Hochzeitstag. Als Seiana an diesem Morgen die Augen aufschlug, konnte sie es immer noch nicht ganz glauben. Und das Gefühl hielt sich, den ganzen bisherigen Tag hindurch, so sehr, dass sie zu vermuten begann sie könnte es vermutlich selbst in einem Jahr noch nicht glauben. Nach all der Zeit, nach allem, was passiert war, nach so vielen Zweifeln und dem festen Glauben, dass sie ihn nie würde haben können, nie wirklich. Und jetzt war es doch so weit. Trotz allem, was ihnen im Weg gestanden hatte... und teils immer noch im Weg stand, dessen war sie sich nur allzu sehr bewusst. Bis heute war sie sich nicht sicher, ob ihr Bruder zu der Feier kommen würde oder nicht, und einem Teil von ihr tat das weh, noch weit mehr, als sie sich eingestehen wollte.
Die Zeremonie selbst erlebte sie wie... wie im Nebel. Zum einen war da ihr Unglauben. Dann die Probleme, die nicht einfach verschwunden waren... Und zu guter Letzt: all die Leute. Die Organisation der Feier hatte sie zwar nahezu komplett an Bedienstete abgeben und daher nicht übermäßig viel Arbeit damit gehabt – Seneca und sie hatten die grobe Planung besprochen, die Eckpunkte, alles andere hatte sie andere machen lassen. Es war ihr nicht so wichtig, was nun wo wie genau war, so lange alles den Ansprüchen genügen würde, die die Gäste voraussichtlich stellen würden. Und es waren auch nicht im eigentlichen Sinn viele Gäste... sie hatten ja nur die engsten Verwandten und Freunde eingeladen. Aber wie bereits in Rom, zur Verlobungsfeier ihres Bruders, stellte sie fest, dass ihr Unwohlsein, wenn sie sich unter vielen Menschen aufhalten musste, in der Zeit, in der sie so zurückgezogen gelebt hatte, eher schlimmer als besser geworden war. Und dass sie im Mittelpunkt stand, trug auch nicht dazu bei dass sie sich wohler fühlte.
Und doch... das hier... das war einfach richtig. Trotz alledem – tief darunter fühlte es sich richtig an. Das war von Anfang an so gewesen, seit sie sich wirklich kennen gelernt hatten. Das war der Grund, warum sie in all den Jahren nie hatte von ihm lassen können, egal wie ungünstig die Zeiten auch gewesen sein mochten. Sie bemühte sich auf die Gäste einfach gar nicht zu achten, das Wissen zu ignorieren, dass sie da waren, versuchte alles auszublenden außer Seneca. Diese Zeremonie. Diese eine Zeremonie, dieser eine Tag, und dann würde das beginnen, was sie eigentlich wollte, weswegen sie eigentlich ja gesagt hatte. Und als Aelia Vespa, die ihre Brautführerin war – nachdem sie ohnehin nicht alle Traditionen beachteten, war auch diese nicht so wichtig, dass die Pronuba eigentlich in erster Ehe verheiratet sein sollte –, ihre Hand in Senecas legte, als sie beide ihr Einverständnis gaben, schlossen sich ihre Finger um seine, und zum ersten Mal an diesem Tag, zum ersten Mal seit mehreren Tagen eigentlich, hatte sie das Gefühl, aufatmen zu können. Sie hatte nicht geahnt, wie sehr ein Teil von ihr trotzdem noch befürchtet hatte, es könnte irgendetwas dazwischen kommen, bis es zu spät war dafür.
Der anschließenden Feier sah Seiana dann schon gelassener entgegen. Nicht dass sich etwas an den Umständen geändert hätte, aber die Zeremonie und damit der wesentliche Teil war vorbei. Sie lächelte vage, als Seneca eine kurze Rede hielt, und trank dann ebenso wie er einen Schluck – sie hatte ganz sicher nicht vor, jetzt selbst noch ein paar Worte zu sagen, schon gar nicht wo er das so hervorragend gemacht hatte. Stattdessen bekamen die Bediensteten nur ein unauffälliges Zeichen, dass sie jetzt servieren konnten, und schon bald füllten sich die Tische.