Beiträge von Marcus Decimus Aquila

    Wie im Grunde ständig in letzter Zeit folgte dem duccischen Senator ein decimischer Schatten. Nicht ganz so fein herausgeputzt, aber fein genug das deutlich war, dass er kein Sklave war. Und tat dann, als sie hinein geführt worden waren, das, was er versucht hatte zu perfektionieren beim Klinken putzen der vergangenen Tage: im Hintergrund zu bleiben. Möglichst... naja, dekorativ war das falsche Wort, aber... möglichst so auszusehen, als wäre er genau da wo er hingehörte und sein wollte. Einen guten Eindruck zu machen, was gar nicht mal so leicht war, wenn man einfach nur herumstand. Oh ja, und: aufzupassen. Auch nicht so einfach... umso weniger, je mehr sich so ein Gespräch in die Länge zog.

    So brav, als könnte er kein Wässerchen trüben, stand Aquila einen halben Schritt hinter dem Senator, fein herausgeputzt, und wartete, während sie angekündigt wurden. „Glaub ich auch...“ antwortete er genauso leise. Das Verhältnis zu den Germanici war nicht immer einfach gewesen, so weit er das mitbekommen hatte, obwohl seine Großtante mit einem von ihnen verheiratet war. Irgendwie hatte sich sein Großvater nicht ganz so sehr erwärmen können für den Mann seiner Schwester... aber das waren so die Familiengeschichten, da man irgendwie mitbekam, ohne dass einem jemand jemals erklärte, warum das alles eigentlich so war. Umso gespannter war Aquila jetzt allerdings darauf, die Familie kennen zu lernen, in die Tante Lucilla eingeheiratet hatte.
    Dann erst fiel ihm auf, dass das allerdings kein Grund sein konnte, warum der Duccius diesen Abend interessant finden könnte. „Eh. Warum denkst du das, Senator?“

    Wie die ganze Zeit schon dackelte Aquila einfach hinter dem duccischen Senator her, und obwohl er eigentlich wenig Lust darauf hatte... hatte er sich trotzdem zähneknirschend auf den Besuch vorbereitet. Naja, was hieß vorbereitet: er wusste wen sie besuchten, und was da so in etwa los gewesen war mit den Flaviern, konkret mit diesem Flavier. Auch wenn er das etwas öde fand, hatte er bei den bisherigen Besuchen doch gemerkt, dass es etwas brachte, die Leute einfach zu kennen – mal abgesehen davon, dass es ein wenig peinlich wäre, wenn der Duccius ihn irgendwas fragte und er als sein Tiro wusste nicht Bescheid. Man wurde durch alle Mühlen der Politik und Gesellschaft geschleift, die man sonst im aktuellen Status nie erleben würde... im Gegenzug war man billige Hilfskraft. So einfach war das.


    Dem Senator – seinem Senator, sozusagen – zu antworten vor der Porta, dazu war er nicht mehr gekommen, weil ein ziemlich griesgrämiger Ianitor schon die Tür öffnete und sie ohne große Umstände hinein komplimentierte. „Kochen auch nur mit Wasser...“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart auf dem Weg durch die Villa, als seine Begleiter den Prunk hier kommentierten. Meistens ignorierte er die Tatsache einfach, aber es waren Momente wie dieser hier, wo es ihn einfach wurmte, dass die Casa Decima geplündert worden war... nicht dass sie wohl je an das hier hätte heran reichen können, aber jetzt war sein Heim weiter davon entfernt denn je, und würde es wohl auch einige Zeit bleiben.


    Als sie dann schließlich das Officium des Flaviers betraten, blieb Aquila zunächst mal da, wo er sich wohl am besten machte: im Hintergrund.

    Neben Sirius stand Aquila. Der den Sklaven irgendwie ziemlich lustig fand, in jedem Fall eine Abwechslung in all dem Wahlkampfkram, und immer für irgendeinen Quatsch gut. Eigentlich ein bisschen zu sehr, denn immerhin sollte er hier auch was bei lernen, das war Aquila schon klar... aber was war das Leben schon, wenn man nicht ein bisschen Spaß nebenbei hatte? Er grinste also nur, als er das Murren hörte. „Immer schön lächeln und winken, Sirius... lächeln und winken. Halt dich an deine eigenen Worte. Oder wie wär's mit süß und knuddelig, wär das eher dein Fall?“ raunte er ihm aus dem Mundwinkel zu, während er da stand und tat, was er selbst sagte: lächeln. Und winken. Hin und wieder Brot verteilen. Und so nebenbei dann doch zu versuchen etwas von dem mitzukriegen, was der duccische Senator so ans Volk brachte, oder genauer gesagt: was er den Leuten zuflötete. Er hatte genug Unterricht in allem Möglichem bekommen, aber das in Aktion zu erleben, war halt doch was anderes. „Wählt Titus Duccius Vala“, flötete er freundlich ein paar Leuten zu, denen er gerade etwas Brot in die Hand drückte, und irgendso ein Knirps, der höchstens halb so groß war wie er... naja, vielleicht doch ein wenig größer, grinste ihn frech an und schlug dann seine schiefen Zähne ins Brot. „Mir mäln do gar nich“, mümmelte er mit vollem Mund. Was Aquila ohne Probleme verstand... Aufgewachsen mit ein paar Cousins in ähnlichem Alter verhalfen eindeutig zu ein paar Vorteilen. „Dann erzähl das den Leuten, die wählen können, Rotznase“, grinste er zurück und hielt dem Vater – oder Onkel? – dem Mann, der dahinter stand, Brot hin, bevor er einen Zwischenruf hörte und zum Senator sah. Der natürlich das Gewollte versprach, und Spiele oben drauf. Aquila hörte das Winseln von Sirius ziemlich deutlich neben sich, aber wieder entlockte ihm das nur ein Grinsen. Er hatte zwar durchaus mitbekommen, dass es finanziell etwas eng war beim Duccius, aber so wirklich begriffen hatte er das noch nicht... dafür fehlten ihm einfach die entsprechenden Erfahrungswerte. Auch wenn seine Familie sich von Peregrinen empor gearbeitet hatte, was er wohl wusste: er kannte es nicht anders, als dass es seiner Familie an nichts wirklich je gemangelt hätte. Sein Großvater hatte immer für alles sorgen können, was nötig war, und noch für einiges darüber hinaus.

    Wieder beim Warten angelangt. Ja, das waren sie wohl. Während Dexter seinen Frust an einer Traube ausließ, spülte Aquila den seinen mit noch mehr Wein hinunter. Mussten sie halt schauen, wie viel sie hier machen konnten – genug, dass es nach was aussah, aber nicht zu viel, dass es blöd ankam...


    Frustrierend, das war es, und deswegen war Aquila ziemlich froh über den Themenwechsel. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, als er die neue Frage hörte. „Ich will Legat werden“, verkündete er, und in seiner Stimme war nicht der mindeste Zweifel zu hören. Großspurig mochte das klingen... in jedem Fall sehr überzeugt – und ehrgeizig. „Wie mein Großvater. Eine Legion anführen, zum Ruhme Roms...“ Seine Augen funkelten, bevor sich ein neuerliches Grinsen auf seinen Lippen zeigte. „Zuerst mal werd ich mir also die nötigen Voraussetzungen dafür holen, dass ich das angehen kann. Dann dachte ich an ein Tirocinium Fori hier erst mal... und dann der Cursus Honorum, mit allem was so dazu gehört.“

    Zitat

    Original von Titus Duccius Vala

    http://www.kulueke.net/pics/ir…pezielle/valahelfer05.png

    "Wie, wofür soll die gut sein?", fragte Sirius irritiert während er weiter um das Gebilde schlich wie ein Löwe um die angeschlagene und doch unberechenbare Beute, "Das ist eine Pyramide. Sie ist dafür gut, eine Pyramide zu sein. Reich mir mal die Tabula da vorne... da wo groß SEXTUS PATROVIUS SENECA drauf steht..."
    Und das Gebilde wuchs weiter, bis es einem aufrecht stehenden Mann fast bis zum Hals ging. Doch Sirius war nicht zufriedem mit dem Ergebnis, das zeigte sein Gesichtsausdruck ganz deutlich, und so zog er einen Stuhl heran und stellte sich auf eben diesen um das Gebilde noch weiter nach oben und in die Breite wachsen zu lassen.
    "Sooooo...." , begann er, als er wieder einen kleinen Teil hinzugefügt hatte, abstieg und an anderer Stelle neues hinzuzufügen, "...du wirst also dein Tirocinium Fori beim Senator Duccius machen, eh?"


    Aquila angelte nach der genannten Tabula, warf sie dem Mann zu und beobachtete halb amüsiert, halb fasziniert, mit welchem Elan der Kerl weiter baute an seinem Tabula-Turm. Zwischenzeitlich stand er mal auf, drehte den Stuhl um und lümmelte sich hin, die Beine lang ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verkreuzt. Klar könnte er wohl immer noch einen Scriba fragen... aber warum? Was besseres zu tun hatte er ja eh nicht.
    „So?“ wiederholte er mit mäßiger Neugier, als der Mann sich irgendwann wieder ihm zuwandte... dann allerdings zeichnete sich doch so etwas wie Überraschung auf seinen Zügen ab. „Eh. Werde ich?“ machte er etwas perplex und zog die Augenbrauen hoch. Davon hatte er noch nichts gehört gehabt... andererseits: einem geschenkten Gaul sah man nicht ins Maul. Ein Tirocinium Fori hatte er sich ganz sicher suchen wollen, nur hatte er damit warten wollen, bis sich die Lage weit genug beruhigt hatte, dass er als Decimus eine Chance hatte bei irgendwem, der nicht gerade zu den Hinterbänklern im Senat gehörte... und jetzt bekam er hier einfach so eins bei einem der großen Namen des Bürgerkriegs hingeworfen? Da wäre er ja schön blöd, das in Frage zu stellen. Auf seinen Zügen breitete sich ein leichtes Grinsen aus. „Wenn du das sagst... werd ich das wohl.“

    Purgitius also. Von dem hatte freilich auch Aquila schon gehört, wenn auch immer nur in Verbindung mit seinem Familiennamen und nicht nur seinem Rufnamen. Bevor er allerdings antworten konnte, gesellte sich ein weiterer junger Mann zu ihnen, und während sich zwischen diesem und dem Sergier ein Gespräch entwickelte, lehnte Aquila sich zurück und beschloss, erst mal einfach nur zuzuhören. Erst als einer vorschlug in eine Taberna zu gehen, schaltete Aquila sich wieder ein. „Decimus Aquila mein Name“, stellte er sich erst mal dem Domitier vor, bevor er sagte: „Ihr wollt jetzt schon gehen?“

    Als der Kerl nun begann, um den Tisch herum zu hüpfen und sein... was auch immer das war versuchte zu stabilisieren, klappte Aquilas Kiefer nach unten, und mit halb offenem Mund starrte er die Szene vor sich erst mal einfach nur an. So ganz glaubte er seinen Augen nicht zu trauen – und als ihm dann doch klar wurde, dass das hier echt war, sah er sich um, nur für den Fall dass sich hier jemand einen Scherz mit ihm erlaubte. Aber außer ihnen war niemand hier im Officium. Aquila lenkte seinen Blick wieder zurück zum Tisch, wo sich der Mann nun bequemte endlich wieder was zu sagen. „Eh. Klar“, machte er und schlug dabei einen Tonfall an, der völlig überzeugt klang. „Natürlich. Pyramide. ... Und wofür soll die gut sein?“ Wäre ja irgendwie komisch, wenn das doch der Tribun wäre. Ein Tribun, der plemplem war... mal was Neues. In jedem Fall war der Kerl niemand, vor dem er sonderlich auf Anstand achten oder dem Respekt zeigen musste. Die Situation war aber so merkwürdig surreal, dass sie schon wieder lustig war... was ihn dazu brachte nicht erneut beim Scriba im Vorzimmer aufzuschlagen, der ihn reingelassen hatte, und nachzufragen was das eigentlich sollte. Ohne zu fragen griff Aquila sich einen der Stühle, die vor dem Schreibtisch standen, drehte ihn um und setzte sich dann rittlings drauf. Die Arme auf die Rückenlehne gestützt musterte er weiter, was er vor sich hatte – hauptsächlich besagte Pyramide, durch manche Lücken hindurch auch den Mann dahinter. „Brauchst du Hilfe?“

    „Geht mir genauso“, grinste Aquila zurück. „Erst seit kurzem hier, den Cursus abgelegt... Wo kommst du denn her?“ Der Sergier schien so einiges zu lieben, stellte Aquila fest, oder er neigte ein bisschen zur Übertreibung. Das mit dem Wissen aneignen konnte er jedenfalls gar nicht nachvollziehen. Den Cursus hatte er nur gemacht, weil es sein musste, denn vom Lernen hatte er gewaltig die Schnauze voll, nachdem er jahrelang nichts anderes gemacht hatte, als sich irgendwelches Wissen eintrichtern zu lassen. „Macer? Hat der auch nen Familiennamen?“ fragte Aquila dann ein wenig verwirrt nach. „Und wenn du ihn gut genug kennst, um ihn beim Cognomen zu nennen... was für Schwierigkeiten gibt's da dann?“

    In der Castra Praetoria angekommen, sah Aquila sich aufmerksam um, während die Soldaten ihn weiter führten. Man bekam ja immerhin nicht jeden Tag so eine Gelegenheit, das hieß, nicht in seinem Alter und nicht, wenn man nicht gedachte sich für die Mannschaftsränge zu verpflichten... Dass er irgendwann selbstverständlich in so einem Castellum ein und aus gehen würde, war für ihn sonnenklar, aber genauso klar war ihm auch, dass das noch dauern würde. Genau deshalb betrachtete er das Treiben umso interessierter, und nur zu gern hätte er sich hier weiter umgesehen – aber da würden ihm seine beiden Führer wohl schön was husten, wenn er jetzt plötzlich stiften ging.


    Also folgte er ihnen einfach nur weiter, während er sich umsah, in die Principia hinein, bis sie schließlich im Vorzimmer des Präfekten Halt machten – wo die Soldaten wieder verschwanden, während er hinein gelassen wurde. Aquila betrat das Officium, gespannt auf den Tribun, der ihn offenbar sehen wollte. Nur dass da kein Tribun war. Es sei denn, der stand auf einfache Kleidung anstelle von Rüstung oder irgendwas Militärischem, und es sei denn, er war ein wenig... naja, merkwürdig. Aquila neigte den Kopf zur Seite und versuchte kurz, den Aufbau des Konstrukts zu entschlüsseln, dass der Kerl da fabrizierte, gab es aber gleich wieder auf. „Eh“, machte er, halb neugierig, halb verwirrt, während er die Tür hinter sich ins Schloss zog, ohne sonderlich darauf zu achten, ob die nun laut oder leise zuging. „Was wird das?“

    Der Ianitor machte nicht gerade einen begeisterten Eindruck, als er hörte dass es zur Castra Praetoria gehen sollte – Aquila dagegen wurde nur noch ein bisschen neugieriger und folgte den Soldaten. Was sollte schon groß passieren? Er war nicht lange genug in Rom, um schon dermaßen in Schwierigkeiten geraten zu sein, und dass Dexter und Casca nicht angerührt worden waren bisher, war Aquila genug Beweis, dass da nichts im Busch war. Nichts schlimmes, jedenfalls.

    Soldaten widersprach man nicht. Schon gar nicht in diesen Zeiten. Auch wenn sie eine Wortwahl an den Tag legten, die Ianitor zu anderen Zeiten wohl zumindest hinterfragt hätte. So allerdings ließ er nur Aquila holen, der nach kurzer Zeit auch auftauchte und neugierig die beiden Soldaten musterte. „Wo soll's denn hingehen?“ fragte er, während er zu ihnen trat, bereit sie zu begleiten – erst mal Antwort abwarten und dann entscheiden oder so kam ihm nicht in den Sinn, dafür war er viel zu neugierig und machte sich generell zu wenig Sorgen, als dass er über die Option überhaupt nachgedacht hätte.

    Ja, entspannen konnte man sich hier wirklich, das stand außer Frage. Auch Aquila genoss das warme Wasser, auch wenn er nicht völlig abschaltete. Dass weder sein Familienname noch der seines Großvaters eine Reaktion hervorrief, wunderte ihn tatsächlich etwas – drei seiner Verwandten saßen aktuell im Carcer, einer davon war Praefectus Praetorio gewesen, und sein Großvater war immerhin Triumphator... Aber er hätte lügen müssen, hätte er behaupten wollen dass er es nicht angenehm fand, dass der Name Decimus bei seinem Gegenüber nichts auslöste. Natürlich hätte er es gern gesehen, wäre dem Sergier der Name seines Großvaters bekannt gewesen... aber in Anbetracht dessen, dass ihm erspart blieb zu erklären, warum seine Familie sich dem Vescularius so angenähert hatte in den letzten Jahren, oder sich gar Anfeindungen deswegen anhören zu müssen, war es ihm so rum dann doch lieber. „Freut mich ebenso, Sergius“, lächelte Aquila also einfach nur zurück.

    „Dann kommt er sich wieder raus“, erwiderte Aquila im Brustton jugendlicher Überzeugung. „Vielleicht hat bei ihm noch eine Rolle gespielt, dass er mit Onkel Serapio verwandt ist, aber wenn das alles war bei ihm... selbst wenn ihm der Prozess gemacht werden würde, ist das etwas wenig um ihn zu verurteilen.“ Behauptete er mal einfach so. Er hatte zwar in Grundzügen auch bereits Einweisungen ins Rechtswesen bekommen, wirklich viel Ahnung hatte er deswegen davon nicht. Aber Dexter sah so aus, als könnte er ein wenig Zuspruch vertragen, und Aquila glaubte ja tatsächlich daran, dass dessen Vater nicht allzu viel zu befürchten hatte.


    „Mh“, brummte er dann ein wenig unzufrieden, weil er ganz sicher im Sinn gehabt hatte sich hier um Wiederaufbauarbeiten zu kümmern. Klar musste das gemacht werden... aber was er wollte, war das Ansehen der Decimi wieder herzustellen. „Ja, das stimmt wohl“, gestand er trotzdem ein, wenn auch ein bisschen widerwillig. „Ich würd ja vorschlagen wir machen Nägel mit Köpfen, wenn eh schon so viel kaputt ist, und lassen gleich die komplette Casa renovieren. Aber damit sollten wir wohl auch noch ein bisschen warten...“ Gar nicht mal so sehr deshalb, weil Aquila sonderlich Bedenken gehabt hätte über das Familienvermögen derart zu verfügen – hätte er wohl haben sollen, hatte er aber nicht –, sondern mehr, weil es vermutlich nicht gut ankommen würde bei Nachbarn und jedem sonst, der so mitbekam. Großartig hier in der Casa zu klotzen, während noch drei Verwandte im Carcer saßen, von denen mindestens einem eine Anklage wegen Hochverrats drohte, war wirklich nicht das Klügste. Da konnten sie genauso gut Leute dafür bezahlen, als Ausrufer auf dem Forum auf und ab zu laufen und heraus zu brüllen, dass die Decimi entweder viel zu selbstsicher waren angesichts ihrer prekären Lage – oder dass ihnen völlig wurscht war, was der neue Kaiser beschließen mochte. Ein bisschen Bescheidenheit war im Augenblick wohl angebracht, auch wenn Aquila das nicht wirklich gefiel, und das hieß: erst mal in kleinem Rahmen sehen, was sich hier machen ließ, damit die Casa wieder etwas hermachte.

    Aquila lächelte, unverbindlich, aber freundlich, als der andere anzeigte durchaus an einem Gespräch interessiert zu sein. „Ja, so lässt sich's aushalten... Bist du öfter hier?“ erkundigte er sich – jedenfalls ließ der Kommentar des anderen darauf schließen, dass er die Thermen durchaus schon häufiger besucht hatte. „Oh, entschuldige, ich sollte mich vielleicht erst vorstellen“, grinste er dann. Auch wenn er wusste, dass sein Familienname keiner war, mit dem es sich in Rom gerade sonderlich gut hausieren gehen ließ... drum herum kam er ja trotzdem nicht, sich vorzustellen, sonst hätte er in der Casa bleiben müssen, oder noch schlimmer weiter in Tarraco versauern. Auch wenn die Lage schwierig war: sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, das war die Devise. Trotzdem war er nun freilich aufmerksam und achtete auf die Reaktion, die die Nennung seines Namens hervorrief bei seinem Gegenüber. „Mein Name ist Marcus Decimus Aquila, Enkel von Maximus Meridius.“

    „Denk dir nichts, passiert jedem mal“, winkte Aquila nur mit einem fröhlichen Grinsen ab, als Dexter seinen Versprecher kommentierte. Es war zu verlockend gewesen, darauf hinzuweisen, aber darauf herumreiten wollte er ganz sicher nicht, und er hatte es auch nicht böse gemeint – sondern einfach nur einen Scherz machen wollen, der zugegeben auf die Kosten des anderen ging, der sich versprochen hatte... aber wie er gerade gesagt hatte: so was passierte jedem mal.


    Als Dexter dann jedoch erzählte, was gelaufen war, wurde Aquila deutlich ernster. Hin und wieder aus seinem Weinbecher trinkend hörte er aufmerksam zu und versuchte zu sortieren, was er zu hören bekam. Die Stadt also relativ problemlos eingenommen – musste ja problemlos gewesen sein, wenn ihnen erst die Tore freiwillig geöffnet worden waren und der Rest dann ohne großes Blutvergießen über die Bühne gegangen war. Und die Casa Decima... zweimal sogar geplündert? Von den Soldaten und dem Mob? „Dreckige Hunde“, entfuhr es ihm gereizt. Kein Wunder, dass es hier überall so karg aussah, und dass vieles von dem, was da war, Kratzer oder andere Spuren von Schäden aufwies. Aquila rieb sich nachdenklich das Kinn. „Onkel Serapio lebt wohl noch, jedenfalls stimmen da die meisten Gerüchte überein, die ich so gehört hab auf der Reise. Und Tante Seiana muss wohl auch gefangen sein – wenn man den Erzählungen außerhalb trauen kann.“ Natürlich hatte er versucht, vor allem etwas über seine Familie in Erfahrung zu bringen, aber das, nun ja, war halt immer so eine Sache mit Gerüchten. Dass Dexter allerdings nichts genaueres wusste, wunderte Aquila dann doch ein bisschen, aber er fragte dazu nicht genauer nach. „Und naja. Wenn drei von uns im Carcer sitzen, dann stehen wir vorerst schlecht da. Das ist wie wenn sie uns alle unter Generalverdacht gestellt hätten.“ Selbst bei einem einzigen Decimus im Carcer war das Ansehen schon gefährlich angekratzt, aber bei gleich drei? Aquila trank einen großen Schluck. Klang gar nicht gut, vor allem nicht für irgendwelche Ambitionen. Vielleicht hatte Onkel Livianus doch recht gehabt und er hätte erst mal noch ein bisschen in Tarraco warten sollen. Aber das hatte er einfach nicht mehr gewollt, und dass es erst mal schwierig werden konnte, das war ja vorher schon klar gewesen – immerhin: Serapio war Prätorianerpräfekt des Bürgerkriegsverlierers gewesen. „Wir können also erst mal nichts tun als zu warten, bis Cornelius hier auftaucht. Das klingt doch großartig“, sagte er ironisch. Er hätte es ja lieber gehabt, wenn es wenigstens etwas gegeben hätte, was er jetzt schon tun könnte.

    Die Thermen Roms auszuprobieren stand auf Aquilas Liste der Dinge, die er zu erleben gedachte wenn er erst mal endlich hier war, ganz oben... und er hatte sich auch nicht wirklich viel Zeit gelassen, bis er diesen Punkt anging. Also war er nun hier, lief durch die Therme und ließ sich schließlich in eines der Becken sinken. „Salve“, grüßte er den Mann, der bereits vor ihm da gewesen war – als einziger in diesem Bereich, alle anderen waren etwas weiter weg. „Ich hoffe ein bisschen Gesellschaft stört dich nicht.“ Selbst wenn doch, gab es wohl kaum etwas, was der andere hätte tun können – öffentliche Thermen und so. Trotzdem gebot es die Höflichkeit, wenigstens so zu tun als ob. Und dann erst mal abzuwarten, wie der andere reagieren würde, für den Fall, dass er tatsächlich kein Gespräch wollte, sondern einfach nur seine Ruhe.

    Rom. Nur wenige Tage hier, beschloss Aquila schon, keine Zeit zu verlieren und sich zumindest schon mal die Voraussetzung zu holen, die er sowieso brauchte, um irgendwann in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten: einen Cursus an der Schola absolvieren. Er hatte zwar in seinem Leben mehr als genug gelernt, fand er, hatte jahrelang alles mögliche von seinen Lehrern eingetrichtert bekommen – aber naja, ein bisschen Vorbereitung auf diesen Test war dann vielleicht doch nicht das Schlechteste. Auch wenn er das gerade unnötig wie einen Kropf fand: er brauchte den Abschluss einfach. Also spazierte er in die Bibliothek hinein, mit einer Liste in der Hand, auf der stand worauf in etwa man sich vorbereiten sollte für den Cursus, und blieb dann erst mal stehen – überrascht, weil er trotz dessen, dass er mittlerweile wusste was hier passiert und wie viel wirklich zerstört worden war, diesen Anblick nicht erwartet hätte. Ach ja, und weil da schon wer anders anwesend war. „Salve“, grüßte er, durchaus freundlich, aber ganz sicher nicht so als wäre er derjenige, der neu war hier im Haus... eher so, als wäre er schon seit Jahr und Tag hier und der andere der Neue. Er ließ die Liste auf einen der Tische flattern, die noch – oder schon wieder? – herum standen. „Marcus Aquila mein Name. Du musst Cnaeus Casca sein.“ Sich schlau zu machen darüber, wer nun tatsächlich hier wohnte, war das erste gewesen, was Aquila nach seiner Ankunft gemacht hatte – das hieß: nach dem Gespräch mit Dexter, und nach einem Bad, und nach etwas zu essen, und nach einem ausgedehnten Nickerchen. Aber nach all diesen Sachen war es das erste gewesen. Man musste ja wissen, mit wem man es hier zu tun hatte. Zwei Decimer gab es außer ihm in diesem Haus, und da er den einen schon kannte und der Kerl vor ihm, der ganz offensichtlich kein Sklave war, eben jener nicht war, musste er halt der andere sein. Nach einem Moment des Musterns verzog Aquila seine Lippen zu einem angedeuteten Lächeln und bot seine Hand zum Gruß an. „Freut mich, dich kennen zu lernen.“

    Aquila nickte dem Klienten seines Großvaters noch einmal zu und folgte dem anderen Decimus dann, ohne weiter auf seine eigenen Begleiter zu achten – ob die nun erst mal im Atrium blieben und sich irgendwie die Zeit vertrieben, oder ob sich der Klient oder irgendeiner der Sklaven hier in der Casa ihrer annehmen würde, war ihm im Augenblick reichlich egal. Irgendwas würde sich für sie schon finden. Mit einem erleichterten Aufseufzen ließ er sich im Triclinium auf die angebotene Kline fallen und streckte die Füße aus, während er sich zugleich neugierig umsah. Auch hier konnte man erkennen, dass irgendwas nicht stimmte, dass es... leerer wirkte, und hier da waren, wie auch im Atrium, Anzeichen von Verfall zu sehen. Er nahm den Becher an, den ihm ein Sklave reichte, und trank einen Schluck, während er nun seinem Gegenüber den Blick wieder zuwandte. Verdünnter Wein... Aquila wäre er pur lieber gewesen nach den Strapazen der Reise, aber er sagte nichts. Allerdings musste er schmunzeln, als er Dexters Versprecher hörte. Jedenfalls ging er davon aus, dass es ein Versprecher war, immerhin glaubte er kaum dass einer seiner Verwandten ihm wünschte, seine Reise wäre beschwerlich gewesen. „Nicht allzu unbeschwerlich? Naja... wie man's nimmt. Reisen sind nie sonderlich angenehm, aber meine war auch nicht schlimmer als üblich. Hispania war vom Bürgerkrieg im Grunde gar nicht betroffen... und auch durch Italia kann man inzwischen wieder recht gut reisen.“ Er trank einen weiteren Schluck und zog dann ein wenig nachdenklich die Brauen zusammen, als Dexter ihn fragte, was er so gehört hatte. Eigentlich wollte er ja nun endlich mal was aus erster Hand hören, was hier gelaufen war, von jemandem, der die ganze Zeit hier in Rom gewesen war – jetzt sollte er erzählen, was er an Gerüchten und Tratsch auf der Reise aufgeschnappt hatte? „Nicht allzu viel. Bürgerkrieg. Blutige Schlacht im Norden. Glimpfliches Aufeinandertreffen im Süden.“ Er zuckte die Achseln, schnappte sich ein paar der Trauben und begann sie zu essen. „Rom selbst wurde eingenommen, hieß es, je nach Erzähler mal mehr, mal weniger blutig... Geschichten entwickeln ein Eigenleben, je Münder sie weiter geben.“ Er neigte sich ein wenig nach vorn. „Ich würd ehrlich gesagt endlich gern hören, was hier wirklich los war – von jemandem, der dabei war, und nicht von Leuten, die das selbst nur von Freunden ihrer Bekannten ihrer Verwandten haben... was ist passiert? Steht unsere Familie wirklich so schlecht da? Und“, er machte eine ausholende Handbewegung, „was ist hier passiert?“

    Aquila runzelte flüchtig die Stirn, als er Dexters Reaktion bemerkte, und gleich darauf auch eine Erklärung dafür bekam. Stimmt ja. Auf der Reise hierher, gerade seitdem er italischen Boden erreicht hatte, hatte er genügend Berichte von anderen Reisenden gehört, wer nach dem Sieg des Cornelius alles tief im Dreck saß – und wer davon so tief, dass es ihn den Carcer verfrachtet hatte. Von seinen Verwandten saßen im Moment gleich drei ein. „Vermutlich warten die alle auf Cornelius, dass der sich drum kümmert“, antwortete er. Obwohl er das durchaus aufmunternd meinte, war sein Tonfall dabei eher neutral. Das allerdings nur, weil er nicht so recht wusste was er sonst hätte sagen sollen, oder wie. Das Problem war ja nicht, dass sie auf den Cornelius warten mussten, das Problem war: wie würde der neue Imperator entscheiden über die Geschicke ihrer Familie. Und dazu konnte keiner etwas sagen, da blieb ihnen allen nichts anderes übrig, als einfach abzuwarten... und Aquila war sich im Klaren darüber, dass das für Dexter, der so viel mehr betroffen war als er, ganz sicher nicht einfach war.


    „Ah“, machte er dann mit einem angedeuteten Lächeln zu dem anderen Mann hin, „salve, Manilius. Mein Großvater hat von dir in höchsten Tönen gesprochen. Er schickt dir seine Grüße und seinen Dank, dass du uns beistehst in dieser Zeit.“ Glatt geschwindelt – das hieß, sein Großvater hatte sich der ein oder anderen Klienten namentlich erwähnt, aber von denen hatte Aquila sich tatsächlich nur die wichtigsten gemerkt, für alle anderen gab es Sklaven, die einen daran erinnern konnten. Trotzdem ging ihm die Lüge so glatt über die Zunge, dass nichts davon zu merken war, und Aquila sah darin auch nichts falsches. Wenn der Mann sich darüber freute, dass sein Patron an ihn dachte, war doch alles perfekt, umso mehr, als Aquila fest davon ausging, dass die Männer nicht nur bezahlt wurden, sondern für das, was sie in den letzten Tagen geleistet hatten angesichts der rasanten Talfahrt des decimischen Ansehens, auch noch einen Bonus kriegen würden. Und eines immerhin stimmte dann doch: sein Großvater hatte seinen Dank geschickt, an alle seiner Klienten, die hier waren und die Decimi unterstützten. Nur nicht notwendigerweise namentlich, weil er das vermutlich gar nicht wusste – Aquila hatte keine Ahnung, ob irgendwer das mal in einem Brief mitgeteilt hatte, welche Klienten genau angeheuert worden waren.


    „Gerne, ja“, wandte er sich dann wieder an Dexter. Zwar war die Aussicht auf Bad und Bett immer noch sehr verlockend... aber das konnte warten. Sich hier erst mal richtig bekannt machen hatte dann doch Vorrang, fand er, und es war ja nicht so, als ob er die letzten Meilen nach Rom in einem Gewaltritt zurückgelegt hätte, so dass er jetzt völlig kaputt wäre. Beziehungen pflegen war wichtig, und davon abgesehen war Aquila nun doch neugierig.