Beiträge von Tiberia Lucia

    Darüber, was ihr Bruder nun gemeint haben könnte, wollte sich Lucia jetzt nicht zu viele Gedanken machen. Da würden sich am Ende Abgründe auftun, vor denen sie lieber die Augen verschloss. Er war einfach doch ein Familienmensch und machte sich angemessene Sorgen. Punkt, Aus.


    Na, wenigstens etwas. Zufrieden lehnte sich Lucia ein wenig zurück, als ihr Bruder ihr Geld zusicherte. Was dann kam klang eher nach Arbeit, aber sie nickte bestätigend. „Ich werde einfach charmant mit vielen Worten nichts sagen, mach dir keine Gedanken.“ Wenn sie etwas konnte, dann war es Small-Talk in eine Richtung zu leiten, die ihr gefiel. Zumindest glaubte sie das von sich selbst. Doch neugierig wie sie war, musste sie die nächste Frage einfach stellen: „Warum willst du denn nun wirklich der Veneta nicht beitreten? Es ist doch immerhin Durus‘ Factio. Hast du schon eine andere im Blick? Magst du nicht immer in seinem Schatten stehen?“ Manchmal kamen einem die besten Ideen, während man redete. Das bemerkt Lucia immer wieder und plötzlich schien ihr ihre letzte Frage als eigentlich schon ziemlich logische Antwort.

    Lucia war mehr als zuversichtlich, dass der nächste Gang ihrer großen Ankündigung gerecht werden würde. Immerhin durfte so ein Schauspiel bei keinem wichtigeren Essen fehlen, zumindest hatte sie das so gelernt. In späteren Zeiten würde das, was jetzt kam, wohl als Tierquälerei verurteilt werden, doch jetzt war es einfach ein Heiden Spaß!


    Sklaven räumten den letzten Gang ab und brachten eine große, gläserne Schale mit Überlauf auf der einen Seite. Sie füllten das kleine Becken mit ein wenig warmem Wasser und dann wurden auch schon die drei Meerbarben gebracht. Lucia fand es immer wieder erstaunlich, wie langweilig grau diese Tiere eigentlich waren. Auch hoffte sie, dass die Tiere nicht zu klein in den Augen ihres Gastes wirkten, aber größere wären einfach viel zu teuer geworden und hätten auch nicht so schön in dem Becken schwimmen können. Die Fische wurden in das lauwarme Wasser gesetzt und ahnten noch nichts Böses, als Sklaven mit Eimerweise heißem Wasser den Raum betraten. Dann begann das Spektakel und die Fische wurden bei lebendigem Leib gekocht. Dabei wandelte sich ihre schlichte graue Färbung nach und nach zu einem strahlenden Rot, einem Sonnenuntergang gleich.


    Alles funktionierte wie geplant und Lucia entspannte sich zusehends. Mit den Barben war der Höhepunkt des Abendessens erreicht worden, es folgten aber noch einige weitere Gänge und für Lucia, dem Schleckermäulchen, am wichtigsten: Der Nachtisch.
    Spät am Abend wurde Dives - mit Sicherheit gut gesättigt - in die Nacht entlassen. Lucia dachte grade noch rechtzeitig daran einem Skalven aufzutragen das Rezept für die Globi an einen von Dives Gefolge zu geben.
    Kaum hatte sich die Tür hinter ihrem Besucher geschlossen fiel auch die gesamte Anspannung von Lucia ab und sie wie ein Stein ins Bett.

    Da dachte wohl jemand er wäre es… weil er eine Tür bewachen durfte. Lächerlich! Lucia musterte den Ianitor wie es nur eine Patrizierin konnte: Mit der größtmöglichen Herablassung welche mit der geringstmöglichen Anstrengung der Gesichtsmuskeln möglich war. Doch sobald er die Tür geöffnet hatte, schien sie ihn auch schon wieder zu vergessen. Wie eine Fliege die einen eben kurz geärgert hatte, weil sie einem vorm Gesicht herumgeschwirrt war, die nun aber mit weniger als einem wedeln der Hand vergessen war.


    Natürlich ohne sich in irgendeiner Weise hetzen zu lassen, betrat Lucia das Gebäude und schritt zum großen Saal. Die prächtige Ausstattung nahm sie zwar wahr, ließ sich aber nicht davon beeindrucken und verrenkte sich schon garnicht den Hals – wie würde das denn aussehen?


    Mit einem sanften Lächeln betrat Lucia den großen Saal, als würde sie hier schon seit ehedem ein und ausgehen. Ihr Blick schweifte über die Anwesenden auf der Suche nach Dives. Nach wenigen Momenten hatte sie ihn entdeckt und schritt ihm entgegen. Es gehörte sich natürlich nicht die Männer bei ihrem Gespräch zu unterbrechen, das hatte sie auch nicht vor, aber sie hoffte doch von dem Iulier ebenfalls rasch entdeckt und dadurch von ihm angesprochen zu werden.

    Wie von Lepidus vorgeschlagen war Lucia alleine auf dem Weg zur Vollversammlung der Factio Veneta. Sie wusste nicht so genau was sie dort erwartete und wie sehr sie über ihren Bruder oder sonst wen ausgefragt werden würde, dementsprechend nervös war sie: Auf dem Weg zum Ort der Veranstaltung wibbte sie ununterbrochen mit ihrem Fuß, auf den letzten Metern knetete sie sogar ihre Finger, doch sobald sie aus der Sänfte stieg war ihr davon nichts mehr anzumerken.


    Sie trug aus Solidarität zur Factio ein extra für den Abend gekauftes, hellblaues Kleid, und dazu passenden neuen Schmuck und Sandalen. Da sie aber kein Mitglied war, traute sie sich an fast nichts Dunkelblaues heran, lediglich in ihre Frisur krönte eine dunkelblaue Aster. Sie hatte die Blüte bei ihrem Einkaufsbummel entdeckt und sofort gewusst, dass diese perfekt war für diesen Anlass: Sie hatte nicht nur die richtige Farbe, nein, bei ihrem ersten Treffen hatte Dives ihr einen Strauß Astern mitgebracht und sie wollte ihm damit zeigen, dass sie es nicht vergessen hatte.


    Beim Ianitor angelangt wurde Lucia von ihrer Leibsklavin, welche ihr wie ein Schatten folgte und als Anstandsdame fungierte, vorgestellt: „Salve. Meine Herrin Tiberia wurde von Marcus Iulius Dives eingeladen als sein Gast an der Vollversammlung der Factio teilzunehmen.“ Da keine der beiden Frauen eine Ahnung hatte, wo genau sie hin mussten hofften sie auf den einen oder anderen hilfreichen Hinweis des Ianitors.

    Abwarten, das mochte Lucia so überhaupt nicht! Aber sie hatte die letzten Jahre gelernt sich damit zu arrangieren. Sie nickte zu allem was ihr Bruder sagte mit Inbrunst und hoffte gleichzeitig dass die Begegnung und auch das Zusammenleben mit ihrem Vetter harmonisch verlaufen würde. „Du bist mein Bruder!“, erwiderte Lucia auf dessen letzten Worte zu dem Thema und ihre Stimmlage machte deutlich, dass ihre Loyalität allein durch diese schlichte Tatsache klar sein müsste. „Hast du denn eine Ahnung, wann Alaha hier auftauchen könnte?“, musste sie dann aber doch neugierig fragen.


    Dann wechselte das Thema und das war sogleich um einiges erfreulicher! Auch wenn sich Lucia bei der einen oder anderen Formulierung seitens Lepidus fragte, was er genau damit andeuten wollte, so war die Möglichkeit einer solchen Einladung zu folgen doch viel zu spannend um sich mehr Gedanken um die Wortwahl ihres Bruders zu machen. Doch jetzt hieß es für sich das bestmögliche herauszuschlagen! Ihre Gedanken rasten, während ihre Augen leuchteten. „Ich müsste dort natürlich meinen Stand würdig vertreten…“ Ihr Lächeln zeigte nur zu deutlich, was nun wohl kommen musste: „Ich kann da unmöglich in einem alten Kleid und mit abgetragenen Schmuck hin!“ Ihr Lächeln verbreitete sich zu einem fast wölfischen Grinsen. Gebannt wartete sie auf die Reaktion ihres Bruders.

    Inzwischen hatte sich Lucia daran gewöhnt, dass sich Lepidus ganz gerne selbst reden hörte und hin und wieder war es ganz nett auf diesem Wege Einblick in seine Gedanken zu bekommen. Es erstaunte Lucia immer wieder, wie naiv sie doch war. Sie versuchte zwar gerne abgeklärt und vorrausschauend zu denken, doch ihr wäre nie in den Sinn gekommen, dass Verwandtschaft ein Problem sein könnte. In der Familie, und grade bei so nahem Verwandheitsgrad, sollte man doch zusammenhalten! Damit – oder so ähnlich - schloss Lepidus Monolog dann auch und Lucia nickte heftig.
    „So wird es doch sicher nicht sein! Und wenn doch brauchst du dir wegen mir keinerlei Sorgen zu machen!“, begann nun Lucia ihrerseits zu reden: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Vetter… nein! Wenn er hierher kommt werden wir ihm zeigen, wie gut es um die Villa steht und wessen Verdienst das ist!“ Mit der Sorge die Villa zu verlieren hatte Lepidus seiner Schwester am meisten Angst gemacht. Die Erbschaft, das war nur eine vage Vorstellung, aber wenn sie die Villa verlieren würden… dann müsste sie im schlimmsten Fall zurück nach Misenum! Wieder in die ‚Verbannung‘ in die Langeweile… Das durfte schlicht und einfach nicht passieren! „Die Sklaven hier hören auf uns, die Leute erwarten wenn sie hierher kommen dich zu sehen und die Zulieferer kommen zu mir.“, zählte Lucia an ihren Fingern ab, was alles dafür sprach dass sie hier bleiben konnten. Würden die Sklaven zu ihr halten wenn es Probleme gab? So lange wohnte sie nun auch noch nicht hier… Gab es bei normalen Haussklaven überhaupt so etwas wie Treue? Auf Sekunda konnte sie sich auf Gedeih und Verderb verlassen, das wusste sie. Aber sie verrannte sich hier grade in was… lieber zurück zum Thema: „Wie können wir uns vorbereiten?“ Hatte Lepidus schon einen Plan? Fragend blickte Lucia zu ihrem Bruder auf.

    Wie immer waren die Antworten von Lepidus zunächst alles andere als ausführlich. Lucia sollte sich inzwischen ja eigentlich wieder daran gewöhnt haben, doch es ärgerte sie jedes Mal aufs Neue! Konnte er nicht einfach gleich erzählen, was es gab? Musste er sie so quälen? Er machte das doch sicher mit Absicht! Er wusste genau, dass Lucia ihn bei so was am liebsten schütteln würde, wie damals als sie noch klein waren, es sich aber nicht erlaubte weil sie sich selbst nun zu den vornehmen Erwachsenen zählte. Ihre Blicke durchbohrten ihren Bruder regelrecht, während er da so demonstrativ naschte… Nun sag schon! Welche Neuigkeiten!? Sie biss die Zähne zusammen, um kein Wort zu verlieren und versuchte ihren Bruder unverbindlich anzulächeln.
    Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, sprach er doch von sich aus weiter und Lucia war stolz nicht nachgefragt zu haben. Natürlich hatte sie von dem Adoptivsohn schon gehört, immerhin kannte sie ihren Stammbaum fast in und auswendig. Da sie nicht wirklich weiter dachte, war ihr erster Kommentar über Alahas Wohlbefinden: „Wie schön!“ Und auch die darauf folgende Neuigkeit über die Geburt eines weiteren Verwandten nahm sie mit Freude auf. So ein neue Leben war doch immer was Wunderbares! Erst Lepidus seltsame Worte stießen Lucia mit der Nase auf die Tatsache, dass es wohl auch ein Problem an diesen ganzen Nachrichten gab. Sie runzelte verwirrt die Stirn und sprach defensiv: „Du weißt, dass du dich immer auf mich verlassen kannst!“ Kurz zögerte sie und überlegte, kam aber nicht wirklich drauf, was Lepidus nur meinen könnte! „Wofür…?“, Lucia wollte fragen und auch wieder nicht und so hing nur dieses eine Wort im Raum.

    Den Göttern sei Dank, sie hatte den totalen Absturz verhindern können! Lucia atmete möglichst unauffällig erleichtert aus und nahm die Bedingungen, die ihr Burder hier stellte gerne an. Sie wollte etwas dazu sagen, kam aber nur zu einem Nicken, da ihr Bruder total unvermittelt eine riesige Neuigkeit einfach in den nächsten Satz miteinfließen ließ. Beinahe hätte Lucia das sogar überhört, wenn Lepidus nicht nochmal extra darauf eingegangen wäre. "Aber das ist ja wunderbar! Habt ihr schon viel miteinander besprechen können? Wie ist er?", kommentierte Lucia begeistert und klatschte freudig in die Hände. Sextus Aurelius Lupus, ein klangvoller Name den sich Lucia sicher leicht würde merken können.


    Wie ein Schatten war der Sklave wieder in den Raum gehuscht gekommen und stellte nun ein Tablett mit Getränken und Früchten bereit, nur um sich gleich wieder unsichtbar zu machen. Lucia hatte vor längerem Mal versucht an diesen Kerl ranzukommen, aber auch Sekunda hatte aus ihm nicht wirklich etwas herausholen können. So kam es dass Lucia sich nicht mal bei seinem Namen sicher war. Also verbannte sie den Sklaven wieder aus ihren Gedanken, griff nach einer Mirabelle und naschte von der süßen Frucht.

    Daran hatte Lucia ja noch garnicht gedacht... Manlia war ja eigentlich ein patrizischer Name... Sollte sie Lepidus einfach im Unklaren lassen? Das würde vielleicht ein paar Tage, vielleicht sogar Wochen oder Monate gut gehen, aber dann würde er am Ende ihre angeblichen Verbindungen nutzen wollen und dann würde alles Auffliegen...
    "Ich Mann heißt Manlius Macatus, er ist im Tuchhandel tätig und hat damit ein Vermögen gemacht. Ich fürchte nur ich muss deine Begeisterung bremsen...", Lucia biss sich leicht schuldbewusst auf die Unterlippe. "...so weit ich weiß gehören sie nur zu einem plebejischen Zweig der Familie. Aber ehe du etwas dagegen sagst: Sie werden sicher Verbindung zum patrizischen Teil der Familie pflegen, worüber wir sicher auch noch diese kennen lernen können!", der Gedanke war Lucia eben gekommen und sie hatte ihn schnell herausgeplappert. "Und Malia ist wirklich die beste Quelle für Gerüchte, die man sich vorstellen kann!", schob sie ein in ihren Augen nicht unwichtiges Argument hinterher.


    "Dann werde ich einfach ein paar nette Kleinigkeiten mitführen, die nicht viel Platz wegnehmen und zur Not später nochmal verwendet werden können.", erklärte Lucia was sie vorhatte und dachte sich dabei, dass sie wohl doch ihre besten Stücke und einiges an Zierrat mitbringen würde!

    Lucia musste wider Willen kichern. Ihr Bruder und gutaussehend? Daran hatte sie noch nie gedacht. Für einen Moment versuchte sie Lepidus mit den Augen einer Frau und nicht einer Schwester zu sehen, doch es wollte ihr nicht gelingen. Zugegeben er war nicht verunstaltet und seine Gesichtszüge ebenmäßig und er war jung... hässlich war er nicht... Sie würde später mal Sekunda und die kleine Putzsklavin zu rate ziehen, was die vom Aussehen ihres Bruders hielten. Ja, das könnte sie wieder eine Weile beschäftigen, aber da kam ja jetzt eh erst die Reise, das war Beschäftigung genug!
    "Wann möchtest du denn aufbrechen?", fragte Lucia neugierig nach. "Wenn du möchtest, kann ich heute Abend noch kurz bei Manlia Veara vorbeischauen und sie vorsichtig auf diesen Duccius abklopfen. Vielleicht gibt es ja das eine oder andere Gerücht über ihn, oder sonst ein Klatsch der mit ihm zu tun hat." Wenn Lepidus jetzt zustimmte konnte er nicht allzuviel gegen ihre Verbindung mit der Plebejerin haben und daran würde sie ihn in Zukunft erinnern. Er hatte nämlich recht: Man musste immer schön langfristig denken!
    "Denkst du dort werden noch andere Frauen sein? Soll ich was spezielles mitnehmen, als mögliches Geschenk?", natürlich fragte sie nur wegen dem Geschenk! Es hatte überhaupt nichts mit der Tatsache zu tun, dass sich Frauen nur noch mehr herausputzten, wenn sie wussten dass es Konkurrenz geben würde.

    Eine Reise auf eine Insel? Lepidus hätte beinahe recht gehabt, denn nur wenige Sekunden mehr und Lucia hätte mit dem 'Warum? Wieso? Weshalb?' angefangen, so war sie einfach. Sie holte schon Luft, als ihr Bruder doch weitersprach und für seine Verhältnisse ganz schön ausführlich die Zusammenhänge erklärte.
    Duccius, den Namen hatte sie doch schon irgendwo mal gehört, oder? So einen ungewöhnlichen Klang konnte man doch nicht so einfach vergessen... Die Erinnerung lauerte am Rande von Lucias Gedächtnis, aber sie konnte diese nicht ganz einfangen. War das bei der Zurschaustellung des Usurpators gewesen? Sie konnte es nicht beschwören, weshalb sie sich bemühte die Sache wieder zu verdrängen.
    "Ich komme nur zu gerne mit! Solange ich nicht wieder für fünf Jahre dort bleiben muss.", erwiderte Lucia mit einem Zwinkern. "Du hast nämlich leider recht, die Freundin der ich absagen muss ist leider auch nur eine Plebejerin, auch wenn ihr Mann im Tuchhandel reich geworden ist. Über sie wollte ich dann auch noch mit dir reden, aber erstmal nochmal zu dieser Reise: Wie ist es denn ausgerechnet auf dich gekommen?" Das klang jetzt irgendwie verkehrt... "Du verstehst schon was ich meine, oder? Habt ihr schonmal Geschäfte zusammen gemacht? Oder hat er sich einfach gedacht: Ich lade mir einen Tiberier ein, da wird schon was gutes bei rumkommen?"

    Ihr Bruder war ja noch nie der Typ für Plänkeleien gewesen, aber dass er so schnell zur Sache kam verwunderte Lucia dann doch. Sie hatte immer angenommen, dass er das eitle Geplauder ein wenig an ihr übte. Immerhin konnte man sie als die Expertin in diesem Gebiet betrachten und e sgab doch sicher gelegenheiten, bei denen auch Lepidus über das Wetter und die allgemeine Gesundheit sprechen musste. Umso besser wenn er darin ein wenig Übung hatte, wenn es ihm so überhaupt nicht zuflog.


    Das was jetzt kam, musste etwas ganz schön wichtiges sein und schon war Lucias Neugierde geweckt. „Ich wollte mich übermorgen eigentlich mit einer… Freundin in der Therme treffen, aber das ist nichts was ich nicht verschieben könnte. Und die üblichen Aufgaben hier im Haushalt können die Sklaven für ein paar Tage auch ganz gut alleine bewerkstelligen…“, begann sie vorsichtig. Sie wollte ja nicht zu neugierig wirken... Doch das war wirklich genug um den heißen Brei herumgeredet! Ihr Bruder gehörte ihrer Meinung nach nämlich auch nicht zu den spontanen Menschen, was war es also das ihn so kurzfristig planen ließ? „Warum fragst du?“ Lucia versuchte möglichst nichts zu Drängendes in diese Frage zu legen, obwohl ihre Neugierde kaum mehr zu bremsen war.

    Die Versteigerung begann und Lucia wunderte sich über deren rückwärtigen Charakter. War es nicht normalerweise so, dass die Leute so viel boten wie sie bereit waren zu bieten und im Eifer des Gefechts sogar mehr? So umgekehrt, wartete da nicht jeder einfach ab, bis der Preis tief genug für ihn war? Genau das schien hier auch das Problem zu sein… beschwerte sich doch ein Mann gerade über den erhöhten Preis. Ob der pfiffigen Reaktion des Auktionators musste Lucia schmunzeln, bezweifelte aber gleichzeitig dass er so einen Käufer finden würde. Aber vielleicht waren Fischereien auch einfach nicht so beliebt…


    Unvermittelt flüsterte Sekunda: „Ist das dort nicht deine Klatschfreundin aus der Therme, Herrin? Manlia Laeva?“ Sie deutete unauffällig in Richtung eines breiten Rückens, den orange-gefärbte Locken herunter wallten. Das musste sie eigentlich sein, hatte sie sich doch erst vor kurzem darüber beschwert, dass ihr Henna von niedriger Qualität verkauft wurde. Das war wohl das Ergebnis des trotzigen Versuches es trotzdem auf ihre Haare anzuwenden... Mit einem amüsierten Lächeln trat Lucia zu ihrer Freundin und tippte sie an. „Salve Manlia, wie schön dich zu sehen! Was führt denn dich hierher?“ Die Frau drehte sich um und schien kurz davor Lucia an ihre üppige Brust zu drücken.
    „Salve Tiberia! Gleichfalls! Gleichfalls! Das Gleiche könnte ich dich fragen. Mein Mann hofft auf eine Weberei… leider haben wir auch schon einen Konkurrenten hier entdeckt. Hoffentlich schnappte er uns den Betrieb nicht vor der Nase weg! Zuzutrauen wäre es dem Lump!“ Lucia schmunzelte: „Ich war einfach nur neugierig und dachte es wäre ganz spannend hier. Wenn ich nun aber auch noch mit euch mitfiebern kann, umso besser!“
    „Ja, gesell dich zu uns! Ich muss dich auch gleich mein Mann vorstellen... Macatus! Macatus! Bist du taub?“ Ein mindestens ebenso beleibter Mann drehte sich um und zeigte ein nervöses Schweinchen-Lächeln. „Salve Tiberia. Es freut mich dich kennen zu lernen, meine Frau hat schon viel von dir erzählt.“ Das konnte nur Höflichkeit sein, war Lucia doch selten auch nur zu Wort gekommen, wenn sie die ältere Frau in der Therme traf. Wie wollte Manlia da etwas von ihr erzählen können? Doch da es sich so gehörte, erwiderte Lucia prompt: „Ich hoffe nur Gutes!“
    „Aber ja, aber ja! Was soll man auch sonst von einem so entzückenden Wesen wie dir erzählen?“ , fiel Manlia ihrem Mann ins Wort und beanspruchte Lucia so auch gleich wieder für sich. „Siehst du das dünne Klappergestell dort drüben mit dem unmöglichen, grünen…“, wurde da auch schon die nächste Klatschgeschichte angefangen und Lucia ließ sich nur zu gerne darauf ein.

    Lucia freute sich Lepidus so regelmäßig zu sehen und zu sprechen. Es hatte zwar etwas Geschäftliches wenn sie so regelmäßig in seiner Officium kam, aber es zeigte ihr zumindest dass er sie ernst nahm. Meist hatte sie nicht viel außer Klatsch zu berichten, was man halt so auf dem Markt und in der Therme auf schnappte, doch das schien ihren Bruder zu genügen. Inzwischen hatte sich Lucia mit einer älteren Dame angefreundet, welche sie regelmäßig in der Therme traf. Die gute Frau liebt es die neusten Klatsch und Tratschgeschichten zu verbreiten und Lucia war eine willige Zuhörerin. Dummerweise war die Frau vom niedrigeren Stand, auch wenn ihr Mann ein beachtliches Vermögen im Tuchhandel machte. Und nun wollte Lucia ihrem Bruder fragen ob es trotzdem möglich wäre die Frau auch offiziell zu treffen, ohne ihrem Ruf zu schaden.


    Auch die Besuche des Duumviren und ihre Verwandten wollten nochmal besprochen werden und Lucia war gespannt wie ihr Bruder diese einschätzte. Es war interessant was für unterschiedliche Blickpunkte sie doch häufig hatten.


    Vorfreudig klopfte Lucia an die Tür des Officiums und trat sogleich ein. „Salve Bruder! Ich hoffe dir geht es heute so gut wie mir! Ist das Wetter nicht wundervoll? Nicht mehr gar so heiß, aber immer noch wunderbar warm und alles fängt an zu reifen. Bald gibt es wieder alle möglichen frischen Früchte!“

    Da ihre Haussklaven wussten, dass Lucia immer auf der Suche war nach neuen Möglichkeiten sich die Langeweile zu vertreiben, hatte der Schreiber bei dem einen Flugblatt sofort an die junge Herrin gedacht. Die kleine Putzsklavin hatte ihrer Herrin den Zettel mit neugierigen Blicken überreicht und darauf gewartet dass Lucia sie über dessen Inhalt aufklärte. Das Mädchen konnte offensichtlich nicht lesen, vielleicht sollte sie das noch ändern... Aber erstmal zu dem Zettel: anscheinend würden bald große Staatsbetriebe versteigert werden! Zwar hatte Lucia keinerlei Interesse einen zu kaufen aber es war Mal was Anderes und wer wusste es schon so genau – vielleicht war ja doch etwas für Sie dabei…


    Um nicht alleine dorthingehen zu müssen hatte Lucia all Ihren Freunden, Verwandten und Bekannten Bescheid geben lassen. Es war alles ein wenig kurzfristig, weshalb sie nun doch allein hier stand, aber sie hoffte den einen oder anderen hier vor Ort zu treffen. Aber was heißt alleine? Neben Lucia stand wie immer ihre Treue Leibsklavin Sekunda, geradeso als wäre sie der Schatten der Tiberia. Ein männlicher Sklave stand direkt hinter Lucia und schirmte sie ein wenig von der drängelnden Menge ab, er hatte heute die Aufgabe auf die Patrizierin aufzupassen. Keine leichte Aufgabe inmitten dieser Massen.


    Lucia war noch nicht lange da, da begann das ganze Spektakel auch schon. Das sollte wohl mit einem Fischerei-Betrieb losgehen und sie rümpfte leicht die Nase. Allein das Wort Fischerei ließ sie wieder an Misenum denken, als Küstenstadt nicht weiter verwunderlich ist hatte es dort immer ein wenig nach Fisch, sagen wir mal höflich, gerochen. Dieser Betrieb interessierte junge Frau nicht im geringsten, also machte sie sich einen Spaß daraus die anderen Menschen hier drin zu beobachten. Sah irgendjemand so aus als ob er gleich aufspringen und bieten würde? Wer waren überhaupt die ganzen Leute die dort saßen? Und was musste man tun um auch einen Sitzplatz zu bekommen? War sie einfach nur zu spät gewesen... Das könnte sein… aber als Patrizierin… Lucia war sich unsicher, immerhin war es unwahrscheinlich dass sie etwas kaufte, weshalb sie so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich lenken wollte. Aber so ein Sitzplatz sah schon verlockend aus!

    Das durfte doch nicht wahr sein! Seit Tagen hatte sich Lucia darauf gefreut endlich mal wieder in Rom, in der Stadt schlechthin, einkaufen zu gehen! Was sie nicht alles kaufen wollte: Stoffe, Schmuck, Tinkturen, Schminke, Parfüm und natürlich die ganzen Kleinigkeiten, die man als Frau von Welt einfach brauchte. Sie hatte sich beinahe euphorisch ausgemalt, was sie nicht alles erstehen wollte und sich dabei überhaupt keine Gedanken darum gemacht, was das alles denn kosten würde. Und was machte ihr Bruder, ihr herzallerliebster Geizkragen von einem Bruder!? Er gab ihr ein grade zu lächerliches Taschengeld mit! Gut, andere konnten davon ein Jahr lang leben, wenn es sein musste… Aber sie würde sich grässlich einschränken müssen! Es war eine Unverschämtheit! Lepidus tat ja grade so, als ob sie die letzten Jahre besonders verschwenderisch gewesen wäre! Was hätte sie denn in Misenum groß ausgeben können? Gut, Stoffe und Schmuck bekam man auch dort… Aber sie war wirklich sparsam, geradezu spartanisch gewesen! Immerhin hatte sie niemanden gehabt, vor dem sie hätte angeben können… Jah, sich selbst wollte sie natürlich auch gefallen, aber das war um einiges günstiger gewesen als es hätte sein können! Darauf könnte Lepidus ja wenigstens mal Rücksicht nehmen! Sie brauchte diese neuen Sachen! Sie brauchte sie!


    „Beruhige dich, Herrin!“, flüsterte Sekunda Lucia zu, als die beiden mit der Sänfte am vereinbarten Treffpunkt ankamen. „Genieße den Tag und lass dir deinen Ärger nicht anmerken! Du bist eine Tiberia, benimm dich auch so!“ Lucia schnitt ihrer Sklavin eine Grimasse, schluckte dann aber ihren Ärger hinunter und setzte ihr bestes Lächeln auf. „Gut genug für dich?“, kam die zickige Frage und Sekunda senkte demütig, aber zufrieden den Kopf. Neugierig stieg Lucia aus der Sänfte und schaute sich suchend um, waren ihre beiden neuen Freundinnen schon da?

    Alle schienen mit dem Gang einigermaßen fertig zu sein, was Lucia zum Anlass nahm einer der im Schatten wartenden Sklavinnen ein unauffälliges Zeichen zu geben.
    Zu Flaminina gewandt sprach sie ihre eigene Vorfreude nicht ganz verbergen könnend: „Dann ist es abgemacht, ich werde dir einfach in den nächsten Tagen einen Boten schicken, wenn ich Zeit habe und du gibst mir Bescheid ob du dann auch kannst.“ Dieser ‚Mal schauen ob ich einen Termin in meinem Kalender frei hab‘-Trick war schon uralt, aber Lucia tat gerne so als ob sie vielbeschäftigt wäre.
    „Danke, ich hoffe du magst Muscheln? Als nächstes wird es In Milulis(In Weißwein, Kümmel und Schnittlauch gekochte Miesmuscheln) geben, der Koch hat mir versichert diese wären eine seiner Spezialitäten.“ Sie selbst konnte mit Muscheln nicht so recht warm werden, aber sie würde ihnen wohl noch eine Chance geben. Kaum hatte Lucia es ausgesprochen, trugen die Sklaven auch schon den nächsten Gang auf. Geschickt tauschten sie die halb leergegessenen Teller gegen die Neuen aus und verschwanden wieder ohne allzu viel Aufsehen zu erregen.

    Während ihres Spieles war Lucia zur Ruhe gekommen, das traurige Lied bewegte sie immer wieder, doch jetzt wo es vorbei war beschleunigte sich ihr Herzschlag wieder. Hatte es gefallen? Die Stille machte sie fast wahnsinnig, war diese gut oder schlecht?! Dann sprach endlich Dives und Lucia entließ erleichtert den angehaltenen Atem, worauf sie ihm dann noch ein Lächeln schenkte. „Danke, ich freue mich dass es gefallen hat!“, erwiderte sie automatisch, während ihre Gedanken wanderten: Wunderschön, hatte er gesagt und dabei doch sehr ergriffen gewirkt! Die Lyra noch immer im Schoß entspannte sich Lucia sichtlich und ihr Blick wollte schon weiter zu ihren Bruder wandern, als Dives noch ein Kompliment draufsetzte. ‚Von Apollo geküsst‘, das trieb der jungen Frau dann doch ein wenig die Röte in die Wangen. Das war zu viel des guten, oder doch nicht… nein, es gefiel Lucia außerordentlich so gelobt zu werden, sie würde nur zu gerne noch mehr davon hören!
    Und tatsächlich tat Lepidus ihr den Gefallen, wenn auch nicht so wortgewandt wie Dives. „Bruder, du machst mich ganz verlegen! Danke!“, beschied sie mit einem Lächeln und winkte ab, entgegen dem was sie eigentlich wollte, einfach weil es sich so gehörte. Sie gab ihre Lyra zurück an den Sklaven, erhob sich elegant und trat zurück an ihre Kline. „Ich werde mir eben noch ein zwei Globi gönnen, aber dann könnten wir schon den nächsten Gang kommen lassen, oder? Dieser ist ein kleines Spektakel für sich!“, hier war sich Lucia sicher, dass sie ein wenig Spannung aufbauen konnte, denn sie war ja selbst davon begeistert das endlich mal wieder sehen zu können.