Beiträge von Tiberia Lucia

    „Und ich dachte du wärst der große…“, begann Lucia einen mindestens so guten Konter, der Vala das Grinsen aus dem Gesicht wischen würde. Da sah sie Avianus direkt auf sich zu kommen und ihr blieben die Worte im Halse stecken. Jetzt, so nicht mehr schwanger, nicht unter Schock und noch ziemlich nüchtern, erinnerte sich Lucia nur zu gut wie Valas Einstellung zu ihrer Bekanntschaft mit dem Soldaten war. Am liebsten wäre ihr Avianus würde einfach vorbeigehen, doch natürlich tat e ihr nicht diesen gefallen. Jetzt würde es kommen, Lucia wappnete sich schon für alles Mögliche, doch er begrüßte sie tatsächlich nur und machte ihr ein eigentlich sehr nichtssagendes Kompliment, genauso wie es sich gehörte. Naja, bis auf die Tatsache, dass er schon wieder weg war, ehe Lucia das „Danke“ komplett über die Lippen bekommen hatte. Und natürlich musste Vala nachfragen! Lucia versuchte unauffällig zu schlucken und dann möglichst beiläufig zu einer Erklärung anzusetzen: „Ein Verwandter des Bräutigams. Aulus Iunius Avianus. Wer die junge Frau in seiner Begleitung war, weiß ich aber leider nicht.“ Etwas fahrig griff Lucia nach ihrem Weinglas um sich für einen Schluck dahinter zu verstecken.

    Callistus ignorierte sie vollkommen und korrigierte sogar den Anfang des richtigen Namens hin zu diesem… diesem… Spitznamen! Oder wie sie die auch immer nennen mochten. Ihr Gatte hieß Vala, verdammt nochmal! „Tsk!“ Er schaffte es damit nicht nur eine Zornesfalte auf Lucias Stirn zu erzeugen, nein, sie wurde gleich zu dreien gerunzelt.
    Wenigsten Vala schien verstanden zu haben, oder hatte er grade nur zufälligerweise überhaupt keine Namen benutzt? Lucias Stirnrunzeln vertiefte sich. Sie konnte dem eigentlichen Gespräch kein Stück folgen so sehr ärgerte sie sich hier.
    Und Ferox setzte dem ganzen noch die Krone auf. „Danke, aber ich werde als Römerin bei Ferox bleiben.“, antwortete sie spitz, ohne sich groß zu überlegen, dass sie den jungen Mann grade damit beleidigen könnte. Sie waren hier in Rom! Einer war ein ehemaliger Consul, einer strebte diese Laufbahn an und einer war beim Militär, bei der Cohortes Urbanae um genau zu sein! Sie waren Römer! Und Römer hatten sich mit römischen Namen anzureden, das war bisher doch auch kein Problem gewesen!

    Es schien der Augusta nicht allzu viel auszumachen, Lucia hielt sich streng davon ab erleichtert aufzuatmen. Oder ärgerte es sie doch und sie wollte sich lieber eine bessere Quelle suchen? Lucias Herz sank ein Stück. Doch die Augusta schien dennoch daran interessiert das Gespräch noch ein wenig am Laufen zu halten. Lucias Gefühle wussten bei dem ganzen auf und ab bald nicht mehr was sie machen sollten. „Angeblich in drei Wochen, ich hoffe aber dass sich meine Sklavin da ein wenig nach hinten hinaus vertan hat.“, Lucia lächelte schief. „Am Ende fühlt man sich wie eine überreife Erdbeere.“ Wirklich Lucia? Eine Erdbeere. Na gut, gesagt ist gesagt, stell dich nur darauf ein dir heute Abend noch häufiger darüber Gedanke zu machen! Eine Erdbeere… Lucia musste wider Willen kurz kichern. „Entschuldige bitte diesen abstrusen Vergleich, Augusta.“


    Mit einem dankbaren Nicken nahm sie die lieben Worte der Augusta an. Ja, nicht mehr lange! Dann… urplötzlich… stellte die Augusta eine ganz schön politisch brisante Frage. Lucia konnte nicht anders als kurz überrascht zu blicken. „Nein, ich glaube Vala wünscht sich aktuell eher ein bisschen Ruhe. Sein Konsulat war doch sehr… ereignisreich. Außerdem würde das seinen Kritikern zu sehr in die Karten spielen, wenn er jetzt gleich nocheinmal antreten würde. Also all denjenigen die behaupteten er wolle auf Lebzeit Consul bleiben.“ Lucia schüttelte entschieden den Kopf, obwohl sie mit Vala über so etwas noch nie geredet hatte. Was Pläne anbelangte hatte sie sich aber ebensowenig mit ihm auseinander gesetzt. Sie selbst würde ja gerne erstmal eine ruhige Zeit in Rom verleben.

    Oh weh, jetzt hatte sich die Augusta tatsächlich jemanden ausgesucht dessen vollen Namen Lucia nicht mal sicher wusste. Der alte Mann müsste einer der Claudier sein, aber selbst da war sich Lucia unsicher… Da sie sich schon ziemlich geprüft vorkam, bekam Lucia einen kleinen Adrenalinrausch. Sie konnte die Frage nicht beantworten. Aber sie wollte die Augusta doch beeindrucken! Naja, in diesem Fall war das wohl nichts. Beruhige dich, e hat ja keinen Sinn jetzt zu schwitzen anzufangen!
    Lucia machte ein kleines Geräusch das man am besten mit „Pffuhhhf“ beschreiben konnte. „Ich fürchte, da kann ich dir nicht wirklich weiterhelfen, werte Augusta. Ich glaube den Mann schon mal gesehen zu haben, aber ich bin ihm nie vorgestellt worden. Und die junge Frau ist mir völlig unbekannt… Dieses Kleid würde ich aber nur zu gerne selbst besitzen! Naja, das heißt dann, wenn ich wieder hineinpasse.“ Lucia grinste schief und strich sich abwesend über den Bauch. Sie musterte die junge Frau interessiert weiter. Auch die Frisur war herausragend. Da konnten sich sogar Lucias Sklavinnen noch eine Kleinigkeit abgucken.

    Lucia musste einen Moment suchen, wen die Augusta meinte. Zuerst befürchtete sie schon sie sollte jetzt etwas über einen ihr fast Unbekannten erzählen, aber erleichtert entdeckte sie doch ein relativ vertrautes Gesicht.
    „ Das ist Kaeso Annaeus Modestus, Praetorius des Senats und ein Freund meines Mannes. Er ist vor kurzem aus dem Osten wieder gekommen, wo er nach Heilung für sein Bein gesucht hat. Das war mehr oder weniger erfolgreich wie du selbst sehen kannst, Augusta. Aber immerhin kann er jetzt mit einem Stock ganz akzeptabel vorwärtskommen. Soweit mir bekannt ist will er bald Totenspiele für einen Verwandten Annaer veranstalten, an denen er den Tiro meines Mannes mitwirken lässt. Auch ist vielleicht eine baldige Hochzeit geplant, da weiß ich aber noch nichts genaueres.“ Solang sie keinen konkreten Namen anbieten konnte, wollte es Lucia lieber dabei belassen. „Ich hab ihn als äußerst freundlich und sympathisch kennengelernt.“, fügte sie noch kurz ihre eigene Meinung an ihre Ausführungen an. Wieder folgte ein fragender Blick Richtung Augusta. Diesmal hatte Lucia ihr Wissen in einer wildenMischung aus Fakten, Gerüchten und eigener Meinung vorgetragen, gefiel das der Kaiserin besser? Wollte sie noch mehr hören? Viel würde Lucia zu dem Mann nicht mehr erzählen können, außer mehr persönlichen Eindrücken.

    Da war sie, ihr kleines Juwel, ihr Augenstern. Vala hatte sie angenommen, es war alles gut. Mit einem Mal konnte Lucia leichter atmen. Vala war zufrieden, er lobt sie sogar obwohl es nur ein Mädchen war. Wie er die Kleine ansah. Der letzte, winzige Rest Angst, den Lucia eben noch verspürt hatte, löste sich in nichts auf. Vala liebte seine Tochter. Er meinte es ernst. Lucia schloss zutiefst erleichtert die Augen, als sie seine Warme Hand auf ihrer kühlen Stirn spürte. Jetzt konnte sie sich ausruhen, sie musste nur ihr Kind nochmal in den Armen halten. Aber kurz die Augen entspannen war in Ordnung. Sie hatte es gut gemacht.
    Lucia glaubte schon davonzudämmern, da sprach Vala wieder. „Charmant“, murmelte sie mit müder Belustigung und schlug die Augen wieder auf. „Gib sie mir, ja?“ Lucia streckte einen Arm nach ihrer Tochter aus, sie wollte ihr Kind auf ihrer Brust liegen hab. Sie wollte sich ganz sicher sein, dass ihr Baby wieder bei ihr war.
    Wie aus einer fernen Erinnerung drängte sich eine Frage langsam aber sicher in Lucias erschöpftes Bewusstsein und wurde nach einiger Zeit von Lucia auch ausgesprochen: „Wie soll sie heißen?“

    Es waren hier tatsächlich viele für Lucia unbekannte Gesichter. Das musste nicht unbedingt was schlechtes sein, hieß es doch auch dass sie mal was anderes tun konnte, als mit den üblichen Verdächtigen nicht grade freundlich gemeinte Komplimente auszutauschen. Nein, im Gegenteil, sie schien hier tatsächlich größtenteils ihre Ruhe zu haben. Alle waren vielmehr an Vala interessiert und sobald sie sich aus seinem direkten Umfeld geschlichen hatte umfing sie eine wunderbare Ruhe inmitten des Trubels.


    Also mal sehen… sie kannte seit kurzem die Braut, was sich aber fast ausschließlich auf deren Namen beschränkte. Den Bräutigam hatte sie vorher mal getroffen… wo war das nochmal? Ach, einmal als sie vor einer halben Ewigkeit Avianus geärgert hatte! Ob sich der frischgebackene Ehemann da noch daran erinnerte?
    Lucias Augen wanderten weiter und blieben an einer jungen Frau mit dunklen Haaren hängen, die es sich in einem Korbsessel bequem gemacht hatte. Lucia musterte neugierig von oben bis unten. Sie war ein hübsches Ding, schloss die junge Mutter, das sich leider für einen etwas langweiligen Haarknoten statt einer grad so modernen, komplizierten Hochsteckfrisur entschieden hatte. Da sie bei den Klinen des Brautpaares saß musste sie wohl zur Familie gehören. Jetzt stellte sich nur noch die Frage ob Iunia oder Decima. Vielleicht würde Lucia das noch im Laufe des Abends herausfinden. Sie bedachte die junge Frau nach der Musterung jedenfalls mit einem freundlichen Nicken, dass auch als Anerkennung dessen was sie gesehen hatte betrachtet werden konnte.
    Lucia ließ ihren Blick weiter schweifen. Lauter unbekannte Gesichter. Ein amüsiertes Schmunzeln legte sich in ihre Mundwinkel. Sie gönnte sich noch einen weiteren Schluck des köstlichen Weines und bewunderte nochmal dessen Farbe im Glas. Grade glaubte sie einen ihr wohl bekannten Centurio in Zivil auf dem Weg durch die Menge auf sie zu entdeckt zu haben, als sich jemand neben sie setzte.


    Ach, hatte sich ihr Göttergatte auch endlich von all seinen Bewunderern und Speichelleckern loseisen können? Lucia verstand nicht, warum er selbst hier mal nicht Geschäfte Geschäfte seinlassen konnte. Sie verdreht ob seines Kommentares die Augen und entgegnete: „So lange wie es beim letzten Mal gedauert hat, werde ich noch einige Gläschen genießen können, bis es wieder so weit ist.“ Außerdem hätte sie bitteschön vorher gerne ihr alte Figur wieder zurück! Aber das würde sie nicht laut ausprechen. Um sich selbst ein wenig Zeit zu gönnen hatte Lucia Sekunda angewiesen die Himbeerblätter oder Brombeerblätter oder was auch immer beim letzten Mal geholfen hatte erstmal wegzulassen. Sie war versucht auf das offensichtliche Streitangebot Valas noch näher einzugehen, aber eine Sklavin mit einem Teller Köstlichkeiten erinnerte sie daran, dass sie hier nicht allein waren. Lucia griff nach einem winzigen, gefüllten (Wachtel?)Ei und kommentiert lapidar: „Außerdem gehören da noch immer zwei dazu!“ Sie ließ das Ei mit einem Happs in ihrem Mund verschwinden. „Hm, köstlich!“

    Die Sorge um das Kind war mehr und mehr gewachsen, je länger sich Vala Zeit ließ und wieder und wieder um das Baby herumtigerte. Wollte er einen Makel finden, zusätzlich dazu dass es nur ein Mädchen war? Sekunda wappnete sich das am Ende nicht angenommene Kind in Sicherheit zu bringen. Doch ein flüstern des verkorksten Leibsklaven des Herren brachte Sekunda fast dazu die Beherrschung zu verlieren und die Augen zu verdrehen. Der Barbar hatte nicht gewusst was er tun sollte! Die Erleichterung durchlief Sekunda als wohliger Schauer und sie nickte Vala mit einem schmalen Lächeln zu. Das war wohl die stärkste Emotion, die der Hausherr je von Sekunda hätte wahrnehmen können, wenn er nicht grade seine Tochter so verliebt anschauen würde. Dadurch fast schon wieder für die unerträglich lange Wartezeit bis er das Kind aufhob versöhnt, folgte Sekunda gerne seinem nächsten Befehl und führte ihn zu Lucia.


    Frisch gewaschen, die noch leicht feuchten Haare in zwei schlichten, geflochtenen Zöpfen und in einem sauberen, weißen Hemd wartete eine völlig erschöpfte Lucia mit nur einem leichten Laken zugedeckt im Bett. Sie wollte nichts lieber als schlafen. Jede Faser ihres Körpers sehnte sich danach. Aber sie konnte nicht solange ihre Kleine nicht wieder sicher bei ihr war. Als sich die Tür öffnete stützte sich Lucia mit verzweifelter Kraft auf ihre Ellenbogen und sank erleichtert zurück, als sie Sekunda lächeln sah. Es war alles gut, Bona Dea sei Dank! Müde, aber erleichtert lächelnd sah sie nun ihrem Mann entgegen, der hoffentlich ihren kleinen Schatz mitbringen würde.

    „Freut mich außerordentlich deine Bekanntschaft zu machen!“ Lucia schenkte Annaeus eines ihrer strahlensten Lächeln. Natürlich sprach er sie auf den nicht ehr zu übersehenden Babybauch an. Stolz legte sie eine Hand auf ihre Rundung, schüttelte aber den Kopf. „Ich fürchte das ist es doch.“ So peinlich es war, hatte Lucia doch unendlich lange gebraucht schwanger zu werden. Aber das war inzwischen alles halb so wild jetzt wo sie es war.


    Da man von einer Schwangeren sicher nicht erwarten konnte stehe zu bleiben, gab Lucia während des nun folgenden Gesprächs ihrem Gatten einen Wink doch ein Stückchen, ein großes Stückchen zu rücken. Dabei lauschte sie interessiert was die Herren denn nun besprachen. Sie als Heiratsvermittlerin? Das würde Lucia nur zu gerne machen! Dementsprechend geschmeichelt lächelte sie den Gast des Hauses an. Aber sie hatte schon irgendwie damit gerechnet, dass dies nichts werden würde. Vala schlug eine Duccia vor, wen auch sonst? Zwar kannte Lucia keine der Frauen persönlich, aber auch sie war gespannt wen Vala genau anbieten wollte.

    Sie war endlich frei wieder zu essen und zu trinken was sie wollte! Lucia strahlte schon durch die gesamte Zeremonie bei dem Gedanken daran. Natürlich hatte sie seit der Geburt schon manchen verdünnten Wein getrunken und sonstige Leckerbissen genascht, die sie sich vorher nicht traute. Aber das hier war eine Feier, eine Hochzeitsfeier bei der sie keine Verpflichtungen oder sonstige Probleme hatte. Ihre Kleine war bei der Amme und Lucia wusste auch Sekunda bei ihr. Sie brauchte sich da also um nichts zu sorgen. Sie konnte genießen. Es hatte sie ein wenig geschockt, dass die meisten ihrer alten Kleider nicht mehr perfekt passten. Sekunda versicherte ihr zwar, dass sich das mit der Zeit weitestgehend geben würde, aber es war trotzdem ärgerlich. Sie hatte sich für diesen Anlass also ein neues Kleid besorgen müssen, was an sich ja keine Frau störte, aber ihre Lieblingsringe waren immernoch etwas zu eng. Unberingt, aber dafür mit ausreichend restlichem Zierrat geschmückt nahm sie also einen Becher nur wenig verdünnten Wein entgegen und schnupperte daran. Er roch köstlich! Ein kleiner Schluck folgte, den sie wieder und wieder über die Zunge rollen ließ. Wundervoll! Sie hatte nicht bemerkt, dass sie die Auge schloss, aber als sie diese wieder aufschlug strahlten sie begeistert. „Herrlich!“, kommentierte sie für keinen im speziellen.


    Dann kam die unvermeidliche Rede. Seneca war Lucia gleich sympathisch, da er sich kurz aber herzlich hielt. Wohl gesprochen, dachte sie und hob ebenfalls ihr Glas zum Tost. Jetzt konnte es endlich richtig losgehen!


    Zwar hatte sich Lucia schon bei der Zeremonie ein wenig umgesehen, aber jetzt ließ sie ihren Blick einmal über alle Anwesenden schweifen. Dabei nippte sie immer mal wieder an ihrem Becher und genoss es in 'vollen Zügen'.

    „Herrin? Da ist ein Mann bei deinem Gatten, der dich vielleicht interessieren könnte.“, berichtete Arsinoe, nachdem sie ihren Lauschposten aufgeben musste, weil Sirius geschickt wurde Callistus zu holen. Viele andere der Hausslaven hätten ihr nichts ausgemacht, aber wenn Sirius mitbekommen würde, dass eine Sklavin Lucias lauschte wüsste Vala das innerhalb von Sekunden. Natürlich hatte sie nicht immer Zeit und Gelegenheit Mäuschen zu spielen, aber wenn es sich ergab spitzte Arsinoe nur zu gerne die Ohren. „Er scheint ein alter Freund Valas zu sein, der die letzten Jahre im Osten verbracht, um dort seine Genesung voran zu treiben.“ Lucia horchte auf: „Genesung von was?“ „Das habe ich leider nicht mitbekommen. Aber er ist Senator und Callistus wurde zu ihnen gerufen.“ Das war jetzt nicht das Spannendste, was Lucia je gehört hatte, aber da ihr grade eh langweilig war beschloss sie ihr Glück zu versuchen. „Gut, hilf mir aufzustehen, den sehe ich mir mal genauer an.“ Arsinoe ergriff die ausgestreckte Hand ihrer hochschwangeren Herrin und wuchtete sie in die Senkrechte.


    Von ihrer enormen Körperfülle etwas behindert schlenderte Lucia also reinzufällig und mit den Gedanken scheinbar komplett woanders ins Triclinium. Zwei Schritte in den Raumblieb sie sichtlich überrascht stehen und stieß ein kleines „Oh!“ aus. „Entschuldigung, die Herren, ich wusste nicht dass hier jemand ist. Ich wollte nicht stören!“ Damit wandte sie sich langsam um, diesmal half der Babybauch ihre zögerlichen Bewegungen glaubhaft zu machen. Jetzt musste sie nur noch hoffen, dass sie jemand aufhielt.

    Ohje… da hatte sich Lucia wieder selbst eine Falle gestellt. Sie war so stolz auf ihre Fähigkeit erst zu denken und dann zu reden und dann passierte ihr so etwas! Sprich nichts an, bei dem du dich nicht wohl fühlst, wenn das Gespräch in diese Richtung weiter geht. Das war eine der Grundregeln der Konversation und diese hatte sie hier eindeutig gebrochen. Zwar war Lucia kein Gerede über sie selbst zu Ohren gekommen, das hieß aber nicht, dass es das nicht gab. Oh weh. Jetzt hieß es die Neugierde der Augusta zu befriedigen, ohne sich selbst noch mehr ins Rampenlicht zu stellen.


    [SIM-OFF] Da ich nicht ungebeten alte Geschichten wieder aufwirbeln möchte, werde ich mich auf fiktive Charaktere beschränken und mir Storys ausdenken, die an dem Abend passiert sein könnten. Wenn jemand sich hier aber gerne erwähnt sehen möchte gebt mir Bescheid. ;)[/SIM-OFF]
    „Nun… beginnen wir mit der Ursache: Es gab wirklich vorzügliche Genussmittelchen und nicht jeder und bei weitem auch nicht jede der Anwesenden kannte dabei seine Grenzen. Die Feier begann ganz unschuldig, doch je später der Abend wurde, umso ausgelassener wurden die Anwesenden. Die ersten verschwanden während des Brautzuges. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt mit der Braut unterhalten und habe es deshalb leider nicht selbst mitbekommen. Aber anscheinend hatte es der alternde Göttergatte einer jungen Frau so sehr übertrieben, dass er nicht mitlaufen konnte. Sie sah ihre Chance in einem der anwesenden jungen Männer und ergriff sie nicht all zu diskret.“ Lucia verdrehte die Augen, was aber vielmehr eine Kritik an der mangelnden Diskretion als an der Tat selbst zu sein schien. „Es wurden während des Brautzuges mehrere unsittliche Annäherungen beobachtet. Natürlich wurde sich über jede entsprechend echauffiert. Lustiger Weise stellte sich grade bei einem sehr bekrittelten und unkeuschen Paar heraus, dass diese verheiratet waren. Sie hatte nur irgendwann am Abend ihre Perücke eingebüßt und er sein Obergewandt.“ Bei der Erinnerung musste Lucia kichern.

    Zufrieden mit ihrer Geschichte und der Reaktion der Augusta entspannte sich Lucia etwas. Das konnte man vielleicht an minimalen Änderungen in ihrer Haltung bemerken: Ihre Schultern sanken ein wenig herab, ihre Kopfhaltung wirkten etwas lockerer und ihr Lächeln wurde weicher. Bestätigend nickte sie auf die Worte der Augusta. Sie war ja förmlich eine Expertin darin sich mit Situationen zu arrangieren.


    „Was wäre ich für eine Schwester, wenn ich der Augusta davon abraten würde?“, stellte Lucia lieber eine Gegenfrage. Sie versuchte nicht daran zu denken, was grade hoffentlich in der Villa Tiberia geschah. Denn wenn sie der Logik folgte würde das Gespräch nur unnötig kompliziert werden. Zum Glück sprach die Augusta von noch weiteren Gegnern ihres Mannes. „Alle starken Persönlichkeiten haben die schlechte Angewohnheit das zu tun. Man möchte doch meinen, dass grade Senatoren die hohe Kunst der Diplomatie beherrschten.“, kommentierte Lucia die Spaltung Roms und folgte nur zu gerne dem Beispiel der Augusta es sich etwas bequemer zu machen.
    Die kurze Erwähnung ihrer Freundinnen ließ Lucia das Gesicht verziehen. Sie war froh, dass die Augusta keine Antwort zu erwarten schien, hatte sie doch in letzter Zeit nur allzu deutlich gelernt, wer ihre wahren Freunde waren.


    Die nun folgende Bitte traf Lucia unerwartet. Sie sollte der Augusta über andere anwesende Gäste berichten?! Hatte sie hier grade wirklich den Ruf von fast jedem Anwesenden hier in der Hand? Ein kleiner Machtrausch durchströmte Lucia und sie musste arg an sich halten und sich bewusst daran erinnern, dass allzuviel negativer Klatsch auch schlecht für ihren eigenen Ruf sein würde.
    „Es ist mir eine Freude! Welche Frau spricht denn nicht gerne über andere?“, scherzte sie breit grinsend und sah sich nachdenklich um. Es war zwar ziemlich übertrieben davon zu sprechen, dass sie jeden Gast hier kannte, aber über die meisten hatte sie zumindest schon irgendetwas gehört. Doch sie wollte nur ungern ihren Bericht mit Gerüchten beginnen. Fortuna ließ in diesem Moment Dives und Sergia zu dem Brautpaar treten und da Lucia für ihren Kollegen bei der Factio Veneta einiges übrig hatte, fand sie es eine gute Idee mit ihm zu beginnen. „Das Paar, welches grade zu meinem Bruder tritt, sind Marcus Iulius Dives und Sergia Fausta. Dives gehört wohl zu den engsten Freunden der Familie. Er war erst Virgintivir und ist Vicarius in der Factio Veneta, der ich übrigens auch angehöre, während mein Bruder den Aurata angehört. Aber das ist glaube ich das einzige bei dem sich die beiden nicht einig sind. Dives und Sergia hatten eine etwas… ausschweifende Hochzeit. Es gab viel Gerede und so manchen Zwist danach. Vielleicht hast du auch von Sergia schon gehört. Sie war lange Zeit für das Postwesen hier zuständig und gilt als eine äußerst durchsetzungsfähige Frau. Sie hat einige Frauen unglücklich gemacht, als sie Dives vom Markt nahm. Die beide haben jetzt einen kleinen Sohn, der der neue Mittelunkt ihrer Welt ist.“ Ja, soviel zum allgemeinen. Fragend sah Lucia die Augusta an, ob sie noch mehr wissen wollte, oder ob Lucia zum nächsten weitergehen sollte.

    „Er soll es nicht wagen meine Kleine nicht anzunehmen! Sekunda! Wenn er sie nicht annimmt, bring ich ihn um! Sekunda, bitte bring sie nicht zu ihm. Lass sie bei mir. Sie ist mein Kind! Ich bring ihm um, wenn ihr was geschieht!“ Durch eine nur angelehnte Tür konnte man die schwache Stimme Lucias hören, die zwischen ohnmächtiger Wut und müder Verzweiflung schwankte. „ihr wird nichts geschehen. Ruh dich aus, mein Kind. Du hast für heute genug gekämpft.“, sprach die alte Sklavin beruhigend und trat im nächsten Moment aus der Tür. „Aber sie ist mein Kind!“, folgte ihr Lucias schwacher Ruf.


    Mit versteinerter Miene wartete Sekunda im Atrium. Das Baby war gesäubert worden, in frische Decken gewickelt und schlief selig im geübten Griff der alten Sklavin. Sobald Vala das Haus betrat, würde Sekunda die Decken abwickeln, um ihm das nackte Kind vor die Füße legen zu können. Sie hatte diese Prozedur schon so häufig beobachtet und war nicht selten selbst diejenige gewesen, die das Kind präsentierte und doch spürte Sekunda eine gewisse Aufregung. Nicht dass sich das groß zeigte, dennoch würde Vala selbst für Sekunda ungewöhnlich durchdringende Blicke auf sich spüren, bis er das Kind als seines angenommen hatte.

    Die Augusta schien nichts dagegen zu haben, dass Lucia sitzen blieb, im Gegenteil, sie gesellte sich sogar zu ihr. Es wurden erfrischende Getränke gereicht, während Lucia gespannt wartete, was die erste Frau des Reiches sagen würde…
    Ah, das… warum hatte sie auch etwas anderes erwartet? Sie seufzte leise.
    „Ja, damit werde ich wohl noch lange Zeit ein verlässliches Gesprächsthema haben.“, machte sie indirekt auf die Tatsache aufmerksam, dass die Augusta bei weitem nicht die erste war, die sie darauf ansprach. Aber eine Augusta konnte man da leider nicht so einfach abspeisen… ergeben trank Lucia einen Schluck ehe sie zu erklären begann: „Es wird dich vielleicht überraschen, aber ich selbst hatte nicht allzu viel Einfluss auf diese Entscheidung, werte Augusta. Was wäre das denn für eine Gesellschaft in der Frauen selbst über ihre Ehe bestimmen? Aber wie du schon angemerkt hast hat Vala großen Charme, also hab ich mich auch nicht allzu sehr dagegen gewehrt.“, Lucia grinste vieldeutig und war zum ersten Ma erleichtert diese Geschichte schon so oft erzählt zu haben und dadurch die ‚mehr auszudrücken als man sagt‘-Betonungen ohne groß darüber nachzudenken an genau den richtigen Stellen hinbekam.
    „Du musst wissen: Mein Gatte und mein Bruder waren nicht immer so… unnachgiebig zueinander. Tatsächlich war es mein Bruder, der mich Vala vorstellte, als er mich auf eine geschäftliche Reise zu diesem mitnahm.“ Halbwahrheiten hatten den großen Vorteil, dass man nicht durcheinander kam und vielleicht schaffte frau es ja sich irgendwann selbst zu überzeugen Lucia seufzte abermals. „Ihr Zerwürfnis begann erst als sich mein Mann vom Senat eine Verlängerung seiner Amtszeit beschaffte, um die Wahl eines neuen Augustus nach bestem Wissen und Gewissen leiten zu können. Mein Bruder missverstand die Absichten meines Mannes und reagierte entsprechend…“, grade noch so schluckte Lucia das Wörtchen ‚übertrieben‘ herunter. „Ich fürchte deshalb muss ich dir auch antworten, dass mein Gatte leider wichtigere Termine hatte und deshalb nicht anwesend ist.“ Lucia zuckte offenkundig verlegen mit den Schultern. „Ich fürchte mein Mann und mein Bruder sind sich in mancher Hinsicht ähnlicher als gut für sie ist.“ Viel deutlicher wollte sie die beiden lieber nicht verunglimpfen, doch dieser kleine Seitenhieb auf beide, noch dazu vor der Augusta, brachte Lucia zu einem verschmitzten Lächeln.

    So langsam konnte und wollte Lucia nicht mehr schwanger sein. Aber als beim Essen überraschend Besuch kam, war sie es wohl noch, da die Geburt erst so ungefähr drei Tage später endlich stattfinden würde. Im Sitzen war es eventuell nicht so auffällig, aber sie sah natürlich so aus, als hätt das Kind schon gestern kommen müssen.
    Bei dem Besucher musste auch Lucia zuerst überlegen, aber dann bekam sie große Augen. Das war doch glatt einer ihrer Retter, der sie vor einem halben Leben auf dem Markt vor Räubern bewahrte und dem sie vorgaukelte ihre Freundin wollte etwas von ihm um… Lucia biss sich selbst absichtlich auf die Zunge, um sich aus ihrer Starre zu reißen. Doch dadurch bekam sie die Vorstellungsrunde nur zu deutlich mit und konnte diese grässlichen Namen wohl kaum ignorieren, mit denen sich alle plötzlich ansprachen. Hadamar, Alrik, Audaod? Ihre Augen wurden schmal und ihre Lippen spitzen sich, das hier war ein römischer Haushalt, hatte es zu sein! „Salve, Ferox. Das war dein Name, nicht wahr?“, sprach sie mit Nachdruck. „Willkommen zurück in Rom.“

    Sie könnte hier sein weil… Oder für… Sie müsste… Arsinoe runzelte die Stirn. Es fiel ihr einfach keine gute Erklärung dafür ein, warum sie hier im Arbeitszimmer von Lucius Tiberius Lepidus war. Wenn sie entdeckt werden würde wäre sie aufgeschmissen. Als Putzsklavin hätte sie hier drin so tun können, als ob sie sauber machte, aber diese Zeiten waren lang vorbei. Sie musste einfach darauf bauen, dass die meisten Sklaven entweder in der Villa Flavia aushalfen, oder zu sehr damit beschäftigt waren hier in der Villa Tiberia alles vorzubereiten, als dass sie darauf kamen zufällig in das Arbeitszimmer des Dominus zu kommen. Zumindest beim Eintreten hatte Arsinoe weit und breit niemanden gesehen. Jetzt musste sie sich einfach beeilen. Je weniger Zeit sie hierfür benötigte, umso besser. Aber wo sollte sie die Rolle verstecken? In einem der vielen großen Regale, oder dahinter? Hektisch blickte sich die junge Sklavin um. Im Schreibtisch? Darunter? Arsinoe tastete das Möbelstück nach ausreichend großen Lücken ab, konnte aber keine finden. Darunter würde die Fluchrolle garantiert von Putzsklaven entdeckt werden… Also doch die Regale. Mit fahrigen Fingern schaffte es Asinoe die Rolle zwischen Regal und Wand auf Höhe des Fußstückes zu klemmen. Ihr rauschte ihr eigenes Blut in den Ohren und sie machte, dass sie rauskam, so schnell sie irgendwie konnte.


    Von außenunterschied sich diese Fluchrolle kaum von der ersten, wenn sie jedoch geöffnet wurde konnte man folgenden Inhalt ausmachen:


    [Blockierte Grafik: http://www.bilder-hochladen.net/files/ltnj-4-977f.jpg]
    für jemanden mit Griechisch-Kenntnissen: nedniwhcs llos dnatsreV nies sudipeL suirebiT suicuL ehculfrev hcI

    Mit einem zufriedenen Lächeln löste sich Lucia von ihrer baldigen Schwägerin und nickte ihr verschwörerisch zu. Da sie nur ungern noch weitere aufgesetzte Höflichkeiten mit ihren Bruder tauschen wollte nahm sie gerne etwas zum Vorwand, das ihr eigentlich relativ egal war: „Nun möchte ich aber eure anderen Gäste nicht weiter aufhalten. Auch klingt die bequeme Sitzgelegenheit immer verlockender je länger ich stehe. Ich bin mir sicher wir kommen im Laufe des Abends noch dazu ein wenig miteinander zu plaudern.“ Sie würdigte bei diesen Worten ihren Bruder keines Blickes, sondern sprach die ganze Zeit lächelnd zu Flavia. Mit einem Nicken, das auch ausschließlich ihrer Schwägerin galt, verabschiedete sie sich vom Brautpaar und ließ sich zu der für sie gedachten Kline führen. Dort angekommen sank sie erleichtert darauf nieder, legte die Füße hoch und seufzte zufrieden. Das tat gut!


    Lucia hatte nur für einen Moment ihre Augen ausgeruht, das alles war doch anstrengender als sie gedacht hatte, doch als sie diese wieder öffnete sah sie doch tatsächlich eine elegante junge Frau in blaugoldener Kleidung auf sich zukommen. „Verehrte Augusta!“, sprach Lucia sichtlich überrascht und richtete sich mühsam auf. Man konnte nicht wirklich sagen, dass sie ihre Füße herunter ‚schwang‘, aber irgendwie kam sie langsam in eine sitzende Position. Damit war ihre Kondition jedoch erstmal erschöpft du sie hoffte, dass die Augusta ihr nicht übelnahm sich nicht ganz zu erheben. Sie legte in der typischen Geste einer Schwangeren eine Hand auf den Bauch und lächelte leicht verlegen. „Überrascht. Das kann vieles heißen, aber ich nehme es mal als Kompliment.“ Kurz zeigten sich ihre weißen Zähne in einem Grinsen, ehe sie neugierig anfügte: „Darf ich fragen, was dich am meisten überraschte, Augusta?“

    Zufrieden mit Callistus Reaktion nickte Lucia und fühlte sich ein bisschen versöhnt. Immerhin freute sich ihr… was war der Junge jetzt eigentlich? So was wie ein Neffe? Ja, das war akzeptabel… ihr Neffe entsprechend. Auch konnte frau dem verschmitzten Jungenlächeln, das Dives und ihr zugeworfen wurde, wohl kaum böse sein.
    Nun übergab Dives Callistus die Mappa und knüpfte amüsanter Weise eine mögliche Mitgliedschaft in der Veneta an eine gute Performance des Jüngeren. Lucia hob eine Hand an die Lippen, um sich ihre Heiterkeit nicht allzu sehr anmerken lassen.
    Auf Dives doch etwas naiv wirkende Frage musste sie dann aber doch leise kichern. „Ich denke das haben wir schon längst geschafft. Jetzt hängt wohl eher alles davon ab, ob er sich in unseren Augen gut anstellt. Meinst du wir sollten jetzt besonders kritisch gucken?“ Sie verschränke die Arme vor der Brust und bemühte sich um einen bösen Blick, welcher grandios an ihrem nicht weichen wollendem Lächeln scheiterte.

    Die Casa war seit dem frühen Morgen in heller Aufregung. Nur wenige Momente nachdem der Hausherr gegangen war, um seinen täglichen Geschäften nachzugehen hatte Lucia, oder vielmehr ihre Leibsklavin Sekunda, verkündet dass seit einigen Stunden die Wehen eingesetzt hatten. Tücher, heißes Wasser, Kräuter, Götterstatuetten. Alles wurde herbeigeholt, weggeräumt, besser platziert und ausgetauscht. Am frühen Nachmittag hallten die Schreie der werdenden Mutter durch das Haus, die nach einiger Zeit plötzlich aufhörten. Für ein paar Herzschläge hielt das ganze Haus den Atem an. Dann kam endlich das befreiende Plärren eines Babys.


    Wieder wurde es unruhig. Schmutzige Laken wurden weggeräumt, noch mehr warmes Wasser zum Waschen gebracht und die doch ein wenig enttäuschende Nachricht wurde weiter geflüstert. „Die Herrin hat ein Mädchen geboren.“ Ein gesundes, kräftiges Ding, aber eben nur ein Mädchen.


    Erst als sich die größte Aufregung wieder gelegt hatte wurde ein Bote zu dem frisch gebackenen Vater geschickt.