Als neuer Trecenarius musste Verus auch die Altfälle übernehmen und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Es fiel ihm schwer diese Menge an Arbeit zu überblicken. Wie sollte er auch? Er war gerade erst in diese Art des Geschäftes eingestiegen. Von seinen neuen Männern ließ er sich durch die Einrichtungen führen und ein gewisser Manius briefte ihn über die aktuelle Lage. "Hier," sagte der leitende Speculator Manius und deutete in die Zelle. "Mit ihr haben wir noch ein Problem. Es ist offenkundig, dass sie gegen Rom paktiert hatte aber wie üblich sind Geständnisse unter Folter zwar wahr aber auch gleichsam ... schwierig," erklärte Manius, der hoffte bald seine verdiente Pension anzutreten. Verus gedachte ohnehin die Missionen zu straffen und Rom sicherer zu machen, indem die Prätorianer mehr Kontrolle ausübten. "Diese Morrigan...," versuchte sich Verus an den Namen aus Akten zu erinnern. "Ja, genau." - war die knappe Antwort von Manius, der die Entourage von Verus abschloss. "Ich werde das Problem direkt angehen," meinte Verus, der sich seiner Position noch unsicher war aber entscheiden musste, um den Kaiser und Rom nicht mit Altlasten zu belasten. "Öffnen," befahl Verus, der nicht einmal eine Rüstung oder Bewaffnung. Man konnte meinen, dass er nur ein einfacher Mann war. Nur seine Stiefel, die eines Offiziers, wiesen ihn als ranghohes Mitglied aus. Das cingulum militare war üblich und zeigte nur an, dass er Soldat war. Auf einen Pugio oder den hier gebräuchlichen Schlagstock hatte er heute verzichtet. Mit gebückter Pose trat der neue Trecenarius ein und betrachtete die geschundene Morrigan, die seit Wochen schon in diesem Loch hauste. Ihre Ketten wogen immer noch schwer. "Salve," grüßte Verus knapp und versuchte die Eindrücke zu deuten. "Gefangene Morrigan," rief er ihr zu. Er wollte dieses Problem endgültig lösen, da der Nutzen dieser Frau erloschen war. Verus musste sehen, was er tun konnte und wie man aus diesem Altfall noch einen Nutzen für die Zukunft ziehen konnte. Manius trat mit zwei Handlangern hinter Verus ein, die drohend ihre Schlagstöcke in den Händen hielten. Sie waren bereit, im Notfall ihrem Trecenarius zur Seite zu springen und diese Gefangene auf Distanz zu halten oder eben auf Wunsch zu bestrafen. Gewalt war hier alltägliche Praxis.
Beiträge von Aulus Tiberius Verus
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Verus brauchte Zeit. Viel Zeit, um zu verstehen, was dieses Zuhause war. Er verstand ihre Worte, ihre Berührung aber konnte nicht erfahren, was ein Zuhause war. Denn er hatte sich selbst davon entrissen, andere davon entrissen und war mit Sicherheit weit von dieser Heimat entfernt, die er stets suchte und zum Ideal erhoben hatte. Einem sinnlosen Ideal, welches niemals mit der Realität überleben konnte. "Ich gebe uns ein Zuhause," war seine knappe Antwort. Eine Antwort, die versuchte aufrichtig zu sein und wirkmächtig zu erscheinen aber scheiterte. Verus glaubte nicht daran, obwohl er es ehrlich meinte und daran glauben wollte, ein Zuhause zu schaffen. Es wäre niemals sein Zuhause, denn hier würde seine Familie leben, die ihn vergessen hatte und wieder vergessen würde. Selbst für Luna würde es niemals ein Zuhause sein, da es zu römisch war; zu erdrückend und in zu festen Linien gezogen. "Du bist mein Zuhause," sagte er schließlich und fand damit den wahren Kern seiner Sehnsucht. Luna war sein Zuhause. Sie gab ihm Halt und Zuflucht. Kein Gebäude konnte dies ersetzen. "Ich erbaue ein Haus als Unterstand und Schutz aber ein Zuhause wird es niemals sein," erklärte der Verlorene bitter. "Alleinig du bist mein Zuhause, Idun. Ich finde bei dir jenes Gefühl, welches mir kein Gebäude aus Stein und Holz geben kannn." Verus wollte sich diesem Gefühl stellen und sich nicht vor Luna verbergen.
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Mal wieder überschlugen sich die Ereignisse. Ohne sein großes Zutun oder Wort, wurde Verus ernannt und mit dem Geheimdienst des Reiches betraut. Eine Sache, die ihm sichtlich missfiel, da die Augen kurz hervortraten und sich dann für einen Moment schlossen. Er musste diese Sache verarbeiten. "Ddddd... danke...," verlor er seine sonstige Selbstsicherheit und Eloquenz eines Soldaten. Es war die schmutzigste Aufgabe, die man ihm hätte geben können. Eine Aufgabe, die nicht nach Ehre strebte, sondern nach reiner Pflicht. Sachzwänge waren der neue Inhalt seiner soldatischen Erfüllung. "Ich nehme an, dass ich sofort die Speculatores übernehme und alsbald einen Eröffnungsbericht vom Dienstältesten erhalten werde?" - fügte sich Verus in seine neue Rolle. Es gab ohnehin keine Flucht mehr. Wie sollte eine Bestie auch ihre Ketten sprengen, die durch eigene Macht geschmiedet waren? Verus hungerte nach Erlösung aber ohne Pflicht würde die Person, jener Mann, die er noch war, klanglos und haltlos vergehen. "Ich denke, dass ich mit Geheimnissen betraut werde," offenbarte er seine Sorge und nickte dem Tribun zu. Als Trecenarius ruhten sämtliche Geheimoperationen des Reiches auf seinen Schultern und zusätzlich noch die staatlichen Meuchelmorde an politischen Gegnern des Reiches, wie ausländischen Herrschern und Königen. Ein grausames Geschäft. Verus musste sich damit abfinden, dass seine kalte Pflichterfüllung ihren vorzeitigen Höhepunkt in dieser Position gefunden hatte. Konnte er sich selbst verzeihen? Niemals. Die Pflicht war alles, gegen jeden Traum und gegen jede Menschlichkeit, stand sie fest und unverrückbar. Verus musste folgen, denn ohne diese Dienstbarkeit hätte er keinen Namen, keinen Sinn und auch keine Bestimmung. Alles, was er gewesen war und getan hatte, wäre bedeutungslos. Sinnlos wäre dann jede Existenz, nach all dem, was er gesehen hatte. Leben war reine Pflicht für diesen Mann und so gedachte er auch an diese neue Aufgabe heranzugehen. Mein kalter Pflichterfüllung. Persönliche Dinge galt es nun auszublenden. Emotionen standen nur im Weg.
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Scheinbar ist etwas bei meiner Ernennung drunter und drüber gegangen. Mein Tabularium sieht nun wirklich etwas wirr aus. Und Centurio der Legio Secunda ist er auch nicht mehr.
Ich glaube, dass diese Signatur dort stehen müsste:
Liebe Grüße
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Verus konnte nicht klar antworten. Ihm fehlten die Worte und auch der Mut klar zu sprechen. Es verlangte ihm vieles ab, hier zu stehen und Luna zu lauschen. Niemand hörte ihm zu; nur Luna schien zu verstehen, was ihn bewegte. Sie sprach die Worte, die er nicht sprechen konnte. Dieser Tiberius hatte vieles aufgegeben, um nicht unter der Last zu leiden aber diese Aufgabe verlangte ihm einen großen Verlust ab. Er musste erkennen, dass er nie wieder der Mann sein würde, der er einst war. Es gab diesen Mann auch nie. Es waren Wunschvorstellungen, eine Geschichte, die er sich selbst erzählt hatte, um im Leben zu bleiben. Vielleicht war dies der Albtraum, den er brauchte, um den Traum zu finden. Wo würde er sein, wenn alles vorbei war? Wenn sein Dienst enden würde? Einst sagte sein Offizier, der ihn ausgebildet hatte, dass der Dienst nur im Tode endete. Inzwischen glaubte Verus dies auch aber dieses Heim war eine Möglichkeit, eine Alternative, zum absoluten Dienstende. Eine Möglichkeit, die nicht verstreichen sollte, denn auch mit diesem Heim war eine Pflicht verknüpft. Es war eine altruistische Möglichkeit, Menschen ein Heim zu geben, welches er selbst nie besessen hatte. Er würde Heimat schaffen können; wahr und klar. Doch es fehlte ihm der Mut. Zuviel hatte er von sich selbst zurückgelassen. "Ich bin Soldat. Ich habe kein Zuhause," war der Kommentar, der traurig aus seinem Mund fiel, bevor er eine widersprüchliche Antwort gab: "Aber sie verdienen ein Zuhause, welches ich nicht mehr haben kann. Es ist ein ferner Traum. Eine Idee, die ich gerne schenken möchte." Verus holte tief Luft und rang mit seinem Herzen, welches heftig und in Angst schlug.
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Verus trat leblos ein und nahm seine achtsame Position vor dem Vorgesetzten ein. Mit einer schnellen Bewegung legte er den Versetzungsbefehl auf den Schreibtisch. "Centurio Tiberius Verus, ehemals Legio Secunda, meldet sich wie befohlen," war die militärische Begrüßung, bevor er seine Faust auf seine Brust legte, genau auf Herzhöhe, um einen militärischen Gruß zu formulieren: "Ave, Tribun." Es fiel ihm leicht. Nicht, dass es ihm leicht fiel, hier zu sein, sondern dem militärischen Protokoll zu folgen. Verus war eine Kampfbestie, die mechanisch ihrem Protokoll folgte, um den Tag erträglich zu machen und die Gedanken zu verdrängen, die menschlich sein konnten. "Ich danke dir," sagte Verus dann, nachdem er seinen Blick wieder auf den Tribun richten konnte und auch ohne Befehl eine bequemere Haltung einnahm. Scheinbar war der Tribun hier nicht der harte Hund. "Ich bin hier, um meine Pflicht zutun. Brauchst du noch mein Militärdiplom? Jene Empfehlung meines einstigen Präfekten?" - fragte der Offizier, um diesen Vorgang sachlich zu beginnen. Verus machte sich nichts aus seinem Ruf oder seiner Ehre, denn die Pflicht stand über persönlichen Befindlichkeiten und Interessen.
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Verus brauchte viele Atemzüge, bis er den Mut fand, mehrmalig an die Tür der Amtsstube zu klopfen. Römische Lager schienen ihm stets vertraut, so dass er schnell entsprechendes Zimmer gefunden hatte. Er musste nicht einmal wirklich fragen, da er wusste in welchem Bereich üblicherweise die Tribuni untergebracht waren. Mit festen Faustschlägen hämmerte er gegen das Holz, während er seinen Sack mit seiner militärischen Habe neben dem Eingang abstellte. Er würde nicht vor einen Tribun treten und dabei noch seinen Reisesack bei sich tragen, der der kleinere Bruder der Tragestange war. Innerhalb der Stadt war er deutlich bequemer und nahm die lorica hamata besser auf, die er nicht durchgehend tragen wollte. Sein Blick war leer, fast lieblos und ausdrucklos schien sein Gesicht. Er war ein guter Soldat, der keine Emotionen zeigte, sondern ausführte, was man ihm auftrug. Man hatte ihm aufgetragen, sich hier einzufinden und das tat er. Nur war er dabei nicht glücklich, sondern eher angespannt. Der militärische Drill und die Abrichtung seines Geistes verhinderte, dass er sich in diese Emotionen verlor. Verus trennte klar zwischen seiner eigenen Befindlichkeit und der aufgetragenen Pflicht. Pflicht allein bestimmte diese Person, die mehr verbarg als bloße Treue. Mühsam erschien ihm das Warten, auch wenn es im Rahmen sicherlich nur eine kleie Zeitepisode war, die er durchleiden musste. Doch vor dieser Tür zu stehen, ließ ihn erneut zweifeln. Ein Zweifel, der nicht sauber bei Seite geschoben werden konnte. Diese Welt erschien ihm achtlos und grausam. Was würde ihn erwarten, wenn er nun als Prätorianer dienen würde? Diese ungewisse Gewissheit, dass es mitunter nicht weniger brutal war, als sein altes Leben in Germanien. Dieses kannte er zumindest und war eine familiäre Hölle gewesen, die ihm nichts mehr anhaben konnte. Er hatte gelernt mit den Feuern zu spielen und den Verbrennungsschmerz zu ertragen. Etwas anderes blieb dem eigentlich sanften Verus auch nicht üblich. Andere half ein striktes Schwarz/Weiß-Denken, doch dieser Mann war nicht in der Lage dazu. Für ihn war die Welt grau, leer und trist. Er existierte für die Pflicht. Er glaubte an die Pflicht, denn sie war das letzte Ideal, welches noch Bestand hatte, in all dem Gemetzel seines Lebens. Blut schmeckte ihm nicht. Zu seiner Sicherheit trug er in einer Hand den Brief, um diesen gleich, wie es üblich war, auf den Tisch des Vorgesetzten zu legen. Es waren militärische Handlungen, die Zeitabläufe verkürzten sowie vereinfachten. Alles im Militär hatte seine Regeln, die Sicherheit in der ungewissen Unsicherheit des Soldatenlebens schufen.
Tribunus Cohortis Praetoriae Tribunus Q. Varinius Maro Centurioni A. Tiberio Vero s.d.
Auf Empfehlung deines Legatus Legionis Ti. Duccius Vala hat der Imperator Caesar Augustus entschieden, dich von der Legio II Germanica zu den Cohortes Praetoriae zu versetzen. Du hast deine Vorgesetzten über diese Versetzung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und dich nach Regelung deiner Angelegenheiten nach Rom zu begeben und bei mir zu melden.
Ich gratuliere dir zu dieser Beförderung.
Vale
Quintus Varinius Maro
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Welten schienen zu kollidieren. Der Wunsch und die Wirklichkeit. Verus musste mit sich ringen, ließ sich diese Befindlichkeit aber nicht anmerken. Die militärische Maske saß perfekt. "In der Tat," erklärte der Offizier mit fester Absicht, obwohl dies eine Lüge war. Niemals war seine Absicht brüchiger gewesen. Es fühlte sich nach Wahnsinn an, erneut in eine Struktur zu fallen, die ihm nichts als dunkle Träume gebracht hatte. "Einen schönen Tag," wünschte Verus knapp und trat dann mit seinem Reisesack aus Leinen ein.
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Zitat
Original von Faustus Octavius Macer
Nach noch viel längerer Abwesenheit würde auch ich gerne aus dem Exil geholt werden.Macer ist noch viel zu jung zum Sterben
Soweit möglich, soll zunächst Ostia sein Wohnort sein.
Willkommen zurück, junger Senator! *notiert den Namen auf einer geheimen Liste*
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Verus hob seine Hand, um einen Moment zu bitten. Er kramte im Beutel, den er dezent vor sich nahm, um jene Schrift zu finden, die ihm ein neuer Befehl war. "Ich bin Centurio Tiberius Verus und soll mich hier melden," sagte Verus und nickte dem Soldaten zu. Dann reichte er jenes Schriftstück weiter an den Soldaten, um sich zu legitimieren.
Tribunus Cohortis Praetoriae Tribunus Q. Varinius Maro Centurioni A. Tiberio Vero s.d.
Auf Empfehlung deines Legatus Legionis Ti. Duccius Vala hat der Imperator Caesar Augustus entschieden, dich von der Legio II Germanica zu den Cohortes Praetoriae zu versetzen. Du hast deine Vorgesetzten über diese Versetzung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und dich nach Regelung deiner Angelegenheiten nach Rom zu begeben und bei mir zu melden.
Ich gratuliere dir zu dieser Beförderung.
Vale
Quintus Varinius Maro
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Mit gemischten Gefühlen hatte sich Verus mitsamt seinen militärischen Gütern, welche recht gestopft in einen Leinensack passten, auf den Weg gemacht. Seinen Dienstantritt konnte er nicht mehr lange hinauszögern. Er wollte eigentlich nicht aber musste seiner Pflicht folgen. Zwei Tage nach dem Fest der Aurelier hatte er sich also aufgemacht. In die Tunika eines einfachen Bürgers gehüllt, und auch frei von anderen Standeszeichen, trat er vor das Tor und wartete bis die Wache auf ihn aufmerksam wurde. Viele Dinge gingen ihm durch den Kopf. Vorallem seine Kriegserfahrungen, der Verlust von befreundeten Kameraden und auch seine eigene Zukunft im grausamen und kalten Dienst. Ohne Freude, ohne wirklichen Ausdruck, blickte er zur Wache. Er grüßte militärisch mit Haltung. "Salve," sagte seine feste Stimme, die als brüllender Centurio geschult war.
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Auch Verus als Soldat nahm sich die Zeit, die Ehrungen zu verfolgen. Zwar konnte er nicht einen besseren Platz ergattern, so dass er sich in die Reihe der Plebs begab. Weil viele erkannten, dass er Soldat war; durch jenen Gürtel, den Stiefeln eines Offiziers und auch das SPQR Zeichen auf seinem Arm, waren viele gewillt, ihn in die erste Reihe der plebejischen Plätze zu lassen. Dort stand er nun und nahm eine würdevolle Pose ein, indem er seine Faust auf seine Brust legte und die weiteren Soldaten militärisch grüßte, die vorbei marschierten. Es war eine Pflichtsache und für Verus war jeder Soldat mehr Familie, somit gebot es die Ehre, dass er anwesend war.
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Menschen taten sich oft unbewusst schlechte Dinge an. Unbewusst agierten sie Schlafwandlern gleich, um eigene von dem Selbstgeist betrunkene Ideen zu nähren. Verus war sich sehr wohl klar, dass diese Welt nicht mehr das sein würde, was er sich wünschte. Er gab seine Hoffnungen auf eine wirkliche Überzeugung und Gerechtigkeit auf. Im Blute hatte er eine schlichte Wahrheit gefunden. Menschen waren Schlafwandler in der Zeit. Luna zeigte ihm die Asche, deutlich und erstaunlich, an ihrem Finger. Verus folgte diesem aufmerksam, so als ob er die Asche mehr verstand; gleichartig, wie Luna, sah er sie in einem andere Lichte. Ihre Berührung seiner Wange, ließ in der Tat seine Augen schließen, man gab die Ratio und Sichtbarkeit auf, für einen Moment Wahrheit, welcher gut war. Die dunkle Träumerei gab ihm Farben. Etwas Glück, wie ein Sonnenaufgang nach der Nacht. Er stellte es sich vor und sah die Farben, die er sehen musste und wollte. Verus war nicht verloren, sondern nur vertrieben. "Ja," antwortete er und legte seinen Kopf in sanfter Absicht in ihre Hand. Sie konnte seine Narbe, welche sich über die Wange zog, spüren. Sie war nicht hässlich aber sichtbar; erspürbar unter den Fingern, wenn sie über den verheilten Schnitt fuhr. Der Krieg war in seiner Haut geschrieben. Auf seinen Händen, auf seinem Oberarm und seinen Beinen, waren Narben, viele kleinere und größere Wunden der Kämpfe, die er für andere ausgefochten hatte.
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Verus verfiel in sein soldatisches Muster, welches ihm stets Sicherheit vermittelte. Drill half gewisse Probleme bei Seite zu schieben. "Jawohl," antwortete er, so als ob er mit einem Kommandeur sprach, der ihn gerade zum Bericht einbestellt hatte. Insofern geriet auch seine Mimik etwas gefühlskalt und auch seine gesamte Körpersprache war reduziert. Antrainierte Muster konnten nicht so einfach abgelegt werden. "Ich freue mich ebenso über diese besondere Gelegenheit, Augusta," erklärte Verus knapp und blickte sie mit seinen dennoch traurigen Augen an. Etwas lag in ihnen, was nicht ganz zum gedrillten Erscheinungsbild passen wollte. Verus, die Kampfbestie, zeigte tatsächlich Menschlichkeit aber auch durch seine Haltung jene kämpferische Natur, die ihn stets begleitete. In seinen Augen lag Mensch und in seinem Körper Soldat. "Die Reise war entsprechend der Witterungslage ausreichend bequem," war die sachliche Antwort, die eine genaue Bestimmung seiner eigenen Emotion nicht zuließ. Soldaten interessierten sich nur peripher für sensible Befindlichkeiten. "Ihr geht es soweit gut. Dennoch muss ich anmerken, dass sich unser Kontakt durch die dienstlichen Umstände erheblich beschränkte. Ein Praesidio ist doch zu weit entfernt für regelmäßigen Kontakt. Im Standlager in Mogontiacum überschlugen sich die Ereignisse, dass nur postalische Kommunikation bestand. Ihre Lage ist den Umständen entsprechend als gut zu bezeichnen, Augusta. Obwohl uns alle der Verlust unseres Stammsitzes trifft. Ein Schicksal, welches unerwartet kam," geriet seine Aussage doch in einen militärischen Berichtston, da er wirklich sehr unsicher war und nun der geübte Drill vollständig übernahm. "Der Krieg hat mich geformt, meine Kaiserin. Germanien war eine gute Schule," teilte er mit und ließ wichtige eigene Emotionen außer vor, da er als Soldat gelernt hatte, diese zurückzuhalten, um Berichte nicht mit subjektiven Elementen zu füllen, die außerhalb des zu erwartenden Horizont des Berichtes lagen. "Ich nehme an, dass du über meine persönliche Lage informiert bist," fragte er vorsichtig, da er nicht beabsichtigte, ihr einen vollständigen Status über den Kriegsschauplatz seines Lebens zu geben. Es wäre auch unpassend und zu belastend für den Offizier, der sich ganz und gar als das zeigte, was er eben nun mal war: ein Soldat, der Schlachten schlug und sein Schwert führte. "Danke, Augusta. Ich werde dich und den Kaiser nicht enttäuschen, denn ich kenne meine Pflichten," war das gelobte Versprechen, welches keine Lüge war. Verus kannte in der Tat seine Pflichten und war auch leider an diese verloren gegangen. "Als Soldat habe ich gelernt, wahre Dinge von unwahren Dingen zu unterscheiden. Das Schlachtfeld ist in seiner Beschaffenheit sehr eindringlich," leistete er sich nun doch einen Kommentar aber ließ diesen nicht in blutige Details abdriften. Er wollte nur klarstellen, dass er kampferfahren war und sicherlich mehr über den Krieg wusste, als manche Senatoren oder Stadtsoldaten. Ihm war sehr wohl bewusst, dass von ihm eine gewisse Sachkenntnis im blutigen Werke erwartet wurde und er war auch bereit diese zu liefern, wenn gefragt.
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Verus, in der bedauerlichen Lage, keinen unverdünnten Wein mehr zu erhalten, blickte zum Gesandten der Kaiserin, den er missmutig bestaunte. Dieser Tag war eine Belastung. Kurzerhand stellte er seinen Becher auf das Tablett eines Getränkesklavens zurück. "Ja, ich bin es," antwortete er und nickte dem Boten zu. Er war bereit zu folgen. Denn es war seine Pflicht und er hatte sich noch nie einer Pflicht entzogen; zu seinem übrigen Leidwesen. Mit festen Schritten tauchte er vor der Kaiserin auf, blickte aufrecht in ihre Richtung nahm eine militärische Haltung ein. "Ave," grüßte er die höhergestellte Kaiserin mit diesem Gruß. Unsicher über seine Position, seiner Selbstachtung und auch des Interesses der Kaiserin an ihm, verweilte er mutig aber wartend vor der Augusta.
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Zitat
Original von Titus Tiberius Merula
Mit neutralem Blick, um sich nichts anmerken zu lassen und Verus zu signalisieren, dass er nicht wirklich erfreut war, ging er auf seinen Bruder zu. Bevor er mit seiner Zurechtweisung, welche ihm als Jüngerer eigentlich keineswegs Zustand, aber notwendig war, schaute er sich kurz um, ob sie recht unbeobachtet waren, obwohl sich das in einem Atrium voller Menschen natürlich schwierig gestaltete "Aulus, lieber Bruder. Ich muss dich fragen, bist du denn noch ganz bei Sinnen?" bevor Verus antworten konnte, übernahm das der Jüngere für ihn. "Sage nichts, natürlich bist du es nicht. Abgesehen von deiner Aufmachung zeugt auch dein Verhalten von großer Respektlosigkeit deiner Familie und der Aurelier gegenüber. Wir sind hier zu Gast, Aulus! So willst du es Senator Aurelius danken? Auch unsere Schwester musste sich zurückziehen, als sie dich in deiner... Montur gesehen hatte. Sei froh, dass unsere Tante dich noch nicht gesehen hat!" Mit dieser war wirklich nicht zu spaßen. Verscherzen sollte man es sich mit dieser Matriarchin auf jeden Fall nicht, wenn man zum einen in Ruhe sein römisches Leben genießen wollte und zum anderen nicht ständig ihr Gesülze in den Ohren haben wollte. "Aulus..." versuchte Merula es dann etwas versöhnlicher. "Ich kann mir selbst nach deinen Erzählungen wohl kaum ausmalen, was du furchtbares und grausames jenseits des Limes erlebt haben magst und erleiden musstest, ich maße mir es auch gar nicht in meiner meinem bisherigen Leben geschuldeten Naivität hinsichtlich des Kriegsdienstes an, es zu versuchen. Aber du musst verstehen, dass wir hier nicht mehr in Germania sind, sondern jetzt in Rom, der urbs aeterna, leben. Die Gepflogenheiten sind, und das vor allem in diesen Kreisen, anders. Wenn du das letzte bisschen an Stellung und Wert, welche unsere Familie noch hat, ablegen oder boykottieren willst, tue das, aber nicht hier, nicht in diesem Rahmen, nicht bei dieser Feierlichkeit mit hochrangigen Persönlichkeiten. Denke bitte auch an unsere Schwester, die ihren Anschluss in dieser Gesellschaft finden will, und auch an deinen Bruder, der Ambitionen hat, die tiberianische Fahne in der Politik hochzuhalten, unter der wir nicht nur einmal Rückschläge erleiden mussten." Er machte eine kurze Pause. "Reiss dich zusammen!" Das musste er einfach noch los werden, auch wenn sein Tonfall vorher versöhnlicher war. Im Gespräch mit seinem Bruder hatte er deutlich direkter gesprochen und weniger verblümt und hochgestochen, wie er es sonst standesgemäß tat. Wenn sein Bruder weiterhin hier den Miesepeter spielte, würde Merula ihn wohl zumindest an diesem Abend gänzlich fallen lassen.
[...]
Verus war erstaunt über seinen Bruder, dass er immer nich verstand, was sein Angehöriger war. Er verstand immer noch nicht, warum Verus so voller Verachtung und zynischen Gedanken war. Merula wollte nicht verstehen, dass es nicht nur um Erfahrungen und die Gewalteindrücke ging, sondern auch um das schlichte vergessen werden. "Nicht einen Brief, Titus. Nicht einen einen einzigen Brief, außer deinem Hilfegesuch, hast du an mich gerichtet. Nicht ein einziger Brief hat mich erreicht," begann Verus auf die Ausführungen seines Bruders, um endlich seine Seelenkrise offen zu legen. Der Offizier sprach ruhig und betont, so dass er nicht zornig erschien aber seine Augen zeigten etwas anderes. Kalte und tote Verachtung. Nein, er hasste seinen Bruder nicht aber er verachtete seine Gleichgültigkeit gegenüber der Vergangenheit. Es ging dieser Person nur um seinen Stand, seine Ehre und das Ansehen. Das verletzte Verus tief. Denn diese Werte hatten für einen blutigen Krieger, der er nun mal war, keinerlei Bedeutung, da diese Werte rein fiktiv waren und jederzeit vergänglich.
Gesellschaftliche Lügen, die man tradierte, so sah es Verus. "Meiner Familie war ich egal. Stets über die Jahre vergessen. Selbst meinen Kommandeuren war ich egal. Sieben Jahre, Titus. Ich habe sieben Jahre alleine mit einer Anzahl von Männern in einer Hölle verbracht. Abgeschnitten von allem, mussten wir überleben. Angriffe zurückweisen, stets kampfbereit, um unser Leben fürchten und sie waren mir mehr Familie, als ihr es je wart. Ihr alle seht nur euer gesellschaftliches Interesse aber nicht euren Bruder," antwortete Verus nun deutlicher und sein Ton wurde schärfer, aber nicht überschlagend. Seine Augen fixierten Merula, während der Becher in seiner Hand fest durch die zernarbten Finger gepresst wurde. "Du siehst nicht, was in mir schlägt. Du siehst nichts, was wirklich von Bedeutung ist. Familie ist für dich ein Name, eine Verantwortung sogar aber dort ist keine Liebe, keine Brüderlichkeit, denn du trägst nur etwas vor dir her, was leer ist. Eine berechnete Hoffnung auf ein politisches Amt, um deinen eigenen Stolz zu füttern," presste er einen Vorwurf hervor, der nicht wahr sein musste aber sich Verus wahr anfühlte.
"Sie sind tot, Titus. Fast meine gesamte Centurie ist gefallen. Nur wenige kehrten zurück und über die Jahre habe ich gelernt, loszulassen aber der Zorn blieb. Diese beißende Frage nach dem Warum? Warum, Titus?" Die Augenlider zitterten, als er an die Namen seiner Kameraden dachte, die unter seinem Kommando gefallen waren. "Ich habe gemordet, brutal niedergemetzelt, und auch gesehen, wie andere niedergemacht wurden und ich soll nun ganz ruhig agieren und zuschauen, wie diese selbstgerechte Gesellschaft ihre Macht und ihren Status feiert, den andere erworben haben. Ich habe ihn für dich erworben. Ich habe Blut an meinen Händen, welches ich nie abwaschen kann. Du willst es nicht begreifen, sondern beschönigst nur Worte, um diesen Stolz zu füttern. Ausflüchte, immer wieder Ausflüchte aus der kalten Realität," ergänzte Verus und deutete zur Kaiserin, die bereits aufgetreten war. "Geh ruhig! Geh und lass den dummen, sehr dummen, Bruder hier stehen und gewöhne es dir an, in eine andere Richtung zu blicken. Meine Seite ist blutig, kalt und brutal. Dort sind die schönen Dinge, die Kleider und Aufmachungen." Er ließ den Arm sinken, trank einen kräftigen Schluck von dem zu stark verdünnten Wein und wischte sich mit der Hand über den Mund. "Ich bin mir meiner Pflicht bewusst und trete hier als das auf, was ich bin. Ein römischer Soldat. Ich trage die einfache Toga eines Bürgers. Ich bin ein Bürger Roms und habe dies sogar mit blutiger Tat bewiesen. Ich werde mich nicht verkleiden," sagte er und gab den leeren Becher an einen Sklaven weiter, der vorbeitrat. Dann griff er an seine Hand und zog den schweren Siegelring, der ihm einst überlassen war, von seiner Hand und drückte diesen Merula in die Hand. Mit beiden Händen umschloss er die Hand und drückte so fest, dass es schmerzen musste.
"Nimm' das Gold, das Ansehen und all deine Wünsche hier in deinem Rom. Ich brauche sie nicht mehr," spottete Verus und überließ den wertvollen Familienschatz damit Merula, der nun den seltenen Ring in den Händen hielt, der schon für alle Zeit durch die älteren Männer der Familie gegangen war. Es gab nur wenige dieses Stückes und die meisten waren verloren gegangen. Doch dieser Ring hatte die Zeiten überdauert und viele Tiberii hatten ihn getragen. Verus hatte ihn in den großen Schlachten seines Lebens getragen. Tiefe Kerben im Gold zeigten dies deutlich an. War dort auch etwas Blut eingetrocknet in den Rillen und Kerben? Das Wappenblatt war verbogen aber noch gut erkenntlich. Verus gab seinen letzten Schmuck auf und wollte sich entfernen, um einen Sklaven mit mehr Wein zu finden.
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Verus ballte seine beiden Hände zu Fäusten, um diesen Zorn zu bekämpfen, der ungelenkt und ungezielt aufkeimte, und auf die Frage seiner Tante einfach nur erwidern wollte, dass es ihm nicht nur ergangen war. Es war nichts Heroisches in seinem Leben. Keine Eroberungen, denn jeder seiner Siege war verbunden mit Tod und Zerstörung. Selbst Luna, wohl eine Eroberung, war mit Pein und Leid errungen. Noch immer trug sie die Narben seiner Pflicht. "Ich habe überlebt," war die verbissene und kalte Antwort. Es war dieser sachliche Fakt, den er sich immer wieder vorhielt. Er hatte überlebt. Andere waren gefallen. Sein Blick wurde leer, starrend und fiel hinab auf die Wand. Bedeutungslosigkeit erfüllte. Der Mann war unfähig zu einer sozialen Reaktion. Kein Wahnsinn, kein Irrsinn, sondern schlicht Überforderung zeichnete sich ab, da sein Gesicht keine Regung mehr zeigte. Es erfror zu einer Maske aus Fleisch. Tod stand in seinem Gesicht. Die geballten Fäuste gaben ihm Halt, denn der Zorn hielt ihn im Leben. Er machte mächtig und gleichsam verwundbar. Für Verus war diese ganze Situation befremdlich, entrückt und wenn nicht sogar verrückt, dass Maximilla auflachte und sich freudig zeigte. Es gab keine Freude. Nur kalte Sachlichkeit. Leben oder Sterben. Du oder ich. Verus, der gerne einen Familiensinn hätte, diesen aber längst verloren hatte, sah sich um und versuchte sich an einer sozialen Antwort, die grandios scheitern würde: "Ich habe das getan, was verlangt wurde. Ich habe es gut getan." Es wurde deutlich, dass er nicht darüber sprechen konnte aber es bildlich vor sich hatte. Es zeriss seine Worte in diese gestammelten Sätze. Niemand würde ihn verstehen, da für diese Gesellschaft andere Maßstäbe und Erwartungshorizonte galten. Nur Luna sah ihn mit seinen wahren Verletzungen. Die Geliebte fühlte das Herz, welches nach Leben gierte; leben musste aber nicht mehr konnte, da es von einer Maschine umschlossen war, die gedrillt und abgerichtet, nur eines gut konnte. Kräftig sog er Luft durch seine Nase ein, um diese kalte Verachtung zu verlieren. Der Zorn verwandelte sich und doch blieb diese Leere. Er war nicht das, was er sein sollte und darstellen musste. Luna fehlte ihm, obwohl sie unweit war. Verus brauchte sie und musste gegen diesen Verlust ankämpfen. "Ich bin ein Soldat Roms. Der Rest ist unwichtig," tat er weitere Fragen ab, um sich nicht weiter verwundbar zu machen. Zu seinem Glück tauchte Aurelius Lupus auf. Der freundliche Hausherr, der seiner Familie Schutz bot und in dieser misslichen Lage Abhilfe schuf. "Salve, Senator," grüßte Verus mit dampfgetriebener Stimme. Nicht laut aber auch nicht leise. Ein militärischer Gruß, der versuchte zivil zu wirken. "Ich danke dir, dass du uns alle so freundlich aufnahmst und ich kann dir vorerst keine Gegenleistung als Dank anbieten, außer einer zukünftigen Verbindung unserer Häuser und unsere dienstbare Treue dir gegenüber," erklärte er sachlich. Für den Offizier war auch diese Handhabung einer sozialen Interaktion ein sachlicher Vorgang. Verus war zynisch. Wenn nicht sogar desillusioniert und verbittert gegenüber der sogenannten Gesellschaft, die ihn und seine Männer schlicht für Jahre vergessen hatte. Nun war ein Großteil dieser Legionäre tot. Dieser Zorn konnte nicht einfach verheilen.
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Verus grummelte lautlos. Der nun mehr stark verdünnte Wein, den Luna ihm gegeben hatte, schmeckte weniger stark und zog damit auch weniger Wirkung nach sich. Eine Schande, dass er sich nicht weiter in den soldatischen Ausgang "Suff" flüchten konnte. Er blickte sich um. Mit einem bitteren Schmunzeln nahm er die Fluchtreaktion seiner Schwester wahr. Wie zu erwarten war sie Standesdünkeln durchdrungen und wollte mehr Anschein als wirkliches Sein. Ja, die Tiberier waren verarmt; nicht wirklich im Standard eines Handwerkers aber sicherlich nicht mehr derartig wohlhabend, wie anderen Anwesenden. Man konnte sich gerade mal einen standesbewussten Lebensstil leisten, mehr aber auch nicht. Verus wollte römische Sparsamkeit zeigen und tat dies auch bewusst. Es war eine Entscheidung, sich als Soldat in zivil zu präsentieren. Geübte Augen würden die Stiefel eines Offiziers erkennen, die er zur Toga trug. In gewisser Hinsicht war Verus seines eigenen Standes bewusst. Er war Soldat, nicht mehr und nicht weniger. Patrizische Sehnsüchte schickten sich nicht im blutigen Schlamm der Schlachtfelder. Blut schmeckte immer gleich und es wusch sich schlecht von den Händen. Duftöle und edle Salben hingegen schon. Als die Kaiserin auftauchte, zeigte Verus bewusst geteilte Gleichgültigkeit und trank einen großen Schluck aus seinem Becher. Er würde reagieren, sofern er angesprochen wurde aber von sich aus, sah er sein Heil im Schweigen und der bloßen Wache. Ja, er sah dies als Pflichtwache und verweilte einsam.
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Nahm dieser Albtraum, dieser wahrhafte Nachtmahr, kein Ende mehr? Verus fühlte sich verrückt, entrückt und zur Schau gestellt in einem Theater, welches er selbst nicht verstand. Diese Welt bot ihm keinerlei Überraschung mehr aber genug Enttäuschungen. Seine Erwartungshaltung war zerschmettert, Misstrauen und Ungunst seine treuen Begleiter. Dennoch musste er weiter gehen. Es gab kein Zurück, keinen neuen Anfang ohne etwas Mut. Mit letzter Kraft hatte er sich einen neuen Mut geschmiedet, der ihm half, sich aufzuraffen und mit Luna (mitsamt Fenrir, jenem weißen Wolf) zu den Ruinen einer Familiengeschichte zu gehen. Nicht nur, dass er ihr den Weg zeigen musste, sondern war es auch an der Zeit, den Wolf sicher unterzubringen, um das Hausrecht der Aurelier nicht auszureizen. Ferner musste er Luna einweisen, die den Wiederaufbau anleiten sollte. Luna sollte seine Mittelsfrau werden, welche für ihn sprach und die Botengänge erledigte, die mit dem Wiederaufbau einhergingen. Verus hatte konkrete Pläne. Weg vom einstigen Prunk, hin zu einem schmucklosen Funktionsbau, der sogar mehrere Wohnebenen vorsah, die man zur Vermietung bereitstellen konnte. Geld war ein wichtiger Faktor und Verus war als Soldat wenig Luxus gewöhnt. Er wollte mit soldatischer Tugend und Sparsamkeit, die Tiberier zurück in die Gunst des Schicksals führen. Römische Achtsamkeit zeigte sich auch in gelebter Sparsamkeit. Verschwendungssucht und Prunk waren Verus ein Graus. Das Militär hatte den Offizier blind für schöne Künste, außerhalb des Theaters, der Dichtkunst und Philosophie, gemacht. Verus mochte Zweckbauten, die seine Augen nicht schonten, sondern klare Linien hatten. Verus winkte seine geliebte Luna heran, legte ihr seinen Arm um die Schulter, um ihr mit dem anderen Arm, die verkohlten Wände der Villa zu zeigen. "Hier," sagte er mit ernster Stimme und war doch erfasst von den Trümmern. Es spiegelte in seinen Augen bewusste Erfahrungen. Diese Asche zeigte dem Krieger erneut einen Teil des Krieges. Es ließ ihn nicht mehr los, so dass seine Augenlider dezent zitterten und er unruhig wurde. Der Mann rückte sich noch näher an Luna heran, um in ihrer Nähe Schutz zu finden. Ihn kümmerte die Umgebung, fern der Trümmer, nicht. Er zeigte seiner Sklavin etwas, was er auch in sich selbst sah: Ruinen. Verus selbst holte tief Luft und wartete auf ihre Reaktion.
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Auch Verus musste seine Ehrenpflichten erfüllen. Auch wenn er sich selbst geschworen hatte, nie wieder in den eitlen Zirkus zu flüchten. Für ihn war diese Welt unsicher, unstet und nicht im Ansatz seinen tiefen Werten entsprechend, die er unter Soldaten erlernt hatte. Die Wahrheit war, dass er unpassend und unwirklich in diesen Festen war. Der Krieg hatte Verus verändert. Erheblich verändert, so dass das patrizische Ideal nicht mehr auf ihn zutraf. Auch hier war er nicht mehr als das, was er schon in Germanien gewesen war. Ein Soldat. Mit allen Vorteilen und den vielen Nachteilen. Für ihn war diese Stadt mit falschen Dingen angefüllt, die ihn nicht erfüllten oder annähernd erträglich war. Es war die Pflicht, die ihn auf diesem Fest hielt. Die einfache Bürgertoga, nicht besonders geschmückt und noch nicht einmal die besonderen Sandalen eines Patriziers trug er, sondern die caligae. Er wollte auf die soldatischen Stehwerte nicht verzichten, die er besser kannte als zu weiches Leder aristokratischer Schuhtracht. Nur sein wertvoller Siegelring wieß ihn als echten Tiberius aus, da er diesen nach Sitte nicht ablegen konnte. Und auch brauchte. Immerhin hatte er für diesen Namen geblutet, gemordet und die Hölle durchlebt. Verus hielt sich zurück, suchte keinen großen Kontakt zu den Gästen, sondern hielt sich in der Nähe eines Schanksklaven, der ihm stets seinen Becher auf ein Handzeichen auffüllte. Wein sollte ihm helfen. Er half immer. Seine Augen beobachteten Luna, wie sie durch die Gäste tänzelte, um ihren gefühlten Pflichten nachzukommen. Es war die kalte und nackte Wahrheit, dass sie in seinen Augen eine zu gute Sklavin wurde. Irgendetwas hatten sie hier in Rom verloren. Verus hatte dies befürchtet. Sollte er sie ansprechen? Es war nicht richtig, wie sie sich trennten. Er wollte sie küssen, umarmen und spüren. Diese Trennung schmerzte mehr als dieser eitle Narrentanz der Oberschicht, der er längst entwachsen war. Der Offizier wartete schlicht bis Luna ihm nahe war und sprach sie dann an: "Luna." Ein sanftes Wort, welches er mit Liebe aussprach. Verus streckte seine Hand aus, um ihr zu signalisieren, dass er wartete. Doch ihm war klar, dass Luna weiterziehen musste. Ihre Arbeit war noch nicht erledigt.