Eigentlich hatte Atticus ja diplomatisch sein wollen. Wollte er auch jetzt. Aber mitunter war es ziemlich schwer, das tatsächlich zu sein, auch wenn man es sich vornahm.
Atticus atmete also einmal sehr tief durch und sah den etwa gleichaltrigen jungen Mann einfach mal direkt an. So von Jugendlichem zu Jugendlichem konnte man schon auch einmal Tacheles reden.
“Weil ich das Gefühl habe, dass du gerne eine Factio möchtest, die du nach deinem Gutdünken einfach umgestalten und führen kannst, bei der du alles tun und lassen kannst, was du möchtest und es selbst bei diesem kurzen Gespräch zwischen uns schon einige Kommunikationsschwierigkeiten gab. Ich nehme nicht an, dass die besser werden würden, und ich nehme ebenso an, dass es dich wohl ziemlich ankotzen würde, deine Pläne immer erst mit mir besprechen. Und mich würde es ankotzen, dauernd hier ein Auge drauf zu haben, um sicherzustellen, dass mit dem Geld, das ICH hier schon hineininvestiert habe, kein Unsinn veranstaltet wird.“
Gut, das war jetzt nicht unbedingt eine Eins mit Sternchen in Diplomatie, aber es war ehrlich, und unter Jungs sollte das auch mal gehen, ohne dass einer wie ein Mädchen beleidigt war und herumheulte. “Ich denke einfach nicht, dass das hier wirklich auf Dauer passt und du damit zufrieden wärst, einfach nur Sodalis zu sein.“
Beiträge von Titus Pompeius Atticus
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Skeptisch sah Atticus an dem Iulius einmal hoch und wieder runter. Er sah nicht wirklich danach aus, als hätte er auch nur annähernd das Geld, das es benötigte, um sich hier finanziell zu beteiligen. Eher kamen Atticus ungewollt Attribute wie 'halb verhungert', 'praktisch obdachlos', 'verwahrlost' oder 'völlig vereinsamt' in den Sinn, wenngleich man sowas beim ersten Eindruck ja nicht unbedingt so festmachen sollte.
“Das meiste davon sind meine Aufgaben, insbesondere Organisation und Auswahl der Fahrer“, stellte Atticus erst einmal fest. Neue und engagierte Mitglieder, schön und gut, aber er wollte sich nicht gleich an dem Stuhl sägen lassen, den er gerade eben erst eingenommen hatte. “Und für die Pferde haben wir auch professionelle Trainer.“ Den Hinweis, dass es Atticus' Geld war, über das hier so fröhlich entschieden werden sollte, verkniff er sich gerade so.Irgendwie hatte er ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache. Ein wenig, als würde ihm hier gerade eine Rolle als Statist zugeschustert, in der er sich ganz und gar nicht wohl fühlte. Aber bei diesem Schiff hier war Atticus der Kapitän. Und nach alledem konnte er sich nicht vorstellen, dass der Iulius sich auch nur im entferntesten als Ruderer sehen könnte. “Ich denke nicht, dass die Albata dir unbedingt das bieten kann, was du dir hier vorstellst, Iulius“, formulierte er also erst einmal möglichst diplomatisch.
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Wie bei allen guten Göttern konnte man seine Aussage SO auffassen? Atticus ließ seine Sätze noch einmal durch seinen Geist erschallen, aber auch mit dieser seltsamen Erklärung ergab es einfach nicht den geringsten Sinn. Er hatte nur gesagt, dass er den Senator kennengelernt hatte und auch einen Freund hatte, der ihn kannte. Da war alles gewesen, und das Gespräch auf diesen Senator hatte der Iulius selber gebracht. Atticus fragte sich ernsthaft, was der junge Mann vor ihm hier erwartete und wie dieser sonst Gespräche zu führen pflegte.
“Und wie stellst du dir diese... Gestaltung und Mithilfe konkret vor?“ fragte Atticus daher lieber noch einmal ganz konkret nach, nachdem er auf seine sonstigen Fragen ja eher obskure Antworten erhalten hatte. Oder gar keine. -
Jetzt wurde es wirklich seltsam. Wie bitte wurde aus einem Kompliment zu Senator Iulius Dives nun eine Anschuldigung, irgendwer würde schlecht über ihn reden? “Äh, hab ich irgendwo etwas darüber gesagt, wie du über deine Verwandten reden würdest?“ Was war das für ein komischer Kerl? Hörte der etwa Stimmen? Es gab immer wieder Leute, die Dinge hörten, die niemand gesagt hatte. Aber Atticus hatte ja noch nicht einmal etwas gedacht, und trotzdem fing der Iulius an, sich mit einer Vehemenz gegen Dinge zu verteidigen, die überhaupt niemand auch nur ansatzweise erwähnt hatte, die wirklich nicht mehr normal war.
“Ich maße mir nicht an, zu wissen, wie die Interna der Veneta so sind. Allerdings frage ich mich jetzt schon, was du dann jetzt von der Albata erwartest?“ Die hatte ja gewiss auch nicht mehr Personal zu bieten.
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“Ääääh?“ Atticus hätte liebend gerne etwas souveräner reagiert als mit einem 'Äh', aber irgendwie wollte im ersten Moment nichts souveräneres heraus kommen. Normalerweise liefen Bewerbungen ein bisschen anders ab. Auch das 'Schoßhündchen' – welches jedem der Teilnehmer mindestens bis zur Hüfte reichte und wahrscheinlich dem ein oder anderen auch im Gewicht sehr nahe kam – schaute sein Herrchen eher fragend an. Manchmal fragte sich Atticus, wieviel Pontus wohl wirklich verstand und was der Hund wohl denken mochte.
“Äh, ich hab Senator Iulius Dives kennen gelernt. Ein freundlicher Mann. Auch mein Freund Duccius Callistus, ebenfalls in der Veneta, berichtet nur Gutes über ihn“, rettete sich Atticus schließlich in ein paar nicht ganz so belanglose Feststellungen. Er hatte definitiv nichts gegen die Veneta. Eigentlich hatte er mit einer Ausnahme nichts gegen irgendeinen der anderen Rennställe. Ihm ging es nur um das Sportliche und die Fairness. Wenn irgendwelche Idioten sich für ihre Factio kloppen wollten, so wollte er nichts damit zu tun haben.
“Wie kommst du darauf, dass bei der Veneta die Luft raus wäre? In den letzten Rennen waren sie stets unter den ersten drei?“ fragte er dann aber doch noch einmal nach, weil ihm diese kryptische Aussage wirklich keine Ruhe ließ. Eigentlich wollte Atticus seinen Freund mal wieder nach einem gemeinsamen Trainingsrennen fragen, um auszuloten, ob die Albata nun nach dem vielen Training mittlerweile einmal konkurrenzfähig wäre. Das erste Trainingsrennen war ja noch recht einseitig verlaufen. -
Wie immer sagte Pontus' Reaktion seinem Herrchen als erstes, dass jemand auf ihn zukam. Der schwarze Molosser ließ ein unterdrücktes, leises Bellen hören und stellte sich sogleich neben Atticus. Laut melden durfte er in der Nähe der Pferde nicht, das wusste der Hund sehr gut. Aber ganz ohne Ankündigung konnte er auch niemanden an seinen Rudelführer heranlassen.
Atticus kraulte dem Hund den Kopf und drehte sich in die entsprechend angezeigte Richtung, wo auch gleich das neueste Mitglied der Factio Annaeus mit einem Unbekannten im Schlepptau ankam. Dieser wurde auch prompt als Iulius Caesonius vorgestellt und unvermittelt hatte Atticus eine Hand in seine Richtung gestreckt vor sich – ein Umstand, der Pontus zu noch mehr Unmutsbekundungen veranlasste. So nahe sollte sich niemand unbekanntes so plötzlich seinem Herrn nähern.
Atticus schüttelte die Hand eher kurz und kraulte lieber seinem Hund weiter geistesabwesend hinter dem Ohr. “Ähm, ja, salvete ihr beiden. Ich hatte jetzt eigentlich nicht mit Bewerbungen gerechnet, aber wir sind ja flexibel, nicht wahr? Aber sag, Iulius, sind die Iulii nicht eigentlich glühende Veneta-Anhänger?“ Atticus war ja nun doch durchaus auch schon eine Weile dabei, und alle Iulii, die er bislang getroffen hatte – was zugegebenermaßen nicht allzu viele waren – waren in derselben Factio wie sein Freund Duccius Callistus. -
Irgendwie kam Atticus sich schon ein wenig komisch vor. Sie und der Auriga waren in etwa gleich alt, und beide schienen sich in ihrer Rolle nicht so gänzlich wohl zu fühlen. Nur half das ja nicht wirklich weiter, wenn keiner von ihnen beiden wirklich sicher in der Gesprächsführung war. Also noch einmal einfach so tun, als wisse er, was er da tat!
“Äh, genau. Und deshalb würde ich dir gerne ein Angebot unterbreiten. Normalerweise bieten wir Neulingen, die erst ein Rennen hinter sich haben, fürs erste ungefähr Tausend Sesterzen an. Da du aber wirklich großes Talent gezeigt hast, bin ich gerne bereit, dir mehr zu zahlen. Sagen wir 1500 Sesterzen?“ -
Hah, er schlug ein! Atticus war zufrieden. Das war der erste Streich. Fehlte noch der zweite. “Genau, du meldest dich morgen früh einfach beim Campus der Factio, und die Pferdetrainer und deine Kollegen kümmern sich dann um alles weitere, so dass du gleich mittrainieren kannst. Ich freu mich schon! Und vor allen Dingen freue ich mich auf die künftigen Erfolge!“
Atticus verabschiedete sich noch von Athenodorus und winkte dann im Anschluss Archytas heran, mit dem er ja auch sprechen wollte. Pigor Secundus war immerhin auch schon beinahe dreißig, und wie schnell das Schicksal einen treffen konnte und man zu wenig Fahrer hatte, hatte Atticus nun bei Pepe gesehen. Lieber gleich noch in ein junges Talent investieren und vorbereitet sein.
“Salve, Archytas!“ grüßte Atticus also dann den zweiten Fahrer. “Du bist wirklich ein außerordentlich gutes Rennen gefahren! Erst einmal meinen Glückwunsch hierzu. Und eben weil du so ein Naturtalent zu sein scheinst, will ich auch gar nicht lange drum herum reden: Die Factio Albata würde sich wirklich freuen, dich in ihren Reihen begrüßen zu dürfen. Was sagst du?“ -
“In Ordnung, Startgarantie für die nächsten drei Rennen, und wenn du in einem der Rennen der beste Albata-Fahrer bist, bekommst du nicht nur die Prämie des Ausrichters, sofern es eine gibt, sondern von der Albata nochmal dreihundert Sesterzen Prämie oben drauf.“
Atticus streckte Athenodorus seine Hand entgegen und hoffte, dass dieser nun einschlug und den Vertrag damit fix machte. -
Callistus hatte es ja schon angekündigt, dass die Feier ihnen beiden gelten sollte, daher war der Trinkspruch jetzt weniger eine Überraschung. Trotzdem zeigte Atticus sich natürlich angemessen peinlich berührt und ließ die spöttischen Trinksprüche seiner Freunde über sich ergehen, die unweigerlich hatten folgen müssen.
“Ja, ja, ist gut“, kommentierte er mit erhobenem Becher und nahm schließlich selbst einen gewaltigen Schluck. “Und was soll ich erzählen? Ich wohne jetzt in der Casa Pompeia. Ich darf Pontus zum Dienst mitnehmen“, dabei grinste er schief. In der Tat war der große Molosser an seiner Seite furchteinflößender auf jeder Patroullie, als dessen Herrchen an seiner Seite. “Und ich darf fünfhundert Männer herumscheuchen. Wäre da nicht die Sache mit den Bränden, wäre es eigentlich ziemlich lustig.“
Naja, vielleicht auch weniger. Die meiste Zeit musste sich Titus tatsächlich irgendwelche Materialstandsmeldungen anhören, Brandberichte durchlesen und Dienstpläne fertigen. Irgendwie hatte er sich seine Arbeit spannender und auch praktischer vorgestellt, als sie im Endeffekt war. Aber wenigstens war er sein eigener Herr und konnte überall einfach dazu, ohne groß fragen zu müssen. Er hatte zwar nominell zwei Vorgesetzte über sich, de facto aber brauchte er sie nicht zu fürchten, solange er keinen Mist baute. Das war eine sehr seltsame Freiheit, nachdem sein bisheriges Leben so strikt verplant worden war.
Aber über so was meckerte man nicht, wenn man feiern wollte. Überhaupt meckerte man da nicht darüber.
“Und du, Callistus? Was macht man so den lieben, langen Tag als Decemvir? Und noch wichtiger: Hattest du in deiner Einladung nicht etwas von Musik und Tänzerinnen geschrieben?“ -
Vulcanus, der Haufen benötigte mehr Disziplin. Die würde er ihnen noch eintrichtern. Das war sicher.
“Unter anderem dienen die Decken dazu, das Übergreifen von Bränden zu verhindern. Wann immer ihr an einen Brand kommt, werft ihr die Decken zuerst einmal an einer Stelle, an der sie nicht hinderlich sind, ins Wasser, so dass sie sich vollsaugen können. Sie brennen an sich schon schlecht, wenn sie nass sind, brennen sie gar nicht mehr.
Benachbarte Häuser können so vor Funkenflug geschützt werden, indem die nassen Centones auf deren Dächer gelegt werden oder um Holzkonstruktionen drapiert werden.
Aber sie dienen noch anderen Zwecken. Sollte euch jemals ein brennender Mensch entgegengerannt kommen, schnappt ihr euch eine Decke und werft euch mit der Decke auf ihn. Werft ihn um und wickelt ihn in die Decke ein! Wenn jemand brennt, rennt er wild umher und zündet alles um sich herum an. Die Decke löscht ihn fast sofort, das Wasser hilft der verbrannten Haut und das Gewicht der Decke hält ihn erst einmal am Boden! So könnt ihr euch um die Verbrannten kümmern, ohne sie anfassen zu müssen und ohne euch selbst an ihnen anzustecken!Und als drittes dienen die Decken noch zum Auffangen. Wann immer mehrstöckige Häuser brennen: Wenn jemand oben eingeschlossen ist, wird er eher in den Tod springen, als zu verbrennen. Mütter werfen ihre Säuglinge auch aus dem fünften Stock, in der Hoffnung, dass sie unten jemand auffängt.
Ein Kind könnt ihr mit bloßen Händen vielleicht fangen, aber einen größeren Menschen? Der würde euch das Genick dabei brechen. So aber kann ein Contubernium noch ein paar Leben retten, indem es sich eine Decke schnappt, an den Rändern gut festhält und die Decke auf Hüfthöhe spannt. Wenn ein Mensch auf die Decke springt, müsst ihr in dem Augenblick, in dem er auf die Decke trifft, einen Schritt in die Mitte aufeinander zugehen, um die Spannung aus der Decke zu nehmen. So könnt ihr sicher ein Kind, eine Frau oder einen nicht zu schweren Mann auffangen. Und das üben wir jetzt auch gleich.“Wie aufs Stichwort kam der Optio mit ihrem Sonderrekruten Gaius vorbei. Das Schwein hatte sich dem Augenschein nach wieder einigermaßen erholt, wenngleich sein Rücken noch immer ein sehr schickes Narbenmuster aufwies.
“Zwei Mann mit Gaius auf dieses Dach hier, der Rest Decke fassen und bereit machen. Es sei denn, einer von euch will springen?“
Dass das die zweite Runde wäre, sagte Grisuix jetzt lieber noch nicht. -
Grisuix lachte, als die Tirones halb in sich zusammen fielen. “Betet, dass es nie mehr zu einem großen Brand in Rom kommt, sonst dürft ihr Tagelang Eimer schleppen!“
Und nach ein paar Minuten Verschnaufpause ging es auch schon weiter mit dem Unterricht. Allerdings durften die Tirones erst einmal sitzen bleiben und einfach zuhören.“Die meisten Brände entstehen durch Unachtsamkeit der Bewohner und durch nicht-einhalten der Brandschutzbestimmungen. Unter Holzdecken darf kein Feuer entzündet werden. Jede Küche, die eine Genehmigung erhalten will, braucht nicht nur einen gemauerten Herd, sondern muss zur Gänze aus gemauertem Stein bestehen. Zudem muss sie einen Ausgang ins Freie besitzen, um so für Löscharbeiten gut zugänglich zu sein. Desweiteren wird eine Küche für ein Wohnhaus nur genehmigt, wenn sie in unmittelbarer Nähe zu einem Brunnen liegt, der für Löscharbeiten geeignet ist.
Aber viele Denken, dass sie klüger sind als die Vigiles und bereiten sich Öfen oder kochen über offenen Kohlebecken und dergleichen. Besonders gefährlich ist dies in mehrstöckigen Häusern, vor allem, da obere Stockwerke fast ausschließlich Holzaufbauten sind. Die brennen wie Zunder. Wenn der Vermieter dann noch ein Arsch ist und keine Treppe baut, sondern nur Leitern, damit er die Miete erpressen kann, indem er die Leiter wegzieht, gibt es fast immer Tote.
Daher kommen wir zu unserer zweiten Waffe im Kampf gegen Feuer: Centones!“
Er hielt eine große, schwer aussehende Filzdecke mit einer Hand hoch. “Gut, wofür setzen wir die Decken alles ein?“
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Sechzig Aurei war auch weit mehr, als Atticus zu zahlen bereit war. Da Athenodorus aber auch schon von seinem Preis heruntergegangen war, nahm er an, dass man auch noch ein wenig verhandeln könnte. “Wenn ich dich für schlecht halten würde, würde ich dir überhaupt keinen Vertrag anbieten. Ich denke durchaus, dass du großes Potential hast, und bei der Albata zu noch größerem Potential aufsteigen könntest. Aber bis dahin braucht es noch ein wenig Training.
Ich habe dreißig gesagt, du sagst sechzig. Vorschlag zur Güte: Wir treffen uns in der Mitte bei fünfundvierzig. Dafür garantiere ich dir die Teilnahme an den nächsten zwei Rennen, für die die Albata eingeladen wird. Außerdem erhältst du natürlich sofort Zugang zu unserem Rennstall, zu unseren Pferden, den Trainern und der Trainingsstrecke, und natürlich zu unserem Arzt, wenn du ihn brauchst. Was sagst du?“
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Immer wieder ließ Grisuix die Rekruten durchwechseln, sod ass jeder einmal die schwierigere Aufgabe des Wasserschöpfens sowie die des Löschens hatte. In der Mitte der Kolonne stellte sich wie immer nach einiger Zeit ein Automatismus ein, bei dem mit der einen Hand der volle Eimer nach vorne durchgereicht wurde, während mit der anderen Hand der leere Eimer zurückwanderte. Das passierte immer, selbst mit den Zivilisten, als würde irgendwo unterbewusst eine Trommel geschlagen werden, an deren Takt man sich orientieren konnte.
Zwischen den Wechseln brachte Grisuix wieder einige Lektionen zu Löschen an.
“Im Brandfall werden euch alle Anwohner der Umgebung beim Wasserschöpfen helfen. Wenn sie nur dumm rumstehen, verpflichtet sie zum helfen. Stellt dabei die schwächeren in die Kette nahe am Brunnen, die stärkeren zum Wasserschöpfen oder in die Nähe des Feuers“, war dabei eine der Lektionen. Eine andere, die immer wieder wiederholt wurde, bis jeder Rekrut sie auswendig mitbrüllen konnte, war: “Wir löschen immer: MIT dem Wind und VON UNTEN nach oben! Mit dem Wind, von unten nach oben! Mit dem Wind, von unten nach oben!“
Und das ganze so lange, bis den Tirones die Arme beinahe abzufallen drohten. Erst dann ließ Grisuix sie eine Pause machen. -
“Am häufigsten bricht in dieser Stadt Feuer aus, weil irgend ein Idiot eine Lampe zu löschen vergisst, oder meint, unter einer Holzdecke heimlich eine Küche betreiben zu können. Fast immer brennt dabei Öl. Wenn wir einmal ganz viel Pech haben, dann brennt am Hafen eben das: Pech.
Hat einer von euch Anfängern schon einmal gesehen, was passiert, wenn man Wasser auf brennendes Öl schüttet?“
Erst vor einigen Wochen hatte Grisuix einen Mann in seiner Centurie verloren, weil eben genau das passiert war. Die Chancen standen mehr als gut, dass sich das Ereignis bis zu den neuen Rekruten herumgesprochen hatte.“Wenn Holz brennt, könnt ihr mit Wasser löschen. Wenn Harz brennt, könnt ihr mit Wasser löschen. Wenn Stoff brennt, könnt ihr mit Wasser löschen. Wenn Getreide brennt, könnt ihr mit Wasser löschen. Wenn aber Öl brennt, dann betet zu Stata Mater, dass in diesen scheiß Eimern Sand ist!“
Soviel zunächst einmal zur Theorie, weiter ging es mit ein paar praktischen Übungen. “Wir werden jetzt ein wenig üben“, verkündete Grisuix mit einem Grinsen. Inszwischen waren seine Hänflinge zwar schon fast sowas wie Männer, aber trotzdem jaulten sie noch jedes mal auf, wenn es ans arbeiten ging. Doch Grisuix kannte da keine Gnade. Im Brandfall wollte er sicher sein, dass jeder seiner ausgebildeten Rekruten der ganzen Stadt zeigte, dass die erste Centurie der zweiten Cohorte der Vigiles die beste war.
“Eimerkette bilden von Brunnen zu Brunnen. Von diesem hier wird Wasser geschöpft, in den Brunnen dort wird 'gelöscht'.AGE!“
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Der Centurio nickte so ein wenig vor sich hin, während nach und nach immer weitere Möglichkeiten genannt wurden. Zwei schon ausgebildete Vigiles und der Optio öffneten derweil schon das Gerätelager und holten nach und nach schon einzelne Dinge zur Veranschaulichung heraus. Die clevereren unter den Tirones würden wohl schon ahnen, dass sie die Dinge gleich nicht nur ansehen würden, sondern bis zum Zusammenbruch damit üben dürften.
Auf ein Nicken hin warf der Optio Grisuix einen Eimer zu. “Das hier ist euer neuer bester Freund. Nach den Brandschutzbestimmungen der Stadt Rom hat jedes einzelne Haus ZWEI EIMER in seinem Eingangsbereich vorzuhalten. Wann immer ihr eine Kontrolle durchführt, seht euch als erstes die Eimer an, ob sie da sind und auch gebrauchsfähig. Nichts ist schlimmer, als mit löchrigen, auseinanderfallenden Lappen einen Brand löschen zu wollen.
Im Idealfall sind diese Eimer mit feinem Sand gefüllt. Sollten sie bei einer Kontrolle nicht gefüllt sein, dann scheißt die Bewohner zusammen, dass sie sie gefälligst mit Sand füllen sollen. Es geht um deren Häuser und um deren Sicherheit. Die Eimer sind da nicht zum Spaß und sind kein Spielzeug.So, warum Sand? Kann es sich jemand denken?“
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Natürlich war Atticus nicht jeden Tag bei den Stallungen der Factio. Zum einen kamen sowohl Rennfahrer, als auch Trainer, Handwerker, Stallburschen und Pferde auch ganz gut ohne ihn aus, und zum anderen hatte er als Tribun bei den Vigiles wirklich mehr als genug zu tun, und das buchstäblich Tag und Nacht. Dazu wussten eigentlich alle, die für die Factio tätig waren, wo er wohnte oder wo man ihn sonst antreffen konnte, falls es einmal brannte – im metaphorischen wie auch im wörtlichen Sinne.
Einzig heute war er tatsächlich einmal in Persona anwesend, der große, schwarze Molosser Pontus wie immer treu an seiner Seite, und seine Rüstung, die ihn als Tribun der Vigiles kenntlich machte, noch immer angelegt. Er hatte schlicht nicht die Zeit gefunden, sich schon einmal umzuziehen, sondern war nur eben auf dem Weg von der Patrouillie auf dem Weg nach Hause hier auf einen Schlenker vorbeigekommen und unterhielt sich mit dem obersten Pferdepfleger über die neueste Anschaffung an Rennpferden. Wieder ein Posten, den er aus eigener Tasche hatte tragen müssen, neben den Fahrergehältern und so vielem anderen. So stolz die Albata auch einst gewesen sein mochte, im Grunde genommen speiste sie sich einzig und allein aus seinem bescheidenen Tribun-Einkommen und seinem Geschäftsgeist.
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Der Anschauungsunterricht des Grisuix ging in eine neue Runde. Nachdem die Rekruten ein paar Tage einfach nur körperlich gedrillt worden waren, um fit genug für den Dienst zu sein, und die schwächsten und ungeeignetsten Glieder aussortiert waren, ging es ans tatsächlich praktische.
“Tirones! In Aciem venite!“ erschallte also wie gewohnt zunächst das Signal, in Reihe anzutreten, nach dem Frühstück über den Platz.“Heute lernt ihr die Bekämpfung eures ersten Feindes: Feuer. Bestimmt hat jeder von euch schon einmal irgendetwas brennen sehen. Daher die Frage: Weiß einer von euch Nichtsnutzen, welche Mittel wir alles verwenden, um zu löschen?“
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Als die Reihe wieder einigermaßen stand, durfte dann auch Feras gehen, sein Essen in Ruhe einzunehmen. Der Rest der Rekruten wurde auch weiterhin geschliffen und geschliffen, bis sie entweder genug Übung hatten, in ihr Hemd rein und wieder rauszukommen, oder eben vor Erschöpfung umkippten. Den unfähigsten der Tirones schickte Grisuix auch gleich an diesem Tag wieder davon. Wer den Drill der Vigiles nicht aushielt, der bekam auch weder Sold, noch Verpflegung. Für vergebene Liebesmüh war Grisuix definitiv nicht zu haben.
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“Nanana, Moment mal. Das waren nur Trainingsrennen, und eins davon hat gerade eben stattgefunden. Ebenso ist mindestens eines der anderen drei Trainingsrennen auch nur zustande gekommen, weil ich dich dazu eingeladen habe. Man könnte also sagen, die Hälfte deiner Erfahrung verdankst du einzig und allein dem Wohlwollen der Albata. Noch dazu haben wir dich ausdrücklich unterstützt, als die Praesina dich für ihre Zwecke erpressen wollte. Auch das sollte ja wohl zumindest ein wenig was wert sein“, stellte Atticus erst einmal entschieden fest. 80 Aurei war er nicht im Traum bereit, zu bezahlen. Nicht nach der Vorgeschichte.
“Ebenso hat die Praesina über dich ja auch Gerüchte gestreut, insbesondere der Fahrer Marsyas, so dass du es bei anderen Factiones wohl nicht so leicht haben wirst, überhaupt eingeladen zu werden und Fuß zu fassen.“ Noch ein weiterer Punkt, der wohl zu einem Abzug führen sollte.
“Und obwohl du so viel Erfahrung dein Eigen nennst hat Archytas ohne Erfahrung und mit genauso eigenen Pferden und eigenem Wagen gerade ein weit besseres Ergebnis erzielt. Eine Zeitlang fuhr er sogar vorne mit! Also kann es nicht nur an den Pferden und Wagen der Albata gelegen haben.“
Atticus verschränkte also die Arme und überlegte ein Gegenangebot. Angesichts der vielen Gefälligkeiten, die die Albata hier geleistet hatte, erwartete er da schon auch ein entsprechendes Entgegenkommen. Wenn Athenodorus bei anderen Factiones, die nicht mit ihm trainierten, diesen Preis verlangte, gut. Aber nachdem die Albata schon im Vorfeld so viel umsonst für ihn getan hatte? Da sollte er sich ruhig auch ein wenig freundschaftlich zeigen. “Dreißig Aurei“ bot Atticus also erst einmal, und das war eigentlich schon mehr, als er zahlen wollte. Immerhin war das alles samt und sonders sein Privatvermögen. Die Albata hatte kaum Vereinsvermögen vorzuweisen, da die letzten Rennveranstalter erstaunlich knauserig mit Preisgeldern und Startgeldern waren.