Beiträge von Tiberia Lucia

    Germanien der letzte Schrei? Lucia schnaubte amüsiert. Ein Schrei nach Hilfe vielleicht! Wer ging schon freiwillig in diese von den Göttern verlassene Provinz? Naja, ihr Mann offensichtlich, aber der war eh ein halber Barbar, das konnte man wohl kaum zählen! Die Frage sollte daher wohl eher lauten: Welcher gute Römer ging schon freiwillig an den A….llerwertesten der Welt?
    „Na, dann können wir ja versuchen uns gegenseitig in unseren Briefen zu überbieten“, forderte Lucia Avianus amüsiert heraus. Sie war sich sicher, dass so eine Reise in die Pampa und der Umgang mit den Barbaren dort nichts überbieten konnte.
    Das Rätsel? Das hatte Lucia schon fast wieder vergessen, genau wie Avianus Antwort darauf. Doch so ungefähr wusste sie noch, wie sie auf den Brief reagiert hatte: „So gut, dass ich weibliche Hilfe vermuten möchte.“, neckte Lucia. „Die Lösung des Rätsels liegt inzwischen bei mir daheim in einer Wiege und hält heute Nacht mal nur ihre Amme und Sekunda auf Trab.“, verriet sie dann noch mit einem sanften Lächeln, dass man in der Dunkelheit natürlich wieder nicht wirklich erkennen konnte. Sie freute sich darauf morgen ihre Kleine wiederzusehen! Sie konnte es kaum mehr erwarten. Vielleicht sollte sie doch noch versuchen zu schlafen, dann ging die Zeit schneller herum.

    "Charmant wie immer!" Lucia zog eine kleine Grimasse. "Natürlich hättest du nichts anders machen sollen, ich hätte vielleicht... ach ist doch auch egal!" Sie zuckte mit den Schultern und straffte diese anschließend. "Es ist jetzt tatsächlich egal, ich werde Rom wahrscheinlich verlassen. Es ist noch nichts offiziell, aber da die Augusta schon bescheid weiß, wird es sich wohl nicht vermeiden lassen." Man konnte nur zu deutlich an Lucias Stimme hören, wie unlieb ihr dieser Gedanke war. Wehmütig wie sie gerade war und noch dazu angetrunken, kullerte ihr bei dem Gedanken sogar eine Träne herunter. Es war bei weitem nicht die erste die sie darüber verloren hatte, aber sie hatte gehofft sich inzwischen ausreichend damit abgefunden zu haben. Dem war wohl nicht so... Möglichst unauffällig wischte sich Lucia das Wassertröpfchen von der Wange und straffte sich ein zweites Mal. "Da dir also anscheinend so viel an meinen Briefen liegt, werde ich dir gerne schreiben sobald wir in Germanien angekommen sind. Dann werde ich mal die interessanten Geschichten zu erzählen haben und du wirst dir vorkommen, als ob dein Leben langeweilig wäre!" Bei den Göttern, was redete sie sich hier um Kopf und Kragen? Aber sie wollte Avianus tatsächlich schreiben und sie hoffte auch auf Briefe von ihm, immerhin wären diese etwas aus Rom, etwas amüsantes, vertrautes. Aber deshalb musste sie ihm hier doch nicht alles erzählen! Unzufrieden biss sich Lucia auf die viel zu lose Zunge.

    Lucia zuckte zusammen, als Sirius plötzlich so brüllte.
    Mit wem sprach der Verrückte?!
    Mit sich selbst?
    Offensichtlich.
    Das Baby wurde in Lucias ausgestreckten Hände gelegt und der wahnsinnige Sklave verschwand. Zitternd drückte Lucia ihren kleinen Schatz an sich und stolperte ins Schlafzimmer zurück. Dabei strich sie immer und immer wieder über das Köpfchen ihrer Kleinen und murmelte: "Meine tapfere Süße, du hast nicht einmal geweint. Du bist so mutig. Mein lieber Schatz, alles ist gut!" Kurz bevor ihre Beine ihr versagten schaffte es Lucia zurück zum Bett und legte sich ihr Baby auf den Bauch. "Mir egal, wie Vala dich nennt, ich geb dir einen richtigen Namen! Ich nenn dich nach meiner Oma. Die war auch so stark wie du, meine süße kleine Aquilina. Gefällt dir der Name? Aquilina. Ja, das tut er, der ist besser als dieses komische Alrun. Meine tapfere kleine Aquilina!" Jetzt begann die Panik Lucia langsam zu überwältigen, ihre Augen wurden wässrig und sie fühlte sich unendlich schwach. "Alles ist wieder gut", murmelte sie nun mehr zu sich selbst und schloss die Augen. Bald würde sicher jemand kommen und dann würde alles gut!


    Lucius Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia
    Roma


    Salve lieber Bruder,


    Mein Mann wurde zum Legatus Augusti pro Praetore in Germania Superior ernannt. Wir werden in zwei Tagen dorthin entsendet. Leider habe ich keine Zeit mehr über einen Abschiedsbesuch, deshalb sage ich dir auf diesem Wege auf Wiedersehen. Ich würde mich freuen, wenn wir auch auf diese große Entfernung nicht den Kontakt verlören und werde dir regelmäßig schreiben.


    Vale bene,
    Lucia



    Flavia Domitilla
    Villa Tiberia
    Roma


    Salve liebe Schwägerin,


    Ich weiß nicht, ob du es schon mitbekommen hast, aber mein Mann wurde zum Legatus Augusti pro Praetore in Germania Superior ernannt. Leider habe ich durch die recht kurzfristige Festlegung des Entsendungstermines keine Zeit mehr euch noch ein letztes Mal zu besuchen. Mein Abschied wird mir etwas durch die Tatsache erleichtert, dass ich meinen Bruder bei dir in guten Händen weis. Ich wünsche dir nur das Beste in eurem Eheleben und werde in der Fremde sicher oft an euch denken. Da ich mir nicht sicher bin, ob ich von meinem Bruder regelmäßig Nachrichten bekomme, gerade wenn er wieder so viel Politik im Kopf hat… gerade deshalb bitte ich dich um einen Gefallen: Würdest du mir hin und wieder Nachricht schicken, wie es euch so ergeht? Ich würde mich freuen auch im Norden noch ein Teil eures Lebens zu sein.


    Vale bene
    Tiberia Lucia

    Marcus Iulius Dives und Sergia Fausta
    Casa Iulia
    Mons Esquilinus
    Roma



    Salvete, meine Freunde!


    Da ihr immer recht gut informiert seid, habt ihr es wahrscheinlich schon gehört. Mein Mann ist zum Legatus Augusti pro Praetore in Germania Superior ernannt worden. Das bedeutet nun leider, dass ich nach Mogontiacum ziehen werde. Da die Entsendung schon in zwei Tagen stattfindet und noch so viel zu tun ist, habe ich noch nicht einmal die Zeit euch und euren kleinen Sohn noch ein letztes Mal zu besuchen. Auch hätte ich euch gerne meine kleine Aquilina vorgestellt, aber das wird wohl eine ganze Weile warten müssen.


    Meine Wehmut ob unseres Umzuges wird noch von der Tatsache verstärkt, dass ich nun nicht mehr aktiv an den Treffen der Factio teilnehmen kann. Ich hätte gerne den Werdegang unseres Jägers direkt miterlebt und natürlich auch die Spannung all der Rennen, welche ich nun verpassen werde.
    Tust du mir den großen Gefallen, mein lieber Dives, und hältst mich dort im Norden ein wenig auf dem Laufenden? Dann kann ich mir zumindest vorstellen, wie es den Blauen hier in Rom ergeht.


    Eine ähnliche Bitte habe ich an dich, meine liebe Sergia. Nach so vielen Jahren in der wundervollsten Stadt der Welt wird mir Mogontiacum sicher sehr klein vorkommen. Vielleicht findest du ja hin und wieder mal die Zeit mir ein wenig von den Geschehnissen unseres schönen Roms zu berichten?


    Ich wünsche euch und eurem süßen Jungen nur das Beste!
    Eure Tiberia Lucia

    Kaeso Annaeus Modestus
    Domus Annaea
    Mons Esquilinus
    Roma



    Salve werter Annaeus,


    Ich hatte vor kurzem das Vergnügen mit der Augusta selbst einen hervorragenden Caecuber- Wein trinken zu dürfen. Sie informierte mich, dass du der Hersteller dieses erfrischenden Getränkes bist und deshalb wende ich mich nun an dich.


    Sicher weißt du schon, dass mein Gatte Vala zum Legatus Augusti pro Praetore in Germania Superior ernannt worden ist. Das bedeute natürlich einen Umzug dorthin und die Notwendigkeit guter Gastgeschenke. Hier kommt dein Caecuber-Wein ins Spiel. Ich würde gerne einiges davon erwerben.


    Für die Verhandlung über sie genauen Mengen und die Bezahlung werde ich einen unserer Sklaven zu dir schicken.


    Vale bene,
    Tiberia Lucia

    Das wäre ja auch zu schön gewesen! Lucia unterdrückte ein Seufzen und nickte. „Das wäre ihm zuzutrauen. Na gut.“ Sie straffte die Schultern und verkündete: „Ich werde mich dann gleich an die Arbeit machen! Zwei Tage ist nicht viel Zeit und ich muss viel organisieren. Und ich möchte mich nochmal mit meinen Freundinnen treffen und der Factio muss ich auch noch Bescheid geben und dann noch meine Familie…“ Während sie sprach hatte sich Lucia schon abgewandt und lief aus dem Zimmer. Sie zählte immer mehr auf, was sie noch tun musste, doch ihre Stimme wurde immer leiser und undeutlicher, während sie durch die Gänge der Casa schritt.

    Natürlich begleitete Lucia ihren Gatten, es ging ja leider nicht anders. Noch immer passten ihr ihre Kleider von vor der Schwangerschaft nicht, was sie extrem ärgerte. Hatte man ihr nicht versprochen, dass sich das nach einer Weile geben würde? Aber da sie grade größere Probleme hatte, wie zum Beispiel diesen schrecklichen anstehenden Umzug… Nun ja, sie fand sie hatte sich das neue Kleid durch ihre Geduld und ihre Ruhe mehr als verdient! Dazu die vor einer halben Ewigkeit gekauften Rubine und sie fühlte sich so bereit, wie sie je sein konnte sich von Rom zu verabschieden. Also so gut wie garnicht…

    Lucia versuchte sich an einem Lächeln und ihre Mundwinkel zuckten auch kurz nach oben, aber sie schaffte es nicht zu halten. In der Hoffnung, dass Vala es nicht bemerkte, begann sie aufzuzählen: „Ach, was, Callistus und sein Freund werden ihre Betten behalten können. Mir geht es um die Wiege der Kaiserin, um den Rennwagen von Manlia, um die Vase von Calena, um den Schrank, den ich mir mit Flaminina gekauft habe und… ach ist ja auch egal. Ich werde mich darum kümmern.“ Immerhin hatte sie von Vala einen Freibrief erhalten. „Wir könnten aber vielleicht deinen Sklaven Sirius hier lassen. Er könnte Callistus mit seinen Terminen helfen, damit der Junge nichts Wichtiges vergisst. Mir wäre wohler, wenn der Junge jemanden erfahrenen an seiner Seite hat und ihn unterstützt, halt so, wie er dich die ganze Zeit unterstützt hat.“ Und Lucia wäre diesen Irren los. Sie traute ihm nicht mal mehr so weit wie sie ihn hätte werfen können.

    Jetzt fehlte nur noch das Schlafzimmer. Eigentlich der schwierigste Raum von allen, aber glücklicherweise hatte sich Lucia hierfür etwas ausgedacht. Arsinoe zog die kleine Iuno-Statuette und eine Blume aus ihrem Beutel hervor. Die Statuette war als Vase gearbeitet, in die man die für Iuno so typischen Lilien stecken konnte. Oder eben welche Blume auch immer man mochte. Jetzt für die Schenkung war natürlich die Lilie das einzig wahre. Lucia hatte lange überlegt, wie sie die möglichen Auswirkungen ihres Fluches auf Flavia mindern konnte und hatte sich letztlich hierfür entschieden. Arsinoe wollte jedoch zuerst lieber den Fluch verstecken. Am Kopfteil zur Wand hin drückte sie also die kleine Fluchrolle in eine kleine Lücke zwischen einem Brett und dem Fuß des Bettes. Das erledigt, arrangierte sie die Statuette auf einem ebenfalls mitgebrachten bunt bestickten Tuch und machte danach dass sie auf und davon kam.


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    für jemanden mit Griechisch-Kenntnissen: Ich verfluche Lucius Tiberius Lepidus aus seinen Lenden soll kein Sohn entspringen

    Lucia zog ihr hübsche Nase kraus. Wieder etwas, das Avianus wahrscheinlich nicht sehen konnte. War vielleicht auch besser so, war es doch ihre Reaktion auf die Andeutung sie könnte ihn als ihren Geliebten ausgegeben haben. "Ach was. Darum geht es ja garnicht, oder zumindest so gut wie garnicht.", sprach Lucia belehrend. Sie gestikulierte wage. "Es geht vielmehr darum, was andere denken könnten. Was es für einen Eindruck macht. Wenn niemand die Briefe mitbekommt, solange ich vorsichtig genug war, war das alles kein Problem. Dann hast du mir bei der Hinrichtung geholfen und ich... ich war so blöd es zu erwähnen. Danach musste ich vorsichtig sein. Es war keine Entschuldigung, nein, soweit wollte sie ja auch wieder nicht gehen. Aber es war eine Erklärung. Viel mehr, als es Avianus eigentlich anging.

    Lucia hörte aufmerksam zu und nickte gelegentlich. Sie hatte das volle Ausmaß der Teilung des Reiches verdrängt. Für sie hatte es nur einen Gewinner gegeben, dank dem ihre Familia aus der Verbannung zurück konnte und der sich gegenüber der verlierenden Seite mehr als großzügig gezeigt hatte. Das war jetzt natürlich schon wieder Vergangenheit und es war schön zu hören, dass der neue Kaiser die alten Wunden endgültig heilen wollte. „Ich verstehe.“, antwortete Lucia auf den letzten Satz der Augusta mit einem leicht anzüglichen Grinsen. Aber natürlich war sie sich im Klaren, dass es hier nicht um den üblichen Klatsch und Tratsch ging. „Ich bin mir sicher, ich werde einiges zu berichten haben. Wenn sich nicht zumindest die Hälfte der Gerüchte um die Andersartigkeit des Landes dort im Norden bestätigen, bin ich enttäuscht.“, verkündete Lucia grinsend. Erwachte da etwa tatsächlich so etwas wie Abenteuerlust in ihr? Oder überkam es sie grad einfach nur mit Tatendrang, weil sie der Augusta so gerne gefallen wollte? Sie wusste es selbst nicht so genau.


    Im Hintergrund war offensichtlich die kleine Prinzessin aus ihrem Schönheitsschlaf erwacht. Man konnte leises gluckern und knörzen vernehmen und die Amme wirkte mit einem Mal um einiges weniger entspannt. Noch schien sich die Kleine nicht dafür entschieden zu haben ein großes Geschrei anzuzetteln, aber in den Augen der verantwortlichen Frau konnte es jeden Moment losgehen. Rasch nahm sie das Kind auf den Arm und versuchte es durch wiegende Bewegungen zu beruhigen.


    Lucia beobachtete kurz mit verliebten Blick ihre Kleine, da kam ihr etwas: „Oh, du musst mich ja für schrecklich unhöflich halten! Ich hab mich noch garnicht für die entzückende Wiege bedankt, die du mir gesandt hast!“ Tatsächlich ein wenig von sich selbst enttäuscht schlug Lucia eine Hand vor den Mund.

    Nie hätte Lucia geglaubt, dass die Zeit so lang werden konnte. Sie hatte aber auch keine Möglichkeit sich während der schier endlosen Tiraden davonzustehlen, war sie doch die Pronuba und hatte keine Ahnung, wann sie jetzt endlich zur Tat würde schreiten dürfen. Lucias Beine wurden schwer und schwerer, ihre Füße schmerzten und ebenso ihr Rücken. Kleine Schweißperlchen standen ihr auf der Stirn, als endlich das Schaf geopfert und – den Göttern sei Dank – auch angenommen wurde. Rasch tupfte sich Lucia mit einem kleinen Tuch die Stirn, ehe sie ihre kleine aber doch wichtige Rolle ausführte. Sie hatte sich schon gefreut, sich jetzt ein wenig ausruhen zu können, aber das war wohl zu früh. Diese blöde Schafshaut. Das durfte doch nicht wahr sein! Der gesummte Tanz und.. endlich!


    Zu Lucias großer Freude stand sie ja direkt bei Braut und Bräutigam, so dass sie als eine der ersten ihnen Gratulieren durfte. Etwas blass um die Nase und sichtlich erschöpft, sprach Lucia also: „Ich gratuliere euch beiden. Flavia, ich wünsche dir nur das Beste.“ Lucia musste schon nach diesen wenigen Worten verschnaufen. „Entschuldigt bitte, ich fürchte das war eben ein wenig zu anstrengend für mich.“ Sie stützte sich selbst den Rücken. „Ich war so frei und hab meine Leibsklavin mit einer kleinen Überraschung für euch als Hochzeitsgeschenk in die Villa Tiberia geschickt.“ Mehreren Überraschungen um genau zu sein, aber nur einer offensichtlichen. „Ich fürchte nur, ich werde euch jetzt schon verlassen müssen…“ Sie lächelte Flavia entschuldigend an. „Ich wünsche euch noch eine schöne Feier!“

    Lucia reckte das Kinn und schluckte den Klos in ihrem Hals herunter. „Ich weine nicht, sei nicht albern!“, zumindest tat sie ihr Bestes, dass ihre glänzenden Augen nicht überschwappten. „Ich gratuliere dir! Du wirkst überglücklich.“ Der Hausfrieden brauchte diese Worte einfach, auch wenn Lucia sie kaum über die Lippen brachte. Lieber zurück zu den wichtigen Fragen, sie brauchte irgendetwas um sich zu beschäftigen: „Aber jetzt verrate mir doch: Wann werden wir aufbrechen? Und wie werden wir reisen? Wieviel unseres Hausrates kann ich mitnehmen?“ Das waren in Lucias Augen alles legitime Fragen. Sie würde nur zwei Tage haben, um alles bereit zu machen und sich von ihren Freundinnen zu verabschieden. Besser wenn sie sofort anfing.

    „Du geisteskranker Irrer!“ , keifte Lucia. Mit unsicheren Schritten kam sie näher und versuchte Sirius das Kind abzunehmen, ohne ihr wehzutun oder sie sonst zu gefährden. „Du gestörter Hundesohn! Ich bin ihre Mutter! Gib sie mir!“ Lucia fürchtete gleich vor Panik zusammenzubrechen. „Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, wenn ihr irgendetwas passiert… ich lass dich kreuzigen!“ Ihre Finger waren nur noch wenige Zentimeter vom Rücken ihrer Tochter entfernt.

    Lucia traute ihren Ohren nicht. Das konnte einfach nicht wahr sein! „Sekunda?“, rief sie halblaut. „Arsinoe?“ Nichst. „Irgendwer?“ Alles was sie hören konnte war dieser wahnsinnige Sklave, der offensichtlich grade Mutterstelle an ihrer Tochter antreten wollte! Obwohl sich ihr gesamter Körper wie Pudding anfühlte quälte sich Lucia zuerst in eine sitzende Position und dann in die Senkrechte. Sirius war grade dabei ihrer Tochter Namen vorzuschlagen und wollte nun was mit den Hunden… Die in Lucia aufsteigende Panik gaben ihr Kraft. Mit wenigen Schritten war sie bei der Tür und stieß sie mit pochendem Herzen auf. „Gib mir sofort meine Tochter!“, donnerte ihre Stimme in einer Tonlage, die sie selbst noch nie bei sich gehört hatte. Mit tiefen Ringen versehene Augen starrten Sirius vernichtend an und zittrige Hände streckten sich nach dem Bündel, das er hielt aus. „Gib sie mir, jetzt! Vorsichtig!“

    Lucia nahm den Schrieb entgegen, kam zuerst jedoch nicht dazu ihn zu lesen. Darauf hatte Vala hingeplant? Das war das kaiserliche Siegel, er war glücklich, das hieß es ging nach Germania. Jetzt brauchte sie es eigentlich garnichtmehr lesen. Lucia konnte sich grade so ein Seufzen verkneifen, aber ihr Lächeln schwand mit jedem Moment stärker. Ihre Augen überflogen dennoch das Schreiben und ihr wurde leicht übel. Nur noch zwei Tage? Lucias Griff wurde unwillkürlich fester. So fest, dass sie den Schrieb knitterte. Zwei Tage nur noch. So wenig Zeit. Als Vala ihre Tochter dann so begeistert an sich riss, war das Lächeln nur noch ein Schatten auf Lucias Lippen. Aquilina war hier geboren, sie war eine Römerin, sie konnte überhauptnicht nach Hause gehen, sie war es schon! „Vorsichtig mit ihrem Köpfchen!“, warnte Lucia jedoch nur und unterdrückte den Drang sie an sich zu reißen und ihr zu versichern, dass sie Aquilina hieß und hier daheim war. „Wieviel können wir mitnehmen?“, versuchte sich Lucia mit rein praktischen Erwägungen abzulenken. Es fehlte nicht viel und sie würde zu weinen anfangen, sie spürte schon den Druck hinter ihren Augen und versuchte ihn wegzublinzeln.

    Mit einem komischen Gefühl im Magen hörte Lucia, wie Vala überglücklich nach ihr rief. Koffer packen. Entweder war da ein äußerst spitzer Stein in ihrem Bauch, oder ihr Magen versuchte grade sich selbst zu verschlingen. Sie ahnte es. Sie wusste jetzt ja schon eine Weile, was Vala sich erhoffte. Die Tatsache, dass die Augusta ihr den Auftrag gab aus Germanien zu berichten, hatte sie zum einen erfreut, zum anderen hatte es ihr die traurige Gewissheit gegeben, dass es sich nicht vermeiden ließ. Da hatte es auch keinen Sinn hier hinter der Tür zu stehen und nicht auf die Rufe zu reagieren. Mit einem seufzen strich sich Lucia ihren Rock glatt und trat zu ihrem euphorischen Mann. Sie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen und wartete einfach. Er wirkte so überschwänglich, er würde es ihr sicher gleich erzählen.

    Eine patzige Antwort, aber das war sie ja von Avianus gewöhnt. Also… ursprünglich. In seinen Briefen war er zwar auch recht… undiplomatisch gewesen, aber bei ihren letzten Treffen hatte sie das dann doch nicht mehr erlebt. Und tatsächlich nur wenige Momente später kam er zu ihr. Lucia nickte zufrieden er verstand also doch. Sich auf eine kleines ablenkendes Wortgefecht freuend, lauschte Lucia dem Rascheln des Grases unter Avianus Füßen und da war er schon. Aber, oha! Er war ganz schön… böse auf sie? Lucia blinzelte erst verwirrt, vielleicht konnte man das in dieser Dunkelheit ja noch erahnen. Dann übertrug sich der Zorn, der eben noch gegen Vala in ihr gegärt hatte auf Avianus. Deshalb sprach ihr Mund mal wieder ohne großartiges Zutun ihres Kopfes: „Ich will dich mal Briefe an mich schreiben sehen, wenn dein Mann damit droht dich zu ertränken!“ Rein theoretisch hatte sie das ja sogar gemacht - Avianus sollte dankbar sein! - Bis ihr das Zusammentreffen bei der Hinrichtung Vala gegenüber herausgerutscht war. Zu dem Zeitpunkt war sie viel zu sehr unter Schock, als dass sie die Konsequenzen verstanden hätte. Die wurde ihr erst später klar. Wenn Vala jetzt noch durch irgendeinen blöden Zufall einen der Briefe in die Hände bekommen hätte… Lucia schob das Kinn trotzig vor und verschränkte die Arme. Eigentlich ging es Avianus ja garnichts an, warum sie nicht schrieb, aber jetzt war es heraus, es war also zu spät für solche Gedanken.