Beiträge von Titus Pompeius Atticus

    Den Kuss ließ Atticus notgedrungen über sich ergehen in dieser Mischung aus Resignation und Gewohnheit. Seine Mutter hatte ihm ja doch ein wenig gefehlt, irgendwie. Ein bisschen. Aber trotzdem war er ein erwachsener Mann und kein Kind, das man abknutschte.
    “Ähm, ja. Also, nur kurz. Ich... ähm.. ich wollte nur persönlich vorbeikommen und... ähm, also... ich bin Ritter! Und komme zu den Vigilen. Das... naja, das wollte ich dir eben selber erzählen... und so“
    So, jetzt war es raus. Jetzt hatte er seine Pflicht als guter Sohn getan und brauchte kein schlechtes Gewissen mehr haben.

    Wie eigentlich jedes Mal, wenn Atticus und Pontus zur Salutatio da waren, lief der große Molosser direkt zum Hausherrn, als sie an der Reihe waren. Wie gewohnt legte er seinen großen Kopf auf den Schoß des Purgitiers, um sich ein wenig kraulen zu lassen und nach ein wenig Essen zu betteln.
    “Salve, mein Patron“, begrüßte unterdessen Atticus seinen Patron. “Der Kaiser hat mich zum Ritter erklärt und mir einen Posten als Tribunus Vigilum gegeben! Ich nehme an, dass ich das deiner Fürsprache verdanke und... öhm... naja, ich wollte mich dafür auf jeden Fall ganz herzlich bedanken“, kam er dann auch gleich zum Kern seines Besuches. Manchmal kam er zwar auch ganz ohne Grund vorbei, wie es sich für einen guten Klienten gehörte. Aber heute hatte er eben einen.

    Eigentlich wollte Atticus erst nur einen Brief schreiben. Aber das kam ihm dann doch selbst irgendwie feige vor. Auch wenn er wirklich keine Lust auf weiteren Streit mit seiner Mutter hatte, aber er wollte ihr doch zumindest selber sagen, dass er jetzt Ritter und Vigil war. Vielleicht sah sie ihn dann auch endlich als Mann und nicht immer nur als Kind.


    Mit einem etwas mulmigen Gefühl also hatte Atticus an der Porta geklopft und sich von Araros öffnen lassen. Natürlich hatte er auch gleich gefragt, ob sie da war, und angeblich war sie es. Etwas verlegen also tapste Atticus ins Atrium. Pontus lief ganz selbstverständlich an ihm vorbei zur Küche und zum Hinterhof, um dort die anderen Hunde des Haushaltes zu begrüßen, die Köchin zu erschrecken und etwas zu Essen abzustauben, wenn möglich.
    “Sa-alve?“ rief Atticus einmal ins Haus hinein und hoffte, dass seine Mutter gleich kommen würde. Und dass dieser unerträgliche Fabier noch nicht hier eingezogen war.

    Pünktlich morgens zur Salutatio stand Atticus mit Pontus bereit bei sienem Patron. Er musste ihm immerhin ganz persönlich für seinen Einsatz danken und ihm überhaupt sagen, dass dieser etwas gebracht hatte. Es konnte natürlich sein, dass Consular Purgitius schon von den Neuigkeiten wusste. Aber selbst wenn, seinen Dank aussprechen musste Atticus so oder so.


    Titus Pompeius Atticus amico Callisto s.d.


    Du wirst es nicht glauben! Ich bin Eques! Und nicht nur das, mein Patron muss es irgendwie hinbekommen haben, dass ich tatsächlich auch obendrein noch gleich zu den Vigiles berufen wurde.


    Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich dir schon zu deinem Wahlsieg gratuliert habe, du angehender Vigintivir. Da hat mein Gesang wohl wirklich geholfen – oder zumindest genug Senatoren eingeschüchtert, dich zu wählen.
    In jedem Fall sind dein Wahlsieg und meine Standeserhebung nun wirklich ein Grund für eine große Feier. Deine Casa oder meine Casa, sag bescheid!



    Da war sie! Lang ersehnt und schon fast nicht mehr daran geglaubt, aber da war sie! Atticus hielt seine Ernennungsurkunde in den Händen, ebenso wie seine Berufung zu den Vigiles! Er war Eques! So richtig waschecht mit Ring. Na gut, der Ring würde wohl später zugestellt. Und ob Atticus von Staats wegen ein Pferd zu seinem Stand dazu erhalten würde, wusste er auch noch nicht. Aber in jedem Fall war er ernannt!


    Nach einem Freudenschrei und einem kleinen Tanz mit Pontus schließlich kam dann aber auch die Erkenntnis, dass er nun auch viel zu tun hatte. Entsetzlich viel zu tun. Er musste sich bei den Vigilen melden. Und natürlich musste er Callistus bescheid sagen, das gehörte gefeiert! Oh, und seinem Patron! Und... seiner Mutter. Das Freudenstrahlen verblasste ein wenig. Natürlich konnte Atticus das nie laut sagen, aber er vermisste seine Mutter und seinen kleinen Bruder. Er vermisste sein Zimmer in der Domus Iunia. Er vermisste die Sklaven dort. Alles. Aber er brauchte noch das Grundstück, das seinen Stand sichern würde, und das konnte er nur von seiner Mutter erhalten.
    “Tja, Pontus, es sieht aus, als müsste ich eine ganze Menge Briefe schreiben.“
    Fragend legte der Molosser den Kopf schief und sah sein Herrchen einfach nur an, bis Atticus ihn angrinste und ihm über den Kopf wuschelte. Das war noch das nächste Problem. Konnte er Pontus wohl mitnehmen, oder würde er sich für den Hund etwas überlegen müssen? Fragen über Fragen.


    Aber erst einmal musste er Briefe schreiben.


    Factio Albata Con. Claudio s.d.


    Wir sind uns unsicher bezüglich der genauen Spezifika, die nun eine Zulassung zum Rennen bejahen. Lusorix wäre mit 17 Jahren der jüngste Fahrer der Factio Albata. Dieser hat auch zahlreiche Trainingsrennen absolviert und gewiss einiges an Erfahrung, allerdings bislang nur an kleinen Rennen – namentlich die Munera des Tiberius Durus und das Rennen, welches du im Zuge deines Wahlkampfes veranstaltet hast, teilgenommen.
    Der nächstjüngere wäre Pigor Secundus, der sowohl an einem großen als auch an zwei kleinen Rennen schon teilgenommen hat. Allerdings kann man ihn wohl kaum als Nachwuchsfahrer bezeichnen.


    Insofern Lusorix nun also die angedachten Kriterien erfüllt, melden wir ihn gerne an. Insofern er die Kriterien nicht erfüllt, verzichten wir auf die Anmeldung von Pigor Secundus.

    Hah, die Sache war also geritzt. Grinsend gab Atticus seinen Freunden also das aus der Arena beliebte Zeichen des Daumens, was jene noch einmal zu einem lauten, vom Trommelwirbel begleiteten Hochlied auf Duccius Callistus veranlasste.Diesmal kamen auch schöne, neue Strophen dazu, wie “Er ist großzügig und schenkt und Wein, da kann man doch nur glücklich sein! Duuuuucciuuuuus! Duuuucciuuuus!“ oder auch “Gebt ihm bei der Wahl eure Stimmen, dann hören wir auch auf zu singen! Duuuuucciuuuuus! Duuuucciuuuus!


    Callistus erzählte unterdessen von den Rennen, ließ dabei aber das ein oder andere aus. “Ich sag immer noch, dass das eine Pferd Rheuma hatte“, führte er seinen Scherz von damals noch einmal breit grinsend fort. “Und ich bestehe auf einer Revanche! Wann immer die Veneta noch einmal Zeit für ein weiteres Trainingsrennen hat.“ Da Atticus ja jetzt hier gleich mit zwei Vertretern der Veneta redete, war er zuversichtlich, dass die diese Chance auch ergreifen würden. Zumal einer der beiden der stellvertretende Chef der Factio war, und der andere sein Freund.
    Eben jener stellvertretende Chef erkundigte sich auch gleich nochmal nach dem unsäglichen Rennen, welches der Claudius ausgerichtet hatte, und Callistus gab dazu eine für Atticus Geschmack arg verkürzte Abhandlung der Geschehnisse als Antwort. “Nicht nur das, Senator Iulius“, ergänzte Atticus also die Erzählung seines Freundes für den Senator und wandte sich direkt an ihn. “Callistus untertreibt. Erst hieß es, die Albata solle gegen die Aurata fahren – die hatte sich aber gar nicht angemeldet. Dann hieß es, wir sollten gegen factiolose Fahrer fahren. Die durften dann aber plötzlich nicht mehr fahren, weil sie sich geweigert hatten, vorab bei der Praesina einen Vertrag zu unterschreiben und somit unter falschen Farben zu fahren. Und dann bestand der Consul darauf, dass die Praesina zweimal fahren würde, im Gegensatz zu allen anderen Factiones, und da war es dann den Albata-Fahrern doch zu bunt. Ich meine, wenn die Praesina mit uns Trainingsrennen fahren will, dafür ist die Albata ja durchaus offen. Aber doch bitte nicht SO!“
    Nein, Atticus kam über dieses Chaos immer noch nicht hinweg und sah auch keinen Grund, dieses ganze Chaos klein zu reden. Aber vielleicht war es da auch gut, dass er nicht in die Politik ging.


    Dann kam auch noch ein weiterer Senator dazu, Flavius Scato und Callistus‘ Patron. Auch den grüßte Atticus mit einem freundlichen Grinsen. “Salve, Senator Flavius.“ Aber ansonsten hielt er erst einmal den Mund. Bei so vielen Senatoren und angehenden Senatoren fand er sich kleines Licht – wenngleich er rein körperlich genauso groß war, wie alle anderen, im Falle des Flaviers sogar ein Stück größer – dann doch nicht unbedingt dazu geeignet, das Gesprächsthema vorzugeben. Oder überhaupt etwas zu sagen.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus MinorDer junge Flavius, ob seiner Fehlsicht aufs Beste exerziert darin, sämtliche Nuancen in der Stimme seiner Gesprächspartner zu decodieren und somit Emotionen aus ihnen zu lesen wie dies für gewöhnlich aus der Mimik sich ergab, vernahm durchaus die Insekurität in der Stimme des Jünglings.
    "Nun, so deine Pläne gelingen, wirst du hinreichend Gelegenheit haben. Und wie mir mein Freund Licinius berichtete, ist er eine durchaus umgängliche Person."
    , mühte er sich daher ihn zu kalmieren. In der Tat lag das Gespräch, in dem Licinius Carus und er auf den Praefectus Vigilum waren zu sprechen gekommen, bereits einige Zeit zurück und hatte sich eher um den Sklavenaufstand und den Beitrag der Stadteinheiten dazu gedreht, doch war der junge Flavius genötigt sich auf diese Quellen zu beziehen, da der Scaevius weder ein Klient, noch ein Freund der Flavia und somit auch niemals ein Gast in der Villa Flavia Felix war gewesen.
    "Nun, auch ich absolvierte kein explizites Tirocinium fori, doch zweifelsohne wird dein Vater ohnehin dir sämtliche erforderlichen Kenntnisse im Fechten, Reiten und strategischer Planung vermittelt haben, die du für eine Offiziersstelle benötigst."
    Dass nämlich auch ein Subpraefectus oder Tribunus gewisse Rudimente an militärischer Kenntnis musste besitzen, um selbst für die basalsten der militärorganisatorischen Tätigkeiten hinreichend qualifiziert zu sein, lag auf der Hand. Dass hingegen diese Fähigkeiten nicht sonderlich ausgeprägt sein mussten, wusste der junge Flavius aus eigener Erfahrung, da immerhin sein Vater niemals den Kriegsdienst geleistet hatte und ohnehin jedwedem Kriegerischen war abhold gewesen, er indessen dennoch recht rasch im militärischen Alltag der Legion Fuß hatte gefasst.


    Offenbar kannte der Quaestor den Praefectus Vigilium. Nein, natürlich kannte der Quaestor den Praefectus Vigilium, so war es schon richtiger. Atticus selber war vielleicht ein wenig jung und ein wenig unbedeutend, aber natürlich wusste er, dass ab einer gewissen gesellschaftlichen Stellung jeder irgendwie jeden kannte, wenn auch nur flüchtig. Ja, sogar seine Mutter kannte die halbe Prominenz Roms, und dabei war sie eigentlich nur eine Frau und dank ihrem Mann momentan eigentlich nur so einflussreich wie – naja – er. Uner un-eigentlich sah die Sache doch wieder anders aus, und ebenso un-eigentlich würde er früher oder später auch die ganzen Herr- und Damenschaften Roms kennen, sobald er nur hoch genug selbst aufgestiegen wäre. Das allerdings konnte durchaus noch dauern.


    Gebannt sah Atticus immer wieder in die Arena. Für den einen Jäger sah es alles andere als gut aus. “Der hätte mal besser Hercules geopfert“, meinte er recht zweifelnd, als der Mann sich durch den Arenensand schleppte und kurz darauf der Löwe sich auch schon auf ihn stürzte. DAS sah äußerst tödlich aus, auch wenn sein Kompagnon sich sogleich auf den Löwen stürzte.


    Da brachte die Frage nach seinem Vater Atticus regelrecht aus dem Konzept. “Was, mein Vater?“ fragte er einmal verwundert blinzelnd, ehe er sich wieder fing. Dieses Thema war und blieb ihm einfach äußerst unangenehm, da sich jedesmal der gleiche Groll in ihm regte, wenn er an Pompeius Imperiosus auch nur denken musste. “Ähm, nein. Meine Mutter besitzt einen Gladiator, der mir die praktische Seite beigebracht hat. Und für die Theorie mein Lehrer. Mein Vater… weilt nicht in Rom.“ Das war wohl die diplomatischste Umschreibung des momentanen Zustandes.


    Nach dem Vater seines Gegenübers zu fragen, war aber eine relativ sinnlose Frage. So viele Consulare gab es in Rom nicht, und von diesen teilten sich wenige einen Namen mit ihren Söhnen. Flavius Gracchus war Atticus zumindest insoweit ein begriff, dass er wusste, dass der Mann im Senat großes geleistet hatte. Kein Vergleich zu dem jämmerlichen Mensch, den Atticus Vater nennen musste.
    “Hat dein Vater dir denn das alles beigebracht?“ fragte er dann aber doch einmal nach. Irgendwie hatte Atticus beim Wort Senator immer nur piekfeine Toga-Träger vor Augen, die im Leben kein Schwert benutzen konnten – wenngleich die Legaten ja allesamt Senatoren waren.

    Ein anderer Bote, eine andere Tafel, die an der Villa Claudia abgegeben wurde.



    Die Factio Albata meldet Perikles als ersten Fahrer für das Rennen der Equirria an. Als zweiter Fahrer wird bei Bedarf Pigor Secundus starten.


    Wir bitten um eine Aufstellung des Starterfeldes vor dem Rennen, um unsere Vorbereitungen treffen zu können.

    Während der Rennen wurde auch nicht plötzlich der Rennablauf geändert. Während der Rennen wurde auch nicht plötzlich über Teilnahmen an eben jenem anstehenden Rennen verhandelt. Und während der Rennen flitzten auch nicht irgendwelche Fahrer oder angehenden Fahrer zum Ausrichter, um ein Pläuschchen zu halten.
    Da war Tage und Wochen vor dem Rennen alles fix, es wurde sogar damit geworben, wer wann gegen wen fahren würde


    Tja, im IR ist halt alles anders. So what?



    Und ich wiederhole nochmal: Was genau glaubt ihr, bringt diese Meckerei, außer, dass ich um die Meckerer einen riesigen Bogen machen werde? Außer, dass es im IR mal wieder ein wenig giftiger ist und mehr Leute miteinander zanken? Außer, dass wieder neue Leute abgeschreckt werden, hier mitzumachen, weil sie befürchten müssen, von irgendwem öffentlich zur Sau gemacht zu werden?


    Ganz ehrlich, diese Motzkultur bringt doch nicht nur null, sondern macht nur das, was da ist, noch ein bisschen mehr kaputt, sonst gar nix.

    Ist ja schön, wenn ihr besser wisst als ich, was ich tun oder lassen soll :rolleyes: Ob sich diese "Ich kotz mich über andere Spieler aus"-Kultur wirklich positiv auf das IR auswirkt, wage ich zu bezweifeln.


    Aber für den ein oder anderen Interessierten empfehle ich die Lektüre von Cassius Dio, das Buch 61, 6
    Factiones haben durchaus auch gestreikt, wenn ihnen die Bedingungen nicht gepasst haben.

    Als die Jungs merkten, dass der Duccius in Sicht kam, intensivierten sie natürlich ihre Anstrengungen, was Jubelintensität und Lautstärke anging. Auch die Trommel steigerte ihren Takt zu einem lauten DUM-dum-DUM-dum-DUM-dum. Erst, als Atticus merkte, dass sein Freund nicht nur sich mit dem Senator von eben unterhielt, sondern ihn auch heranwinkte, dirigierte er seine Freunde zu einem weniger lautstarken Concerto. Natürlich hörten sie nur bedingt auf ihn, denn sobald er sich umgedreht hatte, riefen sie noch einmal extra laut und extra schief, für wen die Leute hier stimmen sollten, und tireben es auch eine Weile weiter, ehe sie sich an die Tempelmauer lehnten und selber miteinander zu quatschen anfingen.


    Atticus kam also zu seinem Freund und grinste ihn von einem Ohr zum anderen jungenhaft schief an. “Im übrigen hab ich meinen Freunden im Falle deines Wahlsieges irgendwie eine Siegesfeier in deinem Haus versprochen“, klärte Atticus seinen Freund zur Begrüßung gleich mal auf. Allerdings war er sich sicher, dass Callistus sich schon nicht lumpen lassen würde, wenn er Vigintivir würde, und ein paar Amphoren Wein konnte er da wohl springen lassen.
    Danach erinnerte er sich auch wieder an seine Manieren und grüßte den Senator, der ihm eben so unerwarteter Weise vorgestellt worden war. “Salve, Senator Iulius. Du bist auch in der Veneta, richtig? Ich gehöre ja zur Albata. Callistus hat dir sicherlich schon von unserem Trainingsrennen erzählt?“

    Als Atticus gehört hatte, dass sein Freund Callistus heute öffentlich eine Rede halten wollte, konnte er natürlich nicht fehlen. Mehr noch, er hatte alles, was er an Freunden auftreiben konnte, ebenfalls genötigt, mitzukommen, um dem Duccius zuzujubeln und ihn zu unterstützen. Ja, vielleicht waren sie nur eine größere Gruppe von Halbstarken, aber wer konnte denn Stimmung machen, wenn nicht sie?
    Abgesehen davon schuldete Callistus ihm ohnehin noch einen Wein dafür, dass er ihn nicht vorgewarnt hatte mit der Kandidatur. Warum also nicht gleich einen Krug Wein daraus machen? So ein kleiner Jubeltrupp war doch sicherlich ein bisschen was wert?


    Zu jeder Pause von Callistus wurde also mit Inbrunst geklatscht und gejubelt, am Ende der Rede packte Aulus Musonius Minorsogar eine kleine Trommel aus, um ordentlich Krach zum Gejohle seiner Freunde zu machen. Schon bald trommelte er im Takt zu einem etwas weniger musikalischen Gesang seiner Freunde.
    “Er ist groß, er ist toll, als Vigintivir wär er einfach wundervoll! Duuuuucciuuuuus! Duuuucciuuuus! Er weiß bescheid und er kann ringen, also gebt ihm eure Stimmen! Duuuuucciuuuuus! Duuuucciuuuus!“


    Sobald die Jungs mitbekamen, dass auch Senator Iulius von Duccius Callistus vorschwärmte, unterbrachen sie ihre Gesangseinlage und verlegten sich wieder aufs klatschen. Als aber auch hier die Rede ein Ende gefunden hatte, fuhren sie dreistimmig fort: Laut, schief und voller Inbrunst!


    Wenn Atticus, der sich eigentlich für sehr gewitzt hielt, jetzt wüsste, was restierende Offiziersposten waren, hätte er den Kommentar besser einordnen können. Dass der Flavius sich etwas seltsam auszudrücken pflegte, war ja unüberhörbar, aber bisher hatte Atticus ihm zumindest folgen können. In just diesem Moment aber war er überfragt. Daher berief er sich auf eine bewährte Ausweichtaktik: Nicken und lächeln!
    Zum Glück folgte die nächste, wieder verständliche Frage direkt danach. “Nein, nicht persönlich. Da aber die halbe Verwandtschaft meiner Mutter die Ritterlaufbahn im militärischen Zweig beschreitet, denke ich, dass sich das auch bewerkstelligen ließe.“ Allerdings war sich Atticus nicht sicher, ob das denn wirklich nötig wäre. Sollte er Ritter werden und tatsächlich zu den Vigiles kommen, würde er den amtierenden Praefectus Vigilum ja kennen lernen. Und dann konnte sich Atticus immer noch auf sämtliche Verwandten berufen, um sich dem Mann vernünftig vorzustellen und ein paar Pluspunkte zu sammeln.
    Die Frage nach dem tirocinium erwischte Atticus aber etwas kalt. Ein Lehrjahr in einer Militäreinheit? Sicher hatte das auch Vorteile, aber Atticus war sich nicht sicher, ob das wirklich praktiziert wurde. So ein Kommandant hatte sicher besseres zu tun, als sich von einem jungen Burschen über die Schulter schauen zu lassen. Am ehesten würde er da wohl zu den anderen Tirones in die Grundausbildung gesteckt. Atticus war zwar nicht faul – zumindest nicht fauler als andere Jungs seines Alters – aber ob er auf diesen Drill wirklich Lust hatte, wusste er auch nicht. “Öh... also geplant war jetzt erstmal keins. Aber, falls es doch noch länger dauert und mein Patron kein Glück beim Kaiser hat, dann wäre es ja eine Überlegung wert“, bemühte sich Atticus um eine möglichst diplomatische Antwort.

    “Naja, die Extremitäten des Löwen sind aber ziemlich lang und haben scharfe Krallen an ihren Enden“, bemerkte Atticus unter faszinierter Beobachtung der Szenerie. Um den Löwen zu töten würde dem Jäger nicht viel anderes übrig bleiben, als den Abstand zwischen sich und dem Tier zu verkürzen, doch dies barg die wirklich übergroße Gefahr, schlichtweg eben jenen Klauen und den Zähnen etwas zu nahe zu kommen und getötet zu werden.
    Doch der zweite Jäger hatte den ersten gerettet und nun ein ganz ähnliches Problem, auf dessen Lösung Atticus schon gespannt war. Wäre er gezwungen, zu wetten, er würde dem Löwen zumindest eine durchaus reelle Chance einräumen, die Arena lebend zu verlassen.


    Da Atticus nur die Ahnung eines Durchschnittsbürgers hatte, was ein Consul so machte, hatte er nur eine ebenso durchschnittliche Ahnung, was man dabei wohl lernen könnte. Oder anders gesagt, er konnte sich nur wenig lernenswertes momentan vorstellen, war aber sofort bereit, zuzugestehen, dass er einfach keine Ahnung hatte. Darüber hinaus war die Antwort ohnehin sehr diplomatisch. Aber was sollte der Quaestor auch sonst einem Fremden gegenüber sagen? Atticus jammerte auch nicht bei jeder Zufallsbekanntschaft über die Nöte und Sorgen seines Lebens in ausführlicher Elegie.
    “Cursus Honorum? Oh, äh, nein. Also, es wäre sicherlich interessant und ist zweifelsfrei sehr ehrenvoll, aber ich werde – wie der Großteil meiner Verwandtschaft auch – Ritter werden. Die Augusta hatte mich auch gefragt, wo ich da starten wollen würde mit meiner Karriere. Bei den Vigiles.“ Kurz warf Atticus dem Flavius einen Seitenblick zu, um dessen Reaktion darauf zu erhaschen, ließ ihm aber im gleichen Augenblick nicht wirklich die Zeit, auf diese Worte zu reagieren, sondern begann unwillkürlich mit der Verteidigung dieser Entscheidung. “Ja, ich weiß, die Vigiles sind jetzt nicht unbedingt die prestigeträchtigste Einheit, es sind hauptsächlich Libertini und Peregrini, die dort dienen, aber... sie besitzen mehr als die doppelte Mannstärke der Cohortes Urbanae und haben nicht nur die Aufgabe, Feuer zu löschen, sondern auch die Prüfung der Statik diverser Gebäude, und darüber hinaus noch Aufgaben in der Verbrechensbekämpfung und die Nachtwache. Und stell dir mal vor, wie Rom jetzt nach dem Aufstand aussehen würde, wenn es sie nicht gäbe? Es ist jetzt vielleicht nicht ein Posten, bei welchem man sich im Ruhme sonnen kann, aber wenn ich eines Tages Praefectus Vigilium wäre, ich glaube, dann könnte ich durchaus sehr stolz sein.“
    Oh, das war vielleicht doch ein wenig sehr viel Information und nahe am Herz-Ausschütten. Atticus lächelte verlegen und kratzte sich den Nacken. “Äh, also... ich mein so generell...“

    Der Fanblock war zwar relativ klein, aber dafür umso eiserner, und hatte natürlich von diversen Gerüchten schon gehört. Als nun also mit Lusorix ein weißer Fahrer unter ihnen auftauchte, war die Aufregung natürlich riesig. Und selbstverständlich fragten alle nach. Nicht nur Albata-Anhänger.
    Tja, und Lusorix bestätigte also, was schon gerüchteweise die Runde gemacht hat. “Tja, der Consul wollte ein paar freie Fahrer erpressen, dass sie nur starten dürften, wenn sie in die Praesina wechseln. Als die sich geweigert haben, hat er sie rausgeschmissen und wollte die Praesina ein zweites Mal starten lassen. Daraufhin haben wir uns geweigert, ein weiteres Mal gegen die Praesina zu fahren, und nun dürfen wir also auch nicht mehr teilnehmen.“


    Natürlich machte das schnell die Runde, und ein lautes Pfeiffkonzert hob an. Der musikalische Teil der Albata-anhänger kramte auch sogleich einen alten Russata-Klassiker aus der Mottenkiste und hoffte auf eine entsprechende Antwort von der anderen Seite des Publikums:


    "Was ist grün und stinkt nach Fisch?"

    Zitat

    Original von Caius Duccius Callistus


    Daraufhin wandte er sich an die Fahrer der Albata mit einem bemüht vermittelnden Tonfall: "Vorschlag zur Güte, Freunde: Warum fahrt ihr nicht einfach allein? Es geht ja offenbar nur darum, sich gegen die eigenen Leute durchzusetzen. Dem Consul kommt es ja scheinbar nicht so sehr darauf an, dass die Qualifikationsrennen spannend sind." Den Seitenhieb in Richtung Veranstalter konnte er sich dabei nicht verkneifen. Aber womöglich wäre der Vorschlag ja auch für den Consul akzeptabel. Hamiris warf Marsyas einen Seitenblick zu. Der würde dem Claudius ja so oder so berichten, was hier besprochen wurde.


    Pigor Secundus überlegte kurz und gab dann beschwichtigend zu: “Ja, das ist zwar nicht die ideale Lösung, aber damit wären wir durchaus einver...“ Weiter kam er nicht, weil Marsyas sofort dazwischen grätschte und irgendwelchen hanebüchenen Unsinn von sich gab. Enerviert und ratlos hob der Albata-Fahrer die Arme. Was sollte man da denn noch machen? Sie hatten den Grünen ja sogar ein offizielles Trainingsrennen schon zuvor zugesagt, aber das war anscheinend nicht gut genug. Nein, Marsyas hatte offensichtlich beschlossen, dass, wenn er jetzt nicht hier und heute noch einmal fahren konnte, er das auch allen anderen schon allein aus Prinzip kaputt machte.
    Als der dann noch irgendwelche Verschwörungstheorien bezüglich Hermippus und Athenodorus losließ, überschritt das Ganze die Grenze der Lächerlichkeit. Die Albata-Fahrer hatten zwar freilich keine Ahnung, wie das in anderen Rennställen so lief, aber zumindest in der Albata wurden die Fahrer nicht in irgendwelche langfristigen Personalplanungen mit einbezogen, und sie konnten auch nicht die Gedanken von irgendwelchen Albata-Geldgebern lesen. Entweder war Marsyas schlichtweg ein komplett durchgeknallter Irrer, der Stimmen hörte – was wahrscheinlicher war – oder aber, der Consul Roms pflegte seine Planungen mit einem kleinen Peregrinen haargenau durchzugehen. So oder so, gegen diesen Irrsinn hier und heute konnten die Albata-Fahrer nichts weiter unternehmen. Es tat ihnen ein wenig leid, dass sie die Purpurea mit hinein gezogen hatten, auf der anderen Seite waren sie durchaus dankbar und würden das nicht vergessen, dass diese ihnen beigestanden war.


    Als Marsyas also abgerauscht war unter wüsten Verleumdungen, schüttelte Lusorix einfach nur den Kopf. “So. Ein. Vollidiot.“ Mehr fiel ihm dazu echt nicht mehr ein.
    Pigor Secundus wandte sich noch einmal an Hamiris. “Danke für deinen Vorschlag, aber was soll man da machen? Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück und freue mich, wenn wir uns bei einem fairen Rennen gegenüber stehen.“


    Auch Pepe sprang auf und ging hinüber zu Bagoas. “Ah, große rote Mann, zeig diese grüne Betrüger wie man fährt richtige Rennen. Pepe geht jetzt und macht eine Wette auf dich. Sofern Pepe jemand findet, der bei diese olla de grillos sich traut, anzunehmen Wette.“


    Lusorix hingegen hatte durchaus andere Pläne. Er verabschiedete sich noch und begab sich dann hinauf zur Zuschauertribüne zum Block der weißen.

    "Nein, die Albata fährt gerne gegen factiolose Fahrer oder sonstwie, aber nicht gegen eine erneute Aufstellung der Praesina oder die erneute Aufstellung einer anderen Factio. Und die Entscheidung hierüber liegt beim Consul."


    Schon irgendwie interessant, wie der neueste Fahrer der Factio erst nicht nur die genauen Pläne und Gedankengänge des Consuls kennen wollte, sondern sich jetzt auch anmaßte, für ihn zu sprechen und Entscheidungen zu fällen.

    Wie auch immer ein neuer Fahrer Einblicke in die Denkweise eines Consuls haben wollte und wieso auch immer er meinte, direkt zu ihm einfach so gehen zu können. Die Fahrer der Albata blieben bei ihrer Aussage.
    “Gegen wirklich factiolose Fahrer, wie es vereinbart war, fahren wir drei gerne. Noch einmal gegen die Praesina fahren wir nicht. Das kannst du gerne ausrichten, wenn du meinst.“


    Man konnte sagen, was man wollte, aber die Albata stand zu ihrem Wort. Im Gegensatz zum römischen Consul, wie es schien.