Beiträge von Gnaeus Marcius Coriolanus

    Falvus ging also zum Praefecten. Coriolan tippe währenddessen immer wieder nervös mit den Fingern auf seiner Rüstung. Im Moment traute sich niemand mehr zu sprechen, alle waren viel zu angespannt, weil es wohl gleich auch für sie losgehen würde, was auch immer sein mochte. Da kam Flavus auch schon wieder und schien als erster einen wirklich klaren und entschlossenen Blick zu haben - immerhin hatte er gerade die Instruktionen vom Praefecten persönlich erhalten und der gab sich normalerweise sicher nicht mit einfachen Tirones ab.


    "Wie? Was? Bündel?", stieß er im ersten Moment aus, während er sich jedoch schon bewegte, um dieselbigen an sich zu nehmen. Das war überraschend, hatte Coriolan doch schon damit gerechnet wohl als Futter für die feindlichen Legionäre zu enden, aber jetzt schien es eher ein Transportauftrag zu sein. Coriolan schleppte eines dieser Bündel gemeinsam mit Seneca und lief direkt hinter Titus, der wiederum die Leute anspornte. Er bemühte sich dem ganzen noch mehr Nachdruck zu verleihen. "Auf gehts, Kameraden. Die Gäule von Palma lassen wir alt aussehen." In der Tat. Wenn diese "Kavallerie-Abwehr" erfolg haben würde, so hätten die Tirones sicher keinen unwesentlichen Anteil an diesem Erfolg. Hier hatten sie wirkliche eine wichtige Aufgabe und jeder konnte es sich denken. Die Rekruten spurteten, als ginge es um ihr Leben... aber halt, genau das tat es ja.

    Der Stein kam so langsam ins Rollen. Unweigerlich musste Gnaeus noch einmal an die Worte von Flavus denken: Wie kämpfte man eigentlich gegen Reiterei? Das war wahrlich noch nicht Teil ihrer Ausbildung, könnte nun aber zur ernsten Bedrohung werden. Am besten hatte man doch einen Speer gegen diese Pferde oder in einer normalen Schlacht würde einfach Reiterei gegen Reiterei in den Kampf ziehen. Denn wenn so eine Kavallerie erst einmal auf einfache Fußsoldaten traf, war es meist schon aus.


    Endlich kam jemand und wollte den Anführer sprechen. Coriolan gab seinem Kameraden noch einen zusätzlichen Klapps auf die Schulter, bevor dieser sich meldete. Titus konnte Verantwortung übernehmen, das hatte Coriolan schon mehrfach beobachtet. Schon im Training wusste er seine Kameraden zu begeistern und allgemein wurde er auch akzeptiert. Hier spielte es keine Rolle wer der Älteste war, sondern nur wer über die entsprechenden Fähigkeiten verfügte. Hoffentlich würden sie aber nicht nur Titus in die Pläne einweihen. Ein wenig Übersicht über die Taktik hätte sich der neugierige Coriolan sehr gewünscht. Hoffentlcih würde dies bald folgen.

    "Hmm... mir gefällt das nicht", sprach Coriolan einfach so vor sich hin, während er die Formierungen beobachtete, ebenso wie seine Kameraden. Er wusste zwar nicht, was ihm nicht gefällt, aber ihn beschlich ein ungutes Gefühl, so wie das wohl passierten, wenn man sich ins Bewusstsein rief, dass hier gleich Leute draufgehen werden. "Nicht leicht, alles nur zu beobachten, aber in der Tat, so ein Schauspiel bekommen wir so schnell sicher nicht wieder zu sehen." Der Tiro hatte aber inzwischen genug reflektiert. Gedanken schossen ihm kaum noch durch Kopf. Jetzt musste es durchgestanden werden... oder auch nicht.

    Was für eine plötzliche Aufregung. Coriolan hätte sich fast verschluckt, als er sah, dass der Gegner sich nun stellen würde. Er sprang auf und wusste erst gar nicht, was er zuerst machen sollte. Na klar, erst einmal die Ausrüstung komplett anlegen. Ohne die, hätte er sich eigentlich gleich in ein Schwert stürzen können. Als Flavus ihm entgegenkam und die Hand reichte, griff er sie fest und packte den Kameraden mit der anderen bei der Schulter. "Wir stehen zusammen, Bruder!" , antwortete er mit Entschlossenheit. Dann ließ er ihn ruckartig los, so dass er sich wieder vorbereiten konnte.


    Schnell waren auch schon die ersten Befehle von ganz oben umgesetzt. Die richtigen Soldaten gingen auf ihre befohlenen Positionen, ohne dass Coriolan die tiefere Taktik dahinter schon hätte erraten können. Dann kam auch für die Tirones der erste Befehl. Es sollte also erst einmal auf die Anhöhe gehen. Jedem Einzelnen von ihnen war anzusehen, dass er zutiefst neugierig war, welche Rolle sie in dieser Schlacht spielen würden. Ganz nach vorne ging es jedenfalls erst einmal nicht.


    "In der Tat, Titus, wahrscheinlich werden wir die letzte Verteidigungslinie bilden. Da könne wir wohl nur zu den Göttern beten, dass unsere Kameraden ihre Arbeit gut machen." Die folgenden Ausführungen von Titus fand er auch sehr amüsant. "Daran hab ich noch gar nicht gedacht, dass man uns auch einfach zur Ermüdung des Gegners nach ganze vorne scheucht, aber letztlich scheint mir das doch eher eine Barbaren-Taktik zu sein. Hoch lebe das römische Militär." Mit Spannung wartete Gnaeus nun auf weitere Instruktionen. Was für eine Spannung. Es war kaum auszuhalten.

    Auch wenn der Marsch nicht allzu lang ausfiel, für Coriolan war er tatsächlich überaus anstrengend. Man musste bedenken, dass der Tiro bisher nur innerhalb des Lagers in Ostia Laufübungen machte, aber niemals Teil eines richtigen Marsches war. Da konnten einem schonmal die Schweißtropfen von der Stirn laufen, während man dazu noch dieses mächtige Marschgepäck von einem Punkt zum anderen befördern musste. Mit entsprechender Erleichterung registrierte er dann auch, dass sie endlich ihr Ziel erreicht hatten und das Lager aufbauen konnten. Endlich? Nun waren sie dem Feind so nah und die Schlacht schien unausweichlich.


    "Nunja, Anhöhen sind ganz nett", antwortete Coriolan, der etwas verhalten war. Gemeinsam mit seinen Kameraden baute er die Zelte auf. "Lasst uns schnell machen, umso eher können wir essen fassen. Ich mag dem Feind wirklich nicht mit leerem Magen bekämpfen." Palma würde sich schon bald zeigen...

    Die Spannung war unerträglich, besonders als die Jubelarien langsam ihr Ende nahmen und endlich so etwas wie Stille eintrat. Die Ruhe vor dem Sturm? Was ging wohl all diesen Soldaten durch den Kopf. Das heißt: den Soldaten und den Tirones, denn eigentlich konnte man letztere ja noch nicht zu ersteren zählen, obwohl Coriolan natürlich schon das Gefühl hatte, er hätte eine ziemlich anstrengende Grundausbildung in Ostia genossen und konnte sich auch kaum vorstellen, dass da noch so viel kommen würde. Immerhin war er ja jetzt auch schon seit einer ganzen Weile in der Classis. Vielleicht immer noch ein Vorteil, weil er dann im Grunde nicht mitkämpfen musste? Wer schickte schon Tirones in die Schlacht? Nein, es würde sicher bei logistischen Aufgaben bleiben, ging es ihm die ganze Zeit durch den Kopf. So verzweifelt wie die Lage vielleicht auch immer war, die römische Kampfweise hatte auch immer etwas mit Ordnung zu tun und da mussten eben die kämpfen, die auch den entsprechenden Dienstgrad hatten. Ja, beruhigt konnte Coriolan ausatmen, denn als Tiro würde er sicher nicht sterben. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die richtigen Soldaten in der Classis die Schlacht verlieren sollten, so wäre sicherlich alles schon so weit entschieden, dass er sich in Ruhe ergeben konnte, wenn die feindlichen Truppen vorrückten. Im Grunde alles ganz einfach und offensichtlich. Das machte ihm dann sogleich auch wieder Mut und vielleicht war es auch Schicksal, dass er in diesem Krieg doch nur ein Rekrut warn und nicht mehr.

    Etwas befremdlich wirkte es auf Coriolan, dass einige nicht mit voller Stimme jubelten und damit dem Praefectus zeigten, dass er sich auf sie verlassen konnte. Nein, in Gedanken versinken konnte Gnaeus nicht wirklich, zumindest nicht über Politik. Die Fronten waren eingentlich ganz klar in seinen Augen, da gab es kaum etwas daran zu rütteln. Lediglich die Sorge um das eigene Leben konnte einen wirklich zu schaffen machen, doch diese Bedenken schrie er am besten in genau solchen Augenblicken einfach hinweg. Er ließ sich anstacheln, auf das er wahrhaft kämpfen würde, zumal er ja ohnehin gar keine andere Wahl hatte. Also warum nicht genauso gut mit wehenden Fahnen untergehen? Oder, im optimalen Fall, sogar triumphal wieder aus der Schlacht zurückkehren.


    Auch Flavus war wohl nicht in dieser ganz euphorischen Stimme, aber der war in der Tat mehr ein Nachdenker. Bei Gelegenheit musste er mal mit ihm darüber sprechen, auch wenn es jetzt wohl vorerste nicht mehr allzu viele Gelegenheiten dafür geben würde. Es hieß halt dann doch überleben, wenn aus sämtlichen in die Zukunft gerichteten Plänen noch etwas werden sollte.

    Titus war wirklich amüsant, fand Coriolan. Da sprach er gerade noch vom traurigen Sterben und er hielt einfach einfach Frauen und Auszeichnungen dagegen. Auf was sollte man in diesen Tage wohl auch sonst hoffen. Gott, er würde sein ganzes Geld versaufen, wenn er das hier überleben würde. Das hatte er sich schon fest vorgenommen. "Das sind natürlich gute Aussichten, da hast du recht, aber ich fühl mich allein schon sicherer, dass wir auf einander aufpassen. Wollen wir hoffen, dass keiner von uns allein vom Schlachtfeld gehen muss, das würde mich sehr betrüben." Die skeptische Haltung gegenüber der Tatsache, dass wir zu jung zum sterben sind, konnte Coriolan nur mit Seneca teilen. Die Erfahrung lehrte leider, dass es durchaus anders ist. Die Götter ließen gern auch mal einen Jüngling von der Erde wandeln. "Wollen wir hoffen, dass die Ausbildung auch was gebracht hat, Kameraden"


    Dann war es tatsächlich soweit, dass ihr Kommandant eine Rede hielt. Coriolan war das erste Mal in so einer Situation und sehr gespannt, was er zu sagen hätte. Nach der Einleitung dachte er sich nur: "Wie gern würde ich wirklich mal jemandem ein Ohr zuwerfen, der es sich leihen wollte." Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht. Schade, dass er das gerade nicht teilen konnte, denn während der Ansprache wollte er auf keinen Fall sprechen, das wäre wohl die größte Respektlosigkeit gewesen und hätte im Falle, dass es jemand bemerkte, sicherlich Ärger gegeben. Umso befreiter konnte er dann aber in das allgemeine "Nein" einstimmen, welches durch die versammelte Mannschaft lautstark gebrüllt wurde.

    "Scheint tatsächlich so", antwortete Coriolan recht enttäuscht und setzte mit einem Anflug von Pessimismus nach. "Ich dachte, ich würde wenigstens den richtigen Flottenstützpunkt noch einmal genießen können, bevor ich sterbe." Ausgebildet wurden sie, das war richtig, aber dennoch waren sie allesamt (also, alle die Coriolan wirklich kannte) noch einfach Tiros. Es war wohl keine Frage, dass sie ein mögliches Aufeinandertreffen mit den Schergen Palmas nur schwer überleben würden. Andererseits würde man Tirones sicher nicht in die erste Schlachtreihe stellen, das war wohl irgendwie selbstverständlich. Dennoch, wenn sie verloren, dann war es mit ihnen ohnehin vorbei. Ach, wenn Coriolan jetzt noch einmal so darüber nachdachte, dann hielt er es zunehmen für eine schlechte Idee in die Classis zu gehen. "Merk dir das lieber fürs nächste Mal: Werde nie Soldat während eines Bürgerkrieges.", sprach er etwas ironisch zu Flavus. Sie waren zwei Männer, die eben genau jenen Weg gewählt hatten.

    Eigentlich war es sogar ein recht besonderes Erlebnis, diese Überfahrt nach Misenum, denn Coriolan hatte sich direkt in Ostia anwerben lassen und war demzufolge noch nie mit einem Schiff der Classis unterwegst. Das war also seine persönliche Jungfernfahrt. So richtig konnte er sich immer noch nicht vorstellen, wie man mit diesen Booten Kriege führen sollte. das musste ja alles unheimlich eng sein und es war sicher ein leichtes im Wasser zu landen oder gar freiwillig dort reinzuspringen, wenn das Schiff erstmal munter brannte. Doch das würde wohl eine Erfahrung sein, die ihm vorerst noch erspart blieb. Aller voraussicht nach würden sie wohl an Land gehen und auf Palma treffen, zumindest hatte sich das so langsam herumgesprochen, auch wenn die Information sehr unpräzise war und Gnaeus ohnehin mehr allem misstraute, weil er normalerweise überhaupt nichts mitbekam. Durch die Nachdenklichkeit, in die er mit vielen anderen Tirones fiel, hatte dieser Ausflug gefühlt nicht sehr lang gedauert. Nun waren sie also in Misenum, der eigentlichen Heimat dieser Flotte und nun würde wohl Coriolan die Unterkunft kennenlernen, die sein wirkliches zuhause werden würde. Hoffentlich war es ähnlich nett wie in Ostia, konnte er sich nur denken.

    Die Szene mit Bibulus und Titus war gerade erst vorbei, als Gnaeus an Bibulus vorbeilief und ihm einen kleinen Klapps auf den Hinterkopf gab und noch im Gehen sagte "Mach nicht immer so einen Aufstand, Bibulus. Du solltest dich bei uns nicht so unbeliebt machen, wer weiß, ob dir in einer Schlacht sonst noch jemand von uns den Rücken deckt..." Die Motivation ihm zu helfen war jedenfalls gering. Titus und Gnaeus hatten den anderen Tiros durch die Strafe ja nur indirekt und unabsichtlich geschadet, aber Bibulus schon tätlich wurde und Beine stellte, dann hatte das nach Coriolans Ansicht ein ganz anderes Kaliber. Die kaputte Amphore musste natürlich noch aufgeräumt werden. Eine mehr oder weniger würde hoffentlich keinen Unterschied mehr machen. Anschließend nahm er sich Titus und Schritt in Richtung des Schiffes "Dann mal rauf auf die Liburne. Ich bin schon gespannt, ob wir guten Seegang haben."

    Das wäre wohl auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Jetzt offenbarte der Centurio sein wahres Gesicht. Er hatte wohl nur auf den Augenblick gewartet bis er sie alle zusammenstauchen konnte und ihnen sogar noch das böse Wort von der Todesstrafe nahelegte. Coriolan bemerkte wie der üble Blick von Massa auf ihm haften blieb, doch Gnaeus war bereits zu betäubt um sich zu fürchten und bekam stattdessen aber einen gehörigen Schluckauf, was die ganze Situation schon wieder irgendwie lustig machte. Wirklich ärgern würde sich der junge Rekrut wohl erst am nächsten Tage, wenn er realisierte, wie er sich hatte gehen lassen und welch schlechtes Bild er vor dem Decimer abgegeben hatte. Jetzt schwankte er allerdings erst einmal mit den anderen hinaus. Auf dem Weg klopfte er Ancus Lainius auf die Schulter: "Es war mir eine Eeeehre mit dir zu triiinken." Als er dann an der frischen Luft war, bemerkte Coriolanus wie ungut er sich fühlte. Es fiel ihm schwer sich auf den Beinen zu halten. "Ach Titus, nein, kotzen? Ich? Das hab ich das letzte Mal gemacht, als ich ein Knabe war und das auch nur weil meine Mutter so einen komischen Schleim gekocht hat, haha. Das roch vielleicht widerlich." In etwa vielleicht so widerlich wie der Tiro selbst in diesem Augenblick. "Aber hee, du solltest mich vielleicht etwas stützen. Irgendwie... seh ich den Weg nicht mehr so gut. Bei den Göttern sag ich dir... ich will gerade einfach nur ins Bett..."

    Gnaeus schwankte mit dem Kopf. Nur mühsam drangen die Worte an sein Ohr. Er grinste nur, als Titus offenbar mit ihm sprach. Stattdessen sang er so vor sich hin. "Er ist nicht Mensch, er ist nicht Vieh, er ist bei der Marineinfantrie." Er schloss mit einem etwas übertriebenen Gelächter ab, wie es den Betrunkenen eben so eigen ist. Nein, Coriolan hätte wahrlich keine Runde mehr durchgehalten. Langsam stieg ihm auch noch der letzte Tropfen, den er eben so mühsam herunterschluckte, auch in seinen Kopf. Er hörte nur noch die Worte des Fremden und stimmte vollkommen zu. "Ja, Ja, genau! Titus nimmt meinen Platz ein. Nicht, dass ich Ablösung nötig hätte, haha, nein, nein. Aber der gute Titus hier soll auch was zu trinken haben, ja, richtig, ja. Und er wird dich ganz schön unter den Tisch trinken, haha."

    Tja, wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ihr nächtlicher Ausflug ungestraft geblieben wäre. Das Weinverbot für die nächsten 20 Tage störte Coriolan aber nicht allzu sehr. Nachdem er mit einem Mordskater aufwachte, schwor er sich nie wieder Wein zu trinken, was er eigentlich immer tat, wenn er sich so hundselend fühlte. Doch irgendwann griff er dann doch wieder zu. Gnaeus schnappte sich eine Amphore und ging seines Weges. Die paar Leute, die sich aufregten, weil sie nun alle für gewisse Verfehlungen von Einzelnen bestraft wurde, störten ihn tatsächlich auch nicht weiter. Das ging schon wieder vorbei und längst waren nicht alle solche komischen Typen, wie dieser Bibulus. Welcher Soldat konnte denn nicht verstehen, dass man, wenn man die Möglichkeit hat, es auch einmal ordentlich krachen zu lassen.


    Viel mulmiger war Coriolan dagegen aufgrund der Tatsache, dass sie nun ausliefen. Ging es jetzt wirklich auch für sie in den Krieg? Was hatte das zu bedeuten? Wie stark würde der Feind sein? Oder war das alles nur falscher Alarm. Wieder wurden sie nicht wirklich über die aktuelle Lage aufgeklärt, aber ein einfacher Tiro musste ja nichts wissen, sondern einfach nur stumpf tun, was die Befehle hergaben.

    In der Tat, Gnaeus schwankte schon sehr und hatte irgendwie alles durcheinandergebracht. Irgendwie überschlugen sich die Ereignisse auch viel zu sehr für ihn. Er kam gar nicht mehr mit. Eine kurze Drehung und er hatte endlich seinen wirklichen Gegner vor Gesicht. "Ja genau, ääähm, dich mein ich." Gnaeus nahm den Krug in die Hand und kippte, was das Zeug hielt unter dem polternden Getöse seiner Kameraden, die ihn zusätzlich anspornten. Am Schluss ließ er den Krug auf den Tisch krachen und wischte sich den Mund ab. "Das... ja, das war erst der erste Streich. HAHA" Nein, Coriolan hatte dem Fremden ohnehin schon einiges voraus, das konnte wirklich nicht gut gehen, doch er wagte sich ohne zu zögern an den zweiten Krug, während er das Gefühl hatte, dass sich sein Magen beim Trinken zunehmend aufblähte. Er trank und trank und für diesen Krug brauchte er deutlich länger. Das musste man erst einmal alles wegkippen, doch er schaffte es und es hatte sich so viel Luft in seinem Magen gesammelt, die durch einen kräftigen Rülpser wieder nach draußen katapultiert wurde. Die anderen Rekruten lachten, während Gnaeus sich wieder auf seinen Stuhl setzte, wohl merkend, dass seine Beine ihn nicht mehr ganz so gut trugen. So ein Verhalten hätte man von Coriolan wohl nicht wirklich erwartet, doch was kehrte der Alkohol nicht alles hervor.

    "Das hoffe ich auch, Titus, mögen wir die Classis noch lange gemeinsam aufmischen", erwiderte Coriolan euphorisch auf die netten Worte des Freundes. Auf die Bemerkung mit den Griechen machte er erste ein sonderbares Gesicht, um dann jedoch in ein hemmungsloses Lachen auszubrechen. Da hatte Flavus auch schon die nette Dame im Blick, was Coriolan gleichsam beruhigte, dass er mit den Griechen nun wirklich nicht viel am Hut hatte. Aber noch ehe er munter weitertrinken konnte, hätte Gnaeus fast seinen Wein vor Schreck aus dem Mund versprüht, konnte aber noch alles an sich halten, trotz des Schocks, trotz der Tatsache, dass er nun den Centurio Massa erblickte. "Nein, nein, das kann nicht sein", ging es Coriolan durch den Kopf. Jetzt waren sie sicher dran, ganz bestimmt, das gab Disziplinarmaßnahmen, keine Frage. Mit den schrecklichsten Dingen hätte der junge Tiro nun gerechnet, doch es kam alles ganz anders, denn der Centurio entpuppte sich als überaus lockerer Geselle. Er spendierte sogar ein bisschen Fusel. Erleichtert atmete Gnaeus aus, während ihm ein Kamerad ziemlich heftig auf die Schulter klopfte und dabei laut lachte. Man hatte wohl bemerkt, wie er beim Anblick des Centurios zusammenzuckte.


    Doch mit der neuen Erkenntnis konnte er wieder ganz beruhigt sein. Wer dieser Fremde war, der von Massa angesprochen und von Titus argwöhnisch betrachtet wurde, konnte Coriolan nicht wissen. Für den Moment konnte er sich auch keine Gedanken darum machen, denn der Centurio forderte sie stets zum trinken auf. Noch ein Krug und noch einer. Eigentlich hatte Coriolan schon längst genug, aber mit den Kameraden musste er natürlich mitziehen, erst recht wenn sein Vorgesetzter ihn dazu anstiftete. Was dann aber passierte, war schon recht lustig. Die Forcierung eines Trinkwettbewerbs und dann auch noch mit Flavus war schon ziemlich außergewöhnlich. Gnaeus hatte schon genug getrunken, um das nicht weiter schlimm zu finden. Ganz im Gegenteil, er freute sich schon darauf sich mit seinem Kameraden zu messen. Hoffentlich würde dieser die Wette annehmen, dachte das vernebelte Gehirn des Coriolanus nur noch und stand auf, damit er besser trinken konnte. "Na los, Flavus. Du willst doch den Centurio nicht enttäuschen. Da musst du mich aber auch erst einmal packen!" Ein leichtes Lallen war schon längst in seiner Stimme zu hören.

    Da hatte er natürlich irgendwie recht. Über die politische Lage war Coriolan kaum informiert, aber irgendetwas vom Abfall von Ägypten hatte er tatsächlich gehört. Klar, dass dabei auch die Flottenverbände mit dranhingen. "Das klingt in der Tat bedrohlich. Wie unmöglich dieser Bürgerkrieg doch ist. Da bauen wir Schiffe über Schiffe und dann am Ende versenken wir sie selbst. Mir ist das alles ziemlich suspekt." Coriolan senkte denk Kopf, malte ein paar Kreise mit seinem Fuß, ehe er weitersprach. "Wir können wohl dennoch nur hoffen, dass der Krieg auf dem Land entschieden wird. Bisher deutet ja auch noch nichts darauf hin, dass wir derartig eingesetzt werden. Unsere Vorgesetzten würden uns doch diesbezüglich sicher auf dem Laufenden halten, meinst du nicht auch? Aber grundsätzlich hab ich immer das Gefühl zu schlecht informiert zu sein. Ich hab nicht die geringste Ahnung, wie es derzeit steht und wie der Krieg verläuft." Als Truppe des Vesculariers konnten sie natürlich nur hoffen, dass die kaiserlichen gewinnen, aber hoffen ist ja die eine Sache, die Realität eine andere.

    Je näher sie der Taberna kamen, desto gelöster konnte auch Coriolanus sein. Mit bester Laune und breitem grinsen stolzierten sie hinein und hatten schon den ersten Wein im Rachen, noch ehe sie sich überhaupt hingesetzt hatten. Fast in einem Zug tranken die Rekruten ihren ersten Becher weg, so groß war der Durst gepaart mit dem Gefühl der Freiheit. Da konnte man in seinem Rausch auch schon einmal etwas spendabel werden. "Die nächste Runde geht auf mich!!!", rief Coriolan dann auch munter und erfreute sich dem Schulterklopfen seiner Kameraden. Viel hatte er ja bisher noch nicht ausgeben müssen in seiner Zeit bei der Classis, also hatte er genug auf der hohen Kante, um mal was springen zu lassen.


    Nach einer Weile stolzierte doch tatsächlich auch die ein oder andere Frau durch die Taberna, allerdings war bei deren Auftreten möglicherweise nicht unbedingt klar, ob diese nicht ein paar Sesterzen für ihre Dienste haben wollten. Als eine überaus hübsche Brünette an ihnen vorbeiging, stieß er nur Titus an und sprach: "Na, wär die nicht was für dich? Ich bin mir aber nicht sicher, ob du dafür bezahlen musst." Ein lautes Lachen ging über seine Lippen. Aber man konnte sein Geld auch wahrlich schlechter anlegen. Wieder setzte Coriolan zu einem erneuten großen Schluck Wein an und so lange wie er jetzt schon nichts mehr getrunken hatte, setzte die Benebelung schon deutlich früher ein. Hoffentlich würde er es am Ende noch aufrecht in die Kaserne zurückschaffen...

    War es das, was man gemeinhin einen Pyrrhus-Sieg nannte? Gewonnen, aber irgendwie doch verloren? Wein und Wurst waren ihnen sicher, besser geworden schienen sie aber dennoch nicht so wirklich. So trübte dann die Kritik des Centurios den ersten Moment der Freude. Ein Blick auf Flavus, dem das Blut oberhalb des Auges lief, stand wohl repräsentativ für all die jungen Tirones, die innerlich wohl nicht besser aussehen. "Lass mal sehen, Flavus.", ging er gleich auf diesen zu und sah sich die Wunde an. "Ja, Valetudinarium ist sicher eine gute Idee. Ich war vor kurzem auch erst da und die behandeln einen sehr gut." So versuchte er seinem Kameraden zumindest gleich ein wenig Mut zu machen. Es gab ja durchaus einige die Angst vor Ärzten hatten. Danach konnte sich auch Coriolan zurück in seine Unterkunft begeben. Bevor Speis und Trank genossen werden konnten, musste erst einmal die Ausrüstung gesäubert werden.

    "Hora prima, hora prima", flüsterte Coriolanus vor sich hin. Bloß nicht zu spät kommen, das gäbe sonst noch einen riesigen Ärger. Aber gut jetzt waren sie erst einmal draußen. Draußen, nach einer gefühlten Ewigkeit. "Verdammt nochmal, Titus, riechst du das? Es ist der Duft der Freiheit und wir können ihn heute den ganzen Abend lang atmen." Mit einigen weiteren Tirones im Schlepptau begaben sie sich zur Taverne. Heute wird ordentlich getrunken, das stand fest!