Beiträge von Tiberia Lucia

    Der Briefverkehr mit Rom war leider sehr eingeschlafen. Genaugenommen war er fast nicht mehr vorhanden. Lucia wusste nicht warum und fühlte sich ziemlich alleingelassen. Zwar hatte sie sich auch immer etwas Zeit zum Schreiben gelassen, aber doch nicht so lange, dass man ihr böse hätte sein können. Es war klar, dass jeder auch sein Leben hatte und da natürlich beschäftigt war. Aber Lucia hatte sich von so manchen eine innigere Freundschaft erhofft.
    Umso mehr freute sie sich, als sie einen Brief von ihrem alten Freund Iulius Dives bekam. Was er wohl erzählen würde? Ob er eine Erklärung bieten würde? Was es in Rom wohl so Neues gab? Vorfreudig begann Lucia zu lesen.


    Roma, PR ID AUG DCCCLXVII A.U.C.

    Ad
    Tiberia Lucia
    Domus Legati Augusti pro Praetore
    Mogontiacum, Germania Superior



    Iulius Dives Tiberiae Luciae s.d.


    Nachdem ich seit deiner Abreise aus der Urbs Aeterna leider nichts mehr von dir gehört habe, hoffe ich zunächst dennoch sehr, dass es dir, deiner Tochter und deinem Gatten, meinem Mitklienten Duccius, gut geht.


    Ich muss gestehen, dass ich etwas in Sorge war - und ehrlicherweise noch immer ein wenig in Sorge bin -, da ich auf meine letzten Briefe in den hohen Norden bis heute keine Antwort erhielt - weder von dir noch von meinem geschätzten Großonkel, dem Praefectus Castrorum Iulius Licinus. Lange habe ich gewartet, laborierte zwischenzeitlich an einem tückischen Fieber und wartete anschließend weiter auf eine Nachricht aus Germania. Doch damit ist nun Schluss.


    Er hatte nie eine Antwort erhalten?! Lucia brach entgeistert im Lesen ab. Das konnte doch nicht wahr sein! Erst der Brief an Avianus - den sie zu ihrer Schande noch immer nicht erneut abgeschickt hatte - und jezt das! Aber es schien ja nicht nur von ihr so zu sein. Licinus sollte auch nicht geantwortet haben? Das konnte sich Lucia nicht vorstellen! Da musste irgendwas schiefgelaufen sein! Die ganze Zeit hatte der arme Dives sich Sorgen gemacht! Lucia legte sich mitfühlend die Hand aufs Herz. Das durfte doch nicht wahr sein!
    Den Göttern sei Dank, dass er noch einmal geschrieben hatte! Am Ende wäre wegen irgendeiner dummen Lapalie ihre Freundschaft kaputt gegangen! Mit vor Empöhrung erhöhtem Puls las Lucia weiter.



    Die aktuellen Ereignisse zwingen mich, mein Warten zu beenden und neuerlich schreibend aktiv zu werden. Denn Tiberia Lucia, Roma wird erfüllt von Angst und Schrecken. Es sind furchtbare Szenen, die sich hier abspielen! Die Domus Iulia blieb bislang zum Glück verschont, sodass wir, ich und die Meinen, bisher unbeschadet davongekommen sind. Die kaum einen Steinwurf entfernte Villa Tiberia jedoch, der ehrwürdige Stammsitz deiner Gentilen, wurde gewaltsam mit Äxten aufgebrochen und brutal geplündert. Ein gerade von den Märkten zurückkehrender Angestellter meines Haushalts erzählte mir die grausamsten Geschichten von kaltherzig Enthaupteten, deren Köpfe absolut barbarisch einfach so den Esquilinus Mons hinunter geworfen wurden. Die ehrwürdige Villa Tiberia derweil fiel zu großen Teilen einer Feuersbrust zum Opfer.


    Die tabula entglitt Lucias Fingern und fiel klappernd auf den Tisch. Bitte was war passiert? Hektisch hob sie das Schriftstück wieder auf und las den letzten Abschnitt noch einmal. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Ihr Magen zog sich zusammen und sie schluckte krampfhaft. Ihres nun noch mehr beschleunigten Herzschlages unangenehm bewusst las Lucia weiter. Sie musste es jetzt ganz wissen. Wer? Und: Warum? Dives war nicht so geschmacklos so etwas als einen üblen Scherz zu schreiben, also musste es wahr sein.



    Ich bin noch immer ganz schockiert von der rohen Brutalität dieser marodierenden Meute; noch immer ganz mitgenommen von dem augenscheinlichen Glück, mit dem die Domus Iulia bisher davonkam; noch immer voller Anteilnahme und Mitgefühl für das Schicksal meiner tiberischen Freunde. Habe ich noch vor eine Weile sehr bedauert, dass sich dein geschätzter Bruder Lepidus aus Roma zurückzog, bin ich heuer äußerst froh, dass ihr beide nicht hier seid; dass ihr beide nicht unter den Opfern seid; dass es nicht eure Köpfe sind, die mit angsterfüllten Gesichtern den Esquilinus Mons hinunter in die Tiefe rollen. Minerva möge euch stets mit Speer und Schild verteidigen.


    Lucius war in Sicherheit. Egal wie Lucia in den letzten Jahren zu ihrem Bruder gestanden hatte, bei diesen Zeilen verspührte sie ungemeine Erleichterung. Zwar hatte Dives ihr auf die Fragen nach dem Wer und Warum noch immer keine eindeutige Antwort gegeben, aber das war jetzt kurz nebensächlich. Lucius war am Leben. Trotz ihres Fluches hatte sie nie gewollt, dass Lucius starb, er sollte nur bezahlen. Der Fluch. Lucias Magen sackte erneut nach unten. Bei den Göttern, da war doch nicht ihr Fluch daran Schuld, oder? Das hatte sie nicht gewollt! Das hatte sie nie verlangt! Das konnte einfach nicht sein. Entsetzt kramte Lucia in ihren Erinnerungen. Drei Dinge hatte sie verflucht. Seine Verbindung zu den Göttern, sein Verstand, und er sollte nie einen Erben... nein, die Zerstörung der Villa war nie... Lucia schüttelte wie betäubt den Kopf. Sie musste weiterlesen. vielleicht stand da noch etwas.. irgendetwas...



    In einem Brief an deinen Bruder versicherte ich ihm heute, dass ich ihm jederzeit meine helfende Hand reiche; dass ich zu jeder Zeit brüderlich an seiner Seite stehen werde, wenn es darum geht, die Verantwortlichen für diese abstoßenden Untaten - die neben der Villa Tiberia auch noch mehrere weitere Haushalte in Roma trafen - ihrer gerechten Strafe zuzuführen; und dass die Domus Iulia einem Freund wie ihm jederzeit offensteht. Dieselben Worte richte ich hiermit nun auch an dich - nicht weil ich denke, dass du dieses Angebot als Frau eines Consulars nötig hättest; aber weil es mir ein tief empfundenes Bedürfnis ist, auch dir gegenüber meine Solidarität auszudrücken.


    Mögen die Unsterblichen stets wachen über dich und eure Familia. Vale bene!


    /images/signet/Siegel_IuliaTabula.png



    MARCUS IULIUS DIVES
    SENATOR ET ORATOR


    Das war es. Mehr stand dort nicht. Mit zitternden Händen legte Lucia die tabula auf den Tisch und versuchte tief durchzuatmen - vergeblich. Ihre Brust hob sich nur ruckhaft. Es waren noch andere betroffen... vielleicht war es also doch nicht ihre Schuld. Doch Lucia schaffte es nicht ihre Zweifel und Schuldgefühle zu beruhigen. Am Ende war es nur wieder einer dieser gräßlich verwinkelten Wege der Götter ihren Fluch wahr zu machen. Denn: Ihr Zuhause... es war weg. Ihr einziges wirkliches Zuhause gab es nicht mehr. Ihr Zimmer, ihre Sachen die sie dort gelassen hatte. Der Garten! Alles im Feuer verschwunden. Lucia fühlte sich wie betäubt. Aber wie mochte sich Lucius fühlen? War das ein Schritt für ihn auf dem Weg in den Wahnsinn? Das war es. Entsetzen erfüllte Lucia. Es war ihre Schuld.

    Für einen Moment überlegte Lucia, ob sie sich tatsächlich ein paar Informationen von dem Medicus holen sollte. Dann entschied sie sich aber ziemlich rasch dagegen, viel zu viel Aufwand für eigentlich doch nicht so interessante Fragen.
    Also nickte sie bestätigend. "Da bin ich mir sicher." So sicher man sich bei so etwas unvorhersagbarem wie einer Schwangerschaft eben sein konnte. Lucia machte sich sicherheitshalber noch eine gedankliche Notiz morgen tatsächlich ein Opfer für Seiana zu bringen.


    "Menelaos klingt nach einem echten Künstler.", sprach Lucia vorfreudig. Es versprach lustig zu werden. In ihrer Erfahrung gab es einiges an Drama auf und hinter der Bühne, wenn Künstler auf die echte Welt trafen. Zugegeben hatte sie bisher hauptsächlich mit Musikern zu tun gehabt, aber im Grunde waren diese Darsteller doch alle gleich. "Habt ihr schon irgendwelche Rahmenbedingungen für das Stück abgemacht? ", fragte sie neugierig nach.

    Das Schweigen der Wache und seine auffordend ausgestreckte Hand sprach lauter als Worte es gekonnt hätten. Na, gut. Aber sorgt bitte dafür, dass der Centurio die Nachricht möglichst schnell bekommt., murrte der Junge und übergab den folgenden Brief:

    Mein lieber Verus,


    Ich lade dich hiermit zu einem Picknick im kleinsten Kreise ein. Ich habe gehört, dass es am Ufer des Rhenus schöne Orte geben soll, an denen man sich niederlassen und speisen kann. Du und ich haben viel nachzuholen!


    Gib mir Bescheid, wann du es frühst möglich einrichten kannst. Wir brechen dann von der Regia aus gemeinsam auf.


    Bis bald!
    deine Lucia


    Lucia nippte vorfreudig an ihrem Wein. Leicht, süß, genau richtig für den Sommer. Natürlich würde er in der Hitze Italiens noch besser schmecken, aber Lucia war zufrieden. "Ein sehr guter Tropfen!", lobte sie die Wahl ihres Freundes und nippte gleich noch einmal .


    "Ja, Schwangerschaften können eine lästige Angelegenheit sein.", bestätigte sie. Ihre eigene war nicht so schlimm gewesen, aber sie hatte schon genug andere Beispiele erlebt. "Ich wundere mich, dass die Anstrengung welche eine Schwangerschaft erfordert so unterschiedlich sein kann. Opfern wir nicht alle den Göttern gleichermaßen? Was kann also der Grund sein, dass die einen währenddessen aufblühen und andere wirken als würde das Leben aus ihnen gesaugt?", dachte Lucia laut. Sie hatte sich vorher nie Gedanken darum gemacht, aber fand die Frage für den Moment recht faszinierend. In diesem Zusammenhang konnte auch die Frage gestellt werden, warum manche so leicht empfingen und andere ewig hoffen und bangen mussten. Lucia runzelte leicht die Stirn. Darüber wollte sie im Moment doch lieber erstmal nicht nachdenken.


    "Ich bin schon sehr auf seine Ideen gespannt. Eigentlich auf diesen Mann überhaupt. Kannst du mir ein wenig mehr von ihm erzählen?", Lucia lehnte sich interessiert vor.

    Für eben jenen, bestätigte der Bursche und hob auch schon die Hand, um der Wache den Brief zu übergeben. Doch kurz bevor die Nachricht den Besitzer wechselte zögerte der Junge. Ist das auch der schnellste Weg, dass der Centurio den Brief erhält? Meine Herrin ist keine sehr geduldige Frau. Mir wurde gesagt, ich sollte darauf achten, dass Tiberius Verus den Brief möglichst schnell erhält. Plötzlich leicht nervös ob seiner eigenen Verzögerung in der Sache grinste der Junge übertrieben. Wenn ihr mir zeigt, wo die Poststelle ist, kann ich den Brief selbst dort abgeben... oder noch besser: wenn ihr mir sagen könnt, wo ich den Mann finde, kann ich ihm den Brief persönlich geben. Aus einer fixen Idee fügte der Junge noch hinzu: Dann hättet ihr so gut wie keine Arbeit damit.

    Ein junger Brusche war von Arsinoe beauftragt worden den Brief sicher zu ihrem Vetter zu transportieren. Er hatte den Auftrag gerne angenommen, alles um einmal raus zu kommen! Natürlich war er offiziell furchtbar schnell hierher gelaufen... offiziell. Auf dem Forum hatte es ein bisschen was zu sehen gegeben, da konnte er ja nicht so einfach vorbei hasten, aber das war doch sicher normal.


    Jetzt lief der Junge auf die Portae zu und musterte die Wachposten kritisch. Er hatte noch nie einen Brief überbracht. Das machte normalerweise ein älterer Bursche, der aber schon mit einem Schreiben des LAPP unterwegs war. Den Brief in der Hand ging er also auf die Wache zu und sprach: "Salvete. Ich habe einen Brief von meiner Herrin für Tiberius Verus."
    Er hoffte darauf, dass ihm schon gesagt werden würde was er jetzt tun musste.

    Lucia wollte gerne mal wieder ihren Verwandten sehen. Jetzt war er schon in der Stadt, aber wirkich treffen taten sie sich dennoch nicht. Da Briefe bisher immer ein gutes Kommunikationmittel mit Verus gewesen waren, wollte sich Lucia nun auch wieder darauf verlassen.


    Mein lieber Verus,



    begann sie zu schreiben und hielt kurz inne. Sie wollte ihren Vetter nicht einfach nur zu sich einladen. Dieses Gebäude wurde ihr langsam zu viel, sie musste raus!



    Ich lade dich hiermit zu einem Picknick im kleinsten Kreise ein. Ich habe gehört, dass es am Ufer des Rhenus schöne Orte geben soll, an denen man sich niederlassen und speisen kann. Du und ich haben viel nachzuholen!



    Es würden natürlich noch ein paar Sklaven dabei sein, aber das sollte es danna uch schon sein. Lucia wollte ein paar ruhige private Stunden mit ihrem Verwandten. Sie würden schon in der Kutsche auf dem Weg dorthin gut reden können.



    Gib mir Bescheid, wann du es frühst möglich einrichten kannst. Wir brechen dann von der Regia aus gemeinsam auf.


    Bis bald!
    deine Lucia



    Lucia überflog den Brief nocheinmal und nickte zufrieden. Ja, das klang doch nach einem Plan!
    "Arsinoe!, rief sie nach ihrer Leibsklavin. "Das hier geht an Verus" Sie überreichte Arsinoe den kurzen Brief, sie würde schon dafür sorgen, dass er gut ankam.

    Das Lob ihres Äußeren musste komen, irgendwie war Lucia das natürlich bewusst, das minderte jedoch nicht ihre Freude daran. Sie bekam ihrer Meinung nach viel zu wenige Schmeicheleien hier in Germanien, alle hatten viel zu großen Respekt... oder zu große Furcht vor ihrem Gatten um ein bisschen mit ihr zu tändeln. In Rom war das ganz anders gewesen... Hier drohte sie noch einzgehen, wie eine Blume die nicht gegossen wurde. Dadurch freute sie sich jedoch umso mehr, wenn ihr doch ein Kompliment zuteil wurde. Seneca wurde dementsprechend mit einem strahelnden Lächeln für seine Worte belohnt.


    Seiana schien ihre Schwangerschaft nicht so einfach zu tragen, wie man es Frauen wünschte. "Ich würde mich freuen sie zu sehen, aber ich natürlich verstehe ich es vollkommen, wenn sie sich lieber schonen mag. Es ist keine leichte Arbeit ein kleines Wunder unter dem Herzen zu tragen.", sprach Lucia während sie es sich unaufgefordert bequem machte. "Ich werde morgen in die Tempel gehen und ein Opfer an Alemona für sie darbringen. Sie und Iuno können vielleicht überzeugt werden diese Aufgabe einfacher zu machen."


    Zu den Wegen winkte Lucia nur großmütig ab. Was konnte der arme Seneca für das Wetter hier im Norden? "Ich bin gut hier angekommen.", sprach sie in beinahe zufriedenem Ton. Das Getränk nahm sie aber sehr gerne entgegen und schnupperte daran. Wein? Met? Bier? Sie glaubte kaum, dass Seneca was anderes als guten römischen Wein kredenzen würde, aber sicher konnte sie sich nicht sein. Hatte sie nicht selbst den Met sehr zu schätzen gelernt?

    In einer Wolke aus feinstem Stoff, toupierten Haaren, edelstem Schmuck und einem Hauch absoluter Überlegenheit schwebte Lucia auf ihren wunderbar sauberen, schicken Schühchen ins Triclinium. In der doch etwas schlichteren Umgebung Germaniens mochte der Auftritt gut und gerne ein bisschen zu viel sein. Für römische Verhältnisse war er, so fand Lucia, fast bescheiden. Weder trug sie eine dieser übertriebnen, höchst modischen Perücken, noch hatte sie sich irgendwelche anderen Körperteile als die Ohren für Schmuck durchstechen lassen. Auch fächelten ihr keine Sklaven auf dem Weg Luft zu und ihr Einzug wurde auch nicht von Musik begleitet. In diesem Moment fasste Lucia den Beschluss all das unbedingt mal ausprobieren zu müssen. Man musste doch ein bisschen römische Extravaganz in diese Einöde hier bringen. Doch hier erschien es ihr kaum nötig. Sie war zu Besuch bei einem durch und durch römischen Freund, um Angelegenheiten des Theaters zu besprechen und vielleicht ein bisschen Klatsch und Tratsch auszutauschen.


    Mit einem echten Lächeln begrüßte Lucia Seneca: "Es freut mich sehr dich so bald wiederzusehen, mein Freund! Wie geht es dir? Wie steht es um meine liebe Seiana, ich hab sie schon viel zu lange nicht mehr besucht!"

    Arsinoe hatte kaum die Hand gehoben, da wurde auch schon geöffnet. Angenehm überrascht trat die Sklavin einen Schritt beiseite. Man hatte sie erwartet und war offensichtlich gut vorbereitet. Mit etwas Glück würde ihre Herrin endlich mal froh gestimmt und mit der Welt ein wenig versöhnt von einem Besuch zurückkommen. Arsinoe hielt einen Seufzer zurück. Seit sie hier im Norden waren hatten Arsinoe und die andren Sklaven schon viel zu häufig die immer schlechter werdenden Launen ihrer Herrin ertragen müssen. So vorfreudig wie heute, hatte sich Lucia schon lange nicht mehr auf einen Besuch vorbereitet. Vielleicht bestand ja wirklich Grund zur Hoffnung. Verstohlen schielte Arsinoe zu ihrer Herrin, während diese an ihr vorbeitrat.


    Lucia ließ sich huldvoll in Empfang nehmen und zumTriclinium geleiten, ein echtes Lächeln auf den Lippen.


    Arsinoe nickte zu sich selbst und gab den anderen Sklaven mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie die Kutsche und sich selbst aus dem Weg schaffen konnten. Vielleicht gab es ja auch für sie in diesem gastlichen Haus eine leckere Überraschung. Arsinoe selbst, folgte ihrer Herrin wie ein Schatten, sie hatte noch zu arbeiten, bis Lucia sie aktiv entließ.

    Lucia hatte am Tag zuvor die Einladung erhalten. Die Einladung, die Abwechslung und Bewunderung versprach. Natürlich musste sie dieser Einladung nachkommen!


    Wie immer hatte sie die für eine Frau wichtigsten 5 Punkte perfektioniert: Kleid, Haare, Kosmetika, Schmuck udn nicht zu vergessen Schuhe! Durch einen leichten Regen am Vortag musste sie nun aber auf letztere ganz besonders aufpasssen. Natürlich hatte sie wettrfestere Schuhe, aber die sahen doch nichts aus! Sie hatte wie immer alles an römischer Eleganz aufgeboten, was sie in diesem hinterlezten Eck finden konnte und ihr perfektes Gesamtbild wollte sie auf keienn Fall durch grobe, hässliche Schuhe ruinieren.
    So kam es, dass ein Sklave ein altes Stück Stoff für sie auf den Boden legte, um den Weg von der Kutsche zur Tür nicht matschig zu gestalten, während Arsinoe schon klopfte.

    Sorry Leute, dass ich wieder so wenig aktiv bin.
    Hatte eine sehr unschöne Zeit und brauche noch eine Woche, oder so, um wieder kreativ werden zu können.
    Ich hab fest vor weiter zu schreiben, aber ich fürchte regelmäßig ist aktuell bei mir nicht drin. Sorry!

    Lieber Verus,
    Es kann doch nicht sein, dass unsere tapferen Soldaten so ignoriert werden! Wer ist denn dein Vorgesetzter? Vielleicht kann ich Vala dazu bringen diesem ein wenig Feuer unter dem Allerwertesten zu machen. Denn warum sollten deine Nachrichten an mich ankommen und die Briefe mit deinen Forderungen nicht? Ich kann dir versichern, hier wurdest du nicht vergessen! Egal was du benötigen solltest, bitte sage es mir, ich werde mein Bestes geben dir irgendwie eine Hilfe zu sein.


    Lucia hielt inne, las sich das eben geschriebene noch einmal durch und nickte. Ja, die Zeilen drückten ihre Empörung in einem ausreichenden Maß aus. Es konnte doch nicht sein, dass jemand aus ihrer Familie so schlecht behandelt wurde, dass es sogar auf die Hilfe von Barbaren angewiesen war! So schön der Absatz über die Hilfe der Dorfbewohner auch gewesen sein mochte, in dem Sinne, dass Verus Hilfe bekam. Es war dennoch alles andere als angemessen. Ah, aber zu dem Wachwechsel musste sie noch etwas hinzufügen!


    Was deinen Wachwechsel anbelangt. Auch hier bitte ich dich mir den Verantwortlichen zu nennen. Vielleicht kann ich ja was bewirken.
    Ich hoffe auch, dass der mitgesandte Met angekommen ist. Ich erwähne das hier noch einmal explizit, um sicherzustellen, dass die Boten sich nicht daran gütlich getan haben und so tun, als wäre nie etwas mitgesandt worden.


    Den deprimierenden Abschnitt bezüglich ihres ehemals so großen Namens wollte Lucia lieber ignorieren. Es war ja schon schlimm genug wie es war, man musste nicht auch noch den Finger in die Wunde legen. Die Seherin war jedoch zu interessant um übergangen zu werden.


    Du musst mir unbedingt mehr von dieser Seherin erzählen! Hat die Seherin dir aus der Hand gelesen? Wie sah sie aus? Alt oder jung? Groß oder klein? Hatte sie besondere Kleidung an? Besonderen Schmuck?
    Ich weiß nicht mehr, ob ich es dir schon erzählt habe, aber ich versuche mich mit der hiesigen Religion auseinander zu setzen. Ich habe erstaunlich viele Parallelen zwischen den germanischen Göttern und unseren gefunden. Allein von der Beschreibung deines Talismans würde ich auf die Entfernung behaupten, dass die Seherin dir einen Hammer Thors geschenkt hat. Ich bin mir jedoch nicht sicher.


    Lucia nickte abermals zufrieden. Ja, das wurde ein guter Brief. Doch für den letzten Touch brauchte sie ihre Tochter. Da diese jedoch aktuell noch unterwegs war legte Lucia den Brief zunächst beiseite.

    Wie sollte sie den neuen Brief anfangen? Sie hatte eigentlich gehofft direkt von Avianus auf ihren letzten Brief eine Antwort zu erhalten, aber diese war ausgeblieben. Lange Zeit war sich Lucia sicher gewesen, dass ihre letzte Begegnung mit dem Centurio einfach zu schlecht verlaufen wäre und dass sie nie eine Antwort von ihm zu erwarten hätte. Seit Senecas Besuch sah die ganze Geschichte schon anders aus. Der alte, leicht mitgenommene Brief lag vor Lucia auf dem Tisch und verkündete: Er hat seit über einem Jahr nichts von dir gehört, du bist diejenige, die nicht schreibt.
    Lucia spielte mit dem Siegel am alten Brief herum. Ja, vielleicht half es ihr den alten Brief nochmal zu lesen. Sie war sich ja selbst nicht mehr sicher, was sie geschrieben hatte! Kurz darauf war den Brief entrollt und Lucia begann zu lesen:



    Salve Avianus,
    wie versprochen schreibe ich dir aus Germanien. Diesem seltsamen, rauen und kalten Land. Meine kleine Aquilina hat die Reise gut überstanden und auch ich bin recht unversehrt angekommen.


    Du hast ja keine Ahnung von den Unannehmlichkeiten dieses Landes. Reisen ist ohnehin schon keine reine Freude, doch hier wird sie zur Last. Beständig waren wir von alten, dunklen Wäldern umgeben. Gruselige Gestalten schienen nachts gerade außerhalb des Feuerscheins zu lauern. Das ganze Land ist von einer unangenehmen Energie erfüllt, grob und kalt.


    Natürlicherweise habe ich so etwas wie die führende Rolle unter uns Frauen angenommen und habe versucht durch kleine Dinge das alles angenehmer zu gestalten. Interessanterweise haben selbst die Barbaren hier im Norden in jeder Stadt mindestens ein Bad, wenn es auch nie an die Größe oder Pracht der Bäder in Rom heranreicht. Ich fühlte mich tatsächlich an meine Jugend erinnert, als ich in Mantua im Exil lebte. Aber selbst dort war es zumindest wärmer und vertrauter. Nichts destotrotz ging ich immer mit guten Vorbild voran.
    Ihr Männer denkt immer, wir würden uns nur beschweren. Lass mich dich in ein Geheimnis einweihen. Wir wissen ehr wohl den Unterschied zwischen dem Möglichen und dem nicht Machbaren. Wir fordern aber gerne das Unmögliche, um zumindest alles Mögliche zu bekommen. Mit dieser Taktik habe ich meine Damen gut durch diese triste Zeit gebracht.
    Auch habe ich meine alte Leidenschaft, die Musik wieder entdeckt. Ich glaube ich war noch nie so gewandt beim Spiel, wie aktuell. Ich habe aber auch mit meiner Tochter und einem mir lieb gewordenen Mündel begeisterte Zuhörer gefunden.


    Aber ich fürchte du hast Recht behalten: So unangenehm der Weg auch gewesen war, wirklich aufregendes, das mit deinen Soldatengeschichten mithalten kann, habe ich nicht überstehen müssen. Die größte Herausforderung stellt aktuell das äußere Erscheinungsbild der Regia. Ich werde mich im Frühjahr an ihre Renovierung machen. Jetzt heißt es zunächst aber den germanischen Winter abzuwarten. Ich kann es kaum glauben, aber das Wetter soll dabei noch unwirtlicher werden.


    Wie ist es dir in dieser Zeit ergangen? Gibt es neue Geschichten aus Rom?


    Vale bene,
    Lucia


    „Hm…", machte Lucia nachdenklich und tippte dich unsicher gegen das Kinn.

    Lucia nickte leicht benommen. Da hatte Seneca eigentlich recht, die Umstände waren interessant genug. Auch sie würde sich definitiv freuen, wenn Avianus nach Germanien käme, auch wenn sie aktuell so überhaupt nicht zu sagen vermochte, wie sie darauf reagieren würde. "Vielleicht gelingt es ja in naher Zukunft.", sprach sie dennoch hoffnungsvoll und sei es nur um Seneca gut zuzusprechen.


    Das Theaterstück klang nach einem sehr interessanten Projekt. "Das finde ich eine wunderbare Idee!" Begeisterte sie sich auch sogleich für ihre Rolle und das Projekt insgesamt. "Ich würde jedoch gerne zunächst einmal die Theaterleute kennenlernen und auch den Ort der Aufführung. Gibt es schon Ideen für das Stück, oder ist da alles noch offen? Hat es schon Interessierte aus der Gegend gegeben?" Fragen über Fragen, aber Lucias Interesse war eindeutig geweckt.

    Lucia genoss es von ihrer Gegenüber bestaunt zu werden. Natürlich bekam sie auch hier in der Provinz bewundernde Blicke. Sei es für ihr Erscheinungsbild, ihre Frisur, ihre Kleidung oder einfach für ihre Position. Doch so eine direkte unverholene Bewunderung... Das war lange her. Bisher hatte Lucia das Gefühl gehab, dass bei vielen hier in Germanien doch eine gewisse Abneigung in den bewundernden Blicken mitschwang. Das mochte allein ihrer Enbildung entspringen, doch für Lucia waren diese Eindrücke nur zu eindeutig. Das Schweigen, die Blicke und schlussendlich die Worte Runas sprachen aber eine ganz andere Sprache. Reine, pure Bewunderung, ohne irgendwelche weiteren Gedanken. Lucia genoss es zu tiefst.


    Ohweh, da kamen die schwierigen Fragen. Selbst nach zwei Bechern Met waren diese Fragen einfach zu komplex, immernoch zu brenzlig und teilweise auch zu peinlich, als dass sie einfach mit der Wahrheit beantwortet werden konnten. Lucia bis sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Sie würde den ersten Teil der Frage einfach ignorieren. Musste doch niemand wissen, dass sie Vala nichts von dieser Ehre erzählt hatte. Das war ihr eigener kleiner Schatz, diese Ehre gehörte nur ihr und niemanden sonst. Vermutlich würde es bald herauskommen. Sie war ohnehin verwundert, dass sie es bis jetzt geheim halten konnte, aber noch ein bisschen wollte sie diesen Schatz für sich behalten.
    Der zweite Teil der Frage würde wohl die Standardgeschichte als Antwort erhalten, die sie immer erzählte: "Mein Bruder hat uns vorgestellt. Er benötigte Valas Unterstützung, weshalb wir zu Valas Insel gefahren sind. Ich sollte mitkommen, um die Verhandlungen einfacher zu machen. Ein freunldicher Blick, ein sanftes Wort geht oftmals weiter, als drei Stunden zähes Ringen unter den Männern. Ich scheine meine Arbeit auch recht gu gemacht zu haben. Das war der Anfang der Karriere meines Bruders. Vala hat ihn und er Vala unterstützt. Aber vielleicht hab ich meine Arbeit aber auch zu gut gemacht. Vala fragte mich am Ende unserer Zeit dort schon, ob ich ihn heiraten wolle. MICH fragte ER, zu diesem Zeitpunkt! Ich war mir sicher er würde scherzen. Es war so lächerlich!"
    Oh? Der Met schien Lucias Zunge doch etwas mehrgelöst zu haben, als sie beabsichtigt hatte. Sie zögerte, als ihr ihre eigenen Worte klar wurden und griff verunsichert nach dem Becher, um noch ein Schluck zu trinken.

    "Die ein oder andere? Das klingt aber schon etwas spezifischer.", versuchte Lucia vorsichtig nachzuhaken. Das klang doch nach einer interessanten Geschichte. Doch an ihrem ersten Treffen mit der Duccia wollte sie lieber nicht zu aggressiv vorgehen.


    Natürlich war Lucia nur zu gerne bereit die Wiege der Kaiserin vorzuführen. Das Interesse war ihr mehr als recht, wodurch sie die Eigeneinladung ihrer irgendwie-Anverwandten überhaupt nicht bemerkte. "Aber gerne doch! Ich würde mich freuen, wenn du mal auf ein Schwätzchen vorbei kommst und dann werde wir sicher eine Gegelegenheit finden das gute Stück zu betrachten."
    Und natürlich wurde auch der letzte Köder bereitwillig geschluckt. "Weit gefehlt. Der Wiege war ein Schreiben beigelegt, mit dem mich die Augusta in den Palast einlud. Mich und meinen kleinen Augenstern. Natürlich nahm ich die großügige Einladung an und verbrachte einen wundervollen Nachmittag mit der Augusta. Sie hat an alles gedacht gehabt. Es gab sehr gute Verpflegung, einen leichten Sommerwein, ab den ich mich heute nch gerne zurückerinnere. Hier gibt es solche Weine leider nicht. Außerdem hat sie bunte Bänder für mein Kind zur Ablenkung aufhängen lassen, es sah einfach wundervoll aus. Außerdem führten wir ein sehr ... interessantes Gespräch in dessen Verlauf ich die Klientin der Augusta wurde." Bumm. Das sollte doch gesessen haben. Stolz richtete sich Lucia auf und lächelte überlegen. Das konnte mit Sicherheit nicht viele von sich behauten, egal wo im römischen Imperium sie sich aufhielten.

    Lucia war überwältigt von all den Neuigkeiten zu Avianus. Was hatte sie nicht alles verpasst! Das alles nur, weil eine Posttasche verloren gegangen war... und weil sie es sich nicht getraut hatte abermals zu schreiben. Sie hätte auch früher schreiben können, dann wäre der Brief vielleicht garnicht verloren gegangen. Oder.. oder.. oder... Jetzt war es dch eigentlich egal. Lucia nickte mit noch immer leicht geöffnetem Mund. "Das... sind ganz schön große Neuigkeiten. Ich wusste nicht, dass Avianus so viel Ehrgeiz in sich hat! Weißt du noch mehr?", hakte sie neugierig nach.


    Ja, das Wetter konnten wohl nur die Götter ändern und diese schienen hier ihren Spaß zu haben. Doch die Erwähnung eines Theaterstückes ließ Lucias Augen aufleuchten. Sie lehnte sich interessiert vor und hatte sogleich tausend Frageb: "An welches Theaterstück hast du denn gedacht? Wie weit ist deine Planung denn schon gedien?" Die Andeutung, dass sie Patin stehen könnte, gefiel Lucia außerordentlich gut. Sie nickte mit einem nachdenklichen Lächeln. "Das würde mir sehr gefallen. Aber was würdest du dir denn von einer Patin so alles erhoffen?" Nur den Namen und Rang dazuzubringen würde kein Problem darstellen. Geld vielleicht schon. Lucia wartete neugierig.

    Natürlich fragte Duccia nach dem Genussmittelchen. Lucia wäre enttäuscht gewesen, wenn ihre Gegenüber das nicht täte. Das hieß aber noch lange nicht, dass Lucia da jetzt näher darauf eingehen würde. Es gab ja zum Glück noch genug anderes zu berichten.
    „Aber natürlich besuche ich meine Lieblingsfeindin. Ich habe sie auch immer mal wieder zu mir eingeladen.“ Lucia machte durch ihre Tonlage deutlich, dass der nächste Satz ein Zitat war „Halte dir deine Freunde nahe, aber deine Feinde noch viel näher!“ Sie nickte bestärkend und führte aus: „Wie sonst willst du auf dem Laufenden bleiben, was sie als nächstes Vorhaben könnte? Es ist viel schwerer jemandem direkt unter dessen Nase etwas Böses zu wollen. Es ist natürlich möglich, aber es erfordert schon einiges mehr, als wenn man den anderen maximal aus der Ferne sieht.“ Lucia musterte Runa kurz kritisch und schüttelte dann nachsichtig den Kopf. „Aber warum sollte man hier solche Taktiken benötigen.“, murmelte sie anschließend eher zu sich selbst. Noch ein Punkt, den sie an Rom vermisste. Die Leute hier waren einfach viel zu… brav? Lucia war sich nicht sicher, ob das das richtige Wort dafür war, aber es genügte.


    Uuuuund Duccia biss an. Lucia lächelte zufrieden und stellte ihren leeren Becher beiseite. „Ich hab zunächst natürlich nicht mehr erwartet. Meine Aufmerksamkeit war auch ein wenig von dem Kind in mir in Anspruch genommen.“ Der Blick, mit den Lucia Duccia nun betrachtete, konnte mit „du kennst das sicher“ übersetzt werden. „Die Tage vergingen und die Geburt rückte immer näher. Als die Wehen endlich einsetzten war ich ehrlich gesagt erleichtert. Kurz zumindest.“ Lucia lachte und wedelte die unschönen Erinnerungen an die Geburt in einer gezierten Geste davon. „Wenige Tage nachdem ich meinen kleinen Augenstern zur Welt brachte bekam ich ein Schreiben der Augusta. Sie gratulierte mir zur Geburt meiner Tochter und schenkte mir eine wundervolle Wiege. Ich hab diese mit hierher gebracht.“ Lucia gestikulierte grob in die Richtung, in der sie ihr Heim vermutete (womit sie vermutlich falsch lag). „Die Augusta ist so umsichtig und großzügig! Man möchte meinen, dass dies schon ausreichte…“, wieder lies Lucia ganz bewusst das Ende offen und grinste inzwischen breit.