Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Verus nahm die Pflichten in seinem Leben mit besonderer Ernsthaftigkeit wahr. Auch die wichtige Pflicht, für einen Kameraden einzustehen und einen freundschaftlichen Wunsch zu erfüllen. Soldaten hatten ein besonderes Vertrauensverhältnis, da sie gemeinsam viel teilen mussten; mitunter nicht immer schöne Erlebnisse. So war es auch für Verus selbstverständlich, dass er den Brief persönlich übergab, da es sein einstmaliger Präfekt freundlich erbeten hatte. Es war ein Treuedienst, der ohne Zwang verlief. In der Aufmachung eines Bürgers stand er vor dem Eingang und klopfte an.

    Die geschäftliche Arbeit begann. Es war Dienst und somit trat Verus mit gewisser kalter Würde ein. Er leistete sich keine hektischen Bewegungen, schien fast geräuschlos mit seinen Männern ins Atirum zu gelangen und dabei zeigte er keinerlei Gefühlsregung im Gesicht. Seine Augen wirkten erstarrt, während er in Gedanken mögliche Ereignisse durchspielte. Verus lebte davon, mögliche Entwicklungen zu erahnen und somit war es wichtig Charaktermerkmale, die man über den Senator Claudius kannte, einzuordnen. Die Maschine, die Verus nun mal im Dienst war, arbeitete reibungslos und mechanisch. Seine Männer sicherten die Umgebung, indem sie sich still an die Wände zurückzogen, um die beiden Hauptzugänge zu beobachten, während Verus in der Mitte des Atriums, kurz vor dem Wasserbecken, seine ruhige Position bezog.

    Plato stutzte und rollte dann mit den Augen. "Ein richtig Kluger," schimpfte der Alte und deutete zur Tür. "Einfach übermalen. Ich will kein Kunstwerk," war die Ansage, die er abweisend plärrte. Immer wieder schienen ihm diese Besserwisser und Narren unter die Nase zu kommen. Plato war genervt von diesen Einfaltspinseln, die nach seiner Meinung Dinge unnötig verkomplizierten.

    Diese Frage erschien Verus überaus zynisch. Verus lebte sich nicht ein, sondern überlebte Lebenslagen. Auch Rom war für diesen Mann nur eine neue Überlebensstrategie. Nicht nur, weil sein Familienstammsitz niedergebrannt war, sondern auch weil ihm stets etwas fehlte. Etwas, was man erduldete und durchlebte, um am Ende auf etwas anderes zu hoffen. Verus war leer und taub. Eine Person, die Verus gleich war, hatte kein Zuhause und war niemals irgendwo eingelebt, denn stets war die Seele von Furcht getrieben und bereit zu einem blutigen Abwehrkampf. Die Welt konnte nicht mehr sicher sein, da grundlegende Sicherheitsideen und Gewissheiten zerstört waren. In dieser neuen Gewissheit lebte Verus, dass er niemals lange an einem Ort Sicherheit fühlen konnte. In diesem Sinne hatte er sich nicht eingelebt aber die Umstände sprachen wohl dafür, dass er sich eingerichtet hatte. Er war vorerst auf diesem neuen Schlachtfeld angekommen. Verus entschied sich also für eine neutrale Antwort. "Den Umständen entsprechend habe ich mich eingerichtet, Augustus." Und doch drängte es den Mann, sich ehrlich zu äußern und somit ergänzte er seinen neutralen Satz mit versachlichter Sorge. "Dir ist sicherlich bekannt, dass der Stammsitz meines Hauses zerstört ist und der Name meines Gens in Gefahr ist. Viele Tiberii sind gestorben und nur wenige halten noch diesen Namen. Als Ältester ist es meine Aufgabe und meine Pflicht diesen alten Namen zu schützen. Die Lage ist nicht einfach," war schließlich die wahrhaftige Antwort. Dennoch verschonte er den Kaiser mit seiner langen Lebensgeschichte, die bereits mit Vertreibung unter Salinator begonnen hatte. Stets war er vertrieben worden, musste sich stets neu orientieren und erst im Militär hatte er einen gewissen Halt gefunden, wenn auch einen für sein Selbst zerstörerischen Halt.

    Luna war wirklich eine Blüte in dieser Zeit. Sie war stets hoffnungsvoll, lebendig und wollte nicht verzweifeln. Verus hingegen ließ seine Blütenblätter längst im Wind seines Leben davonwehen. Er trug sein Gefängnis stets mit sich, wo Luna stets frei war. "Ich habe den Schlüssel nicht. Dieser müsste sich irgendwo in der Villa befinden oder besser... was von dieser üblich ist," sagte der geschundene Offizier, der nicht ganz wusste, wie er mit dieser Situation sauber umgehen sollte. "Ich kann ihn vielleicht aufbrechen lassen. Ich kenne ein paar Fachleute," meinte Verus und blickte fragend zu Luna herab.

    Plato zuckte mit den Schultern. Wenigstens hatter der junge Mann seinen Namen eingetragen. Man würde dies überprüfen und ihn gegebenenfalls aufsuchen. "Lucullus," brüllte Plato und ein hagerer Mann im mittleren Alter trat auf. "Der Farbeimer und der Pinsel," donnerte die Stimme des alten Plato. Lucullus trat ab und tauchte wenig später mit dem Eimer auf. "In diesem Häuserblock gibt es viele Graffiti mit Parolen. Übermale sie alle. Lucullus wird dich vor die Wände führen. Keine Sorge! Er redet nicht viel." Scheinbar hatte man Lucullus, der vom Stand Sklave war, einmal die Zunge herausgeschnitten, da er Cerretanus stumpf den Eimer, indem jener Pinsel stand, in die Hand drückte. Er brummte nur einmal und so wurde auch seine große Narbe am Hals sichtbar. "Bei erledigter Arbeit, wirst du bezahlt, Germanicus," las er den Namen von der Tabula ab.

    Jedes Leben war in diese Welt geworfen; gnädig von fremder Macht und mitunter sogar ohne Sinn. Verus war sich sehr wohl bewusst, dass seine eigene Kette andere führten aber Morrigan hatte nicht begriffen, dass Verus sich in seiner Kette frei fühlte. Immerhin wusste er, dass er eine Kette trug und konnte sogar deren Glieder lenken, sofern ihm die Gelegenheit gegeben war. "Freiheit ist eine Lüge, Gefangene. Entscheidungen sind niemals frei und ob sie nun durch Umstände oder andere erzwungen werden, ist mir einerlei," sagte der Trecenarius, der mit harter und kalter Hand agieren musste, damit seine Authorität nicht vergebens war. Denn jene Darstellung von Macht war ein übliches Theater, welches zur Gesellschaft gehörte. Menschen brauchten Sichtbarkeiten. Verus verachtete sich selbst dafür aber es keine Wahl, wenn man im Sinne seiner Ordnung handeln musste. Diese Welt würde niemals ein gerechter und schöner Ort sein. Nicht für Verus und auch nicht für Morrigan. Die Gefangene war wieder in die reguläre Stressposition gebracht, um sie nicht zu bestrafen, sondern ihr zu erlauben, nachzudenken. Rom wollte nicht, dass sie zerbrach, sondern akzeptierte, das sie keinerlei Macht über sich besaß. In dieser Position war sie vollkommen handlungsbefreit. "Ich möchte, dass du begreifst. Du sollst lernen, dass in dieser Welt nicht dein Wunsch gilt. Dein Starrsinn hat hier keine Bedeutung. Ich weiß, dass du deinen Stolz vor dir trägst. Du willst die Kontrolle zurück aber hattest nie die Kontrolle. Deine Vergangenheit bestimmt dich, Lupa," vermittelte Verus ungefragt. Er deutete auf das Weibsbild und ließ die Soldaten mit einer wischenden Handbewegung zurücktreten. "Für uns gibt es keine Freiheit, Gefangene. Ich spiele meine Rolle und du spielst deine Rolle. Die Ironie liegt darin, dass du dich weigerst, dieses Theaterstück zu spielen. Doch spielst du es längst," sagte Verus, bevor seine Augenlider für einen Moment in Reue schloss, um ihr einen kleinen Vortrag über Schicksal zu halten. "Du glaubst, dass du Dinge erreichen kannst. Deinen Sturz aufhalten kannst, doch längst ist dein Risiko schon Gewissheit, dass du einsam sein wirst. Du vertraust keinerlei Seele und misstraust selbst deinen eigenen Lupae. Du hast kein Vertrauen in Rom oder auch deine Heimat. Du stehst allein und hast nur noch deine Träume, eines Tages Kontrolle über dein Leben zu haben. Du wirst niemals vollständige Kontrolle haben. Niemals wirst du frei sein. Ich werde dir erlauben, einen Hauch Freiheit zu leben, nur um dich an langer Leine zu führen. Denn sei dir gewiss, dass jeder den du kanntest, hier enden kann. Jeder, den du begrüßt und geachtet hast, wird hier enden. Ich mache keinen Unterschied im Stand und deren Würde, wenn sie ihre persönliche Bühne verlassen. Jeder hat dieses Stück zu spielen, bis der große Vorhang fällt. Du wirst tanzen, singen und spielen, mit einem stolzen Lächeln, weil ich es dir erlaube, Gefangene. Bis dahin wirst du hier in dieser Position verharren." Verus hasste sich selbst für diese Grausamkeit, doch wie sollte er ein Reich schützen, wenn nicht mit rationaler Grausamkeit? Es war eine traurige Absicht verborgen, dass er wirklich daran glauben musste, das Morrigan einbrechen konnte. "Dein Leben bedeutet nichts. Wie auch meines nichts bedeutet, Gefangene. Doch bedenke, dass du auch andere Leben kennst," drohte er offen und holte dann, wie betäubt, Luft. "Das übliche Verfahren nach Vorschrift Nonus," befahl Verus, bevor er bekümmert aus der Zelle trat. Sein Tagesplan war noch nicht vorbei. Jede Zelle brauchte eine Entscheidung und eine Betrachtung.

    "Arbeiter brauchen wir immer," sagte er nüchtern und ließ offen, woran man arbeitete. "Wir zahlen sehr gut. Keine Sorge, Bursche," meinte er und deutete mit dem Griffel auf Cerretanus. "Neugierig? Wir entscheiden, was du arbeiten wirst aber keine Sorge, es ist nicht unsittsam," erklärte der alte Plato. "Weil ich nur Geld an Leute auszahle, die wirklich existieren. Ich möchte kriminelle Collegia ausschließen," war die bittere Antwort des Alten. Immer wieder das Gleiche... - Warum waren die Leute nur so skeptisch? Er würde ihnen ja hier nichts aufschwatzen. Sie sollten einfach nur ein paar Dinge erledigen und würden dafür Geld kassieren. Sie trafen selbst stets die Auswahl, was sie taten oder eben nicht. Für die harten Jobs hatte er ohnehin andere Leute. Dieser Mann vor ihm schien ihm auch zu weich für wirkliche körperliche Arbeit. "Heute habe ich noch einen Auftrag offen. Es sollen Graffiti übermalt werden, die sich gegen den guten Geschmack oder die Gesetze richten," meinte er und zog die Schultern hoch. "Ein leichter Job," schob er nach.

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    Original von Quintilia Pina
    Pina lachte und stieß Sila an, „das wäre es doch. Stell dir vor wir beide auf einem Pferd. Vielleicht haben wir ja Glück.“ Wie um diese Hoffnung zu erfüllen kam etwas angeflogen und traf sie an der Schulter. „Das Pferd" schrie sie und hieb mit der rechten Hand zu. Zu spät, gerade rutschte die Kugel unter ihrer Hand tiefer, wurde ab in dem Abwärtstrieb durch den Stoff ihres Kleides abgebremst. Pina fasste nach. „Ha, erwischt! Schau mal Sila, ich habe eine, los fang dir auch eine.“ Aufgeregt fingerte sie an ihrer Kugel herum und vergaß den Tumult um sich herum. „endlich, geschafft“, murmelte sie und zog das kleine Papyrusröllchen heraus. Fast ehrfürchtig rollte sie es vorsichtig auf und starrte auf die Schrift. Wie in einer Bewegung warf sie die Arme hoch, um gleich ihre Schwester zu umfassen und herum zu wirbeln. Die Freude über einen Hauptgewinn hätte kaum noch größer sein können. „Hier lies“, Pina hielt Sila das aufgerollte Papyrusröllchen vor ihre Augen. „Da steht es, Feinkeramik!“ Betont und laut las sie es vor. „So etwas edles habe ich noch nie besessen, du etwa?“ Diese Frage war äußerst überflüssig, schließlich waren sie Zwillinge und da wusste jede von der anderen alles, außer von ein paar Gedanken, die man doch, wenn man wollte vor anderen verschließen konnte.
    Schon bahnte sich Pina einen Weg in Richtung Abholstelle.


    Nach den erstaunlichen Geschehnissen in den letzten Wochen, hatte es sich Verus nicht nehmen lassen, mit einer handverlesenen Truppe, auch diese Spiele zu schützen. Als Neuling auf einem wichtigen Posten, musste er sich stets beweisen und gedachte dies auch zutun. Seine Einheit hatte sich verdeckt unter die Zuschauer gemischt, so auch Verus, der in den Reihen der Plebs seinen sorgfältige Achtsamkeit demonstrierte. Insofern achtete er nicht auf die Tombola, die mit ihren Kugeln Gewinne verschenkte. Eine Kugel flog in einem hohen Bogen gegen seine Stirn, wo sie ein bekanntes Geräusch erzeugte. "Aua," sagte instinktiv und rieb sich seine Stirn, als die Kugel von seiner Linken aufgefangen wurde, damit sie nicht weiter Schaden anrichten konnte. Wer warf denn hier mit Kugeln? Ein erneuter Angriff? Doch schnell wurde Verus klar, dass es ein Gewinnspiel des Veranstalters war. Es war üblich diese Art von Spielen damit zu versehen. "Pferd," las er laut vor und schlagartig wurde ihm klar, dass ihm das Schicksal ein Pferd zugespielt hatte. Was sollte er denn damit? Abholen würde er es aber wirklich gebrauchen konnte er es nicht. Mit einer schnellen Bewegung verschwand die Kugel in seinem Lederbeutel, den er an einem Band um die Schulter trug. Niemand wusste, dass er bewaffnet war und so bemühte er sich das versteckte Gladius unter seiner Tunika nicht zu zeigen. Es könnte eine Panik auslösen. Auch der Schlagstock wollte gut verborgen werden, so dass er den Stoff schnell richtete, der bei der Bewegung verschoben worden war. Nun wanderten seine Blicke wieder durch die Reihen, weniger auf das Rennen, welches ihm vollkommen gleichgültig war.

    "Ein kluger Bursche," schimpfte Plato bitter und trank einen weiteren Schluck. "Diese Hunde waren mal wieder zu schnell...," ließ er eine Bemerkung fallen, die nicht ganz in den Kontext passte. Scheinbar regte sich der ältere Mann über etwas auf, was nicht in seiner Zuständigkeit lag. "Gut, dann ist es so," meinte er und schob einen der Stühle mit einem Fußtritt zur Seite. "Du willst sprechen, also sprechen wir. Setzen," befahl der Mann und schenkte dem Fremdling einen Tonbecher mit unverdünntem Wein ein. "Willst du einen Kredit oder Arbeit?" - fragte der Alte also. "Ich brauche nur deinen Namen," meldete er noch und schob eine Wachstafel vor sich und nahm einen Griffel auf.

    Wie betäubt schien sein Herz, als er mit kaltem Gesicht zum Sklaven blickte. Verus war hier in seinem Auftrage und musste nicht erklären, sondern nur fordern. "Ich bin Verus und hier im Auftrage des Kaisers. Ich muss dringend deinen Herren, Senator Claudius, sprechen." Er ließ keinen Zweifel an seinem Auftrag und sprach diese Worte mit einer gewissen Bestimmtheit, die seine Zugehörigkeit schnell offenbarte.

    Ein Zuhause. Ein Ort, der ihm stets fern schien und doch war Luna längst das helle Licht in seiner langen Nacht. Ihr gewählter Name war stets Weissagung und Wahrheit, denn sie war längst der strahlende Mond in seinem Leben. Wo er nur Dunkelheit sah, zeigte sie ihm Licht und die Sterne am Firmament. Verus ließ für eine Zeit seine Sorge zurück, war von einer Dankbarkeit erfüllt, trotz der grausamen Reue, die er nicht ablegen konnte. Er hatte ihr Schlimmes auf Befehl angetan, war unnötig brutal gewesen, um einen Zweifel seiner Hierachie zu vermeiden. Der Mann war feige gewesen, nutzte Gewalt, um sich zu verstecken, so dass er niemals vergessen konnte, was er war. "Du bist es längst," sagte er zaghaft, so als ob diese Worte geheim und vergänglich waren. Luna war alles für ihn, da sie ihm ein echtes Ideal war, welches greifbar war. Ihre Liebe war unberührt und nicht berechnet, um sozialen Wohlstand zu erringen. Sie war frei und errettete den Mann, der in seinen Zwängen ertrank. Luna entfernte sich, begann die Ruinen zu durchsuchen und ließ Verus verträumt zurück, der mit Reue ihr mit seinen Augen folgte, bevor er sich entschied ihr hinterher zu gehen. Die Ruinen schienen ihm eine passende Kulisse für seine Person. Ruinen standen ihm gut, so dass er diese im Gehen bewunderte und gleichsam seine Vergangenheit spiegelte. Er hatte viele Ruinen hinterlassen. Einst in Dakien, dann in Germanien und bald auch in Rom. Verus war Krieg, so dass er hier lernen konnte, was ihm stets folgte. Luna rief ihn. Der gediente Mann horchte auf und folgte dem Ruf mit festen Schritten, die den Staub unter den Füßen zum Knirschen brachten. Seine Geliebte hatte den Haustresor gefunden. Eine Kiste, in der Römer besondere Werte verwahrten, um ihren dauerhaften Besitzstand zu schützen. Meistens war es wertvolle Urkunden oder Erklärungen. Verus betrachtete das Eisenobjekt aufmerksam und lächelte dann salzig. "Das ist ein Tresor. Darin verwahren wir oft wertvolle Dinge. Es ist unser Familienschatz, wenn du so willst," erklärte Verus mit liebevoller Stimme und trat an Luna heran, um ihr seinen Arm um die Schulter zu legen. Es war nicht alles verloren. Sofern die Urkunden intakt waren oder das Gold noch vorhanden, konnte man den Wiederaufbau schneller anstreben. Die Familie begann nicht bei Punkt Null.

    Die Folter. Ein Mittel, welches Verus kannte und nicht immer wertschätzte. Sie hatte ihren Zweck. Doch im Grunde war sie nur für das System selbst notwendig; sie war für den Folternden da, um eine Legitimation für Herrschaft zu schaffen. Es trat eine seltsame Übereinkunft ein, die Herrschaft und folglich auch Macht sichtbar machte, die ansonsten unsichtbar war. Verus war sich sehr wohl bewusst, dass auch er foltern musste, um in diesem System zu überleben. Diese Welt würde niemals perfekt sein. Niemals war genügend Rechtschaffenheit vorhanden und je mehr man versuchte, Rechtschaffenheit zu beweisen, umso mehr war man infiziert mit dieser Übereinkunft, das man Macht erschaffen musste. Ohne Macht war alles formlos, chaotisch und nicht greifbar. Existenz ohne System war bedeutungslos, da die eigene Rechtschaffenheit nur im System funktionierte. Verus versteckte sich nicht mehr, kannte die Mechaniken seiner Strukturen und wusste auch, das außerhalb seiner Strukturen nur Chaos wartete. Ein Wegfallen war nicht vorgesehen, da es die eigene Existenz ins Absurde verdrehen würde; und doch war vieles absurd bis wahnsinnig widersprüchlich. Jeder versuchte sein Ego, das geschaffene Narrativ des eigenen Selbst, aufrecht zu erhalten, welches nur im komplexen Zusammenspiel aus Macht und Gegenmacht funktionierte. Folter war nur eine Antwort auf einen tiefsitzenden Widerspruch, den selbst Verus, der Grenzgänger war, nicht auflösen konnte. Diese Gedanken waren aber unwichtig für die Welt.


    Unwichtig deshalb, weil sie nichts veränderten und auch nichts besser machten. Es war die einfache und rationale Akzeptanz, dass die Welt eben so war, wie sie war und niemals eine andere sein würde. Man tauschte nur die Illusionen, die Begründungen und die Theaterstücke aus; entweder gegen einen neuen Stil, der mit der Zeit ging oder eben nur Mode war. Im Herzen blieben Menschen immer diese Kreaturen, die sich offenbarten, wenn man ihnen jene Kleider und Mode nahm. Folter und auch dieser Ort offenbarten schnell, was im Kern die Gesellschaft war. Diese Wahrheit war aber unerträglich, nicht zumutbar und somit verschwand sie stets mit den Worten und dem Verlassen jenes Kerkers. Man versteckte sich davor, wollte sich verwehren, aber dadurch wurde es nicht weniger wahr. Es war eine Krankheit, die wuchs und jeden infizierte, der mühsam Bedeutung in seinem Leben erstritt. Ignoranz war Lebensqualität für diejenigen, die an den Tischen speisten, die mit Blut gefüllt war. Gesellschaft war eine Abfolge von Darstellungen und Narrativen. Verus gab sich diesen Geschichten nicht mehr hin, aber gestaltete willfährig seine eigene Geschichte und folgte ohne Widerwillen dem System, welches keine Antworten für ihn hatte.


    Die Suche blieb und im gewisser Absicht wollte er Morrigan verstehen. "Wir alle sind nur Spielfiguren und die Rollen fallen uns willkürlich zu," erklärte Verus als Antwort auf die Folter. Es gab keinen Sinn oder Unsinn hier, sondern schlicht einfach den Zustand, der gegeben war. Eine genaue Betrachtung zeigte schnell, das es nun gleichgültig war, was Morrigan sein wollte oder Verus sein musste. Die Faktoren und sachlichen Gegebenheiten hatten entschieden. Sachzwänge, die Ketten einer jeden Gesellschaft, lagen schwer in ihrem Blei. Schließlich sagte Morrigan jenen Satz, den Verus verständnisvoll abnickte. "Ich tue das, was mir geboten ist, Gefangene," war die sanfte Antwort, die nicht urteilte oder verurteilte. Morrigan war auch nur ein Objekt in einem riesigen mechanischen Gebilde aus vielen einzelnen Interessen, die ihre eigenen Zahnräder waren. Alles griff ineinander, hielt sich am Laufen, immer weiter, bis alle Zahnräder verstummt waren. Verus war zynisch, kalt operierend am Spalt und Sprung zwischen der Gesellschaft, die längst zu komplex war, um von einer Einzelperson vollständig erfasst zu werden. Morrigan sprach endlich Wahrheit, die auch Verus teilte. Er selbst war längst Sklave seiner zynischen Sachlichkeit, die sein eigenes Herz stets verneinte und mit Angst vergiftete. Diese Angst war kennzeichnend für sein Geschäft und seine Aufgaben.


    Eine berufsbedingte Paranoia wuchs mit jedem Atemzug über den Unterlagen und in den Gesprächen, die Sachzwänge steuerten. "Wir alle sind nur Sklaven unserer Welt, Gefangene. Im Gegensatz zu dir, weiß ich um meine Ketten und wählte sie selbst. Ich mache mir keine Illusionen," war die ehrliche Reaktion des mächtigen Trecenarius, welcher sich anschickte die Schatten in Rom zu beherrschen. Die kalte Verachtung, die sie zeigte, schmeckte entsprechend gut, da sie nur Beweisführung war. Sie bewies Verus das, was er stets bewiesen wissen wollte: Menschen waren niedere Kreaturen, welche der Ordnung bedurften, um mehr zu sein. Ohne System waren sie wertlos. Doch diese kalte Bosheit stand ihm nicht gut und plötzlich traf ihn diese mitfühlende Sorge. Reue spiegelte sich in seinem Herzen, welches unterdrückt wurde von den sachlichen Gedanken, die Verus stets ins Felde führte, um sich selbst zu schützen. "Ich werde das tun, was ich tun muss," antwortete er dann und deutete auf die beiden Soldaten, die Manius begleitet hatten. Diese schlugen zwei mal mit ihren Schlagstöcken auf Morrigans Rücken, bis sie am Boden lag und man ihr wieder eine Halsfessel anlegte und die anderen Ketten enger zog, damit sich ihr Bewegungsspielraum einschränkte.

    Ein merkwürdiger Mann saß gelangweilt an einem Ecktisch unweit des Einganges, so dass er diesen immer im Blick haben konnte. "Wer will das wissen?" - fragte der Mann, der bereits deutlich älter war und bereits einen grauen Bart trug, der gepflegt war. Mit einer unrühmlichen Handbewegung schenkte er sich aus einer Karaffe Wein nach, bevor er Cerretanus angespannt musterte.

    Alsbald tauchte er auch, der neue Geheimdienstchef des Reiches, welcher sich bereits in den ersten Tagen einen Ruf des kalten Rationalisten erarbeitet hatte, indem er viele Fälle sachlich und effizient angegangen war. Verus war innerlich dennoch unruhig, auch wenn sein Äußeres nur das frostige Gesicht eines ausdrucklosen Soldaten zeigte. Dieser Mann hatte viel erlebt, gesehen und durchgemacht, so dass sein Weltbild nicht durch Optimismus gezeichnet war, sondern eher durch eine fatalistische Grundhaltung. Als Geheimdienstchef des Imperiums war diese Einstellung jedoch nicht falsch, da man stets mit dem schlechtesten Ausgang planen musste. Man musste immer das Schlechteste annehmen, um eben dieses abzuwenden. Verus, mit seiner zerrütteten Seele, war mit Sicherheit in seiner berechenbaren Pflichterfüllung der richtige Mann für diese Arbeit. Er war nicht dumm, hatte eine gewisse Tapferkeit, war militärisch geschickt und wusste um die Arbeit, die von ihm verlangt wurde. Zudem war er auch ein geübter Kämpfer und mit Sicherheit schlachtenfahrener als die meisten anderen Soldaten innerhalb der schwarzen Kohorten. Dennoch war er immer noch unsicher über diese Welt. Ängste plagten ihn. Sorgen nötigten ihn. Und ferner suchten ihn die Albträume seiner Blutbäder heim. Der offene Krieg verließ ihn auch hier nicht. Doch führte er weiter einen geheimen Krieg, der ihn ebenso verfolgen würde, wie er andere verfolgte. Ein gewisser Wahnsinn lag im Geschäft, welches er für den Kaiser betreiben musste. Diese Pflicht war anders aber nicht weniger grausam. Wenn war diese Pflicht sogar noch grausamer, da sie geheim und heimtückisch agierte. In schlichter Aufmachung, der eines Bürgers mit Toga, aber einer schwarzen Tunika darunter und Offiziersstiefeln aus Leder, trat er ein. Man erkannte nicht sofort, dass es sich um den Trecenarius handelte, aber die Stiefel und die schwarze Tunika zeigten einem Kenner seine Zugehörigkeit. Seine Prätorianer, die ihm unterstanden, arbeiteten im Geheimen und wollten selten sichtbar sein. Eine klare Sichtbarkeit war Versagen. Mit dem römischen Faustgruß auf die Brust, grüßte er seinen Kaiser. "Ave, Imperator," war der geblaffte Gruß, der militärisch geriet, bevor sich Verus aus der strammen Haltung verabschiedete und eine deutlich entspanntere Pose einnahm. Doch war diese Pose immer noch strammer und mit mehr Haltung als die eines üblichen Zivilisten. Das Militär konnte Verus nicht ganz verlassen, auch nicht in ziviler Kleidung; oder besser der geheimen Uniform der Speculatores.

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    Original von Faustus Tiberius Iuvenalis
    Bitte einmal ins Exil.
    Momentan schaffe ich es einfach nicht, hier die Zeit reinzustecken, die nötig wäre, damit mein Charakter sich gut entwickeln kann.


    Sehr schade! Aber wir sehen uns wieder! ;)

    Ein Bettler brachte diesen Bogen an, der auf einem zerissenen Pergament geschrieben war:


    Brauchst Du Geld?


    Brauchst Du Hilfe in Lebenslagen?


    Wir sind für DICH da.


    Wir bieten DIR günstige Kredite.


    Wir bieten DIR sehr gut bezahlte Arbeit.


    Melde Dich in der Taverna Apicia am Markt.


    Frage nach Plato.


    Sim-Off:

    Die Prätorianer bieten gelegentlich kleinere Jobs für IDs an, die aus ihrem Alltag ausbrechen wollen. Die Jobs werden natürlich bezahlt. Wer Interesse an einem Mini-Plot hat, kann sich gerne dort melden.

    In einfacher Kleidung, nicht abgerissen oder schmutzig, trat der Tiberius unter Geleit von zwei ebenfalls einfach gekleideten Soldaten seiner Einheit vor die Porta. Er hatte heute einen ganz persönlichen Auftrag zu erfüllen, der eine gewisse detailverliebte Feinfühligkeit bedurfte und deshalb übernahm er diesen selbst, da sich dieser Senator, mit dem er sprechen würde, anschickte, bald Konsul zu werden. Also ein Mann von Status und sogar noch von Stand als alter Ur-Patrizier. Verus musste also sehr vorsichtig agieren, um diese Operation, die einst mit der Festnahme einer Person begonnen hatte, sauber in Richtung Ende zu führen. Verus war sich für diese Arbeit nicht zu schade und würde sicherlich erneut seine Pflicht akurat erfüllen. Er klopfte sogar selbst an, mehrfach mit der breiten Faust seiner vernarbten Hand.

    Verus war erstaunt über diesen Trotz und bewunderte ihn sogar insgeheim. Sie hatte mehr Mut als geglaubt. In den Schriften hatte er vom üblichen Verfahren gelesen, welches ihr angetan wurde und sie war daran nicht zerbrochen. Nicht vollständig. Zwar hatte man ihr Geständnis aber nicht ihren ganzen Willen. Verus war nicht entsetzt aber sichtlich erfreut, dass er kein Wrack vor sich hatte. Mit geistig klaren Menschen konnte er besser arbeiten als mit zerbrochenen Seelen. Natürlich konnte man nun argumentieren, dass jeder Mensch, der sich gegen die natürliche Ordnung der Welt stellte, per se geisteskrank war und die Dinge verkannte. Ideologien und Religionen waren in Verus Augen sowieso nur Veirrungen weg von der Ratio. Selbst der römische Glaube, dem er natürlich folgte, war reine Funktion. Er steuerte den Alltag und gab den unsinnigen Dingen Sinn. Verus selbst war durchaus athetisch und sicherlich von einer kalten Vernunft geleitet, die im furchtbaren Kontrast zu seinem warmen Herzen stand. "Kluge Gefangene," antwortete er also nicht unfreundlich. "Leider hast du deinen Verrat an unseren Gesetzen gestanden," sagte Verus nüchtern und machte eine Geste mit seiner Hand, indem er auf sie zeigte. "Wir brauchen eine Lösung für deine elendige Existenz," leistete er sich einen bitteren Kommentar. Er musste sich selbst schützen, indem er Morrigan herabsetzte. Hier war nicht Verus, der liebe und sanfte Mann, der eine Frau, wie Luna, liebte, sondern der harte Trecenarius, der die römische Staatsmacht vertrat. Es half diese Rolle mit Leben zu füllen. In ihrer Ablehnung fand er eine gewisse Absolution, denn er sah sich selbst als dieses Monster und wollte auch von anderen so gesehen werden. Hier war nichts Gutes und somit sollte Morrigan auch nicht geschont werden, indem man ihr eine falsche Position vermittelte. In den Akten war sie nur noch eine Existenz und Verus musste sie davon erlösen, damit sie nicht mehr sein Problem war; bis sie wieder von Nutzen war und somit wieder ein Problem in seinen Akten. Ein Kreis aus Nutzen und Abnutzen. "Ich denke, dass deine Vergangenheit dir bereits Lehrstunde genug war," dachte er laut nach aber verkleidete seine Gedanken in einem bösartigen Zynismus. "Deine Urkunde deiner Freilassung wird schmelzen. Du bist und warst immer eine Sklavin. Aber wirst am Leben bleiben, bis wir dich wieder brauchen," teilte er mit und deutete zur Seite, damit Manius näher trat. "Die Freilassungsurkunde wird eingeschmolzen. Wir werden sie öffentlich auspeitschen; ihr ein staatliches Brandzeichen geben, damit sie öffentlich als bestraft gilt und wir werden sie als Sklavin in die Hände eines geeigneten Senators geben," war der Befehl, den er gab. "Sie ist und bleibt eine Sklavin und jeder soll es sehen, dass Rom nicht nur Macht, sondern auch Gnade ist. Sie ist ein Symbol und lebendig nützlich," rechtfertigte sich Verus, mehr vor sich selbst als vor Morrigan. Manius schwieg und blickte traurig zu Morrigan. Ein erneutes Schicksal als Sklavin mit einer verbundenen öffentlichen Demütigung, war deutlich schlimmer als ein schneller Tod durch einen schmerzfreien Schnitt.

    Das harte Gesicht des Verus blickte Morrigan für eine Weile an, ohne wirklich eine Regung zu zeigen. Die Narbe auf seiner Wange verhieß viele Schlachten. Verus holte tief Luft und versuchte Morrigan einzuordnen. Zwar verließ sich der Trecenarius auf das Bild aus den Akten aber ergänzte dies gerne durch eigene Beobachtungen. Man wollte meinen, dass Verus überaus engagiert war und auch diese Pflicht achtsam zu erledigen gedachte. Verus versteckte sich nicht und zeigte offen, warum er hier war. Um ein Urteil über Morrigan zu fällen. Der kalte aber vernünftige Blick ruhte auf ihr, bis er endlich ein paar Worte sprach: "Wir müssen eine Lösung für dich finden, Gefangene." Für den Tod war es noch zu früh, da Morrigan noch einen Nutzen haben konnte und auch ihre Rolle noch nicht ganz geklärt war. Es war vieles noch offen aber in diesem Kerker nützte sie keinem mehr etwas. Vielleicht sollte er sie tatsächlich beseitigen lassen aber dann wäre ihr Tod sinnlos und nicht brauchbar. Es wäre verschwendete Zeit und Arbeitskraft. Verus überlegte zwischen verschiedenen Entwicklungen, die Morrigan einschlossen aber konnte keine saubere Entscheidung fällen. Insofern wartete er ihre Reaktion ab, um einer Bewertung Raum zu geben.