Beiträge von Tiberia Lucia

    Natürlich hieß sie Duccia. Das war es doch was sie sagte. Lucia blinzelte und nochmal, nur öffneten sich ihre Augen jetzt nicht mehr. Sie würde also doch einen Duccia-Namen haben. Das war gut, das war wichtig! Und damit konnte Lucia endlich einschlafen.


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    Eine halbe Ewigkeit später erwachte Lucia wieder und blickte verwirrt an die Decke. Ihre Hand tastete nach ihrem Bauch. Ihr Kind lag nicht mehr dort! In einer Mini-Panikattacke sackte Lucias Magen ab und ihr wurde übel, ehe sie sich erinnerte, dass alles gut war und dass wahrscheinlich nur irgendwer das Kind in seine Wiege gelegt hatte. Sie drehte suchend den Kopf und fragte in die Leere: „Wo ist mein Baby?“

    Jetzt wurde es Lucia aber zu bunt! Sie tupfte sich mit gezierter Geste den Mund ab, während ihr Mann in ihrer Gegenwart sich einfach in einer anderen Sprache unterhielt. Unerhört! Sie ließ die Serviette auf ihren Teller fallen und erhob sich. „Ich bin satt. Ich lass die Herren dann mal allein. Freut mich dich wiedergesehen zu haben, Ferox.“ Sie nickte dem Soldaten im großen Gegensatz zu ihren Worten kühl zu. Das hier musste sie sich eindeutig nicht antun! An ihren Mann gewandt sprach sie leise: „Du könntest wenigstens nicht mit vollen Mund sprechen!“ Daraufhin stolzierte sie mit hoch erhobenen Haupt davon.

    Hier gab es nicht viele, die Lucia bei ihrem Cognomen nennen würden. Dementsprechend kurz war die Liste, die sie in ihrem Kopf durchgehen musste um auf den Sprecher zu kommen: „Avianus?“ Mit noch immer gerunzelter Stirn lockerte sie den Griff an ihrem Mantel. Was machte er denn hier draußen? Hoffentlich tauchte jetzt nicht plötzlich auch noch Vala aus dem nichts auf! Lucia biss sich im Schutz der Dunkelheit auf die Unterlippe. Ach das war so lächerlich! Warum musste sich Lucia jetzt schuldig fühlen, nur weil jemand zufällig in ihrer Nähe war? Vorallem war er ja noch nicht mal wirklich in der Nähe, Lucia konnte seine Gestalt kaum erkennen in dieser Dunkelheit. Nur weil Vala sich in seinem Stolz verletzt fühlte oder was auch immer! Dabei war doch eindeutig sie diejenige, die mehr Grund hatte sich verletzt zu fühlen!
    Ihre Ecke? „Was redest du da für ein Blödsinn?“, entfuhr es Lucia, ohne dass die Worte den Umweg über ihr Gehirn genommen hätten. Ja, sie war eindeutig noch leicht angeheitert. Immerhin hieß es nicht umsonst, dass der Wein die Zunge löste. Noch immer blickte Lucia halb über ihre Schulter um den Schemen, der wohl Avianus war sehen zu können. „Willst du, dass ich mir einen steifen Hals hole?“, kam auch gleich die passende Frage dazu über ihre Lippen. Sie klang jedoch nicht so schnippisch, wie die Worte vielleicht andeuten mochten, sondern viel mehr… ja, neckisch. Hatte Avianus diesen Tonfall überhaupt schon mal bei Lucia gehört? Hoffentlich verstand er das richtig und kam etwas näher. Sie konnte grade ein wenig Gesellschaft brauchen, zum Hades mit Vala und seiner Ertränken geschichte!

    Dass die Germanen nur aufgrund ihrer Götter eine größere Ähnlichkeit mit den Römern haben sollten, bezweifelte Lucia doch stark. Doch so extrem wollte sie das jetzt keinesfalls formulieren, immerhin war es die Augusta, die diese Theorie hervorgebracht hatte. Normalerweise würde Lucia in so einer Situation einfach schweigen… aber das ging hier eindeutig nicht. Die Augusta erwartete eine Antwort. „Danke, ich werde mein Bestes tun.“, ging sie daher erstmal mit einem schiefen Lächeln auf die vorherigen Worte ein, um sich ein wenig Zeit zum Denken zu verschaffen. Doch so wirklich wollte ihr keine diplomatische Ablehnung einfallen. Da blieb ihr wohl kaum etwas anderes übrig: „Ich hoffe es. Manche der Gerüchte sind doch sehr angsteinflößend. Da ist dieser Gedanke tröstlich.“ Sie hoffte trotzdem im Norden einige ehrliche Römer und Römerinnen zu treffen, an die sie sich halten konnte. Da wäre sie doch auf der Sicheren Seite. Wahrscheinlich waren die Eltern von Callistus auch annehmbar, immerhin hatten sie einen sympathischen Sohn erzogen, sie würde sich einfach darauf einlassen und abwarten müssen.


    Nun kündigte die Kaiserin quasi einen Besuch an, zwar mit keinem festen Termin, aber auf absehbare Zeit. Das heiterte Lucia extrem auf. Wenn sogar irgendwann die Kaiserin dorthin reisen wollte, konnte es so schlimm nicht sein, oder? Und wenn sie kam, würde Lucia alles daran setzen so viel Zeit wie nur irgend möglich mit ihr zu verbringen! Denn wer war denn bitte römischer als die Augusta? Das war noch ein Punkt auf den sich Lucia freuen konnte. Die Kaiserin machte ihr den Abschied aus Rom zwar nicht leicht, aber sie machte ihn innerhalb weniger Minuten einigermaßen erträglich. Lucia lächelte dankbar. „Es wird mir eine Ehre sein dich dort willkommen zu heißen!“
    Nach kurzem Überlegen hatte Lucia aber noch eine Frage zu den von der Augusta verlangten berichten. „Hast du irgendwelche besonderen Interessen, was Germanien anbelangt? Soll ich mir irgendetwas im speziellen genauer ansehen?“ Es könnte ja sein, dass sie vollkommen unterschiedliche Dinge als wichtig empfanden.

    Was sollte nur aus ihr werden, wenn sie schon in den Albaner Bergen, schon nach so kurzer Zeit solches Heimweh empfand? Wie sollte sie es in Germanien aushalten? Naja, wenigstens ihre Tochter würde dann bei ihr sein. Sie würde vertraute Gesichter um sich haben und auch vertraute Gegenstände. Um nichts in der Welt würde sie den kleinen Rennwagen von Manlia hierlassen, oder die Wiege der Augusta. Auch die Vase, die Calena ihr geschenkt hatte musste mit. So viel musste mit! Konnte sie nicht auch zumindest eine ihrer Freundinnen mitnehmen? Nein, das konnte sie ihnen nun wirklich nicht antun. Sie alle hatten ein Leben hier in Rom. Das durfte sie ihnen nicht einfach so wegnehmen. Am Ende würden sie sich noch verpflichtet fühlen, wenn Lucia mal leise nachhakte. Nein das… Lucia hörte ein leises Flüstern. Verwirrt blickte sie sich um. Sie war doch allein hier, oder?


    Nein, ganz offensichtlich nicht. Ein fragendes Salve wehte zu ihr herüber und sie fühlte sich verpflichtet zu antworten: „Salve, wer ist da?“, hängte sie schon ein wenig ängstlich eine Frage dran. So nah am Haus würde ihr doch niemand etwas Böses wollen, oder? Die Albaner Berge waren nicht für ihre Räuber bekannt, oder? Und ein Räuber würde auch auf keinen Fall ‚salve‘ sagen… oder? Etwas unwohl zog Lucia den Mantel etwas fester um sich. Zur Not würde sie einfach aus vollem Halse schreien, jawohl!

    Natürlich griff Lucia ebenfalls nach ihrem Glas, als die Augusta ihres erhob. Passierte das grade wirklich? Die Gläser trafen sich mit einem hellen ‚Pling‘. Sie war die Klientin der Augusta! Während der frische Wein über Lucias Zunge rollte, begann so langsam das Verstehen der Situation. „Du hast mir schon sehr geholfen!“, bekannte Lucia frei heraus. „Du hast mir für meine Zeit dort im Norden eine Aufgabe gegeben. Das ist mehr…“ Lucia brach verlegen ab. „Das bedeutet mir sehr viel.“ Nichts war schlimmer als keinen Sinn in etwas zu sehen. Jetzt konnte Lucia nicht nur die Hoffnung haben irgendwann nach Rom zurückzukehren, nein, sie würde steten Kontakt zu ihrer Heimat haben. Sie würde der mächtigsten Frau des Landes dienlich sein können. Und keinesfalls wollte sie die subtile Macht vergessen, welche die Augusta ihr hier in die Hand gelegt hatte. Sie hatte endlich ein Druckmittel auf ihrer Seite. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie von sich aus, für sich selbst und nur durch ihre eigene Entscheidung ein Druckmittel gegen andere. Es mochte für manche als nicht all zu viel erscheinen, doch Lucia war sich sicher, dass es ihr Leben in Germanien grundlegend veränderte. Sie war Klientin der Augusta!


    „Die hier in Rom lebenden Familienmitglieder sind es eindeutig.“, bestätigte Lucia die Angepasstheit der Duccier. „Nun habe ich die Verwandten in Germanien natürlich noch nicht kennengelernt, aber ich erwarte kaum weniger von ihnen. Der Tiro meines Mannes, Duccius Callistus, ist erst vor kurzem nach Rom gekommen und irgendwo muss er es ja herhaben.“ Lucia konnte es sich tatsächlich nicht anders vorstellen. Natürlich hatten sie diese komischen Spitznamen, mit denen sie sich anredeten und konnten auch noch ihre alte Sprache, aber das war noch verzeihbar. Auch wollte sie die Familie ihres Mannes nicht gleich im ersten Gespräch mit der Augusta verunglimpfen. „Ich habe mich schon eingehender mit ihren Göttern befasst.“ Zumindest hatte sie schon ein Gespräch mit Callistus darüber gehabt, wenigstens etwas. „Sie scheinen recht ähnlich zu unseren zu sein. Beinahe wie die griechischen und römischen Götter. So war Donar Zeus ähnlich und eine gewisse Freya schien Venus zu entsprechen.“ Mehr wollten Lucia grade nicht einfallen, aber das genügte hoffentlich als Beispiele. „Ich kenne außerdem einige Städte“ genaugenommen zwei… „Und habe natürlich die üblichen Gerüchte gehört. Die Menschen des Nordens sollen im Durchschnitt ja auch größer sein, als wir Römer.“, gab sie dann noch ihr Halbwissen zum Besten. Zumindest an ihrem Mann konnte sie dieses Gerücht bestätigt finden.

    Es hatte einfach keinen Sinn mehr sich von einer Seite auf die andere zu werfen! Lucia zog sich mitten in der Nacht einen dünnen Bademantel (oder wie auch immer man das Ding zu der Zeit nannte) über und verließ ihr Zimmer. Der zarte Stoff war tatsächlich mehr für den Anstand gedacht, als gegen die Gefahr einer Unterkühlung. War doch diese, auch nachts nicht vollständig weichen wollende, drückende Hitze mit ein Grund, dass sie keinen Schlaf fand. Obwohl es hier in den Albaner Bergen eindeutig besser auszuhalten war als in Rom, zumindest die Gerüche betreffend bei dem Klima war sich Lucia nicht ganz sicher, dennoch war dieser Ort doch ein weiterer Grund für ihre Unruhe.


    Am Anfang des vorigen Abends hatte sich Lucia noch glücklich geschätzt jemanden wie Sekunda daheim zu haben, der auf ihre Tochter aufpassen konnte. Jetzt in der Nacht, so weit weg von ihrem Kind… es fühlte sich einfach falsch an. Am liebsten wäre sie sofort aufgebrochen um so schnell wie möglich wieder mit ihrer Kleinen vereint zu sein. Lucia hoffte, dass ein kleiner Spaziergang durch die Gärten ihre Gedanken beruhigen und ihren Körper müde machen würde.


    Es war eh verwunderlich, dass sie noch so viele Gedanken hatte, oder sollte sie besser sagen schon wieder? Ihr Kopf fühlte sich noch nicht wirklich wieder klar an, ob all des Weins den sie genossen hatte und dennoch kündigten sich schon Kopfschmerzen an. Die Reise zurück nach Rom am nächsten Morgen würde das reine Vergnügen werden! Sie würde sich einfach das Ziel vor Augen halten müssen: Ihre Tochter.


    Lucia hörte das trockene Rascheln des Grases unter ihren Sandalen, während sie über die zwei Meter halbverdorrtem Gras zu einer steinernen Bank schritt. Grillenzirpen rauschte stetig im Hintergrund, ansonsten war es still. War diese Stille auch ein Grund für Lucias Schlaflosigkeit? In Rom war es nie still. Es war seltsam so kleine Geräusche wie das rascheln von Gras so überdeutlich wahrzunehmen. Hier klang jedes Knacken von sich verziehendem Holz wie das Brechen einer Achse. Seufzend blickte Lucia zu den Sternen empor. Wenigstens diese funkelten vertraut auf sie hinab und Lucia beschloss sich für eine Weile hinzusetzen und die Sterne zu beobachten. Sie seufzte abermals, sie hatte tatsächlich Heimweh.

    Der Wein war von Valas Verbündetem hier in Rom? Der Mann, der jetzt eine Duccia geheiratet hatte? Lucia nickte anerkennend und machte sich eine gedankliche Notiz, dass sie ein paar Flaschen dieses Weines selbst erwerben wollte. „Er ist viel leichter, als ich es gewohnt bin und irgendwie… ich finde kein anderes Wort: frisch.“, bestätigte Lucia. „Genau das richtige für einen heißen Sommertag wie heute.“


    Während die beiden Frauen über die kleine Duccia sprachen, verachtete die jede für sie getroffenen Vorbereitungen und schlief selig. Die Fingerchen waren zu lockeren Fäusten geschlossenen und ruhten rechts und links neben dem Kopf des Kindes, der leicht zur Seite geneigt war. Die Amme hatte es zu ihrer Aufgabe gemacht ihrem Schützling frische Luft zuzufächeln, welche die so sträflich ignorierten, bunten Bänder sanft bewegte. Wenn Lucia ihren Engel so ansah vergas sie endgültig, dass sie sich nicht beschweren sollte, obwohl sie es eigentlich wollte. Es war die Sache wert gewesen.


    Die Augusta wusste um Valas Pläne? Sie bekam für diese Offenbarung einen forschenden Blick von Lucia. Hatte die Frau sie nur testen wollen, ob sie von ihrem Mann eingeweiht wurde? Na, ein Glück, hatte sich Lucia so vage ausgedrückt und scheinbar doch den Eindruck erweckt, dass Vala ihr irgendwas von seinen Plänen freiwillig erzählte. In seine Heimat zurückkehren… so konnte man es auch ausdrücken und nein, natürlich war sie nicht begeistert, das konnte man an den kurz nach unten gehenden Mundwinkeln leicht ablesen. Die Kaiserin hatte gut reden, sie war ihrem Mann schließlich hierher gefolgt, aber als echte Römerin konnte Lucia ihr natürlich nicht widersprechen. Sie hielt sich grade noch so davon ab zu seufzen, aber ihr Brustkorb hob und senkte sich merklich, nur der Ton fehlte. Die Augusta wollte lUcia offensichlich trösten, dass dieser Weg nun vor ihr lag und Lucia nahm die Worte mit einem dankbaren Lächeln an. Je weiter Serena jedoch sprach umso ungläubiger wurde Lucias Lächeln. Sie sollte der Kaiserin berichten?! Das war eine unglaubliche Macht, die ihr hier in den Schoß gelegt wurde! Wenn nur genug Leute davon mitbekamen, würde ihr Aufenthalt dort… Die Augusta wollte was?! Lucia blinzelte wie die Kuh auf der Weide. Patronin. Die Augusta wollte Lucias Patronin werden. Lucia würde Klientin der mächtigsten Frau im Reich? Sie öffnete und schloss ihren Mund wie ein Fisch. Lucia schien bestrebt die komplette Fauna nachzuahmen. Sie räusperte sich und brachte endlich Worte über ihre Lippen: „Es wäre mir eine Ehre! Ich weiß garnicht was ich sagen soll! Natürlich werde ich dir gerne berichten… und nie hätte ich gewagt daran zu denken… Es wäre mir eine große Ehre!“ Noch immer wirkte Lucia, als hätte sie es noch nicht ganz begriffen. „Danke!“, das Wort kam aus tiefstem Herzen.

    @Myrddin: wow machst du dir eine Arbeit! 8o




    Ich hab grad ein neues Buch beendet:


    "Rom für 5 Denare am Tag - ein Reiseführer in die Antike" von Philip Matyszak


    das ist richtig cool gemacht, wie ein moderner Reiseführe. Es werden Tips zur Anreise gegeben, wo man am Besten vom Boot auf Kutsche umsteigt und wie lange die Reisen so dauern und wie komfortabel sie wären.
    Für die Unterkunft in Rom wird auf die verschiedenen Viertel hingewiesen und wie diese mit Wasser versorgt werden und dass da einige Aquädukte besser sind als andere. Dass man ruhig jemand aus Rom bei sich übernachten lassen soll (dass Besucher aus Rom sogar heiß begehrt waren und es sich frei aussuchen konnten), weil mann dann ein paar Tage oder Wochen ebenfalls umsonst in Rom unterkommen könnte. Sehenswürdigkeiten, Sprachführer, Einkaufen und, und, und :D


    Ich bin schwer begeistert =) :dafuer:

    So langsam musste Lucia aufpassen. Natürlich musste sie von dem Wein kosten, den die Augusta hier anbot und natürlich musste sie einiges trinken, wo die Augusta selbst doch so begeistert davon schien. Aber Lucia war nur allzu bereit das zu tun. Seit sie beinahe neun Monate darauf hatte verzichten müssen, fiel es ihr schwer zu irgendeinem guten Schlückchen nein zu sagen. So langsam bemerkte sie selbst, dass sie es mit dem Genuss vielleicht irgendwann mal auch zu weit treiben konnte. Aber diese Gedanken gehörten nicht hierher! Der Wein war tatsächlich erfrischend und wohlschmeckend, da wollte sie sich den Genuss nun wirklich nicht verderben mit irgendwelchen Ängsten, dass sie eventuell irgendwann, wenn sie nicht aufpasste, als eine Säuferin gelten könnte. Außerdem war er ja verdünnt und sie würde sich hüten mehr als die Augusta selbst zu trinken, also pscht! Lucia ließ den ersten Schluck genüsslich über ihre Zunge rollen. „Ah! Köstlich! Darf ich fragen, woher der Wein kommt?“


    Natürlich war die Frage nach der Geburt keine neue. Zwar war Lucia bei noch nicht all zu vielen Feiern oder sonstigen Treffen gewesen, aber ihre Freundinnen Manlia, Flaminina und Calena hatten sie natürlich genau besucht. Erstere wollte Lucias Erfahrungen unbedingt mit ihren eigenen vergleichen, letztere waren neugierig auf eine weitere Version eines Ereignisses, das doch nur all zu häufig zu einer Horrorgeschichte werden konnte. Zwar doch immer mal wieder mit Happy-End, aber das war ja eben nicht garantiert. Dementsprechend routiniert, konnte lucia auf die Fragen der Augusta eingehen: „Die Geburt war erträglich. Ich möchte mich nicht beschweren, da mir versichert wurde, dass ich es im Vergleich zu anderen noch gut hatte. Mir wurde sogar bescheinigt, dass es beinahe wie die Geburt des zweiten Kindes abgelaufen wäre. Wenn ich das richtig verstanden hab, bedeutet das eine erheblich leichtere und schnellere Geburt als es für das erste Kind üblich wäre. Dennoch habe ich, obwohl die Wehen in der Nacht anfingen, erst am Nachmittag meinen kleinen Schatz auf die Welt gebracht. Aber Parca und Nona waren mir anscheinend gnädig und ich möchte mich nicht beschweren.“ Lucia lächelte schief. Zwar verblasste die Erinnerung immer mehr, aber angenehm war es absolut nicht gewesen! „Levana sei Dank, freut sich Vala tatsächlich über seine Tochter, fast so als ob sie ein Sohn wäre.“, konnte sie dann noch glücklicherweise bestätigen. Sie hatte ja nicht mitbekommen, wie lange Vala um das Kind herumgeschlichen war, ehe er es aufhob und jetzt himmelte er die Kleine ja genauso an, wie Lucia es tat.


    Als die Sprache auf die Pläne ihres Mannes kam, konnte Lucia nicht anders als das Gesicht zu verziehen. Jahre der Übung in der Kontrolle ihrer Gefühle hatten keine Chance gegen die große Abneigung die Lucia gegen ihre bevorstehende Zukunft empfand. Sie bemühte sich ihre Reaktion hinter dem Weinglas zu verstecken und brachte ihr Minenspiel wieder unter Kontrolle. „Er hat konkrete Pläne, ja. Aber es ist noch nichts sicher und vielleicht kommt es ja ganz anders.“ Gegen Ende klang Lucia hoffnungsvoll. „Aber er scheint Legatus Augusti Pro Praetore werden zu wollen.“ Sie konnte einfach nicht aussprechen, wohin es Vala offensichtlich zog. Das würde es viel zu wirklich machen! Vielleicht kam es ja tatsächlich noch ganz anders und Lucia würde, wenn sie schon aus ihrem geliebten Rom wegmüsste, zumindest nicht in den kalten, stinkigen Norden müssen.

    Natürlich überließ Lucia zuerst ihrem Gatten das Reden, es gehörte sich einfach so. Dies war die Hochzeit seines Klienten und einer Lucia nur vom Hör-Sagen bekannten Frau. Sie schenkte Seneca für sein Kompliment ein dankbares Lächeln und wartete die routinierte Antwort Valas ab, ehe sie selbst auf Seianas Frage einging: „Es ist wundervoll hier! Das Klima ist so viel angenehmer als in Rom zu dieser Jahreszeit. Da hätte man doch gerne selbst ein Gut hier in der Gegend.“ Und nicht irgendwo auf einer kargen Insel, wie Vala es so stolz sein Eigen nannte. „Auch freu ich mich so wieder ohne zusätzlichen Ballast an so einer schönen Hochzeit teilnehmen zu können.“, bekannte sie und strich sich schmunzelnd über den noch nicht wieder ganz flachen Bauch. Dass sie sich grad so über den Wein freute, wollte sie lieber nicht verbalisieren, ansonsten hielt Seiana sie noch für eine Säuferin.


    Da dies die Hochzeit von Valas Klienten war hatte er auch die Geschenke ausgewählt und Lucia bemühte sich nicht zu zeigen, wie hässlich sie die Pferde fand. Sie waren so plump und ihr Fell glänzte nicht mal im Ansatz so schön, wie die meisten von hier stammenden Tiere. Vala gab das auch noch offen zu und beteuerte die Nützlichkeit der Tiere. Lucia schüttelte innerlich den Kopf. Er hätte sich wirklich schönere Pferde aussuchen können, das hier war immerhin ein Hochzeitsgeschenk und nicht für die Eröffnung einer Villa Rustica oder sonst eines ländlichen Betriebes.

    Es hatte funktioniert! Ungläubig stellte Lucia ihren Wein wieder ab und erwiderte Valas chalantes Lächeln. Es hatte noch nie wirklich geklappt und doch griff man immer wieder darauf zurück etwas beiläufig zu bekennen und jetzt hatte es tatschlich mal funktioniert! Das fühlte sich so unwirklich an… Lucia wollte eben erleichtert zu ihrem angefangenen Konter zurückkehren, da passierte es doch: Valas Minenspiel änderte sich und er sah Avianus nochmal nach. Scheiße! Es wer auch zu schön gewesen.


    Lucias Herz schien einen Schlag innezuhalten und gemeinsam mit ihr auf die Reaktion ihres Mannes zu warten. Sie hatte eindeutig Angst davor, was er sagen oder tun würde, aber sie war auch immernoch ärgerlich von dem eben geführten Wortgefecht und der zurückgehaltene Kommentar brannte ihr auf den Lippen und wollte freigelassen werden. Der schnelle Wechsel zwischen zwei so unterschiedlichen Gefühlen erfüllte sie mit einem kleinen Rausch. Die Zeit streckte sich und war doch sofort vorbei. Ihre Augen trafen wieder die seinen und das abschätzige Lächeln und seine Worte brannten sich ein. Vala machte sich tatsächlich über sie (und auch Avianus, aber das war grade eher nebensächlich) lustig! Plötzlich überwog in Lucia eine Emotion auf die sie im Vornherein nicht gewettet hätte: Sie war - zutiefst - beleidigt. „Ach ja? Weil ich eine so kreative Wahl für meinen Ehemann getroffen habe, oder was?!“ Lucia bemühte sich ihre Stimme leise zu halten, wodurch die Worte in einem giftigen Zischen hervorbrachen. Dass sie bis zu Valas Morddrohung nicht mal im Traum so über Avianus gedacht hatte und auch jetzt nicht wirklich in diese Richtung für ihn empfand, war mit einem Mal total nebensächlich. „Du kennst ihn nicht und mich offensichtlich auch nicht! Sonst hättest du dir schon damals deine blöde Ertränken-Geschichte gespart!“ Jetzt wurde Lucia unvermittelt auch klar, wie empört sie immernoch über diese kleine, aber so vielsagende Szene war. Bisher hatte sie immer nur Angst empfunden, wenn sie daran dachte. Jetzt fand sie es himmelschreiend ungerecht.

    Es war das übliche Geplänkel, das einer Heiratsplanung vorausging. Jede Seite legte dar was sie bot und was sie forderte. Unterstützung, die Dos... Lucia runzelte überrascht die Stirn. Die Duccia waren wohlhabend? Nach römischen oder nach provinziellem Standard? Nach der Casa hier zu urteilen, beschloss Lucia dass es provinzielle Reichtum sein musste. Freya Mercurioque... Wirtschaftlich? Die Patricia runzelte nachdenklich die Stirn. Sie hatte überhaupt keine Ahnung was wirtschaftliche Belange außerhalb der Führung eines Haushaltes anging. Das sollte sie eventuell mal versuchen zu... Germanica Superiors mit dem Namen Duccius Vala Bitte was?! Lucias Augen wurden groß und sie musste sich auf die Zunge beißen um nicht vor dem Gast empört auszurufen.


    Vala sollte was werden? Legatus Augusti Pro Praetore Ja, das war noch nachvollziehbar. Viele Consulare wollten nach dem politischen Erfolg gerne noch reich werden und wie ging das leichter als so? Aber wo? Germania Superior Warum?! Warum dort? Ans Ende der Welt in eine arme Provinz? Er hatte den verfluchten Kaiser gewählt, er hätte Ägypten, Macedonien (?), oder sonst eine reiche Provinz fordern können! Er hätte alles haben können! Wie kam er dann zu Germania Superior? Wollte er das überhaupt? Hatte das am Ende irgendeiner seiner Gegner eingefädelt um sich an ihm zu rächen? Hieß das am Ende dass sie auch in dieses Gott-verlassene-Nest ziehen musste?! Bei dem Gedanken spürte Lucia Panik in sich aufsteigen.


    Sie bekam vom restlichen Gespräch überhaupt nichts mehr mit, sie starrte nur gebannt auf den Tisch und versuchte irgendwie ihre aufgebrachten Sinne zu beruhigen. Sie hatten einen Gast, ruhig, Gast, ruhig, Gast! Ein Gast der sich erhob um zu gehen. Die Bewegung aus den Augenwinkeln brachte Lucia dazu den Kopf zu heben und Annaeus ein strahlendes Lächeln zu schenken. In ihr brodelte es es. Nur noch kurz durchhalten, bis der Gast weg war!

    Ihr Baby sicher auf ihrem Bauch wissend war Lucia nun endlich am einschlafen und das obwohl sie noch gerne den Namen ihres Kindes erfahren hätte. Ihre Augen fielen zu und die Abstände, in denen Lucia sie müde blinzelnd öffnete, wurden immer länger. Es war alles gut. Sie würde auch später noch hören, wie ihr Engel genannt werden würde. Wie durch Watte hörte sie Valas Erklärung, dass Kinder bei den Barbaren erst nach einem Winter den Namen bekamen. Ihr müder Geist wunderte sich, wie sie die Babys dann nannten und vergas es gleich wieder. Ihre Tochter strahlte so eine beruhigende Wärme aus. Sie hatte gut geschrien und jetzt schlief sie selig. Sie war gesund. Sie war angenommen. Alles war wie es sein sollte.


    Alrun, hallte es in ihrem Geist. Dieses Wort war falsch. Lucia wusste nicht sicher wieso, aber es war so falsch, dass es sie langsam aus ihrem Dämmerzustand holte. "Nein", murmelte sie unruhig. "Nein!", sie konnte nicht genau artikulieren, was sie störte. Sie war sich grade ja nicht mal selbst sicher. Aber es war falsch, total falsch! "Duccia..." Sie schaffte es nur ihre Augen halb zu öffnen, während ihr eigener Mund ihr endlich verraten hatte, was an Alrun so falsch war. "Duccia!" Mit trüben Blick suchte sie nach Valas Gesicht. Ihre Tochter brauchte einen richtigen Namen!

    Lucia glaubte tatsächlich etwas rot zu werden bei dem ehrlich wirkenden Kompliment der Augusta. Erfreulicherweise wandte sich Serena rasch der Amme zu und bekam von ihr ohne Zögern Lucias kleinen Augapfel.


    Das Baby schlief, aber nicht besonders tief. So einfach weiter gereicht zu werden verursachte eine süße kleine Folge von scheinbar ärgerlichen Bewegungen im Gesicht des Mädchens. Den Segen ließ sie noch einigermaßen gnädig über sich ergehen, auch den Kuss nahm sie huld an, dann war ihre Geduld aber erschöpft. Ein paar leise, knorzige Laute waren von dem Kind zu hören, doch die Amme verstand ihr Handwerk. Leise summend beruhigte sie das Kind und brachte es dann zu der für sie vorgesehene Decke.


    Gerührt von dem Segen der Augusta hatte Lucia das kleine Schauspiel beobachtet. Sie hatte noch immer eine Hand an den Lippen, als sich Serena wieder zu ihr herumdrehte. "Gerne", antwortete Lucia auf das sitzen. "Dieses Zimmer ist wundervoll und diese bunten Bänder...!" Sie schüttelte begeistert den Kopf. "Du hast an alles gedacht!" Lucia wusste nicht was sie grade noch sagen sollte. Sie wollte ja auch nicht wie ein naives DIng vom Land klingen, das von allem viel zu leicht beeindruckt werden konnte.

    Lucias erster Impuls, als sie von der Augusta eingeladen wurde, war sich herauszuputzen bis zum geht nicht mehr. Dem standen nur zwei Dinge entgegen: Zum einen glaubte Lucia nicht irgendetwas zu besitzen mit dem sie die Augusta beeindrucken konnte, zum anderen hatte sie noch nicht ganz ihre alte Figur zurück und deshalb nicht wirklich eine große Auswahl. Dazu kam noch diese beinahe unerträgliche Hitze bei der jedes Schmuckstück zu viel nur noch eine weitere Quelle für Schweißausbrüche darstellte. Sie trug also eine luftige, hellblaue Tunika, die sie schonmal bei einem Treffen der Factio Veneta anhatte, mit einem buntbestickten Gürtel als Zierde. Sie hatte versucht durch ihre Frisur möglichst jedes Härchen aus dem Nacken zu bekommen, es war einfach zu warm! Seltsamerweise meinten trotzdem alle dass das Baby nicht nackig sein sollte. Lucia hätte es ihrer Süßen nur zu gerne gegönnt, aber jetzt trug sie halt eine goldige, weiße, kleine Tunika über ihrer Windel und schlummerte in den Armen der schwitzenden Amme. Bei den Temperaturen konnte so eine kleine, lebende ‚Wärmflasche‘ den Unterschied zwischen grade noch erträglich und viel zu warm ausmachen, egal wie herzig die ‚Wärmflasche‘ war.


    Sie wurde ins Zimmer der Augusta geführt und wusste nicht wo sie zuerst hinsehen sollte. Licht strömte durch die Fenster und brachte Gläser zum Funkeln. An einem Gestell flatterten bunte Bänder und dann war da natürlich noch die Augusta selbst. Erleichtert stellte Lucia fest, dass sie kaum stärker herausgeschmückt war als die Augusta selbst. Breit lächelnd grüßte Lucia also: „Salve, verehrte Augusta! Vielen Dank für deine Einladung! Ich kann kaum ausdrücken wie sehr ich mich gefreut habe.“ Worte, Worte waren einfach nicht Lucias Stärke, das merkte sie vorallem dann, wenn sie etwas Besonderes ausdrücken wollte.

    Lucia hatte hier an der Porta schon so einiges erlebt, aufdringliche Wachen, unangemessene Durchsuchungen, blöde Sprüche. Häufig war Avianus irgendwie mit dabei, wenn von ihm auch nur dumme Sprüche kamen. Bei den Erinnerungen musste sie unvermittelt grinsen. Diese Erlebnisse bedeuteten aber auch, dass sie bei dem ‚Verzeih‘ der Wache so einiges erwartete. Dass dann nur die Tasche durchsucht wurde war fast enttäuschend. Sie war wohl doch abgehärteter als sie dachte und hoffte bei Begegnungen mit Soldaten noch immer, dass irgendwas spannendes passierte. Doch sie wurden einfach durchgelassen und sie konnte sich nur noch mit einem „Vale, bis später!“ verabschieden.

    Nachdem mit der Augusta ein Termin gefunden worden war erschien Lucia überpünktlich am Tor. Sie war, seit die Lottoziehungen wieder eingestellt worden waren schon lange nicht mehr hier gewesen. Ob sie trotzdem noch eine Wache wiedererkennen würde? Irgendwie bezweifelte sie es. Mit ihr standen zwei Sklavinnen am Tor, eine war Arsinoe, mit einer riesigen Tasche mit allem was ein Baby so brauchen könnte, die andere die Amme mit Lucias hübsch herausgeputzten Tochter auf dem Arm. „Salve“, grüßte Lucia die Wachen. „Tiberia Lucia, ich bin auf Einladung der Augusta hier.“ Arsinoe kramte da entsprechende Schreiben aus den Untiefen ihrer Tasche hervor du zeigte es den Wachen.

    Lucia fiel aus allen Wolken, als sie einige Tage nach der Geburt einen Brief von der Augusta erhielt. Nein nicht nur einen Brief, eine wunderschöne Wiege noch mit dazu. Mit großen Augen beobachtete sie, wie das kleine Möbelstück in die Stube ihrer Tochter getragen wurde. Dabei umklammerte sie das noch ungeöffneten Schreiben und fragte sich ob sie grade träumte.


    Die Sklaven waren fast alle wieder weg, ihr Töchterchen schlummerte frisch gesättigt in der neuen Wiege und die Amme sammelte noch ein paar schmutzige Tücher ein, ehe auch sie den Raum verlies. Lucia war recht früh auf einen Stuhl gesunken und traute sich nicht so recht das Schreiben der Augusta zu öffnen. Das musste ein Traum sein! „Jetzt stell dich nicht so an!“, murmelte sich Lucia selbst zu und entfaltete endlich den Brief. Sie las und das Gefühl der Unwirklichkeit verstärkte sich. Kurz darauf durchströmte sie eine wilde Freude. Die Augusta hatte sich nicht nur an sie und ihr Gespräch erinnert, sie hatte auch ganz offensichtlich Erkundigungen über Lucia eingeholt! Dann hatte sie sich die Mühe gemacht einen Brief zu formulieren und ein passendes Geschenk auszusuchen. Lucia fühlte sich so geschmeichelt wie schon lange nicht mehr. Rasch machte sie sich daran ein Antwortschreiben aufzusetzen, um für ihren Besuch einen Termin auszumachen.

    Sie schien sich gut verkauft zu haben. Die Augusta war mit Lucias Erklärung zufrieden und verabschiedete sich. Dabei nannte sie das Gespräch hier angenehm und Lucia lächelte geschmeichelt. „Es wäre mir eine Freude, werte Augusta“, antwortete sie auf die Einladung ihr Kind der Augusta persönlich vorzustellen, da verschwand die erste Frau des Staates auch schon mit einem freundlichen Nicken, welches Lucia lächelnd erwiderte.


    Die Kaiserin wandte sich anderen Gästen zu und Lucia lehnte sich langsam aber stetig immer weiter zurück. Hatte sie grade tatsächlich einfach so einen Plausch mit der neuen Kaiserin gehalten? Sie trank einen Schluck und seufzte fast unhörbar. Was ein Tag, dabei hatte er hier ja erst angefangen! Wie sich Arsinoe wohl grade schlug? Und wie lang diese Begrüßungen sich wohl noch hinzogen? Lucia wollte nur zu gerne ihren Part als Pronuba hinter sich bringen. Dann könnte sie sich hier noch ein wenig amüsieren und dann nach Hause gehen. Sie glaubte nämlich nicht , dass sie die ganze Feier durchhalten würde. Dafür schlauchte schwanger zu sein doch zu sehr.