Beiträge von Gnaeus Marcius Coriolanus

    "Ein Senator und erst recht ein Kaiser hat andere Pflichten als wir, vor allem jemand, dessen Position noch nicht ganz gesichert ist. Er kann sich ja noch genug mit Weibern austoben, wenn dieser Krieg wirklich vorbei ist", das erschien dem jungen Soldaten nur logisch, aber wer war er schon, dass er die Entscheidungen und das Verhalten eines Hochwohlgeborenen anzweifeln konnte.


    "Ich war tatsächlich noch nie in Rom, auch wenn ich es von Osita aus nie sehr weit gehabt hätte. Aber den Weg konnte ich dann doch nie auf mich nehmen. Ich bin also genauso gespannt auf Rom wie du. Mit seinen vielen großen Häusern, den Tempeln und ja, sicherlich auch den Frauen." Coriolan schmunzelte. "Mal ganz ehrlich, wir ziehen wohl auf der Seite des Siegers in die Stadt ein: Mit solch einm Ruhm dürfte es ein leichtes sein, ein paar Frauen zu verführen, erst recht, wenn wir ihnen ein paar heldenhafte Kriegsgeschichten erzählen." Diese konnte man natürlich hier und da ein wenig ausschmücken. "Verdammt stark wäre es natürlich schon als richtiger Soldat und nicht als Tiro auf Frauenjagd zu gehen, aber die Weiber kennen wahrscheinlich ohnehin nicht den Unterschied, von daher können wir denen wohl ohnehin erzählen, was wir wollen."


    Coriolan sah seinen Kameraden ins Gesicht und musste sich seine immer noch nicht ganz verheilte Nase ansehen. "Die Frage ist halt nur, ob die Frauen deinen Riechkolben so anziehend finden werden." Gnaeus lachte laut auf, besonders als er mitbekam, dass sich Flavus auch noch am Zeh verletzt hatte. "Du musst wirklich aufpassen, dass du dich nicht noch selbst zum Krüppel machst, mein Bester." Sprachs und Gnaeus gab dem Kameraden gleich noch einen kräftigen Klaps auf die Schulter, während er amüsiert dreinschaute. Ja, Rom, das konnte noch wahrhaft aufregend werden.

    Coriolan musste schon reichlich schmunzeln aufgrund der Frag von Flavus. Darüber hatte er sich eigentlich kaum Gedanken gemacht, aber es stimmte wohl. "Tja Titus, anstatt die großen Meere unsicher zu machen, sind wir wohl die reinsten Landratten geworden."


    Klar, wenn man an die Classis dachte, dann dachte man wohl zuerst an große Schiffe und große Kämpfe auf See. All dieses romantische Zeug, dem auch Coriolan vor seiner Verpflichtung erlegen war. Für ihn selbst hatte sich jedoch ein ganz anderes Bild ergeben. Er musste sich nicht wirklich von vom Seemann zum Kämpfer auf dem Land schulen, sondern hatte überhaupt nie etwas anderes kennengelernt seit er in der Classis war. Da gab es nur diese eine Fahrt von Ostia nach Misenum. Den Rest der Zeit befand man sich auf festem Boden.


    Doch über Sinn und Unsinn des Daseins in der Classis konnte kaum noch ausführlich diskutiert werden. Auch Coriolan konnte nicht wirklich erkennen, was nun diese Verzögerung verursachte. Aber es dauerte nicht lange, bis man irgendetwas von einer Frau hörte, die bei Palma vorsprach, dem Kaiser, den sie nun neuerdings die Treue hielten (oder vielleicht halten mussten).


    "Typisch, dass wieder ein Weibsbild den ganzen Verkehr aufhält. Ich sag‘s dir, Flavus. Wenn der Kaiser sich auch in Zukunft so einfach ablenken lässt, dann wird er nicht lange Kaiser bleiben." Coriolan musste erst einmal ausspucken. "Ich sag dir, das ist ein böses Zeichen. Wir müssen echt aufpassen, dass uns demnächst nichts schlimmes passiert", orakelte der junge Gnaeus dann gleich noch etwas weiter und sprach in einem Ton als wäre Medusa persönlich erschienen. Nein, das konnte alles nichts Gutes bedeuten. Und ein abergläubisches Herz, wie dasjenige des Coriolan war immer wieder anfällig für solche Gedanken.

    Immer noch suchte sich Coriolan gedanklich zu ordnen. Die Stimm seines Freundes half ihm dabei merklich. Nach einigem zögern, wusster nun wirklich, dass er die Welt der Träume verlassen hatte und wieder in das hier und jetzt zurückgekehrt war.


    "Titus... ich hab alles wieder haargenau vor mir gesehen. Ich stand wieder mitten auf dem Schlachtfeld. Sicher, es war irgendwie etwas anders und verworren, aber dennoch dachte ich, wir würden immer noch gegen Palma kämpfen..." Im Raum war es sehr dunkel und er sprach mit Titus, ohne ihn wirklich zu sehen oder seinen Blick zu suchen. Er wusste nur, dass er da war. "Weißt du, ich dachte eigentlich, es wäre jetzt vorbei, aber mein Kopf macht wohl doch noch, was er will.... Ich meine... wenn du mal ríchtig darüber nachdenkst, dann... hatten wir wirklich ein verdammtes Glück! Wir hätten genauso gut irgendwo im Dreck liegen können, blutend an jeder Stelle des Körpers. Doch wir sind tatsächlich noch hier... Wir hatten wirklich wirklich Glück! Und ich kann es gar nicht realisieren... Ich bin noch nicht tot."

    Coriolan nutzte schon bald einen der nächsten Tage nach der Ankunft, um die kaserneneigenen Thermen aufzusuchen. Den Göttern sei Dank gab es so etwas. Schließlich brauchte gerade ein Soldat immer mal wieder das entspannte warme Wasser zur Erholung, ganz zu schweigen, dass die stinkenden Männer lieber einmal öfter als einmal zu wenig Wasser an ihre Haut kommen lassen sollten.


    Er betrat das mit Ziegelsteingen errichtete Gebäude, das gegenüber den anderen Legionshäusern so herausragte und genoss den beheizten Boden unter seinen Füßen, die in letzter Zeit besonders gelitten hatten. Zwar mussten sie im Grunde nicht sehr viel marschieren, um auf das Schlachtfeld zu kommen, aber dennoch war der Neuling Coriolan das alles noch nicht so wirklich gewöhnt. Dazu auch noch das wirklich harte Training Ostia, um sie darauf vorzubereiten. Wann hatte er denn wirklich einmal Zeit den Körper zur Ruhe kommen zu lassen? Nachdem er sie ein wenig gewachsen hatte, ging er mit angezogenen Badesandalen und einem Handtuch in der Hand ins caldarium. Nun erwartete ihn das wohltuende Gefühl eines warmen Wasseraufgusses.

    Nach einer Weile war nicht mehr nur das Schnarchen eines völlig geschafften Tiro zu hören, sondern es mischten sich auch andere Töne zwischen die einzelnen Phasen des schweren Atmens. Es schien manchmal wie ein leichtes stöhnen zu sein, immer mal wieder im Abstand. Dann drehte sich der Körper von Gnaeus auf die eine und wieder auf die andere Seite und das Schnarchen verstummte. Stattdessen war nur noch das Stöhnen zu hören. Doch es waren nicht einfach nur Laute, wenn man genau hinhörte. Diese Geräusche formten manchmal Wörter. Sehr unverständlich und sehr vage, aber wenn man genau hinhörte, konnte man so etwas verstehen wie: "State!" oder "Scutum". Coriolan schien zu träumen und dabei schien sich sein Traum in der Wirklichkeit zu artikulieren. Teilweise machte er richtige Ausschläge mit seinem Fuß. Komische Zuckungen. Irgendwann wurde sein Schlaf schlagartig unterbrochen und Coriolan richtete ruckartig seinen Oberkörper auf, während er lauthals: "ad arma!" rief. Der Tiro atmete schwer und schien im ersten Augenblick kaum zu realisieren wo er war. Dann dämmerte es ihm langsam. Er war in der sicheren Unterkunft der Classis. Er hoffte, dass er niemandem mit seinem Geschrei gestört hatte und blieb erst einmal nur so aufrecht sitzen bis sich sein Puls und Atem wieder etwas beruhigt hatten.

    Coriolan blieb dem Kameraden dicht auf den Fersen. Er hatte schließlich keine Ahnung, wo er hier hinsollte, geschweige denn welche Stube er samt Liege an sich reißen konnte. Doch nach einigem Hin und Her konnte die Zuteilung endlich erfolgen und er betrat mit Flavus das neue "Heim".


    Naja, wirklich prächtig sah es hier auch nicht aus. Da hatte die Kaserne in Misenum derjenigen in Ostia leider nichts voraus. Aber was sollte man da auch schon groß anders machen? Mit einer Villa hatte der junge Tiro ohnehin nicht gerechnet.


    Während Flavus sich schon auf die Liege schwank, überlegte Coriolan das Gleiche zu tun. Schließlich sehnte er sich schon eine halbe Ewigkeit nach einem Nickerchen. Doch irgendwie, jetzt wo er so nah dran war, konnte er dann doch noch nicht so einfach die Seele baumeln lassen. Er setzte sich erst für einen Augenblick hin, schnaufte durch und begann dann sein Marschgepäck einzuräumen. Einige von den Sachen mussten auch noch etwas geputzt werden. Das hatte er zwar schon während der Aufräumarbeiten nach der Schlacht machen können, doch das konnte durch den Mangel an Zeit, den man im Feld stetig hatte, immer nie so gründlich sein wie in der Heimat. Diese immer wieder gleiche und stumpfe Tätigkeit beruhigte den jungen Rekruten sehr. Während er so Stück für Stück jedes einzelne Teil nahm, putzte und wieder weglegte, fielen ihm langsam die Augen zu. Mit letzter Kraft unterbrach er seine Tätigkeit, warf sich auf die Liege und schlief fast unmittelbar ein. Den kauernden Flavus hatte er dabei kaum gemerkt. Während Coriolan sich noch um seine Ausrüstung kümmerte, dachte er, dass sein Kamerad schon tief und fest schlafen müsse. Stattdessen erfüllte nun sein eigenes leichtes Schnarchen den Raum.

    Bevor es dann endgültig in die Unterkünfte ging, blickte sich Coriolan noch einmal um. Noch bevor sie das Schlachtfeld verließen, sind ihm einige Kameraden abhanden gekommen. Ein paar sah er dann im Valetudinarium wieder und die Tiros konnten sich glücklich schätzen nicht an der vordersten Front gekämpft zu haben. So bleiben die Ausfälle in ihren Reihen beschaulich. Zumindest konnte Gnaeus froh sein, dass er Flavus nicht verloren hatte. Aber was war beispielsweise mit Seneca. Den hatte er nicht mehr gesehen seit sie losmarschiert waren. Zweifellos gab es auch hier und da ein Durcheinander. So war dann hier auch mal einer von der CU, der seine Einheit suchte. Coriolan stellte sich belustigt vor, dass stattdessen Seneca bei den Stadtwachen marschierte und nun wiederum seine Einheit suchte. Sobald er wieder etwas kraft getankt hatte, musste sich Gnaeus in jedem Fall einen Überblick verschaffen, wer noch alles da war und wer nicht. In solchen Zeiten wurde man sich bewusst, dass man besser so viel Zeit mit seinen Freunden wie möglich verbrachte. Wer wusste schon, wann man sie das letzte Mal sehen würde?

    "Achja, dein Riechkolben. Der wird schon wieder. Den späteren Rekruten können wir ja erzählen, du hättest ihn dir verbogen, als du mit einem Zwei-Meter Hünen aus Palmas Reihen gekämpft hast und glorreich siegtest" Coriolan lachte. Wie hieß es doch so schön: Der Sieger schreibt die Geschichte und zu diesen gehörten sie ja nun irgendwie auch. "Hmm... aber in Rom einmarschieren wäre doch nun schon wieder irgendwie... stark. Was glaubst du, was wir da noch alles sehen könnten. Ja, wenn wir schon noch einmal ausrücken müssten, dann doch am liebsten nach Rom."

    Coriolanus schlug in die von Flavus gereichte Hand ein. "In der Tat, wir haben es geschafft und leben noch. Wer hätte das gedacht? Und dann noch so ganz ohne einen Kratzer." Sie hatten wirklich Glück. Vor allem hatten sie auch Glück mit der Gnade des Palma. Er hätte sie mit seinen frischen Verbänden auch ganz einfach überrennen können. Aber zum Glück waren sie nicht irgendwelche Barbaren, sondern Römer und da tat der Mann wohl gut daran, ein positives Bild von sich zu schaffen.


    Wenn man vom Teufel spricht... oder dachte... kommt er und holt dich. Coriolan wurde von Flavus darauf aufmerksam gemacht, dass der wohl neue Kaiser auch gerade in das Lager trat. "Er ist es wohl, dem jetzt unser Eid gilt. Wollen wir hoffen, dass es sich lohnt." Mit einem Nicken, stimmte Gnaeus zu, jetzt endlich in die Unterkunft zu marschieren und sich ein wenig aufs Ohr zu hauen. Flavus kannte sich hier zum Glück schon etwas aus, weshalb Gnaeus ihm einfach auf den Fersen bleiben musste. "Hoffentlich lässt man uns nun etwas Zeit zur Erholung. Dieser verdammte Krieg ist ja schließlich immer noch nicht vorbei. Wer weiß, was da noch alles kommt", nörgelte er noch ein wenig, schon befürchtend, dass man ihm seinen wohlverdienten Schlaf allzu schnell wieder rauben könnte...

    "Glück allein", komplettierte Coriolan, obwohl er sich gar nicht erklären konnte, wie er darauf gekommen war. So ein Sprichwort hatte er selbst jedenfalls noch nie gehört. Aber irgendwie schien es ganz nett zu passen, als er seinen Kameraden Flavus die ersten Worte sprechen hörte.


    Da ist sie also... die wirkliche Heimat. Fern ab des Krieges scheint hier das Paradies für den Frieden zu sein, auf den sich schon ein jeder hier schon freute, auch wenn dessen Verkündigung noch ausblieb. Geduld blieb wie immer eine Tugend. Jetzt musste sich Gnaeus aber wohl erst einmal zurechtfinden. Wo war hier der Exerzierplatz? Und wo war das Schlafquartier seiner Einheit? Das sah hier doch alles etwas anders aus, als die Unterkünfte der Vigiles in Ostia, aber sicher nicht schlechter. Dennoch würde er wohl eine ganze Weile brauchen, ehe er sich an den neuen Ort gewöhnt hatte. Immerhin war er seit er denken konnte, nie in einer anderen Stadt als Ostia gewesen, was bedeutete, dass er auch Misenum erst einmal erkunden musste. Zumindest, wenn sie mal Ausgang bekamen und nicht wieder auf so kleine Tricks zurückgreifen mussten wie beim letzten Mal...

    Nun denn, da war es geschehen. Die Verhandlungen hatten das gebracht, was sich wohl viele der vor kurzem noch mit aller Macht kämpfenden Soldaten, erhofft hatten: Ein Ende der Schlacht, was gleichbedeutend war mit der Verlängerung ihres eigenen Lebens. Als alles feststand, konnte man in erleichterte Gesichter blicken, zumindest von jenen, die wie Coriolan relativ unversehrt waren. Die Verletzten kümmerten sich weniger um das was vorging, sondern mussten immer noch um ihr eigenes Leben bangen.


    Während Coriolan gemeinsam mit einem Kameraden ein paar Tote einsammelte, um sie an einem zentralen Ort zu packen, hat er sich wahnsinnig erschrocken. Während er ihn an den Füßen packte, um ihn wegzutragen, wachte dieser "tote" plötzlich auf und schrie um sein Leben. Offensichtlich war er nur bewusstlos, doch Coriolan wurde dadurch ein solcher Schrecken eingejagt, dass er erst einmal einige Meter zurückwich, bis er realisierte, dass er es hier mit keinem Geist oder noch absonderlicheren Sachen zu tun hatte. Er versuchte verwundeten den Kameraden zu beruhigen und gab ihm etwas zum draufbeißen gegen die Schmerzen. Auf einer Trage wurde er ins Valetudinarium geschafft. Dort konnte er mit den vielen anderen um sein Leben bangen. Hier waren der Geräuschpegel und das Stöhnen noch am lautesten und in diesem Augenblick konnte sich Gnaeus mehr als glücklich schätzen, nicht neben ihnen zu liegen. Dafür drehte es sich aber furchtbar in seinem Magen und seine Gesichtsfarbe wurde deutlich blasser. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und beschloss besser beim Abbau des Lagers zu helfen und lieber erst einmal keine weiteren Verletzten und Toten einzusammeln.


    Bald ging es wohl wieder nach Misenum. "Wieder" war allerdings ein fehlgeleitetes Wort. Für die Classis als Ganzes war es wohl ein Wiedersehen, er selbst, der in Ostia rekrutierte, würde die Stadt und die Kaserne jedoch weitestgehend zum ersten Mal in Ruhe sehen können. Dort würde wohl mit etwas Glück das leichtere Leben beginnen, ohne große Sorge um Krieg und das Schlagen von Schlachten... zumindest, wenn dieser Bürgerkrieg nun tatsächlich beendet war.


    Coriolan sammelte sich gemeinsam mit den anderen Tirones, um der Ansprache es Praefecten zu lauschen. Er bemühte sich diese Schlacht nicht als Niederlage einzustufen, was natürlich Anklang fand. Aber was war eigentlich schlimmer? Ein Verlierer oder ein Deserteur und Überläufer? Wahrlich, wenn sie Loyalität in ihrem Herzen hätten, dann hätten sie wohl bis zum letzten Blutstropfen kämpfen müssten. Vielen war es auch sicherlich nicht ganz so egal, für wen sie kämpften, doch das alles spielte wohl in diesem Moment keine Rolle, als die Rufe für Roma und für die Classis einsetzte. Coriolan stimmte mit ein, aber nur äußerst leise und nicht voller Stolz. Das wäre doch alles etwas zu einfach und die Wendung war zu schnell und abrupt, um einfach weiter zu machen wie bisher. Es würde noch eine lange Verarbeitungszeit kosten, bis Gnaeus wieder einen gewissen Normalzustand erreicht hatte, wo er sich auch wieder mit Leib und Seele losbrüllen konnte.

    In der Mitte die beiden Feldherrn und drumherum die Masse des Heeres. Sowohl der Praefect als auch der vermeintliche Kaiser standen im Zentrum der Aufmerksamkeit jener Augenblicke. Für den Augenblick wusste noch niemand, was diese beiden wichtigen Männer wohl gerade besprachen. Man konnte sich ja vieles vorstellen. Gemeinsam hätten sie sich Vorwürfe des Verbrechens machen können, sich gegenseitig die Schuld zuschieben für das Massaker, was hier veranstaltet wurde. Wut hätte aus ihren Augen schimmern können, Wut über die gefallenen Soldaten, die unter ihrem Kommando standen. Doch weder Gestik noch Mimik der Feldherren deutete darauf hin. Nein, ganz im Gegenteil, es schien sich sogar eher um ein nüchternes Gespräch zu handeln, wenn man das von außen so sagen konnte. Genauso gut hätten die beiden ihre Emotionen auch hinter einem Schleier von Ironie verstecken können: Eine sanfte Fassade für harsche Worte. Doch das blieb alles reine Spekulation.


    Nein, hier wusste keiner, was da nun entschieden wurde. Die Tirones begannen zu tuscheln und auch dies brach die allgemeine Stille auf dem Schlachtfeld nicht wirklich. Zu angespannt war die Lage, zu ungewiss die Aussicht, ob es nun noch einen Kampf bis zum Letzten oder eine akzeptable Kapitulation geben soll. Gnaeus jedenfalls wusste nicht was ihm lieber wäre. Ganz klar, wenn das da gut ausging, würde er mit dem Leben davonkommen, andererseits würde dies wohl auch bedeuten, dass er, wie alle anderen hier auf seiner Seite, als geschlagene das Feld räumen musste. Doch war das wirklich so kränkend für die eigene Ehre? Zumal er doch als Tiro ohnehin froh sein konnte, soetwas überhaupt zu überleben. Und wenn man bedenkt, dass selbst die größten Armeen einmal Niederlagen einstecken mussten, nur um kurz darauf noch größere und triumphalere Erfolge zu feiern, so war eine Niederlage doch nicht das furchtbarste aller denkbaren Szenarios.


    Erwartungsvoll blickte Coriolan mit seinen Kameraden auf den Praefecten und Cornelius, aber auch auf Seneca und Titus, die beide noch ganz in der Nähe der beiden großen Männer standen.

    Die Aufgabe war erfüllt und die kurze Anspannung fiel wieder ein wenig ab von den Schultern des Coriolan. Stattdessen klopfte auf diese Schultern der Praefect, als wenn er sagen wollte: "Jetzt kümmere ich mich darum." Coriolan war Stolz unter diesem Mann zu dienen und er war nicht nur in Trauer über das Schicksal dieser Schlacht, sondern fühlte auch ganz persönlich mit dem Mann mit, der diese Kapitulation wohl ganz verantworten musste. Seine Zukunft war wohl nicht weniger ungewiss, als die Zukunft aller einfacher Soldaten, die hier auf dem Felde standen.


    Würdevoll schritt er hinab und hielt nicht einmal ein Pferd für notwendig. Voller Demut ging er dem Niemandsland entgegen. Dann doch noch ein weiterer Auftrag für Coriolan. Massa, er musste Massa holen, den Mann, zu dem er immer noch eine gewisse Verbindung hatte, weil er Gnaeus damals in die Classis geholt hatte. Gut zu wissen, dass er offenbar noch lebte. Jeder wusste ja, dass Centurios während einer Schlacht nicht unbedingt die beste Überlebensquote hatten. Er informierte sich kurz, wo dessen Einheit gerade stand und ging im Laufschritt durch die Reihen. Dann sah er ihn und seine sagittarii. Er stellte sich vor ihn, grüßte und machte Meldung. "Centurio Decimus Massa! Der Praefect braucht dich umgehend an seiner Seite! Er wird Palma entgegengehen und mit ihm Verhandlungen aufnehmen." Dann sah er Massa auch schon losgehen und dieser reihte sich an den Praefecten an.


    Dasselbe Spiel wiederholte sich bei den Cohortes. Er suchte nach dem Centurio Kaeso Plaguleius Ligur und gab ihm dieselbe Meldung, auf das er sich umgehend zum Praefecten begeben sollte. Coriolan selbst hatte nun seine Aufgabe getan. Würde es seine letzte in dieser Schlacht gewesen sein? Er wusste es nicht, atmete einmal tief durch, ließ seinen Blick über das Feld schweifen und beschloss dann zurück zu den restlichen Tirones zu gehen, von denen er durch den Sonderauftrag gemeinsam mit Titus und Seneca getrennt wurde. Gemeinsam mit seinen Kamderaden würde er das Ergebnis der Verhandlungen erfahren. Würde der Kampf sich fortsetzen oder hatte das Blutvergießen ein Ende?

    Coriolan registrierte erleichtert, dass Flavus seine Aufgabe bestens erfüllte. Die Worte waren genau richtig gewählt und der Cornelier wieder zum Senator degradiert, denn schließlich wollten sie mit Anstand und Würde Verhandlungen aufnehmen und nicht wie Feiglinge, die nur ihr Leben retten wollten. Ihr Auftreten war sicher ganz im Sinne des Praefecten, dachte sich Coriolan und bemühte sich selbstsicher und locker neben seinen beiden Freunden, Titus und Seneca zu stehen. "Die haben ganz schön nerven...", sprach Gnaeus noch in Anbetracht des Kommentars von Flavus. Kaiser war der Cornelier noch lange nicht.


    Einer der Plänkler wanderte derweil wieder hinter die Linie, um die Nachricht zu überbringen. Das Schlachtfeld war völlig still und alle Augen waren auf diesen Mann gerichtet, der seinen Weg zum rebellischen Heerführer zurücklegte. Alle warteten nur gespannt, wie es weitergehen würde und die Tirones würden die ersten sein, die es erfuhren. Der Plänkler legte seinen Weg zurück und ja, der Cornelier wollte sich tatsächlich auf Verhandlungen einlassen. Coriolan blickte auf Flavus, der überlegte, was zu tun war, bevor dieser sich an ihn persönlich wandte und wollte, dass er die Nachricht überbringen sollte. Coriolan nickte seinem Freund zu. Mit den Worten: "Danke für die Ehrenrunde", wandte er sich um in Richtung des eigenen Lagers und bewegte sich im Laufschritt zum Praefecten.


    Das eben stattgefundene Schauspiel mit dem Plänkler wiederholte sich nun mit Coriolan. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, er spürte die Aufmerksamkeit, die er auf sich zog. Es war ein merkwürdiges Gefühl nun dieses eine Rädchen zu sein, welches sich seiner kurzweiligen Bedeutung bewusst wurde. Ziemlich erschütternd für einen noch jungen Tiro, der noch so gut wie nichts gesehen hatte. Das war zweifellos einer der wichtigsten Gänge seines Lebens. Er erreichte die Position des Praefecten, der sie vor einer Weile noch nach unten ins Niemandsland geschickt hatte, salutierte kurz voller respektvoll und überbrachte die Nachricht: "Praefect, Cornelius Palma willigt ein. Er will sich mit dir in der Mitte des Schlachtfeldes treffen." Nun lag es am Praefecten und Coriolan fiel ein kleiner Stein vom Herzen in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Blicke jetzt wohl wieder den größeren Männern zuwenden würden.

    Ob es im Elysium noch etwas zu heben gab? Coriolanus wusste es nicht und war nicht scharf darauf, es so schnell zu erfahren. Nun wandte sich der Praefect an Titus und sprach aus, was schon in den Gedanken der Männer herumschwirrte: Kapitulation...das Ende. Coriolan nickte Titus zu, als dieser ihn zum Mitgehen bestimmte und Seneca war ebenso dabei. Langsam schritten sie den Weg hinab, vorbei an den eigenen Männern, hinzu auf die paar Plänkler. Tiro trifft Plänkler - was für ein nettes Schauspiel. "Ich glaube nicht, dass das eine Falle ist. Der Aufwand lohnte sicher nicht, nur um ein zwei, drei Männer mehr zu töten", sprach Coriolan und fühlte sich bei diesem Auftrag komischerweise viel sicherer, als bei allem anderen, denn hier trat die Gefahr nicht so offen zutage. Es war eine Friedensmission, mitten in der Schlacht und womöglich taten sie hier sogar etwas wahrhaft Gutes, wenn damit womöglich unzählige Kameraden gerettet werden konnten. Doch der römische Stolz meldete sich gern unverhofft und verlangte gern eher den ehrenhaften Tod, als das unehrenhafte Leben.


    Welch erschreckendes Gefühl nun zwischen den Fronten zu stehen. Von hier konnte man alles überblickten. Da standen nun die eigenen Reihen, gut sichtbar und vom Kampf bereits gezeichnet, auf der anderen Seite die Truppen Palmas, die derzeit wohl noch am meisten motiviert waren in Anbetracht der Umstände. Als sie nahe genug waren, um einigermaßen miteinander kommunizieren zu können, blieben sie stehen. Titus hatte bereits im Gehen eine laute Begrüßung vorangeschickt, was Coriolan mit Sorge registrierte. Titus redete meist recht viel und konnte sehr stürmisch sein. Hoffentlich würde er sich unter Kontrolle haben, dachte Coriolan nur und hoffte, dass alles ohne Zwischenfälle ausgehen würde. Er hielt alles wachsam im Auge, doch am meisten blickte er auf Flavus. Hoffentlich würde er im richtigen Augenblick seine diplomatische Ader finden.

    Zitat

    Original von Titus Flavus


    "Verdammt noch mal!", rief Coriolan seinem Freund entgegen. "Wir meldeten uns zur Classis und stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Nur die Götter wissen, ob wir dieses Feld nochmal lebend verlassen..." Der ernste Blick des Coriolan blieb auf Flavus haften. "Es war mir eine Ehre dich gekannt zu haben."


    In der Tat hatten sie noch nicht einmal ihr Gladius ziehen müssen, doch der Pessimismus ging der Reihe nach um, so auch bei Gnaeus. Auch er blickte nun zum Praefecten. Der schwang sich nicht etwa auf ein Pferd und ritt dem Feind heldenhaft mit gezogener Klinge entgegen, sondern schien abzuwarten. Bald schon bemerkten sie, dass er wohl Gespräche mit dem Feind aufnehmen sollte, denn der Blick zum Horizont verhieß nichts Gutes. Offenbar waren die eingetroffenen Reiter noch lange nicht das Ende des Schreckens. Der Cornelier würde wohl bald so drückend überlegen sein, dass wohl tatsächlich in absehbarer Zeit nur noch Kapitulation Erwägung finden würde... immerhin, Kapitulation würde bedeuten: Leben. Zwar irgendwie mit der Schande leben, aber immerhin leben. Was sollte man auch machen? Die Tirones waren ohnehin noch viel zu jung zum sterben, wie Coriolan unter Selbstberücksichtigung dachte.


    "Hmm... vielleicht kommen wir doch noch lebend hier raus, auch wenn es nur noch ein halbes Leben sein wird...", sprach er wiederum an Flavus gerichtet.

    "Du wirst deinen Kindern noch genug andere heldenhafte Geschichten erzählen können. Da sei dir sicher.", hatte Coriolan noch zuvor gesagt. Ja, sie waren noch jung und hatten sicher noch einiges zu erleben, was sie ihren Nachkommen vermitteln durften. Auch ohne eine vorzeigbare Kriegsverletzung würde es sich lohnen über den heutigen Tag zu berichten, auch wenn es derzeit wahrlich nicht mehr danach aussah, dass sie lebend hier wegkommen würden.


    In der Tat wirkte das Auftauchen der neuen feindlichen Truppen sicher auf viele überaus demotivierend. Jetzt kam es in der Tat auf den Praefecten an, dachte sich Coriolanus. Nur ein großer Feldherr konnte die Männer wieder in Schwung bringen und das Unglück vielleicht noch abwenden. Vielleicht hatte er ja noch eine zündende Idee? Etwas Überraschendes, so überraschend wie die offensichtlich zu Palma gehörende feindliche Reiterei? Irgendetwas musste da noch gehen und wenn nicht?... Ja, da musste wenigstens ehrenhaft gekämpft werden, auch wenn dies am Ende den Untergang bedeuten sollte, so hätten sie dann wenigstens alles dafür getan den Usurpator zu schlagen, hatten alles für Rom gegeben und konnten mit beruhigtem gewissen ins Elysium wandern. Coriolan riss sich jedenfalls zusammen, ballte die Faust und beobachtete das Geschehen voller Ungeduld und Wut.

    Gnaeus zuckte förmlich zusammen, als er seinen Kameraden Titus stürzen sah. Das sah wirklich bitter aus. Er hatte schon den ersten Reflex diesem beizuspringen und nur die Tatsache, dass Titus auch sogleich wieder weitereilte, hielt ihn davon ab. Der Griff an seine Nase mit einem lautstarken Schmerzensschrei, verriet, dass der Riechkolben wohl ordentlich gelitten hatte. Sofort schmerzte auch Coriolans Nase nur bei dem Gedanken an diesen Schmerz. Aber wenn das hier alles vorbei war, würde eine kaputte Nase wohl noch das harmloseste sein, was man verkraften musste.


    Titus schaffte es zum Glück dennoch zum Praefecten, während die Tirones über das Schlachtfeld blickten und sich sorgten, um diese unbekannte Armee, die am Horizont aufgetaucht war. Offensichtlich hatte niemand Ahnung, was das zu bedeuten hatte.


    "Bitte sag mir, dass das unsere Leute sind", wandte er sich an seinen Kameraden neben ihm.


    "Ganz bestimmt", sprach der Kamerad, mehr aus hoffnungsvollem Optimismus, denn aus sicherem Wissen. "Wir sind doch in Italia, wir sind hier auf unserem Boden, während der Cornelier hier fremd ist. Es werden unsere sein, ganz sicher, ganz bestimmt."


    Anschließend kam Titus zurück und noch bevor er seine Befehle weitergab, wandte er sich an Coriolan, was ihm sehr schmeichelte. Gnaeuus pustete einmal durch. "Mach dir keine Sorgen, ich halte durch. Aber was macht deine Nase? Geht das?", fragte er auch, weil ihn das immer noch im Gesicht klebende Blut in Titus Gesicht deutlich sichtbar war.


    Es war gut zu hören, dass der Praefect stolz auf sie war. Ja, wenn dieser Krieg vorbei war, dann würde es nicht an den Rekruten liegen, dann musste es andere Gründe haben, soweit war sich Coriolan sicher. Sie taten ihr bestes und alles, was in ihrer Möglichkeit stand. Statt eines weiteren Einsatzes sollten sie sich allerdings erst einmal ausruhen.


    Sie stellten sich auf, während jetzt wohl die Schlacht langsam entschieden wurde, denn was Coriolan ebenso kaum wie seine Kameraden glauben konnte, war, dass die unbekannten Truppen sich wohl als die Truppen des Corneliers zeigten. Der Großteil der Reiterei stürzte auf die eigenen Truppen zu. Sie warfen ihre Speere, einige Reiter stürzten in die Reihen. Als Coriolanus davon mitbekam, sank er für einen Augenblick auf die Knie. "Nein, das kann nicht wahr sein", sprach er halb flüsternd und richtete sich langsam wieder auf. Hatte sie Fortuna nun endgültig verlassen?

    Diese verfluchte Reiterei! Hatte Palma etwa die Dioskuren persönlich auf seine Seite gezogen? Standen Castor und Pollux gegen den Vescularier und ritten nun mit der eindrucksvollen Kavallerie des Corneliers? Gnaeus beschlich ein ungutes Gefühl. Noch zeichnete sich nicht viel ab und irgendwie glaubte man, dass der Praefect die Männer genau richtig aufgestellt hatte und dennoch war kein Grund zum Optimismus. Die Zehe von Coriolan tippelten auf und ab, sein Körper war angespannt und durchgestreckt. Jetzt, wo sie so nah am Feind waren, rechnete er eigentlich damit, dass sie jeden Moment selbst mitkämpfen müssten. Die Tirones als Verstärktung, die Tirones als Futter für das Schwert. Das Herz pochte, das Blut war in Wallung. Coriolan stand jetzt schon unter Adrenalin und dabei hatte es für ihn noch nicht einmal richtig begonnen...


    Als er das "Heda Tirones, Befehl vom Kommandoposten" des Centurios hörte, da überschlugen sich seine Gedanken förmlich innerhalb weniger Augenblicke. Wahrscheinlich gleich nach vorne, Aufstellung nehmen, den Feind empfangen, morden, verteidigen, morden. Jetzt war es ganz sicher soweit. Ihr Einsatz war gekommen, Mars forderte Blut und das nicht zu wenig. Coriolan stand dem Schweißausbruch nahe...doch dann, Aufklärung, schlichte Erlösung: Es ging zurück auf den Hügel, zum Praefecten.


    Statt direkt in die Unterwelt zu treten, gingen sie zum wohl sichersten Platz auf dem Schlachtfeld zurück. Coriolanus atmete durch. Noch ein bisschen Aufschub, ein wenig Hoffnung. Wie gern gab er alles für nur ein paar Minuten, die er länger leben durfte. Die Worte von Titur hörte er kaum, er bewegte sich einfach nur mechanisch mit allen anderen mit. Wo es zwischendurch noch Euphorie gab, so war jetzt nur noch Angst. Und... moment... was war das für ein Grollen... und dieser Staub am Himmel... Die Furcht nahm ihren lauf...

    "Na klar, wär mir doch nie eingefallen, ohne Befehl zu sterben.", kommentierte Coriolan die Worte von Titus nur mit einem Lachen, obwohl ihm selbiges fast im Halse steckeblieb, denn seine Lunge hatte schon ziemlich zu pumpen. Diese Bündel waren keineswegs ohne Gewicht, nicht umsonst trugen sie sie zu zweit, und inzwischen hatten sie auch schon ein gutes Stück zurückgelegt.


    Doch die Erlösung kam sogleich. Während Titur bei der ersten Kohorte Meldung machte, legte Coriolan sein Bündel mit Seneca nieder. Er griff sich in die Hüfte und stand erstmal ziemlich außer Atem da. Den ersten Auftrag hatten sie ausgeführt, nun konnte auch hoffentlich damit etwas angefangen werden. Coriolan blickte sich um. Die Schlacht schien nun tatsächlich ihr größeres Ausmaß anzunehmen. Es war erschreckend, wie sich das hier alles abspielte und er hatte überhaupt keinen Überblick, was hier eigentlich wirklich passierte. Welche Truppen standen gut? Welche schlecht? Wer hatte die bessere Chancen? Coriolan war nur ein kleines Rädchen in diesem riesigen Apparat. Er konnte nur hoffen, dass er wenigstens seinen Teil leistete und sich stets "weiterdrehte".