Beiträge von Tiberia Lucia


    Stesichoros


    "Ich komme, ich komme!", hörte man nach einiger Zeit dumpf die atemlosen Worte durch die Tür. Da verschwand man nur mal für einen Moment um einem Bedürfnis nachzugehen und promt musste es natürlich klopfen!
    Die Tür öffnete sich endlich und Stesichoros begrüßte den Besucher: "Salve, Herr. Was kann ich für dich tun?"

    „Ich müsste ohnehin mal wieder einkaufen gehen, all meine Sachen kommen aus Misenum und ich hätte doch wirklich lieber aktuelle und modische Stoffe hier aus Rom. Außerdem liebe ich es einfach mir Schmuck anzusehen und anzulegen! Die Verkäufer behaupten ja ohnehin bei jedem Teil dass es einem unvergleichlich gut steht und man garantiert nichts Besseres im ganzen römischen Reich finden könnte…“, Lucia verdrehte die Augen. Im Grunde hatte sie nichts gegen Schmeicheleien, aber wenn es um eine ernste Kaufentscheidung und ihr Aussehen ging wollte sie doch lieber die Wahrheit hören! „Ich könnte eine ehrliche Meinung gebrauchen und irgendwas sagt mir, dass ich da bei dir richtig bin.“ Sie lächelte Flaminina zu und wusste selbst nicht so genau, ob sie deren Unverstelltheit nun gut finden sollte oder eher bemitleidenswert.


    „Naja, Spezialgebiet, das hier ist mein erstes großes Essen, es freut mich aber dass es dir so gut gefällt!“ Als perfekt würde Lucia den Abend nun nicht bezeichnen, sie störten so viele Kleinigkeiten, aber ganz gut gelungen war er doch schon! Sie schielte zu den anderen hinüber und versuchte abzupassen, wann es Zeit war für den nächsten Gang.

    Na, da wollte es eine aber genau wissen. Lucia zog amüsiert die Augenbrauen nach oben und schüttelte grinsend den Kopf. „Also ein nach dem anderen: Ich weiß nicht ob du es mitbekommen hast, aber die letzten Jahre war jemand an der Macht, der die Familie Tiberia nicht so wirklich leiden konnte.“ Reiß dich zusammen Lucia! Sarkasmus hilft jetzt auch nicht weiter! Lächle entschuldigend, ja so ist es gut, und nun freundlich weiter! „Ich war auf Anweisung meines Bruders in unserer Villa Rustica in Misenum und hab das Ende des Bürgerkrieges abgewartet. Es hat länger gedauert als wir befürchteten, aber jetzt ist es ja zum Glück vorbei und wir können ja gemeinsam das ‚neue‘ Rom für uns erkunden!“ Ja, der Vorschlag gefiel Lucia, es würde zwar wahrscheinlich anstrengend werden mit der Decima hier an ihrer Seite aber immernoch tauendmal besser als sich in der Villa zu Tode zu langweilen!


    „Mitgeholfen ist gut.“, gluckste Lucia auf Flamininas nächste Frage. „ Ich habe das alles alleine organisiert.“ Da schwang eindeutig Stolz über diese Tatsache mit! Man konnte es Lucia an ihrer Nasenspitze ablesen, dass sie jetzt nur zu gerne eine professionelle Meinung zu dem Ablauf bisher haben würde.

    Zufrieden nahm Lucia Lepidus‘ Kompliment an und war nicht minder angetan, wie gut die Mohn-Globi bei dem Duumvir ankamen. Sie nahm sich selbst von den Gries-Kügelchen und ließ sie sich auf der Zunge zergehen. „Ja, nicht wahr? Diese Mohn-Globi gehören zu meinen Lieblingsspeisen – ich könnte jeden Tag davon naschen. Wenn du möchtest kann ich unserem Koch die Anweisung geben einem deiner Sklaven das Rezept auszuhändigen.“ Das Thema gefiel ihr doch gleich wieder viel besser, nur leider schien der Iulius wirkliches Interesse an ihrer Familiengeschichte zu haben und brachte Lepidus dazu weiter zu erzählen. Mit einem unterdrückten Seufzen steckte sich Lucia ein Honigkügelchen in den Mund und versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass es doch wirklich unglaublich interessant war die Geschichte zum x-ten Mal zu hören!


    Irgendwie hatte es Lucia geschafft ein interessiertes Gesicht zu machen, während die Worte ihres Bruders bei ihr zu einem Ohr rein und zum anderen wieder herausgingen. Sie tat sich an dem Naschwerk gütlich und sagte sich, dass die Stimme von Lepidus zusammen mit der Musik im Hintergrund ein angenehmes Rauschen ergab, was doch ganz unterhaltsam klang. Die Geschichte war vorüber und Lucia atmete auf, bis Lepidus entschied dass es Zeit für ihr Lyraspiel wäre. Sofort schlug Lucias Herz schneller und sie glaubte dass es im Raum um mehrere Grad heißer geworden sein musste. Dennoch brachte sie ein Lächeln zustande. „Gerne, lieber Bruder.“, sprach sie und an einen Sklaven gewandt: „Hol meine Lyra.“ In der kurzen Zeit, welche der Sklave brauchte um zu ihrem Zimmer und wieder zurück zu laufen, überlegte Lucia fieberhaft was sie vorspielen sollte, sprach jedoch dabei an die Männer gewandt: „Seid bitte gnädig mit mir, grade im direkten Vergleich zu unseren Musikern hier wird mein Spiel wohl etwas simpler ausfallen.“ Sie senkte lieber ein wenig die Erwartungen, dann war die eventuelle Enttäuschung, sollten ihre Finger ihr nicht gehorchen, nur halb so groß. Als der Sklave, das Instrument vorsichtig wie ein rohes Ei balancierend, wieder eintrat hatte sich Lucia für ein Lied entscheiden. Sie stand von der Kline auf, im Liegen würde sicher nichts daraus werden, und ein Sklave stellte ihr einen Hocker zurecht. Sie platzierte die Lyra in ihrem Schoß, legte die rechte Hand an die Saiten und kündigte an: „Dieses Stück heißt ‚Wenn wir uns jemals wiedersehn‘.“ Lucia atmete möglichst unauffällig nochmal tief durch und begann endlich das doch recht melancholisch-getragene Lied. Sie hatte es sicher schon hundert Mal gespielt und schloss nun die Augen, um ihre Zuhörer auszublenden. Die Melodie wurde wie jedes Mal in ihren Gedanken lebendig und erzählte die Geschichte von dem Abschied zweier Liebenden, da der Mann in den Krieg ziehen musste. Ein Akkord führte zum nächsten und auch wenn Lucia nie das ganze Lied hätte aufschreiben können, so wusste sie doch nach jedem Griff welcher als nächstes zu folgen hatte. Sie spielte routiniert und fehlerfrei und als die letzte traurige Note verklang öffnete sie mit einem erleichterten Lächeln die Augen.

    Sie schien den richtigen Zeitpunkt abgepasst zuhaben, bemerkte Lucia zufrieden und machte es sich auf der Kline zusammen mit Flaminina bequem. Sie bediente sich beim Essen und hörte erfreut, dass die junge Frau neben ihr scheinbar das Gespräch fortsetzen wollte, das war doch um einiges angenehmer als während des Speisens in unwohles Schweigen zu verfallen. Kurz überlegte Lucia, während sie den Bissen zuende kaute und sprach dann mit einem entschuldigenden Lächeln: „Ich muss ehrlich zugeben, dass mich deine zweite Frage selbst schon länger quält. Ich bin ja auch erst vor kurzem nach Rom zurückgekehrt und irgendwie ist alles anders als früher. Viele Plätze, wo ich früher gerne war – vor allem viele Geschäfte – gibt es nicht mehr. Ich kümmere mich um das Haus und die Sklaven, lese und spiele, geh dann und wann in die Therme und hin und wieder darf ich ein Essen für Gäste vorbereiten. Ich muss sagen das vertreibt die Langeweile mit am besten. Und du? Wie schaut dein Tag aus?“

    Die gute Calena schien auch nicht so recht zu wissen, welchem Gespräch sie nun folgen sollte. Lucia konnte einfach nicht anders, sie runzelte die Stirn über das Benehmen ihrer entfernten Schwägerin. Jetzt machte doch glatt Flaminina den besseren Eindruck, auch wenn Lucia ganz schön schockiert war, dass die Frauen sich selbst die Haare richteten. War das eine Marotte? Hatten sie Spaß daran? Warum überließen sie diese Tätigkeit nicht ihren Sklaven? Da ging die junge Tiberia doch lieber auf das zurückkommende Kompliment ein: „Danke! Es freut mich dass es dir gefällt! Das heißt es war die Zeit wert die es dauerte, bis Sekunda sie in diese Form gebracht hatte.“ Damit hatte sie hoffentlich deutlich genug impliziert, dass sie auf eine praktische Vorführung Flamininas verzichten konnte.


    Es war eindeutig Zeit, die ganze Gruppe weiter in das Triclinium zu bewegen. Verus würde wohl mit seiner Frau eine Cline teilen, Lucia mit Flaminina und Lepidus wäre dann alleine auf seiner, das passte - oder? Lucia erhob sich also mit einem sanften Lächeln und sprach: „Ich denke es ist Zeit: Darf ich euch ins Triclinium bitten? Dort erwartet uns schon die erste Vorspeise.“ Sie gestikulierte zum Nachbarraum, in dem schon Sala Cattabia auf den Tischen angerichtet wurde. Die Brotlaibe sahen auf den ersten Blick unversehrt aus, doch als alle ihren Platz eingenommen hatten traten die Sklaven nocheinmal hervor und hoben die Deckel von den Brottöpfen. Jeder war mit einer anderen Art von - man kann es wohl ‚kalten Auflauf‘ nennen. Der eine war mit Sellerie, der andere mit Fleisch, wieder ein anderer war eher süß gehalten. Die Brote waren nicht allzu groß, aber die Auswahl war riesig.

    War ja klar gewesen, dass ihr Bruder wieder sticheln musste! Immerhin war er derjenige gewesen, der sie in den Tempel eingeladen hatte und danach nie wieder ein Wort darüber verlor. Am liebsten hätte Lucia eine Grimasse gezogen… Aber Besuch war da und sie musste sich zusammenreißen. „Es hat sich bisher noch keine Gelegenheit ergeben.“, formulierte sie diplomatisch und spießte dabei ihren Bruder förmlich mit Blicken auf. Dann kam die Familiengeschichte, oder viel eher Familienlegende. Früher hatte Lucia jede einzelne Erzählung schier in sich aufgesogen, inzwischen hätte sie die Worte mitsprechen können. Die Prophezeiung beschäftigte sie schon immer und in der Zeit ihrer freiwilligen Verbannung hatte sie zumindest für sich festgestellt, dass sie ohne Rom nicht konnte. Aber was konnte eine Frau schon machen, was das Wohl und Weh einer so großen Stadt beeinflusste? Sie konnte zumindest ihren Bruder unterstützen, damit dieser einen Unterschied machen konnte. Sie sandte Lepidus ein verschwörerisches Lächeln. „Ich bin mir sicher, es wird wieder bergauf gehen. ‚Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder‘“ Sie wusste selbst nicht so genau, ob sie ihren Bruder mit diesem Homer-Zitat nun necken wollte oder es an sich ernst meinte.


    Die zweite Vorspeise wurde serviert. Ein Teller war über und über gefüllt mit Globi. Die walnussgroße Grieß-Honig-Kugelnwaren noch warm und teils in Honig, teils in Mohn gewälzt worden. Da man keine Chance hatte diese zu Essen, ohne sich die Finger schmutzig zu machen, wurde sogleich auch eine Waschschüssel von einem Sklaven im Hintergrund bereitgehalten. Auf einem anderen Teller wurden als herbere Alternative Datteln im Speckmantel dargereicht oder als drittes Moretum (ein herzhafter Schafskäse Aufstrich) auf noch warmen Paniculi (Brötchen mit eingebackenem Lorbeerblatt).

    Lepidus gab sich aber ganz schön bescheiden und klein! Übertrieb er es da nicht ein wenig zu sehr? Zugegeben: Es klang schön dramatisch, so wie er von dem ‚wenig an Kraft‘ sprach und Dives reagierte auch noch genauso wie es sich Lepidus gewünscht haben musste. Aber Lucia hatte Mühe sich nicht an einem Melonenstück zu verschlucken. Sie hatte versucht einem amüsierten Kichern mit dem Essen vorzubeugen, doch das wäre beinahe in den falschen Hals geraten. Sie räusperte sich möglichst leise, versuchte den starken Reflex laut zu Husten zu unterdrücken und das seltsame Gefühl mit großen Schlucken verdünnten Weines herunter zu spülen. Doch natürlich bekam sie die Situation nicht ganz lautlos in den Griff. Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Kopf purpurrot angelaufen war.


    Es war ziemlich interessant mitzuhören, was sich die Herren - insbesondere Dives - so für die Zukunft vorstellten. Lucia kam nicht drum rum sich zu fragen, ob sich nicht auch der Iulier mehr (zu)trauen sollte. So wie er es erklärte, warum er zunächst nicht nach allzu Großem streben wollte, klang es schon irgendwo logisch, aber auch so… ängstlich? Lucia blickte den Mann nachdenklich an und konnte nicht umhin bei seinem Weinbecher-Krug-Vergleich leicht die Stirn zu runzeln. ‚Wer nicht wagt der nicht gewinnt!‘, hätte sie jetzt nur zu gerne eingeworfen und musste sich unauffällig auf die Zunge beißen um ruhig zu bleiben. Es lohnte sich, denn schon wenige Sätze später zeigte sich, dass der Duumvir von Ostia doch Ehrgeiz hatte. Eine Senatorenwürde strebte er also an, nicht schlecht! Und das mit dem von ihm finanzierten Kultbild empfand Lucia nicht als wenig beeindruckend und das zeigte ihr Gesichtsausdruck auch.


    Die dann doch recht unvermittelte Frage an sie selbst, erwischte sie kalt. Verwirrt blinzelte sie und fragte: „Wie soll ich es denn mit dem römischen Götterkult halten?“ Sie zögerte einen verwunderten Moment lang, dann begann ihr Kopf wieder zu arbeiten und sie fuhr fort: „Ich denke doch wie jede andere Römerin auch. Ich verehre die Die Consentes, allen voran natürlich Minerva.“ Das verstand sich als Tiberia schließlich von selbst… Bisher war Lucia einfach nur froh gewesen, dass ihr überhaupt etwas zu sagen einfiel. Das Beten und die Opfer waren für sie so selbstverständlich, dass sie sich nie Gedanken darüber gemacht hatte, wie man das in Worte fassen konnte. „Doch ich muss zugeben, dass ich persönlich unblutige Opfer bevorzuge… Mit wird bei den blutigen immer ein wenig flau.“ Selbst wenn sie einigen Abstand zur Opferung selbst hatte, so war ich doch schon von frühester Kindheit an, bei dem plitschenden Geräusch des tropfenden Blutes mulmig geworden.

    Calena war ganz nach Lucias Geschmack, sie wusste sich zu benehmen und wie sie innerhalb dieser Grenzen Einfluss ausüben konnte. Sie lenkte geschickt die Aufmerksamkeit von ihrem Mann zu Lepidus. Zwar würde sich Lucia natürlich keinesfalls darauf einlassen schlecht von ihrem Bruder zu sprechen, doch die Höflichkeit gebot eine Antwort - vielleicht mit einer kleinen Spitze - und das machte Lucia grad unglaublichen Spaß: „Ich habe meinen Bruder seit wir Kinder waren nicht mehr gesehen, aber ja, als Zehnjähriger hat auch er gerne mal über die Stränge geschlagen.“ Mit einem amüsierten Zwinkern versuchte Lucia den Vergleich von Verus mit einem Kind abzumildern, schließlich waren sie Verwandte und sollten bis auf ein paar Neckereien doch möglichst miteinander auskommen. Nichts destotrotz nahm sich Lucia vor später Lepidus zu fragen, was denn diese ständigen Andeutungen bedeuten sollten.


    Die Männer unterhielten sich und Lucia bemühte sich auch für die Frauenrunde passende Themen anzuschneiden: „Deine Frisur gefällt mir wirklich gut, Calena und auch deine ist äußerst geschickt gemacht, Flaminina, darf ich fragen wer eure Haare gelegt hat?“ Gut, es war nicht das kreativste Thema, aber immerhin etwas. Bald wäre es wohl auch so weit ins Triclinium weiter zu wandern, wo dann das eigentliche Essen beginnen würde. Lucia versuchte ihrem Bruder einen Blick zuzuschmuggeln, um ihm klar zu machen, dass er die Gesellschaft gerne weiterführen könnte, es war alles bereit. Doch ob ein Kerl so einen vielgeschichteten Blick auch würde deuten können? Lucia bezweifelte es. Doch sie würde ihrem Bruder die Chance lassen.

    Sim-Off:

    *spring* :D


    Zu tiefst erleichtert hörte Lucia die Zustimmung ihres Bruders, ob ihrer Verwandtschaftseinschätzung und schenkte ihm ein Lächeln. Bei der Gesundheit ihres Verwandten hätte sie noch mitreden können, doch das Gespräch wurde wieder politisch, weshalb Lucia lieber still zuhörte und lernte. Sie amüsierte sich ein wenig, als Lepidus den für ihn typisch nachdenklichen Ausdruck bekam. Wie früher, als sie noch Kinder waren! Was er wohl jetzt schon wieder ausheckte? Sie verstand bei den vielen Andeutungen, welche die Männer machten, vielleicht grade mal die Hälfte, wenn überhaupt. Und von Minute zu Minute hatte sie mehr, was sie gerne gefragt hätte. Doch sie vertröstete sich auf später, wenn sie allein mit Lepidus reden könnte. Vielleicht würde er ja die Geduld aufbringen und ihr einiges erklären.


    Da behagte ihr das Thema ‚Wagenrennen oder Gladiatoren‘ doch um einiges besser. Der Iulier schien ebenfalls Wagenrennen zu bevorzugen, das verbuchte Lucia mal als Punkt für sich. Es war doch immer schön mit dem Gast einer Meinung zu sein, ohne diesem nachplappern zu müssen. Doch Lepidus beendete dieses Gespräch und leitete zum Triclinium über. Lucias Herzschlag beschleunigte sich unter dem ungeduldigen Blick ihres Bruders. Hatte sie den besten Zeitpunkt verpasst? War sie zu unaufmerksam gewesen? Musste Lepidus denn so direkt sein, hätte er ihr nicht irgendein Zeichen geben können? Nun gut, ganz ruhig, Lucia, das ist jetzt eh nicht mehr zu ändern, du machst das schon! Sie bemühte sich um ein Lächeln und erhob sich elegant. Wenigstens die Sklaven funktionierten wie sie es sollten und richteten die erste Vorspeise an. Lucia ließ sich auf ihren angestammten Platz nieder und hatte ihrerseits keine Probleme damit, nachdem sich ihr Gast genommen hatte, etwas von den süßen Früchten zu gönnen. Sie hatte dafür gesorgt, dass in jedem Gang mindestens eins ihrer Lieblingsgerichte vertreten war. Was für einen Sinn hatte es denn sonst die Gastgeberin zu sein, wenn man sich nicht auch selbst eine Freude damit machen konnte? Vor allem da das Thema nun endgültig ins politische oder zumindest ins Karriere planende abgerutscht war, wo es ihr ihre Erziehung verbot mitzureden, ohne direkt gefragt zu werden.


    Außerdem war sie nun ohnehin gespannt, wie die erste Unterhaltungseinlage des Abends ankommen würde. Diese hatte mit dem Betreten des Tricliniums ihren Startschuss bekommen und wenn man die Ohren spitzte, konnte man schon jetzt leise Klänge aus den hinteren Teilen der Villa kommen hören. Langsam aber sicher wurde die ruhige, begleitende Musik vernehmlicher. Da Lucia wusste dass sie kommen würden, war es wohl nicht verwunderlich, dass sie die Musik zuerst wahrnahm und sie lächelte zufrieden. Es konnte wohl kaum einen unaufdringlicheren Einstieg geben als diesen. Ein Lyraspieler und ein Flötenspieler kamen mit langsamen, gleichmäßigen Schritten dem Triclinium immer näher, bis sie in wiegenden Bewegungen den Raum betraten. Die beiden Männer waren mit Blumenkränzen gekrönt, ihre Tuniken aus gutem Stoff und die Klänge ihrer Instrumente äußerst angenehm selbst für verwöhnte Ohren, wie es Lucias waren. Die Musiker nahmen in einer mit Topfpflanzen eingerahmten, zu ihren Kränzen passend geschmückten Ecke Aufstellung und begleiteten die Unterhaltung mit unaufdringlichen Tönen. Sie waren allzeit bereit, sollte das Gespräch erlahmen, ein Lied oder was auch immer gewünscht wurde vorzutragen.

    Er jammerte… Lucia wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Zugegeben, sie hatte direkt gefragt und sollte somit eine direkte Antwort erwarten, doch das Bild, was sich hier bot war so überhaupt nicht das eines Mannes, mehr das einer Maus. Vor allem der Teil in dem Verus offen aussprach sich vor der Verantwortung zu fürchten, schreckt sie ab. So etwas sagte man als Mann einfach nicht! Selbst wenn man danach gefragt wurde, gab man es eindeutig nicht zu!


    Doch ihre gute Erziehung legte Lucia wieder enge Fesseln, was ihre Reaktion anging auf. „Ohweh“, war das erste was sie herausbrachte und legte sich dabei eine Hand ans Herz. Es war nicht gut, wenn ein Tiberier in dieser Situation war, überhaupt nicht gut! Das beeinflusste doch das Ansehen der gesamten Familie! „Hast du denn schon mit meinem Bruder darüber gesprochen? Ich bin mir sicher, er könnte dir helfen eine Stellung zu finden, die deinem Stand angemessen ist. Er kennt auch einige einflussreiche Leute, denen er dich vorstellen könnte.“ Sie sprach mit einem nachdenklichen Gesicht, den Blick in die Ferne gerichtet. „Vielleicht wäre es auch nicht verkehrt, wenn du darüber nachdenken würdest dein Glück in Ostia zu versuchen. Ich glaube dort ist es einfacher als hier in Rom… Aber das vermute ich leider nur…“

    Tiberius Dolabella, Lucia runzelte die Stirn. Sie hatte vor längerem Mal den Stammbaum der Familie gelernt, als Frau sollte man ja auch besser wissen, wer zu wem gehört. Sie erinnerte sich an zwei Dolabellas, mindestens… Aber die zwei, die sie sicher wusste waren Brüder, womit das für ihren Verwandtschaftsgrad ja keinen Unterschied machte. Sie waren die Vettern ihres Großvaters… nein des Urgroßvaters! Also waren sie ihre Vettern ersten, zweite… Moment, wenn einer der Urgroßeltern der letzte gemeinsame Verwandte war, war es zweiten Grades, dann musste Dolabella… weiha! „Wenn ich mich richtig entsinne“, hob Lucia vorsichtig an. „Dann müsste Tiberius Dolabella ein Cousin 4. Grades von uns sein. Der Vetter unseres Urgroßvaters.“ Sie blickte stolz über ihr Gedächtnis von Dives zu Lepidus… und bekam urplötzlich das Gefühl, dass diese Frage eigentlich keine so genaue Antwort gebraucht hätte. Sie hatte sich so in das Rätsel der Verwandtschaft vertieft, dass ihr wohl ein wichtiger Teil der Unterhaltung entgangen war und das war ihr jetzt mehr als peinlich. Rasch griff Lucia nach ihrem Weinbecher und tat so als würde sie trinken, um ihr immer röter werdendes Gesicht dahinter zu verstecken. Sie sollte wirklich besser zuhören! Zuhören und lernen und nicht mit irgendwelchem unnützen Wissen angeben wollen! Herrje, wie schrecklich peinlich!


    Als sie dann wieder von Dives auf ein anderes Thema, diesmal die öffentlichen Spiele, angesprochen wurde, überlegte Lucia dreimal wie sie am besten antwortete. Da sie ihren Gast aber auch nicht einfach so mit Stille mehr oder weniger strafen wollte, begann sie vorsichtig: „Ich habe leider schon sehr lange weder das eine noch das andere sehen können.“ Sie lächelte verlegen. „Aber auch wenn ich Gladiatorenkämpfe durchaus… spannend finde, so hab ich die Rennen doch in besserer Erinnerung. Bei Gladiatorenkämpfen kann alles so plötzlich vorbei sein, oft bekommt man nicht mal den entscheidenden Schlag mit, zumindest ging es mir so. Eben sieht alles noch ausgeglichen aus und plötzlich liegt einer der Kontrahenten im Staub und du weißt nicht wieso…“ Das klang ja jetzt fast so als wäre sie zu langsam für diesen Sport, das wollte sie nun auch nicht sagen… Irgendwie schien ihr grad jeder Witz und geistiger Esprit abhandengekommen zu sein. „Ach, ich rede dummes Zeug. Entschuldige. Alles was ich sagen wollte, ist dass mir die Rennen besser gefallen, ich aber leider schon lange keines mehr gesehen habe.“ Na wenigstens ein wenig gerettet, oder? Am liebsten hätte sich Lucia schon wieder hinter ihrem Wein versteckt, aber sie wollte ja auch nicht als Säuferin gelten und so lächelte sie tapfer und fasste sich in einer selbstkritischen Geste an die Stirn.

    Ihr Bruder hatte offensichtlich auch in der schlimmsten Zeit nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten. Das machte Lucia auf eine gewisse Weise stolz, flöste ihr aber auch noch im Nachhinein Angst um Lepidus ein. Ein Glück dass ihm nichts weiter passiert war!
    Sie treffen, um ihre reine Gesinnung zu prüfen? Lucias Blick pendelte zwischen skeptisch und amüsiert. Hatte ihr Bruder etwa noch was vor, dass er wissen musste, wie es um Iunias politische Einstellung stand? So hätte sie Lepidus ja gar nicht eingeschätzt! Man lernte wohl doch noch jeden Tag etwas dazu.
    Still amüsierte sich Lucia, zuckte schelmisch mit den Schultern und erwiderte: „Ich kann ja mal einen Brief schreiben und ihn zum Sitz der Gens schicken, vielleicht ergibt sich dadurch ein Treffen und alles Weitere kommt dann fast schon von allein.“ Zumindest stellte sich Lucia das so vor. „Es wird nett sein, etwas mit einer gleichaltrigen und ähnlich gestellten unternehmen zu können.“ Es blieb zwar noch der Unterschied Plebejer – Patrizier, aber das war ja gar nichts im Vergleich zu Sklave – Patrizier, was momentan Lucias meisten Kontakt ausmachte.
    Sie wollte gerne noch mehr sagen, da wurde sie aber ungeschickt angerempelt. „Au!“, sie wich in Richtung ihres Bruders aus und bat sich die Schulter reibend: „Können wir auf dem Heimweg weiterreden? Offensichtlich wollen noch einige den Usurpator sehen.“ Ob der Rempler sich jetzt entschuldigt hatte, oder nicht, bekam sie nicht mal mit.

    Zunächst schien Iunia regelrecht begeistert von der Themenwahl zu sein; die Purpurea war also ihre erste Wahl. Die Begeisterung sprang förmlich auf Lucia über und ein Strahlen machte sich auch auf ihrem Gesicht breit. Sie nahm sich fest vor sich besser über die einzelnen Factiones zu informieren, jetzt wo das normale Leben wieder losging, wollte sie doch mitreden können!
    Doch plötzlich änderte sich Iunias Stimmung schlagartig. Leicht verwirrt konnte Lucia noch „Mich auch, vale!“ erwidern, ehe sie auch wieder alleine mit ihrem Bruder war.
    Sie schielte zu ihm hoch und fragte neckend: „Ihr kennt euch also?“ Da würde sie doch jetzt gerne mehr darüber hören!