Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Der Offizier kritzelte fleißig mit. Nur einmal sah er kurz auf. “Deine Eltern haben einen eigenen Hof und trotzdem bist du hier und willst Vigil werden?“ Aber es war wohl mehr eine rhetorische Frage, denn mit einem Schulterzucken und einem “Hm“ war die Sache anscheinend auch schon soweit erledigt.


    “Kannst du lesen? Rechnen?“ klopfte der Mann dann noch die etwas selteneren Talente ab. Die meisten, die sich zu den Vigiles meldeten, hatten außer ihrer eigenen Körperkraft und dem Willen, sich für lausige Bezahlung einem Großbrand zu stellen, nichts weiter zu bieten. Die meisten Menschen, die etwas mehr zu bieten hatten, gingen einem Beruf nach und waren nicht darauf angewiesen, sich schlimme Verbrennungen zu holen.
    “Irgendwelche Krankheiten? Bitte einmal Zähne zeigen und dann zehn Liegestütze.“

    Der Rekrutierungsoffizier - ein sichtlich schon älterer Mann, an dessen Hals bei genauerem Hinsehen Narben einer alten Verbrennung zu erkennen waren, sah sich den neuen Anwärter zunächst einmal von oben bis unten genau an.
    “Gut, dann brauche ich ein paar Angaben von dir. Name hatten wir schon, dann brauche ich noch Alter, den Namen und den Stand deiner Eltern und deine bisherigen Erfahrungen und praktischen Talente.“


    Er zückte routiniert auch sogleich eine Wachstafel und einen Stylus, um sich alles wichtige mitzunotieren.



    Name: Azizos


    Name und Stand Eltern:


    Alter:


    Erfahrung:


    Vorerkrankungen:


    Körperlicher Zustand:


    Gehör:


    Sonstiges:



    Sim-Off:

    Sorry, war eine stressige Woche

    Da hier bislang sonst niemand geantwortet hat:


    Ja, bei den Vigiles kann man sich das Bürgerrecht erarbeiten. Und ich hätte auch nichts gegen einen neuen Tiro zum Rumkommandieren :D

    Die Grundausbildung startete wie immer an einem frühen Morgen direkt nach dem Frühstück. Zunächst warteten die neuen Rekruten als eher ungeordneter Haufen und lernten sich kennen. Aufgrund unterschiedlicher Sprachen geschah dies teilweise mit Händen und Füßen, aber irgendwie machte man sich doch mit den neuen Kameraden vertraut.


    Zumindest solange, bis der erste Befehl einer befehlsgewohnten Stimme über den Platz schallte, als der Centurio Grisuix mit seinem Optio im Schlepptau auftauchte.


    “Tirones! In aciem venite!*“


    Sim-Off:

    *In einer Reihe antreten


    Dem Ruf folgte der Versuch, der Aufforderung möglichst schnell nachzukommen. Allerdings war Grisuix nicht zufrieden.
    “Ihr seid echt der dämlichste Haufen, den ich in meiner Laufbahn je gesehen habe. LINIE HAB ICH GESAGT, ABER ZACKIG!“
    Der Optio lief die Reihe entlang mit seinem langen Optiostab und verpasste dem ein oder anderen damit einen wenig zärtlichen Schlag vor die Brust, um ihn ein Stück nach vorne oder nach hinten zu bugsieren, je nachdem, wie sie standen. Nachdem die ersten paar Mann einen Stoß erhalten hatten, bemühten sich die nachfolgenden schon selbständig um eine geradere Ausrichtung ihrer Linie, ehe der Optio bei ihnen ankam.
    Schließlich standen sie alle, und der Optio gesellte sich wieder zu seinem Centurio.



    Und wie alle Tirones vor ihnen – und wohl auch etliche nach ihnen – erhielten die Rekruten als erstes einmal eine Rede über den Sinn und Zweck ihres Daseins ab jetzt:


    “Als ihr herkamt, da wart ihr Gerber, Schuster, Tagelöhner, Libertini, Peregrini, wahrscheinlich haben wir hier auch den ein oder anderen Dieb oder Hurenjungen.


    Das war, bevor ihr hier durch dieses Tor kamt und euch zu den Vigiles verpflichtet habt. Denn wenn ich mit euch fertig bin, dann werdet ihr im Feuer geschmiedeter Stahl sein. Ihr werdet Vigiles sein, die Wächter der Nacht.


    Wir haben keine so schnieken Paraden wie die Praetorianer und stolzieren auch nicht umher wie die Urbaner. Aber wenn die Götter Blitze auf diese Stadt schleudern und Häuser wie Spielzeuge zusammenbrechen, dann rücken wir aus. Wenn die Praetorianer sich verschanzen und die Urbaner sich vor Angst einscheißen, dann rücken wir aus. Wenn alle Menschen panisch wegrennen, dann rücken wir aus.


    Unser Feind heißt Feuer, unser Feind heißt Einsturz, unser Feind heißt Flut, unser Feind heißt Verbrechen. Und wenn ich mit euch fertig bin, dann wisst ihr, wie ihr jeden einzelnen davon bekämpfen könnt. Und wenn einer von euch anfängt, deshalb zu heulen wie ein Mädchen und lieber wieder zurück zu seiner Mami will, werde ich ihn höchstpersönlich filetieren! Die Zeit, zu heulen und sich zu verkriechen, die ist vorbei!“


    Sein Optio neben ihm kommentierte die Rede mit einem herzhaften “HUAH!, von dem offensichtlich erwartet wurden, dass die Rekruten dieses ebenso lautstark wiederholten.


    Erst danach fuhr Grisuix fort. “Aber noch seid ihr ein absolut trauriger Haufen. Deshalb werden wir euch als erstes einmal einkleiden. Ad dextram, pergite!*“


    So leitete der Centurio die Mannschaft unter Hilfe seines Optios zunächst zur Rüstkammer. Dort ließ er die Tirones wieder in Reihe antreten und vom dort wartenden Vigil erst einmal einkleiden: Dunkle Tunika, Kettenhemd, Gürtel, Helm, Caligae. Keine Waffen, denn zum einen waren das hier noch Anfänger, die erst die Ausbildung dafür brauchten, und zum zweiten war das offene Tragen von Waffen tagsüber auch den Vigiles zunächst einmal verboten.


    Sim-Off:

    *“Rechts schwenkt, Marsch!“

    Pontus ließ sich mit einem geräuschvollen Seufzen auf seine Decke fallen und schien eingeschlafen, noch bevor er wirklich lag. Manchmal beneidete Atticus seinen Hund.


    Da er schon den halben Tag hier wieder in seinem Büro sitzen musste und Berichte wälzte – warum hatte niemand jemals gesagt, dass man als Kommandant einer Einheit so absolut nichts mit dieser zu tun hatte, sondern nur mit ihren Berichten? - stand Atticus auf und ging um seinen Schreibtisch herum, um den Marschbefehl entgegen zu nehmen. Er überflog das Schreiben kurz und legte es dann zu den anderen Tafeln und Schriftstücken. Vielleicht sollte er einen Vigil auswählen als seinen persönlichen Tesserarius anstellen, der diese lästigen Aufgaben übernahm und ihm mehr Zeit für die spaßigen Seiten des Tribunats ließ. Beispielsweise das Schwerttraining.


    Atticus sah also zu Azizos runter – er hatte sich schon lange daran gewöhnt, einen Kopf größer zu sein als alle anderen – und überlegte kurz. “Gut, ich teile dich hiermit der ersten Centurie zu. Wir hatten letzte Woche einen Brand, bei dem wir leider einige Kameraden verloren haben, also sind dort in einigen Contubernien Plätze frei. Such dir ein Contubernium, in dem noch Platz ist – Namen der Vigiles stehen an der Tafel neben der jeweiligen Tür – und quartiere dich dort ein. Dann gehst du zur Ausrüstungskammer und holst dir deine Ausrüstung. Ausbildungsbeginn ist morgen zur hora Secunda. Den Rest werden dir deine Kameraden erklären.“ Zur Essenszeit stampften die meisten einfach der Herde nach, und die einzelnen Contubernien machten unter sich Dinge wie Koch- und Putzdienst aus. Da hielt Atticus sich heraus, und die Optiones und Centuriones beschränkten sich auch nur auf das Kontrollieren der Einhaltung der Sauberkeit, ließen die Männer das aber unter sich regeln, wie sie es machen wollten.
    “Wenn keine weiteren Fragen sind, kannst du wegtreten.“

    Als Aelfwine angesprochen wurde, schaute er ernst und antwortete seinem Landsmann, dass sie alle bis zum Ende der Schicht einen vierstimmigen Kanon erwarteten. Erst, als er in ein leicht entsetztes Gesicht blickte, konnte er sein Lachen nicht mehr unterdrücken. Da auch einer der Römer gerade da etwas übers Singen sagte, antwortete er in etwas kratzig klingendem Latein. “Reicht, wenn Sam singt. Muss auf Patrouille immer nu eins Mann singen.“


    Sie kamen an einer ersten Garküche vorbei. Ein Teil der Menschen auf der Straße setzte sich auf die bereitgestellten Bänke, während der kleinere Teil der Leute sich in einer Schlange anstellte, um in mitgebrachten Töpfen, Krügen und Schalen das Essen für die Familie mit nach Hause nehmen wollte. Man aß eben gern in Gesellschaft und tauschte sich dabei mit den Nachbarn und Freunden aus, aber die Plätze waren alle schon fest vergeben. Und wehe dem Neuankömmling, der sich einfach in die erlauchte Gesellschaft der Sitzplatzinhaber schleichen wollte, ohne der besondere Freund oder ein Verwandter von irgendwem zu sein.
    “Das ist Masilias Thermopolia. Sie kocht sehr gut, aber man muss lange anstehen“, kommentierte Sam im Vorbeigehen und grüßte die Ladeninhaberin, die hinter den dampfenden Töpfen stand und die hungrige Meute mit Hilfe ihrer Sklavinnen so nach und nach versorgte. Die Frau war schon deutlich älter und trug eine schwarze Perücke auf ihrem Kopf, die die grauen Haare versteckte. Freundlich grüßte sie mit einer erhobenen Hand zurück, ehe sie weiterarbeitete.


    Weil die Frage nach der Unterscheidbarkeit aufkam, antwortete Sam auch eben. “Abgesehen davon, dass die Leute den Unterschied zwischen Vigil und Urbaner riechen: Unsere Helme sind anders und die Vigiles tragen kein Cingulum. Offiziell sind wir ja eine Miliz, kein Militär. Darum haben nur die Offiziere cingula.“
    Während also die Urbaner ihren Weg durch die Straßen klimperten, schepperten die Vigiles nur dahin.

    Sie setzten sich also in Bewegung und begannen ihre Runde. So kurz nach Sonnenuntergang war eigentlich kaum ein Unterschied zum Tag festzustellen. Es wurde zwar schnell dunkel, aber noch war der Himmel eher grau als schwarz, und im gleichen Maße, in dem das Tageslicht schwand, wurden Lampen und Laternen an allen Ecken und Enden entzündet. Kinder spielten noch auf den Straßen und wurden nach und nach von ihren Eltern heimgerufen, Tagelöhner und Handwerker räumten noch den Rest ihrer Habseligkeiten zusammen und machten sich auf den Heimweg und die Thermopolia heizten ihre Öfen an, denn in der Subura hatte kaum ein Haus die Erlaubnis für eine eigene Küche, so dass fast jeder hier in einer der dutzenden Tavernen sich seine warme Mahlzeit des Tages besorgte. Kurzum: Es herrschte ebenso viel Betrieb, wie tagsüber.


    Der neue Tiro beantwortete unterdessen schon einmal die erste Frage. “Azizos hat es schon richtig gesagt: Wir benutzen die helleren Laternen. Aber wir Vigiles haben ja auch andere Aufgaben wie ihr Urbaner. So etwas wie verdeckte Ermittlungen gibt es bei uns quasi nicht, und es wäre eine Katastrophe, würde es irgendwo brennen, und wir wären nicht leicht zu finden. Deshalb hab ich meine Laterne auch an der langen Stange: Damit die Leute die ganze Straße herunter sehen 'Aha, da kommen die Vigiles'.“ Abgesehen davon hatte es in diesem Gewühl der frühen Nacht auch den Vorteil, dass man nirgends anstieß, denn das Vorankommen momentan war eher langsam.


    “Bei der Orientierung hilf es, sich wichtige Eckpunkte einfach zu merken. Wenn man sich mal verläuft, muss man nur einen dieser Punkte wiederfinden und schon weiß man wieder, wo man ist. Die einfachsten beiden sind natürlich der Murrus Terreus und das Argiletum. Über die Mauer kommt man nicht einfach rüber, die begrenzt die Subura in Richtung Oppius Mons. Und das Argiletum... naja, das ist die verdammt breite Straße zwischen dem Forum Romanum und der Via Labicana, die einmal quer durch die Subura geht. Die kann man gar nicht übersehen. Und ansonsten merkt man sich einfach die Tabernae und die Lupanare. Die wichtigsten auf unserer Runde zeig ich euch auch noch. Wenn man das im Kopf behält, kann man sich eigentlich gar nicht mehr verlaufen.“


    Sie bogen um die erste Ecke zwischen die hohen Insulae ein und folgten dem Duft nach gebratenem Gemüse und Brot, wie diverse Familien. Einige grüßten die Vigilen flüchtig, vor allen Dingen die Kinder, und Sam grüßte lächelnd zurück, während er erneut sang:


    “Es ist die ERSTE Stunde der Nacht, liebe Leut', schlaft gut, schlaft sicher, liebe Leut', liebe Leut! Ich wach für euch, liebe Leut', liebe Leut', zur ERSTEN Stunde der Naaaaaacht!“


    Ein bisschen merkwürdig war es schon, dass Sam vom Schlafen sang, während halb Rom noch auf den Beinen und auf dem Weg zum Abendessen war, aber das Lied hatte nur den einen Text, die Strophen unterschieden sich einzig in der Angabe der Stunde.

    Da Pontus die Tür ohnehin dauernd benutzte und Atticus weder Lust hatte, jedes Mal aufzustehen, wenn der Hund hinein oder herauswollte, noch einen seiner Vigiles als Türöffner für den Hund abstellen wollte, war die Tür zu seinem Officium stets nur angelehnt. Und so stieß auch jetzt Pontus die Tür mit seiner Schnauze einfach auf und tapste ganz selbstverständlich hinein, als Azizos gerade anklopfte.


    Dass die Tür aufging, registrierte Atticus schon gar nicht mehr. Das passierte so oft am Tag, sei es durch Pontus, sei es durch einen Centurio, dass er es nur am Rande wahrnahm. Was ihn aber aus seinem Studium der Berichte der letzten Woche riss, war das Klopfen. Pontus konnte vieles, aber nicht klopfen.


    Als er also aufblickte, sah er einen jungen Mann – naja, aus seiner Warte wohl eher einen älteren Mann, der Betreffende war sicherlich an die zehn Jahre älter als er selbst – der von der sich einfach öffnenden Tür wohl nicht weniger verwirrt war, als alle vor ihm. Atticus kannte natürlich nicht alle seine Vigiles, aber der Mann hatte keine Ausrüstung an, also schloss er daraus, dass er entweder gar kein Vigil war, sondern irgendein Händler oder Nachbar oder sonstiger Geschäftsmann, der zu ihm vorgelassen worden war, weil es um etwas wichtiges ging. Oder aber, der Mann war ein Rekrut.
    “Tritt ein“, versuchte Atticus also einen gemäßigten Befehlston in der Erwartung, dass der Mann schon selbständig verlauten lassen würde, was genau ihn hergeführt hatte.

    Pontus, der große, schwarze Molosserhund, war nach den Monaten hier in der Castra der unbestreitbare König der Statio. Die meiste Zeit blieb er an der Seite seines Herrn, aber wenn dieser gerade einmal wieder am Schreibtisch saß und Berichte wälzte, kam es auch immer wieder vor, dass Pontus einfach selbständig losging und für seinen Auslauf sorgte. Die Vigiles kannte er alle – und sie kannten ihn alle. Nicht alle mochten unbedingt den Hund, aber in jedem Fall respektierten sie ihn, nicht nur wegen seiner Größe und des Gebisses. Er war der Hund des Chefs.


    Und so stromerte auch heute Pontus über den Hof und zur Torwache, als gerade jemand Neues ankam. Der Mensch war soweit ruhig und roch nicht nach Rauch, also gab es keinen Grund, Alarm zu schlagen. Pontus beschloss erstmal, den neuen Menschen zu mögen und tapste schwanzwedelnd zu ihm herüber, während die Menschen ihn begrüßten.


    “Salve. Der Tribun ist in der Principia. Gleich hier geradeaus durch. Folg einfach dem Hund, der gehört dem Tribun. Die Rüstkammer ist im Anschluss dann gleich da drüben, da bekommst du dein Zeug, und die Unterkünfte sind hier jeweils an den Längsseiten. Je nachdem, zu welcher Centurie du kommst“, gab die Wache am Tor auch gleich bereitwillig Auskunft.

    Bevor Sam verschwand, um die versprochenen Laternen zu organisieren, war er natürlich noch eine kurze Antwort schuldig.
    “Nunja, es hat schon etwas amüsantes, wenn ein Haufen Peregrini ein paar waschechte Römer in ihrer eigenen Stadt herumführen sollen“, erklärte er den kleinen Scherz, den er zur Auflockerung seinen Männern gegenüber gemacht hatte. In der Tat waren diese doch auch ein wenig angespannt ob der ungewöhnlichen Situation. Nicht nur, dass diesem Contubernium kurzerhand zwei Neulinge zugeteilt worden waren für die heutige Aufgabe, was es sicherlich nicht einfacher machte. Erst letzte Woche hatten sie zwei gute Männer verloren, weil in der Subura ein Haus eingestürzt war. Aber der eigentliche Grund für die Anspannung lag wohl darin begründet, dass viele Mitglieder der Cohortes Urbanae auf die Vigiles herabzublicken gewöhnt waren, so wie Römer an und für sich gerne auf Peregrini und Libertini herabblickten. Das machte eine Zusammenarbeit nicht unbedingt einfacher. Aber Sam hatte zumindest vor, das beste aus diesem Abend zu machen.


    Sogleich verschwand er dann auch im Ausrüstungslager und kehrte nach wenigen Augenblicken mit vier Laternen wieder, von denen er zwei an jede Gruppe gab. Es würden sich also immer zwei Urbaner eine Laterne teilen müssen, das war bei den Vigiles aber auch nicht anders. Es war immer praktisch, wenn zumindest die Hälfte beide Hände frei hatte.
    “Hier bitte. Ich hab mal ein bisschen gesucht und euch verschiedene Laternen mitgebracht. Diese hier benutzen wir eigentlich fast ausschließlich“ erklärte Sam und zeigte dabei auf eine einfache Laterne. Ihr Korpus bestand aus einem unteren Teller aus dünnem Stahl und einem ebenso stählernen Deckel oben, der einige Luftlöcher hatte. Dafür, dass die beiden Teile auf Abstand zueinander blieben, sorgten insgesamt vier dünner Stahlstreben. Der eigentliche Körper der Laterne bestand aus sehr dünner, gespannter Haut. Nachdem Sam die Öllampe im inneren mit einem langen Wachsstab entzündet hatte, verbreitete sie ein warmes, helles, diffuses Licht. “Wie ihr sehr, spenden die viel Licht, und durch die Haut heizt sich die Laterne auch so gut wie nicht auf. Wir Vigiles sollen ja auch nachts gut gesehen werden, aber ihr Cohortler braucht vielleicht etwas unauffälligeres Licht. Deshalb hab ich noch die hier rausgesucht“, erzählte Sam weiter und deutete damit auf die zweite Laterne jeder Gruppe. Diese bestand komplett aus einem Stahlgehäuse. Nur an einer Seite ließ sich mittels Scharnier eine Klappe in verschiedenen Positionen öffnen. “Mit den Blendlaternen kann man das Licht auch schnell verdecken oder mit halboffener Klappe nur den Boden vor sich beleuchten. Die werden mit der Zeit aber recht heiß, also solltet ihr sie besser am Stock halten und nicht in der Hand“, erklärte er weiter und deutete dabei auf den etwa ellenlangen Holzstock, der mittels eines einfachen Hakens an einer Öse im Deckel der Laterne festgemacht war.


    “Gut, Charminus, Azizos und Aelfwine bilden mit mir die erste Gruppe, der Rest begleitet die zweite Gruppe. Und dann gehen wir mal los.“


    Nachdem alles eingeteilt und alle mit entsprechend Licht versorgt waren, entzündete Sam seine eigene Laterne, die er an einem langen Stock befestigte, welchen er kurzerhand schulterte. So schwebte eine helle Laterne auf ihrem Weg gute anderthalb Fuß über ihren Köpfen.
    Jetzt im anfangenden Winter begann die erste Stunde der Nacht noch zu Zeiten, als ein guter Teil Roms noch wach und unterwegs war. Nichts desto trotz begann Vigil Sam mit seiner nächtlichen Pflicht pünktlich mit dem endgültigen Untergang der Sonne.


    “Es ist die ERSTE Stunde der Nacht, liebe Leut', schlaft gut, schlaft sicher, liebe Leut', liebe Leut! Ich wach für euch, liebe Leut', liebe Leut', zur ERSTEN Stunde der Naaaaaacht!“ verkündete er in sattem Bariton in einer kleinen Melodie die Stunde der Nacht, während er gewohnt loslief.


    “Gibt es eigentlich irgendwas bestimmtes, was ihr wissen wollt?“ fing er dann ein Gespräch an. Bislang erschien ihm die ganze Angelegenheit ja noch reichlich abstrus. Die Cohortler, die hier jeden Tag durchliefen, würden sich ja auch nachts nicht auf einmal verlaufen. Es zog ja niemand nachts los und verlegte die Straßen neu oder baute heimlich Gebäude.

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    ERNENNE ICH
    AZIZOS


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM VII KAL DEC DCCCLXVIII A.U.C. (25.11.2018/115 n.Chr.)


    ZUM
    TIRO - VIGILES


    NUMERIUS SCAEVIUS CAMERINUS [NSC]
    -------------- Praefectus Vigilum --------------

    Der Rekrutierungsoffizier nickte.
    “Gratuliere, du bist nun ein Vigil. Hier dein Einsatzbefehl. Melde dich heute noch bei deiner Cohorte, damit du passend eingekleidet bist und dir dein Schlafplatz zugewiesen wird. Die Grundausbildung erfolgt dort.“


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    Der Tiro AZIZOS wird hiermit der


    COHORS II ESQUILINA


    der Vigiles zugeteilt.
    Er hat sich in der Castra der Cohors II Esquilina zur Grundausbildung unverzüglich zu melden.


    Vor der Statio der Vigiles warteten einige Vigilen und unterhielten sich scherzend miteinander. Immer wieder kamen auch Kollegen aus der Wache und verabschiedeten sich zu ihren Routen auf der Nachtwache, andere kamen zurück, um nach einem langen Dienst nun noch etwas zu essen und anschließend einen hoffentlich erholsamen Schlaf zu finden. So, wie es wohl überall in Rom während eines Wachwechsels war: Die einen kamen, die anderen gingen, die dritten warteten.


    Als die Männer der Cohortes Urbanae ankamen und sich zackig vorstellten, verstummte das Gespräch kurz. Einer der Vigiles sagte etwas zu seinen Kameraden in einer Sprache, die eindeutig nur sehr fern von Rom gesprochen wurde, was die anderen Männer kurz zum Schmunzeln und verhaltenen Lachen animierte.


    “Salvete. Ich bin Vigil Sam“, stellte sich ein großer Cambrier mit rötlichblondem Haar freundlich vor. “Für die Nachtwache wäre es gut, wenn wir uns in zwei Gruppen aufteilen. Es bringt nicht so viel, wenn wir hier mit sechzehn Mann durch die Gegend stapfen. Normalerweise sind wir auf Streife zu zweit oder zu viert. Heute eben mit Gästen“, machte er auch gleich einen praktischen Vorschlag zur Durchführung des ganzen. Sie konnten zwar auch als kleine Privatarmee durch die Straßen ziehen, aber so würden sie nur unnötig viel Aufmerksamkeit erregen. Und wenn Sam seine Vorgesetzten richtig verstanden hatte, ging es darum, den Cohortlern einen einigermaßen realistischen Einblick in die Subura zu geben.


    “Und hat man euch nicht gesagt, keine Fackeln zu benutzen? Die sind nur eine unnötige Brandgefahr. Ehrliche Leute benutzen Laternen. Fackelträger nachts in der Subura sind schon einmal von Grund auf verdächtig. Also löscht sie im Brunnen. Ich organisier euch dann noch ein paar Laternen, dann können wir los.“

    “Hier wirst du deinen Eid ablegen vor der Standarte der Vigiles und dem Bildnis des Kaisers. Hier ist eine Tafel mit dem Text.“
    Der Offizier aus dem Rekrutierungsbüro hielt Azizos eine Wachstafel mit dem Schwur entgegen, die er nun nehmen konnte. Da er ja angegeben hatte, Lesen zu können, sollte das mit dem Schwur ja keine Probleme bereiten.



    IURANT AUTEM MILITES OMNIA
    SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS,
    NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS
    PRO ROMANA REPUBLICA.