe erschreckt auf und krieche ganz in eine Ecke. Ich höre seine Schritte. Drei, vier. Dann bleibt er stehen. Ich höre seinen Atem. Es ist sonst ganz still. Ich bleibe in meiner Ecke und fiepe ganz leise.
    Seine Schritte kommen wieder näher. Ich habe Angst, versuche, mich noch mehr in die Ecke zu drücken. Sein Gesicht erscheint wieder über mir. Ich habe Angst. Ich will nichts falsch machen. Er sieht mich an. Er sagt etwas. Es klingt... sanfter. Ganz vorsichtig komme ich aus meiner ecke. Ich krieche über den Boden der Kiste, den Bauch ganz unten am Holz. Ich komme näher zu ihm. Ich setze mich hin. Ich sehe zu ihm hoch. Leicht spitze ich meine Ohren, um ihn zu hören, und schaue ihn groß an. Ich will doch nur nicht allein sein.


    Eine Weile vergeht, dann kommt seine Hand. Ich zucke nur kurz, dann merke ich, was er tut. Er greift mich, mit beiden Händen, und hebt mich aus der Kiste.
    Ich bin so froh! Mein Held! Ich versuche, ihm die Lefzen zu lecken, wie ich es bei meiner Mutter tue. Sein Gesicht schmeckt salzig. Er versucht, mich von sich weg zu halten, aber seine Arme sind nicht so lang. Er setzt mich auf den Boden. Ich stelle mich auf die Hinterläufe. Ich stütze mich an ihm ab, hänge die Zunge raus. Er hat mich aus der Kiste geholt! Jetzt bin ich bei ihm.
    Er atmet einmal laut und sagt irgendwas. Dann geht er ins Haus. Ich darf mit ihm gehen.

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    Laub! Laub! Ich jage es. Sehr viel Blätter, die rascheln, wenn ich hineinspringe! Ich rufe laut, wenn ich in sie hineinrenne. Ich schnappe nach ihnen.
    Ich hab eins gefangen, ich schüttle es, kräftig. Knurre dabei, so bedrohlich ich kann. Um mich herum die Großen, die Zweibeiner, geben Geräusche von sich. Es klingt interessant. Ich schaue zu ihnen, sie zeigen auf mich und freuen sich. Ich lege den Kopf schief und lass die Zunge raushängen. Blätter jagen ist anstrengend.


    Da, eine Bewegung im Laub! Wieder raschelt es, als ich freudig johlend hineinhüpfe und mehr Blätter jage. Es macht so viel Spaß.


    Ein Pfiff kommt. Ich lausche. Ich schaue. Eine Menschenfrau kommt auf mich zu, hebt mich hoch. Es kitzelt am Bauch. Ich will weiter Blätter jagen, winde mich ein bisschen. Sie lächelt mich an. Ich versuche, ihr die Lefzen zu lecken, wie ich es bei meiner Mutter machen würde, damit sie mich los lässt. Aber die Frau lässt nicht los und trägt mich weg vom Laub.
    Sie sagt etwas. Ich lausche. Ich schaue, wohin sie schaut. Ein anderer Zweibeiner. Kleiner. Er riecht nach Dingen, die ich noch nicht kenne. Ich will ihn begrüßen. Mein Schwanz schlägt wild nach links und rechts. Er schaut an mit vorbei zu der Frau. Spannung liegt in der Luft. Ich belle einmal leicht, damit er zu mir schaut. Er schaut aber nicht. Ich strample, um ihm entgegen zu kommen. Die Frau hält mich auch zu ihm hin, aber er reagiert nicht. Ich rufe nochmal nach ihm, begrüße ihn.
    Er sagt etwas. Es klingt harsch und kräftig. Es erschreckt mich. Es erschreckt die Frau. Sie setzt mich auf den Boden, während der Junge wegstürmt. Ich schaue zu ihr auf. Ich weiß nicht, welchen Fehler ich gemacht habe. Anspannung. Ich winsele leicht. Sie schaut zu mir. Ihr Gesicht wird leicht nass. Sie nimmt mich hoch und setzt mich in die Holzkiste, in der ich hergetragen wurde. Ich fiepe, als sie geht.

    @ Titus Flavus:


    Nein, im IR muss/soll eine Frau ihren Namen nicht ändern, da, wie man ja schön an den Spielleiterkommentaren gesehen hat, keine Manus-Ehen eingetragen werden (da diese in unserer Zeit quasi ohnehin nicht mehr vorgekommen sind. Das ist ein Relikt aus Republikzeiten.). Deshalb find ich hier die ganze Diskussion schon von Anfang an 1. im falschen Board (vielleicht ist sowas im Historia-Board ganz interessant, wo es um rein historische Fragen geht) und 2. komplett an den Haaren herbeigezogen, da es im IR ohnehin nicht zu dem Fall kommt. Denn ich geb dir recht, dieses "hätte, wäre, wenn" ist nur verwirrend und absolut unfruchtbar


    @Centho:
    Ich empfehle dir dringend das hinzuziehen von Sekundärliteratur. Am besten solche, die von Fachleuten erstellt wurde (unter anderem das von mir erwähnte "Frauenwelten in der Antike" vom J.B. Metzler-Verlag, das eine Sammlung von (geprüften!) Publikationen zum Thema Frauen in der Antike darstellt und einen sehr guten Überblick über die damalige Zeit gibt). Denn - entschuldige - was du machst, ist ein "ich denke, das kann man so interpretieren". Und ich denke, dass ich lieber diversen Professoren und Doktoren traue, die zu jedem ihrer Artikel einen seitenlangen Apendix als Quellenangabe noch angeben und sich jahrelang mit dem Thema beschäftigt haben, als einem "ich glaube, Gaius muss man so oder so lesen" ;) Und wenn in so einer Publikation, die als Prüfungsliteratur im Bereich Geschichte zulässig ist, drin steht "Darüber hinaus wurden weibliche Erbrechte in der intestaten Erbfolge, d.h. in der gesetzlichen Regelung der Erbfolge ohne Testament, eingeschränkt, sobald es um die Beerbung von anderen Verwandten als Vater oder Geschwistern ging: Frauen erbten zunächst nur als Töchter oder Schwestern. (Gaius inst. 3,23; Paulus sent. 4,8,20) In der manus-Ehe nahmen sie eine solche Position in der Familie des Mannes ein, nicht aber in der Herkunftsfamilie. [...]" (Seite 34, sonst Quelle wie vor), dann wird sich Frau Dr. phil. habil. Christiane Kunst, Hochschuldozentin für Alte Geschichte an der Uni Potsdam, schon was dabei gedacht haben, das genau so da zu veröffentlichen.
    Von daher mein wirklich dringender Rat an dich: Wenn du auf dem Niveau diskutieren willst, dann - um Himmels Willen! - lies erstmal vernünftige Sekundärliteratur.

    :D:D:D:D


    Um noch was konstruktives beizutragen: Würdest du, Centho, die Quelle kennen, wüsstest du, dass eben das nicht gemeint ist. Im weiteren Verlauf wird da noch lang und breit erklärt, dass eine Frau damit auch ihren Vater nicht mehr beerben kann, da sie nicht mehr zu seiner Verwandtschaft gehört und ihm damit nichts mehr vermachen darf, weshalb das als allgemein negativ empfunden wurde, da es die Vater-Tochter-Beziehung gänzlich unterbricht und eben genau die Frau aus ihrer bisherigen Familie reißt. Weshalb das in der Kaiserzeit auch nicht mehr mit der Manus-Ehe gemacht wurde, nur noch in ganz vereinzelten Fällen, damit sich bei der Brautfamilie eben KEIN realer Vermögensverlust durch eine Hochzeit einstellt. (Denn ja, auch die Dos konnte dann durch den Brautvater nicht mehr zurückgefordert werden, da diese rein rechtlich zum Vermögen der Tochter dann gehört, die nicht mehr zu seiner Familie zählt).
    Und zum Namen: Der Cognomen ändert sich durch die Manus-Ehe auch nicht (zwangsläufig). Nur der Gentilname. Und das ist auch vollkommen logisch. Bedeutet "Iulia" doch nichts anderes als "Tochter aus dem Geschlecht der Iulier", was man mit einer Manus-Ehe dann nicht mehr ist. Und wieso das abwegig sein soll, dass der Gentilname sich ändert, kann ich beim besten Willen unter der lang und breit aufgeführten Sachlage nicht nachvollziehen, wo eine Frau dann doch wie eine Tochter aus dem Haus ihres Mannes behandelt wird (also dann eine Tochter aus dem Geschlecht XY wird). Natürlich kriegt sie auch da seinen Namen. Selbst heutzutage noch nehmen Frauen überall auf der Welt den Familiennamen ihres Ehemannes an! Das ist absolut normal. Warum sollte das in der Antike auf einmal absolut anormal sein, dass sich dann der Familienname bei einer Heirat auch ändern kann?
    Im übrigen waren die Römer absolut nicht so bedacht auf ihre Namen. Schönes Beispiel ist Nero: Gestartet hat der sein Leben als Lucius Domitius Ahenobarbus, später dann hieß er Tiberius Claudius Nero Drusus Germanicus Caesar (da wurde schon aus einem Lucius ein Tiberius!), und beschlossen hat er sein Leben schließlich als Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (wo ja mal so absolut gar nichts von seinem Geburtsnamen übriggeblieben ist).


    Zu allem weiteren: Schon in meinem allerersten Post hab ich gesagt: Wenn du es besser weißt, dann diskutier das im Wiki, reformiere das. Wenn du das SimOn für dich so ausspielen magst, spiel es für dich so aus. Wenn du meinst, alle müssten das so ausspielen, dann versuch das SimOn als Gesetz durchzubringen. (Denn nein, nicht alles, was in der Wiki steht, ist gültiges Gesetz im IR. Schon gar nicht irgendwelche Verklausulierungsvorschriften für Testamente. Die Lex Flavia Secunda wurde sogar abgeschafft, so dass es zu Testamenten momentan nur die Spielregel gibt, dass es im Tempel der Vesta hinterlegt sein muss oder im Tabularium verlinkt, ohne irgendwelche Formvorschriften).
    Zu jeder anderen Vorgehensweise hat Vala das glaube ich schön zusammengefasst.

    P.S. : Frauenwelten in der Antike, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2000/2006, "Eheallianzen und Ehealltag in Rom" von Christiane Kunst, Seite 33/34:
    "Die Überführung der Tochter in die Rechtsgewalt des gatten bewirkte, dass sie aus dem väterlichen Familienverband ausgegliedert wurde [...]"
    Oder mit anderen Worten: Sie trat aus der Gens ihres Vaters aus (und in die ihres Mannes logischerweise ein), was die Namensänderung selbstverständlich erklärt.

    Jetzt hab ich mal den guten Gaius hergezogen (Institutiones, 1,110 - 111), und da steht bei mir WORTWÖRTLICH: "Olim itaque tribus modis in manum conveniebant: usu, farreo, contemptione." (Oder für Nicht-Lateiner: Einst kamen die Frauen auf drei verschiedene Arten in die Rechtsgewalt des Mannes: Durch "Gebrauch", "Farreo" (also den traditionellen Ritus mit Kuchen und blablubb) und "Scheinkauf". Drei Arten. Nichts: Nur durch Kauf. Das ist nur eine von drei Möglichkeiten. Steht WORTWÖRTLICH in der Quelle. Und auch im weiteren, dass das schon zu seinen Lebzeiten nicht mehr gebräuchlich war, das so zu machen, weil es "durch Gesetze aufgehoben und durch gewohnheitsmäßige Nichtanwendung in Vergessenheit geraten ist" ("sed hoc totum ius partim legibus sublatum est, partim ispa desuetudine obliteratum est").
    Gaius lebte im 2. Jhdt. n.Chr. das heißt, zu unserer Spielzeit. Was weiter heißt, dass das in unserer Spielzeit auch schon "aufgehoben und in Vergessenheit geraten" ist.)


    Ist ja alles also schön und gut für die Manus-Ehe. Aber die existiert zu unserer Spielzeit quasi nicht mehr. Da sind dann Forderungen danach rien akademisch. Und haben absolut NICHTS mit der Spielwelt zu tun. Und da hat es auch absolut nichts mit schlechtem Rollenspiel zu tun, wenn man das nicht so umsetzt, nur weil ein einzelner Spieler das gerne so will, während der Großteil der Spieler, die das auch betrifft, das nicht wollen. Wir sind hier nicht in einem totalitären Regime, wo man anderen einfach aus dem einen oder anderen Grund einfach Vorschriften macht. Und wir sind hier auch nicht zu 100% an der Historie dran. Und das will auch keiner.

    Naja, da mach ich es mir jetzt SEHR einfach und zitier einfach die Spielregeln: "Römische Gesetze gelten im IR nur dann, wenn sie explizit zum gültigen Recht erhoben wurden."
    Von daher mag das alles schön und gut und vielleicht sogar richtig sein, gilt im IR aber trotzdem nicht und nicht in dieser Form. Und ich bin mir da sehr sicher, dass die allermeisten darüber auch nicht traurig sind, dass man die Dinge nicht unnötig kompliziert. Immerhin sind hier ja nicht nur Geschichtsstudenten oder gar Rechtsgelehrte.
    Wer das so restriktiv spielen will, kann es. Aber ich würde da mit so Sätzen wie "Vorschrift für weibliche Ids" SEHR vorsichtig sein. Und ich würde auch weiblichen IDs da keine Vorschriften machen. Wenn jemand das so spielen will, kann er. Aber man muss da definitiv niemanden dazu zwingen. Genausowenig wie man jemanden dazu zwingen kann/soll, mit seinem Senator Selbstmord zu begehen, um der Schande einer Gefangennahme zu entgehen. ;) Das kann jeder selber für sich entschieden, was er ausspielen mag und was nicht.

    Ist ja schön und gut, hat aber trotzdem nicht das geringste mit dem Wechsel des Namens bei einer Manus-Ehe zu tun. Oder mit dem aktuellen Sachverhalt. Oder unserer Spielwelt. (Ich meinte übrigens Coemptio, nicht Confarreatio. Gibt ja 3 Arten der Eheschließung: Confarreatio, Coemptio, Usus. Und mir erschließt sich nicht, warum du da auf den Kauf beharrst, wo doch "per usum" viel gebräuchlicher war und bei uns SimOn auch in 99% der Fälle so vorherrscht)
    Wie schon im anderen Thema gesagt, wenn du das gerne so spielen willst, hält dich da keiner auf, eine ID zu machen, die genau das genau so erlebt. Aber hier liest sich das für mich sehr stark nach Vorschrift für unsere weiblichen Mit-IDs.
    (Im übrigen kann das Dreikindrecht sehr schnell zustande kommen, da man nur 3 Kinder braucht, die mindestens 9 Tage alt werden (also Namen bekamen) oder zwei Kinder von mindestens drei Jahren oder aber ein ehefähiges Kind (also bei einem Mädchen 11 Jahre alt!). Was so ziemlich die meisten verheirateten Frauen dann hatten)


    Und da bei uns die meisten IDs trotz historischer Unwahrscheinlichkeit dennoch sui iuris sind, versteh ich das ganze Gewese ehrlich gesagt nicht so ganz. Man kann sich auch bei einem Prätor einen Vormund bestellen, falls der momentane Vormund nicht das macht, was man will. (Ob eine Frau sich historisch mit ihrer Familie angelegt hätte, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Möglichkeit bestand.) Und im SimOn sollte man da ohnehin etwas weniger verbissen sein und die Leute auch mal machen lassen. Es hält einen ja keiner auf, das dann anders mit den eigenen IDs zu machen.


    Und wie eingangs erwähnt hat das mit dem Testament und dem Vormund an und für sich trotzdem nichts mit der manus-Ehe und der damit verbundenen Namensänderung zu tun. (Die es im SimOn ja ohnehin nicht geben soll, siehe Spielleiter-Kommentar). Das sind 2 Paar Stiefel.

    Bei uns in der Wiki: http://www.imperiumromanum.net…bei_Ehen_und_deren_Kinder


    Und verwechselst du gerade die Manus-Ehe mit der Eheschließung durch Coemptio? Weil du die ganze Zeit von Kauf redest.
    Wenn nein und bei fundierter Sachlage könntest du dich mit den Schreibern der Artikel (zu Ersehen unter Autoren) mal kurzschließen, ob du diese in einigen Punkten nicht überarbeiten könntest gemäß deiner Quellenlage, damit da alle davon auch ohne tiefergehendes Studium von Fachliteratur einen Nutzen davontragen.


    Im übrigen erschließt sich mir bei deiner Argumentation nciht im Mindesten der Zusammenhang zwischen einem Testament und einer Eheschließung, und wofür jemand einen Scheinkauf der Frau durchführen müsse, damit diese ein solches erstellen kann. Nicht einmal ansatzweise.

    Wellen rauschten an den Strand. Möwen kreischten und stießen immer wieder vom grauen Himmel hinunter in die Wellen, allerdings tauchten sie nur recht selten mit einem Fisch im Schnabel wieder auf. Atticus sah ihnen zu, auch wenn er sie eigentlich gar nicht wirklich sah. Er wollte nur allein sein und seine Ruhe haben, vor allen Dingen heute. Er hatte keine Lust zu dem, was seine Amme da geplant hatte. Er war wütend. Er fühlte sich einsam und wollte sich auch einsam fühlen.
    Seit fast einer Woche war seine Mutter jetzt weg, und er hatte noch immer keine Antwort auf die Frage, wohin sie gegangen war. Oder warum sie gegangen war. Allerdings war er darüber nicht mehr so traurig, wie er es anfangs gewesen war. Vor zwei Tagen schon hatte er endgültig aufgehört, deshalb heulen zu wollen (oder es auch zu tun, wenn keiner da war, der es sehen konnte). Nein, inzwischen war er einfach nur noch wütend. Wütend auf seine Mutter, dass sie ihn einfach zurückgelassen hatte und nichts gesagt hatte. Wütend auf seinen Vater, dass dieser in Rom war und nicht hier, um es seiner Frau zu verbieten und für seine Söhne da zu sein. Wütend auf die blöden Truppen vor Rom, die die ganze Situation ausgelöst hatten und verhinderten, dass er zu seinem Vater gehen konnte und ihm sagen konnte, wie wütend er war. Wütend darauf, noch nicht erwachsen zu sein und tun und lassen zu können, was er wollte. Wütend auf die Leute in Ostia, die ihn mit ihrer Angst und ihren Spekulationen nervten. Und wütend auf seine Amme, die ihm am Morgen eröffnet hatte, sie sollten zu den Gräbern seiner Ahnen gehen – und zwar den Pompeiern UND den Iuniern – und sofern die Rebellen nicht so verschlagen waren, während der Parentalia die außerhalb der Stadt gelegenen Gräberanlagen zu bewachen, um Angehörige entsprechender Familien abzufangen und einzusperren, dann an beiden Gräbern auch zu opfern.
    Eines war sicher, Atticus hatte gerade absolut keine Lust dazu, zu opfern. Erst recht nicht den Ahnen der beiden Personen, die ihn hier so ganz allein zurückgelassen hatten, und dann noch irgendwas von Dankbarkeit zu sagen und wie stolz er war, zu diesen Familien zu gehören.
    Ganz. Sicher. Nicht.


    Und so saß er am Strand und hoffte, dass ihn hier niemand so schnell finden würde. Er hatte keine Lust darauf, ewig zu reisen, nur um an muffigen Gräbern etwas zu essen. Nicht so, wie die Situation war. Er wollte lieber hier sitzen und sich darüber klar sein, wie wütend er auf diesen ganzen Bockmist doch eigentlich war.

    Und dann war sie weg. Atticus schaut seiner Mutter hinterher, als diese schon fluchtartig das Haus verließ. Er verstand gar nichts. Was passierte hier? Er war sich ziemlich sicher, dass er nichts angestellt hatte, trotzdem fühlte er sich schuldig. Vielleicht hätte er etwas machen oder sagen sollen. Zumindest hätte er wissen sollen, was denn los war. Immerhin war er ja der Mann im Haus – oder würde es sein, sobald er die Bulla ablegte – und seine Mutter war nur eine Frau. Er musste sie doch irgendwie beschützen. Bestimmt hätte er irgendwas tun sollen.
    Aber jetzt war es zu spät. Sie war weg. Hier war Chaos. Und er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Oder was dazu geführt hatte, dass die Situation so war, wie sie jetzt war. Ihre Berührung brannte irgendwie noch immer auf seiner Wange, und Atticus fühlte den Klos, der sich in seinem Hals gebildet hatte, immer schwerer. Er konnte kaum noch schlucken.


    Seine Amme kam auf ihn zu, sah ihn sorgenvoll an. Atticus konnte den Blick kaum ertragen. “Alles in Ordnung, Titus?“ fragte sie leise und sanft. Atticus nickte, sagte aber nichts. Er war sich nicht sicher, ob er einen Ton sagen konnte.
    Sie merkte es. Sie merkte meistens, wenn etwas in ihm einen Aufruhr verursachte. Sie hatte ihn an ihrer Brust gesäugt und jede Krankheit und jeden Kratzer mit ihm erlebt. Natürlich wusste sie, wenn etwas mit ihm nicht stimmte. Aber Atticus wollte das jetzt nicht. Als sie gerade tröstend ihre Hand auf seine Schulter legen wollte, rannte er los. Raus, durch die Tür, knallte sie laut hinter sich zu. Er hörte noch ihr hinterhergebrülltes “TITUS!“, blieb aber nicht stehen. Seine Mutter war nicht mehr im Hof, als er die Treppe fast hinunterfiel, so schnell, wie er sie hinabrannte. Er hatte zu viel Schwung und konnte sich auf der letzten Stufe nicht mehr halten, knallte in den staubigen Hof und schrappte sich die Handballen auf. Tränen rannen über seine Wangen, aber er wollte nicht weinen. Auch wenn es jetzt in Ordnung war, immerhin blutete er. Das war dann zwar immer noch nicht wirklich männlich, aber entschuldbar. Er rappelte sich wieder auf die Beine, versuchte, sich dabei so wenig wie möglich auf den Handballen aufzustützen, was in einigen ulkigen Verrenkungen mündete, und kam gerade wieder hoch, als er die Schritte auf den Stufen hinter sich hörte. Also rannte er los, rannte weiter, in die Stadt. Er wusste, es würde Ärger geben, er sollte nicht ganz allein losrennen, ohne zu sagen, wohin er ging. Das wusste er und normalerweise hielt er sich daran. Aber jetzt, in diesem Moment, wollte Atticus einfach nur allein sein.

    So langsam bekam Atticus wirklich Angst. Seine Mutter benahm sich so seltsam, als würde sie ihre Kinder nie wieder sehen. Warum sollte er ihr das jetzt versprechen? Natürlich passte er auf alle auf. Aber dass er es auch versprechen sollte, das ließ das komische Gefühl in seinem Bauch doch noch ein ganzes Stück anwachsen.
    Atticus fühlte sich mit der Situation überfordert. Er wusste nicht, was geschah, warum es geschah, und was er machen sollte. Warum er das versprechen sollte. Es war so viel, was er nicht verstand. Aber er wollte nicht, dass seine Mutter noch mehr Angst hatte wegen ihm. “Ich verspreche es. Ich werde auf alle aufpassen. Und auf Pulchra hören.“ Er schluckte. Seine Zunge fühlte sich so schwer an. Er wusste nicht, was er machen sollte. Aber das hier fühlte sich nicht richtig an.