Beiträge von Marcus Decimus Aquila

    Aquila lächelte freimütig auf das Kompliment hin, auch wenn das, was er tat, nichts anderes als das war, was von einem Tiro erwartet wurde. Der Senator würde ihn – zu Recht – hochkant rausschmeißen, wenn er es noch nicht mal fertig brachte, mit einem potentiellen Gönner ein Abendessen auszumachen. Gleichzeitig war er natürlich davon überzeugt, dass sich der Duccius sehr glücklich schätzen konnte, ihn an seiner Seite zu haben und nicht irgendeinen Trottel... aber das in der Form laut kund zu tun war nicht wirklich opportun. „Man tut was man kann.“ Aquila nickte zustimmend. „Das wäre alles. Du wirst in den nächsten von mir hören... ich freue mich schon darauf. Vale, Tiberius.“ Mit diesen Worten wandte Aquila sich – nach einem kurzen Moment des höflichen Wartens – um und ging zu seinem Senator zurück. Wo es mittlerweile nicht mehr so zuging wie davor, stattdessen hatte sich eine Lücke in der Menge gebildet... und eine Vestalin war zu sehen. Aquila drängte sich langsam durch die Menschen zurück zum Duccius und hörte einfach nur zu. Mal sehen, wann der Senator Zeit haben würde sich anzuhören, was mit dem Tiberius war.

    Aquila trat ein, als die Aufforderung dazu kam – und blieb erst mal für einen Moment irritiert stehen, weil da niemand zu sehen war in dem Officium. Ein Schreibtisch, an dessen Rändern sich Wachstafeln und Papyrusrollen tummelten, aber niemand dahinter... erst nach einem weiteren Schritt nach vorne in den Raum hinein sah er, dass sich hinter dem Tisch etwas bewegte, und im nächsten Augenblick tauchte auch schon eine Frau auf. Eine seiner Augenbrauen wanderte etwas in die Höhe, während er sie kurz mit einem leichten, aber frechen Schmunzeln taxierte – diese Art der Begrüßung war dann doch etwas ungewöhnlich. Und sich vorzustellen, wie die Frau vor ihm, die noch dazu ziemlich hübsch war, gerade eben noch auf allen Vieren unter dem Tisch herumgekrabbelt sein musste, trug definitiv nichts dazu bei, dass es ihm leicht gefallen wäre einfach ohne Kommentar darüber hinweg zu gehen. Was er auch nicht tat. „Gefunden, was du gesucht hast?“


    Nach diesem kurzen Augenblick der ersten Bestandsaufnahme schloss Aquila die Tür hinter sich, und als er sich der Stationaria dann wieder zuwandte – die sich nun als Sergia Fausta vorstellte, die Briefschreiberin –, war das Lächeln auf seinen Lippen nicht mehr so amüsiert wie gerade eben noch. Und auch wenn Aquila sich bemühen musste, die Vorstellung von der Sergia auf allen Vieren – allerdings nicht unter einem Schreibtisch... – aus seinen Gedanken zu verbannen, war sein Lächeln nun auch nicht anzüglich, sondern einfach nur freundlich. „Salve, Sergia“, grüßte er zurück, während er näher an den Tisch herantrat. „Ich bin Marcus Decimus Aquila. Du hast meiner Familie kürzlich ein Schreiben gesandt...“ Er zeigte ihr den Brief, den er mitgebracht hatte. „... mit dem Inhalt, dass etwas mit der Abrechnung unserer Wertkarte schief gelaufen ist. Da dein Schreiben aber nicht ausgeführt hat, was der Fehler genau war, bin ich hier um zu fragen, ob du mir das vielleicht erläutern könntest... Meine Familie wüsste einfach gerne Bescheid.“

    Aquila grinste flüchtig auf das Augenzwinkern hin und prostete den beiden zu, als ihre Bestellung kam. Und war dann für einen kurzen Moment irritiert. War es nicht der Soldat gewesen, der die Taverna vorgeschlagen hatte? Aber scheinbar hatte er da durcheinander gebracht... Und dann wie von selbst dem Soldaten zugetraut, sich in den Tavernen der Stadt auszukennen. Aber gut, zum Glück hatte er das nicht herausposaunt, sonst wäre das wohl ein bisschen peinlich geworden für ihn. Bei der Antwort des Sergiers war es nun Aquila, der sich flüchtig umsah... wenn das hier tatsächlich eine der Tavernen war, in der sich sogar Ritter und Senatoren blicken ließen, lohnte es sich, die Augen offen zu halten nach bekannten Gesichtern. Wer wusste schon, wem man begegnete und dabei einen guten Eindruck hinterlassen konnte. „Erzähl mal, welche Geheimnisse?“ fragte er dann, halb interessiert, halb amüsiert. Tratschen taten die Leute überall, und manchmal waren tatsächlich interessante Dinge dabei. Da hatte der Sergier schon ganz Recht: Augen und Ohren auf... vielleicht an der richtigen Stelle mal ein Kommentar, und man lebte nicht nur länger, sondern bekam einiges mit, was einem helfen konnte.

    „Natürlich“, erwiderte Aquila lächelnd. Irgendwie gefiel ihm das. Nicht das Plaudern, ohne wirklich was zu sagen, oder wirklich zu meinen was man da sagte – aber immer wieder Varianten zu finden, wie man etwas formulieren konnte, dass es gut klang, ohne dass man sich auf irgendwas festlegte. So viel Gelegenheit das sozusagen im echten Leben zu testen und nicht innerhalb des Unterrichts oder der Familie hatte er bisher einfach noch nicht gehabt. „Sicherlich möchte der Senator das, immerhin bedeutet ein Aedilat noch weit mehr, als nur Spiele auszurichten... und auch nach der nächsten Amtszeit wird er Pläne und Ideen für Rom haben, die Unterstützer gebrauchen können.“ Was in erster Linie hieß: weitere Wahlen. Und damit Wahlkampf, um auf Stimmenfang zu gehen. „Und ich selbst würde mich genauso darüber freuen, dich bei Gelegenheit näher kennen zu lernen.“ Was auch wieder hieß: weitere Wahlen. Oder, genauer gesagt: Wahlen. Immerhin würden es seine ersten sein. Auch wenn Aquila nach wie vor davon ausging, dass er zumindest für diese keine Wahlkampfspenden brauchte, sondern das aus dem Vermögen seiner Familie finanzieren konnte – so teuer konnte der Wahlkampf für das Vigintivirat nun auch wieder nicht sein –, Kontakte konnte man immer brauchen, und wenn Leute mit Verwandten wie der Tiberier vor ihm bei anderen positiv über ihn sprach, war das mit Geld sowieso kaum aufzuwiegen. Man brauchte einfach beides. „Ich werde dir noch mal eine schriftliche Einladung zukommen lassen. Wenn du allerdings jetzt schon weißt, an welchen Abenden es dir in der nächsten Zeit besonders gut passt, nehme ich darauf gerne Rücksicht.“ Entgegen kommen... aber nicht zu viel. Der Senator befand sich immerhin im Wahlkampf, da war sein Terminkalender sehr eng gesteckt, und auch wenn sie etwas von dem Tiberius wollten, war bis jetzt ja noch gar nicht gesagt, ob er tatsächlich hilfreich sein würde oder nicht doch einfach nur eine große Klappe gehabt hatte.

    Nachdem ihm der Sklave das Originalschreiben gebracht hatte, hatte Aquila sich auf den Weg gemacht zum Sitz des Cursus Publicus in Rom, betrat das Gebäude und fragte sich dort dann durch zum Officium der Stationarii. Wo er zunächst mal brav und höflich anklopfte und ebenso brav und höflich auf Antwort wartete.

    So anstrengend sein Tirocinium fori im Moment auch war, das er in Diensten des Senator Duccius ableistete, so aufgekratzt war Aquila auch. Er liebte es. Von jetzt auf gleich Hals über Kopf in den Wahlkampf einzusteigen, wo er quasi kaum in Rom angekommen war, neben der zugegeben etwas nervigen Hilfsarbeit jede Menge wichtige Leute kennen zu lernen, Senatoren, Pontifices, Consulare, jeden Tag irgendwas anderes und ständig auf Achse – er war begeistert. Genau das war es, warum er endlich nach Rom gewollt hatte – nicht einfach nur um hier zu sein und zuzusehen, sondern um mittendrin zu stecken und so viel wie möglich zu erleben. Und wenn der Wahlkampf erfolgreich war und der Duccius zum Aedil gewählt werden würde, würde das so weiter gehen.
    Mit einem Grinsen griff er sich die Post, die ein Sklave für ihn bereit gelegt hatte, und ließ sich auf sein Bett fallen, um sie sich anzusehen. Ein Brief von Zuhause, mit der Nachfrage wie es ihm ging und der Familie... landete mehr oder weniger achtlos auf der Seite, darum konnte er sich später noch kümmern; ein Bericht des Gemüsehofs, an dem er als Teilhaber eingetragen war... vielleicht sollte er sich da mal mit Dexter kurzschließen... hatte aber auch noch Zeit, landete also auch auf der Seite, genauso wie die Abrechnung der Brauerei. Sollten sich doch die Verwalter darum kümmern, dafür hatte man die ja schließlich. Die einzige Teilhabe an familiären Betrieben, die Aquila wirklich interessierte, war die Pferdezucht in Hispania, an der ihn sein Großvater beteiligt hatte vor seiner Abreise – aber darüber war leider kein Bericht dabei gewesen. Musste er bei seiner Antwort an seine Familie erwähnen, dass er da regelmäßig informiert werden wollte – wollte er in diesem Fall wirklich, und hatte zudem den Vorteil dass es einen guten Eindruck machen würde.


    Blieb noch ein Schreiben über, das eigentlich gar nicht das Original war, offenbar, sondern von Sklaven als Abschrift gekennzeichnet. Ein Brief an alle Decimer, irgendwas über die Post und ihre Wertkarte... Aquila wollte auch den Brief schon zur Seite fallen lassen, als ihm auffiel, dass ihnen da Kohle aberkannt worden war. Gut, war nicht sonderlich viel, aber trotzdem... Ein wenig nachdenklich betrachtete er den Namen der Absenderin. Eine Stationaria. Kam auch nicht übermäßig häufig vor, dass Frauen arbeiteten. Vielleicht sollte er einfach das Angebot annehmen und die Sache einfach persönlich kurz prüfen, so, die Unterlagen dazu, was wann wie verschickt wurde von seiner Gens, einfach um sicher zu gehen dass da alles seine Richtigkeit hatte und nicht etwa zu Unrecht Geld von ihnen abgezweigt wurde... und bei der Gelegenheit sich die Frau mal genauer anschauen. Ja, das klang doch nach einem Plan. Aquila rief nach einem Sklaven und wedelte mit der Tafel, auf der die Abschrift war. „Bring mir das Original von dem hier. Und sag den anderen, ich kümmer mich drum.“

    Jetzt musste Aquila deutlich grinsen. „Ich hab schon einen, seit gestern. Noch nicht mal selbst gefunden, Tante Seiana hat das irgendwie eingefädelt...“ Aus dem Carcer heraus. Aber naja gut, der Senator, bei dem er sein Tirocinium fori machen würde, war quasi ihr Kerkermeister, sozusagen... zumindest mit dem Mann ins Gespräch zu kommen war da nicht ganz so unmöglich, wie es bei allen anderen gewesen wäre. „Es ist Senator Titus Duccius Vala, der im Bürgerkrieg Tribunus laticlavius der VIII war und jetzt zum Aedilat kandidiert.“ Aquila freute sich schon auf den Wahlkampf, und dass das ganze so plötzlich gekommen war, fand er eher lustig als störend. Mangelnde Spontaneität konnte man ihm jedenfalls nicht vorwerfen... steif und unflexibel konnte er immer noch werden, wenn irgendwann mal alt war. 35 oder so.
    Die Frage nach den finanziellen Mitteln war etwas kniffliger. Grundsätzlich ging Aquila wie selbstverständlich davon aus, dass seine Familie in Tarraco für seine Kosten aufkam, so lange das nötig war – oder besser: er war bisher immer davon ausgegangen. Er wollte sich nicht faul auf dem Vermögen seiner Familie ausruhen, aber ohne je großartig darüber nachgedacht zu haben erwartete er unbewusst einfach, dass er nicht auch noch selbst zusehen musste, wie er für all seine Kosten aufkam, während er sich zugleich reinhängte, um seine Karriere voranzutreiben. Hier in Rom, wo er nun hatte feststellen müssen, dass die Lage nach dem Bürgerkrieg nicht mehr ganz so rosig war für seine Familie, hatte er angefangen Befürchtungen zu hegen, dass es nicht mehr ganz so selbstverständlich sein würde, einfach weil das Vermögen seiner Familie wohl ziemlich strapaziert werden würde. Die Casa, das fand er nach wie vor, sollte spätestens wenn das Schicksal von Serapio und Seiana geklärt waren aufwändig renoviert werden, was einiges kosten würde – und wer wusste schon, zu welchen Reparationszahlungen sie verdonnert werden würden. Aber naja, zumindest in Hispania hatten sie ja noch weitreichende Mittel, die hoffentlich nicht angerührt werden würden, und Aquila fand, dass die nun in erster Linie für seine Karriere zur Verfügung stehen sollten... aber das hatte sowieso noch Zeit, bis es bei ihm so weit war, sah es vielleicht wieder ganz anders aus. „Im Moment brauch ich noch kaum was, außer dem Üblichen halt zum Leben“, erwiderte er daher. „Da reicht das, was von meinem Großvater kommt. Mal sehen wie das später aussieht, wenn die ersten Wahlen anstehen.“

    Hach, musste der es schon wieder so klingen lassen, als würden sie unbedingt Geld brauchen. Da waren nach wie vor Leute um sie rum, die das so eigentlich nicht hören sollten. Und auch wenn Aquila selbst Geldsorgen ziemlich neu waren – bisher zumindest, aber bisher hatte seine Familie auch weder auf der Verliererseite eines ausgewachsenen Bürgerkriegs gestanden noch hatte er selbst aus eigenen Mitteln versuchen müssen einen Wahlkampf zu bestreiten –, aber dennoch war ihm bewusst, dass das nichts war womit man hausieren ging. Schon gar nicht vor dem Fußvolk. „Du hast eine hohe Meinung von den Menschen. Oder bist zu bescheiden, was deine eigene Großzügigkeit angeht. Gerade so kurz nach dem Bürgerkrieg sind die Zeiten für viele Menschen schwierig.“ Einfach irgendwas palavern, um darüber hinweg zu gehen, und dabei am besten seinem Gegenüber schmeicheln. Klar hatte sein Rhetoriklehrer ihm das in weit intellektuelleren Worten erklärt und beigebracht, aber letztlich ließ es sich doch darauf runterbrechen. Fand Aquila.


    Während sein Gegenüber sich nun vorstellte, nutzte er die Gelegenheit den Mann ein wenig zu mustern, und je mehr er sagte, desto interessanter wurde er freilich. Tiberius, gut, an seiner Aufmachung war ja schon zu erkennen gewesen dass er Patrizier war, auch wenn Aquila den Halbmond am Knöchel zugegebenermaßen nicht sofort gesehen hatte – aber ein Vetter von Tiberius Durus, Consular, Pontifex, dann in Schimpf und Schande verdammt, weil er des Kaisermords beschuldigt worden war... und jetzt rehabilitiert. Aquila war also durchaus ein bisschen beeindruckt von der Vorstellung, und er fand dass der Mann damit definitiv unter die Kategorie fiel, dass er näher kennen gelernt werden sollte. Zugleich allerdings zupfte auch unweigerlich ein Grinsen an seinen Mundwinkeln bei den hochgestochenen Worten. Sollte er so was nun vielleicht auch raushauen? Freut mich außerordentlich deine Bekanntschaft zu machen, wenn ich meine Vorstellung vielleicht noch ein wenig ausbauen dürfte: ich bin Enkel des Maximus Decimus Meridius, Senator Roms, glorreicher Feldherr und Triumphator. Nein, dessen Villa bewohne ich nicht mehr, die steht in Tarraco, aber unser Stadthaus in Rom ist auch ganz nett.
    Aquila zügelte sich und verhinderte, dass das Grinsen sich über sein ganzes Gesicht ausbreitete. „Freut mich sehr deine Bekanntschaft zu machen, Tiberius.“ Irgendeinen Posten hatte der Mann offenbar nicht inne derzeit, sonst hätte er das wohl auch gleich gesagt und nicht nur mit seinen Vetter erwähnt. Und Aquila selbst beschloss, auf die Nennung seines Großvaters zu verzichten, selbst in der Kurzform. Irgendwie war die Gelegenheit verpasst... das hätte er vorher machen müssen. Musste er sich für die Zukunft merken, immerhin war die Devise in der Politik in der Regel: klotzen, nicht kleckern. „Wie der Senator schon erwähnt hat: die Spiele werden stattfinden. Aber das heißt ja nicht, dass sich nicht eine andere Möglichkeit finden lässt, zum Wohle Roms gemeinsame Projekte anzugehen... Senator Duccius wäre dem nicht abgeneigt. Bei einer gemeinsamen Cena ließe sich so etwas sicher gut besprechen, wenn du Interesse hättest.“

    Aquila konnte ein flüchtiges Lächeln nicht unterdrücken, als Massa seine Anerkennung ausdrückte. „Habe ich, ja. Ich werde den Cursus honorum beschreiten...“ Und irgendwann seine eigene Legion anführen. Das sagte er zwar nicht, aber man konnte ihm anhören, dass er wusste was er wollte. „Nach einem Patron habe ich noch nicht konkret gesucht, dafür kenn ich noch zu wenig... Ich mach erst mal ein Tirocinium fori bei einem Senator.“

    Gehilfe. Na super. Als Gehilfe wurde er angesehen? Aquila hätte am liebsten das Gesicht verzogen, aber er riss sich zusammen – es würde kaum förderlich sein, wenn er jetzt Grimassen schnitt. Und auch nicht, wenn er nun darauf bestand, dass er beileibe kein Gehilfe war, oder jedenfalls nicht nur... dann hätte er irgendwo als Scriba personalis anheuern können und würde dafür auch noch bezahlt werden. Nein, er machte das Tirocinium, um etwas zu lernen, all das, was in der Theorie nicht einzubläuen war, praktisch zu erleben – und nebenbei auch Kontakte zu knüpfen, wichtige Leute kennen zu lernen, sein eigenes Gesicht und seinen Namen schon mal ein bisschen unters Volk bringen zu können. Und für die Unterstützung, die er dem Senator leistete, erwartete er dass der ihm wiederum half bei diesen Dingen.


    Aquila lächelte also nur, wenn auch ein bisschen gezwungen, und ging auf den Gehilfen einfach gar nicht ein. „Naja, ein solch großzügiges Angebot wie das deine hört man nicht alle Tage. Das macht neugierig auf den, der es anbietet... Darf ich deinen Namen erfahren?“

    Neugierig betrachtete Aquila die Ansammlung an Menschen im Atrium, zunächst ohne großartig was zu sagen. Im Grunde hätte er ja kein Problem damit gehabt, auch was zu sagen, aber es war wohl einfach klüger, fand er, wenn er sich erst mal zurückhielt. Immerhin war er einer der jüngsten, und von allen Decimi noch dazu derjenige, der mit Abstand am kürzesten in Rom war. Er bezweifelte dass es gut ankam, wenn er sich gleich als jemand aufspielte, der meinte das Wort an sich reißen zu müssen, anstatt anderen, älteren den Vortritt zu lassen.


    Als Massa ihn dann allerdings direkt ansprach, zeigte sich doch, dass Aquila keineswegs aus Scheu oder Unsicherheit geschwiegen hatte. „Aus dem Grund bin ich hergekommen.“ Nicht nur aus dem Grund, sondern weil er auch einfach endlich hatte kommen wollen, gleich wie die Lage war... aber auch deswegen. Aquila fand es im Gegenteil ja sogar irgendwie spannend. Er mochte Herausforderungen. „Du kannst auf mich zählen.“

    Aquila machte weiter im Takt, auch wenn es nach einiger Zeit anstrengend wurde... und auch ein bisschen öde, fand er. Nicht dass er davor gedacht hätte, auf dem Forum zu stehen und Wahlkampf zu machen, indem man Hunderte von Händen schüttelte und Brot hinein drückte wäre abwechslungsreich, oder es würden einem nicht irgendwann die Füße weh tun... aber es war eben was anderes, theoretisch zu wissen wie so was lief, oder es dann tatsächlich zu erleben. Zumal wenn man wie er sich überhaupt nicht so genau Gedanken darüber gemacht hatte, was ihn denn nun erwartete, jedenfalls nicht in der Detailtiefe, wann genau ihm nun langweilig werden oder die Füße weh tun würden.


    Bei jedem, der ein wenig länger stehen blieb als die üblichen paar Momente und mehr zu sagen hatte, hörte Aquila also aufmerksam zu, wenn es ging – der Abwechslung wegen, auch wenn er wusste dass sein Hauptantrieb eigentlich sein sollte zu lernen. Das Angebot der Wahlkampfspende vor allen Leuten bekam Aquila also problemlos mit, und auch den Wink des Senators – und den Auftrag. Innerlich jubelte er darüber, sich ein wenig die Beine vertreten und endlich mal was anderes tun als Hände zu schütteln und Brot zu verteilen, und auch äußerlich war ihm wohl flüchtig anzumerken, dass er definitiv nichts dagegen einzuwenden hatte, mal was anderes zu tun zu bekommen. „Sofort, Senator“, antwortete er mit einem Nicken und setzte sich in Bewegung, um den Wahlkampfspendenmann in der Menge noch zu erwischen. „Salve“, grüßte er ihn, als er ihn erreicht hatte, „entschuldige bitte die Störung... Ich bin Marcus Decimus Aquila und mache gerade mein Tirocinium fori bei Senator Duccius. Hättest du vielleicht einen Moment Zeit für mich?“

    In der Taberna angekommen ließ Aquila sich auf einen der Plätze an dem freien Tisch fallen und schloss sich erst mal der Bestellung an: „Wein ist gut... Käse und Brot auch.“ Und war erst mal ein bisschen verwundert über die Reaktion der des Mädls, das ihre Bestellungen aufgenommen hatte – eine Schankmagd, die verlegen wurde? Musste wohl ziemlich neu sein, dachte er grinsend, und hatte sich an all die Blicke und zotigen Sprüche noch nicht gewöhnt, die Männer abließen... umso mehr, je betrunkener sie wurden. Da passte irgendwie auch der Blick des Domitiers hinein. „Ja“, knüpfte er mit einem Grinsen an die Frage des Sergiers an, „erzähl, hast hier schon nen Weib gefunden, das du wieder treffen willst?“ Er hatte die Taverna ja empfohlen, ein paar der Schankmägde kannte er da vielleicht schon.

    Aquila zögerte einen Moment lang. Er war erst vor kurzem gekommen, eigentlich hatte er nicht vorgehabt, so bald schon wieder zu gehen... andererseits: wenn sich gerade so eine Gelegenheit für Gespräche bot und dafür, ein paar Kontakte zu knüpfen, wäre es bescheuert, das auszuschlagen. Und was zu trinken konnte er immer vertragen.
    Er musste flüchtig lächeln, als der Sergier von Rom als einem Hort der vergessenen Tugend sprach – sah er nicht ganz so, aber nun ja, deswegen war er ja nicht hier, und davon abgesehen konnte man sich ja immer vom Gegenteil überzeugen lassen. „In Ordnung, wenn ihr gehen wollt: ich bin dabei“, verkündete er also ohne große Umstände.

    „Salve, Senator Flavius. Es ist mir eine Freude, dich kennen zu lernen“, nutzte Aquila die kleine Pause, die der Duccius ihm ließ, nachdem er ihn vorgestellt hatte. Erst dann setzte auch er sich, nachdem ein weiterer Stuhl extra für ihn geholt worden war, und hielt erst mal die Klappe. Er war ein bisschen gespannt darauf, wie dieses Gespräch laufen würde – er hatte inzwischen gehört, dass der Flavier offenbar in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im Haus seiner Familie Zuflucht gefunden hatte, dass sein Onkel Serapio ihn beschützt hatte anstatt ihn zu verpfeifen. Wenn das wirklich stimmte, dann war er zur Abwechslung mal nicht einfach nur ein mehr oder weniger lästiges Anhängsel seines Senators, sondern seine Anwesenheit würde hoffentlich irgendeinen Bonus bringen. Aquila hätte es vorher ja nicht geglaubt, aber die ersten Tage seines Tirociniums Fori waren anstrengender, als er erwartet hätte... und er fühlte sich nutzloser, als er erwartet hätte. Mochte auch daran liegen, dass er quasi ins kalte Wasser geworfen worden war, weil der Senator mit ihm von Tag eins an sofort mit dem Wahlkampf durchgestartet war... in jedem Fall störte ihn das ein bisschen. Was allerdings seinen Ehrgeiz weckte – ob er nützlich war oder nicht, war ihm letztlich völlig egal, aber er wollte unbedingt einen guten Eindruck, und deswegen strengte er sich an, passte auf wie ein Luchs, wenn er den Duccius begleitete, und bereitete abends noch bis in die Nacht hinein Gespräche nach, die gelaufen waren, und vor, die noch anstanden.

    „A“, murrte Aquila, aber wohlweislich so leise, dass die beiden Männer kaum würden hören können, dass er überhaupt etwas gesagt hatte, „Ich heiß AquilA.“ Also wirklich, der Duccius war vielleicht alt, aber SO alt, dass er sich einen simplen Namen nicht merken konnte, war er dann doch wieder nicht, egal wie kurz sie sich kannten! Trotzdem war es nicht das erste Mal, dass er den Senator verbessern musste, und langsam nervte es ein wenig – vor allem hier, vor dem Purgitius. Über den hatte sein Großvater einiges erzählt, und er sich auch etwas schlau gemacht. Und das war ein Mann von einem Kaliber, vor dem Aquila ziemlich gern gut da stehen wollte. Die Karriere, die er im Militär hinter sich hatte, war einfach beeindruckend. Ah ja, und seine politische auch, aber die interessierte Aquila nicht ganz so sehr. Also schluckte er seinen Ärger hinunter, während der Duccius sich setzte und er selbst sicherheitshalber einfach mal stehen blieb, und lächelte dem Consular zu. „Alter ist eine Frage der Einstellung. Ich würde eher sagen, gerade mein Vater war recht jung, als ich geboren wurde“, scherzte Aquila, und hoffte einfach mal dass das gut ankam und er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnte. Aber es stimmte ja auch – sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren jeweils recht jung gewesen. Der zweite Sohn seines Großvaters hingegen, Aquilas Onkel, war lange nach dessen Vater geboren. „Decimus Aquila ist mein Name“, korrigierte er dann, im Gegensatz zu gerade eben nicht fast lautlos und auch nicht murrend, sondern im Gegenteil freundlich, mit einem leicht verschmitzten Lächeln. Beleidigt zu sein hatte ja keinen Sinn und machte nur einen schlechten Eindruck... die Devise hieß: mach das Beste draus. „Es ist mir eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen, Consular Purgitius. Mein Großvater hat immer nur das Beste von dir zu erzählen gewusst.“

    Aquila beobachtete gespannt, wer alles kommen würde, und der Reihe nach tauchten tatsächlich alle auf, die der Duccius hatte treffen wollen bei diesem Termin – Söhne sogar eingeschlossen. Allerdings wollte er gleich darauf seinen Ohren nicht so recht trauen, als der Senator seinen Namen verfälschte. Na großartig... Aquila unterdrückte ein Zähneknirschen, lächelte einfach und nutzte die nächstbeste Gelegenheit zur Verbesserung: „Salvete, die Herren. Decimus Aquila ist mein Name, ich begleite Senator Duccius erst seit wenigen Tagen.“ Ein wenig irritiert war er allerdings schon von dem Ausruf des älteren Aelius, und der anschließenden Musterung, der er unterzogen wurde... allerdings erwiderte er den Blick nur mit einem offenen Lächeln. „Genau der, Consular Aelius“, antwortete er freundlich, und überlegte kurz ob er die Gelegenheit jetzt schon nutzen sollte sich an die Germanici Avarus und Cossus zu wenden, der mit seiner Großtante verheiratet war und die ihm Briefe für ihren Mann und ihren Sohn mitgegeben hatte – beschloss dann aber, dass das wohl nicht gut ankommen würde, nicht bei den Herren, die sie besuchten, und schon gar nicht beim Duccius. Immerhin war das hier sein Termin... war wohl besser zu warten bis das eigentliche Gespräch beendet war.

    Aquila grinste spitzbübisch. „Davon hab ich schon als Kind geträumt“, gab er offen zu. Er hatte sein Cognomen, der ja im Grunde ein Spitzname war, nicht ohne Grund und nicht schon von Geburt an erhalten, sondern irgendwann später – weil er als Kind tatsächlich ständig davon geschwärmt hatte, seinem Großvater nachzueifern, Legat zu werden, Roms Truppen unter dem Adler anzuführen. „Ich hab's geliebt wenn mir mein Großvater Geschichten erzählt hat aus seiner Zeit bei den Legionen.“ Er trank erneut einen Schluck und zuckte dann die Achseln bei der Frage. Dass dieses Thema schon für ihn erledigt worden war, davon hatte er noch keine Ahnung. „Nein, noch nicht. Darum wollte ich mir hier vor Ort kümmern, wenn klar ist wer wie da steht nach diesem Bürgerkrieg.“


    Im Anschluss daran nickte Aquila anerkennend. Den Ritterweg einzuschlagen, darüber hatte er selbst ja auch schon nachgedacht... es ging schneller ins Militär so, glaubte er, ohne Umwege, und man konnte sich nur darauf konzentrieren. Aber da war sein Großvater strikt dagegen gewesen – er sollte Senator werden, da hatte es gar keine Diskussion gegeben innerhalb der Familie, und Aquila hatte damit nun nicht unbedingt ein Problem, so lange seinem eigentlichen Ziel nichts im Weg stand. „Gibt viele gute Posten da. Und du verdienst dabei auch nicht schlecht“, grinste er. „Senator zu werden dürfte erst mal ziemlich teuer werden, bevor es was einbringt... Hast du schon irgendwo einen Einstiegsposten, der dich zum Ritterstand bringen wird?“

    Auch Aquila betrat das Atrium, nachdem ein Sklave zu ihm gekommen war und ihn gebeten hatte zu erscheinen, weil Dominus Massa hier sei. Der Name war ihm freilich ein Begriff, auch wenn er den Mann noch nie getroffen hatte. Die Familiengeschichte und die decimischen Stammbäume hatte er zwar nicht gerade mit Freuden gelernt, aber er hatte sie gelernt, jedenfalls all das, was für ihn von Bedeutung sein könnte – nichts schlimmer, als wenn man die eigenen Verwandten nicht kannte. Wer eine politische Karriere anstrebte, musste sich noch ganz andere Dinge merken, musste vor allem Leute kennen, Gesichter, Geschichten dazu, und so lange er nicht weit genug aufgestiegen war, dass er sich einen Nomenclator leisten konnte – oder nicht lächerlich wirken würde, wenn er einen dabei hatte –, musste er das wohl oder übel selbst. Die eigene Familie war da nur der Anfang... und davon abgesehen: bei allen, die in irgendeiner Form mit dem Militär zu tun hatten, machte es ihm ja doch irgendwie Spaß, zumindest was die mit den Männern verbundenen Lebensgeschichten anging.


    Decimus Massa also, Abkömmling des Decimus, der nach Griechenland ausgewandert war, Centurio der Classis Misenensis und Veteran des Feldzugs in der ägyptischen Wüste, den die XXII vor ein paar Jahren durchgeführt hatte. Aquila war definitiv gespannt auf den Mann, als er das Atrium nun betrat und mit einem kurzen Blick die Situation aufnahm: Varenus war da, Dexter, begleitet von Meridius' Klienten, die Vilica des Hauses. Und die Besucher: ein paar Soldaten, ein Centurio – der musste wohl Massa sein – und sogar der Praefect, wie er an den Rüstungen erkannte. Umso besser, wenn der Besuch gleich so hoch ausfiel, solche Gelegenheiten Kontakte zu knüpfen fielen einem selten einfach so in den Schoß. „Salvete, die Herren“, grüßte er erst mal in die Runde.