Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Zitat

    Original von Helvetiana Morrigan
    Aufgrund einer arbeitstechnischen Umstellung bin ich gerade wie Flasche leer. An alle die irgendwo warten bitte etwas Geduld. Spätestens zum Wochenende bin ich wieder voll da.


    Schließe mich ebenfalls als Flasche an und habe derzeit wirklich verpennt. Postings kommen ab Morgen wieder.

    Nach einem vorsichtig-stürmischen Ritt war Verus mit Luna unter Führung des braven Soldaten Octavius Frugi an der Taberna Medica angelangt. Er hatte sie mühsam vor sich auf dem einfachen Sattel gehalten, der mehr Tuch und Kissen, denn Lederwerk war und hatte sie in fester Absicht gehalten. Das Pferd stoppte abrupt, Verus stieg, seine Idun stützend, ab und zog sie dann vorsichtig vom tierischen Begleiter. Sie auf beiden Armen tragend, näherte er sich der Eingangstür des Geschäftsraumes der Taberna Medica, welche wohl in die Außenwand des Domus eingelassen war. Mit unruhiger Faust donnerte er gegen die Tür, bereit seine Geliebte in fähige Hände zu übergeben. Verus standen die Sorgen und Ängste im Gesicht, während seine ganze Kraft in die stützende sowie haltende Umarmung floss.

    Nun wurde die Sache schwierig. Verus wollte nicht auf seine Idun verzichten und sie sogar vor anderen Lagerinsassen schützen. Frauen konnten ein Problem sein, dennoch verkannte Licinus, das im Lager auch verschiedene Sklaven, darunter auch Sklavinnen, arbeiteten. Insbesondere die Wäsche oder Hilfsdienste, außerhalb des Truppendienstes, lagen oft bei Sklaven. Verus gedachte in dieser Sekunde, seine Geliebte im Wäschezug unterzubringen, damit er sie bei Gelegenheit besuchen konnte. Immerhin wäre sie dort sicher untergebracht und unter vielen Frauen, so dass die Gefahr von gewissen Problemen ausgeschlossen war. "Wir können sie den Wäscherinnen zuteilen," meinte Verus schließlich knapp und nickte dem ungläubigen Präfekten zu. "Sie könnte somit in der Sklavenunterkunft leben," erklärte er noch und blickte dann wieder zu Idun. Er hoffte inständig, dass der Präfekt darauf eingehen würde. Immerhin würde seine Idun dann auch Tätigkeiten für die Legio erfüllen.

    Sollte es so enden? Wirklich so enden? Verus stürzte mit ihr auf den Boden, im verzweifelten Versuch sie aufzufangen aber scheiterte. Sie brach zusammen. Ihre Tränen, nun klar und strahlend, waren Geschosse der unsichtbaren Macht und waren Peinigung vor sein Herz, welches ihr alle Liebe gab, die er noch besaß. Sie zitterte und krampfte. Verus kannte diesen Zustand, denn er hatte ihn selbst erlebt und hatte viele Menschen in diesem Zustand gesehen. Er war lange genug Soldat, um zu wissen, was nun wichtig war und doch zögerte er, weil sein Herz schwach wurde. Es ließ ihn ebenso einbrechen, als er neben ihr hockte und ihren Kopf stützte. Nein, er konnte sie nicht verlassen und doch brauchte er Hilfe. Hilfe für sie. Verus überlegte schnell und brüllte lautstark: "Hilfe!" Aus ganzer Brust und Kehle rief er, dass es jemand hören sollte, denn er wollte seine Geliebte nun nicht alleine lassen. Nicht in diesem Zustand. Ja, schließlich perlte der eine Name von ihren Lippen. Die Heilerin sollte kommen und Verus mit seiner Offiziersmacht würde nach ihr schicken lassen. Mit all der Macht Roms würde er diese Heilerin hier an diesen Ort holen. Doch dann bemerkte er, dass dies bereits zu spät sein konnte und schob beide Arme unter den Körper der zitternden Frau. Er würde sie selbst dorthin bringen. Mühsam unter Kraftanstrengung hob er seine Idun an und trug die Leidende zum Ausgang seines kleinen Apartments am Ende des Centurien-Gebäudes. Soldaten rannten herbei und Verus schrie nur: "Pferd." Es war keine Zeit für schöne Worte und oder ausformulierte Befehle. Es ging um ein Menschenleben. Verus, in ganzer Hingabe, trug seine Liebe auf beiden Armen, immer weiter; obwohl er selbst noch geschwächt war und drohte bei jedem Schritt erneut einzubrechen. Sein Bein wollte gelegentlich nachgeben und doch raffte er sich immer wieder auf. Verus musste hier gewinnen. Hier würde er nicht verlieren. Dieses mal nicht.

    Der einsame Held wollte fliehen, entkommen und sich verstecken, über das, was er nun war. Helden standen allein, mussten mit sich auskommen und ertragen, dass sie andere verletzt hatten. Stille Stimmen schallten in seinem Schädel, wollte ihm vergewissern, wie willkürlich und kurz Leben war. Peinvoll kreisten seine Emotionen, während er seine Idun anblickte. Es schmerzte ihn, sie zu sehen und sich daran zu erinnern, was er getan hatte. Alles, was jetzt war, schien bedeutungslos und verloren, doch war dort etwas, was ihm Halt gab: Hoffnung. Verus hoffte, dass diese Gedanken vergehen würden. Diese stillen Stimmen irgendwann schweigen würden, damit er wieder nur Mensch sein konnte. Seine Augen verweilten fest bei ihr, verließen sie nicht mehr und konnten es auch nicht mehr. Jetzt musste Verus sprechen, da man ihm eine Frage stellte, doch dabei konnte er nicht sprechen. Denn, egal was er tat, schien er stets zu verlieren und immer wieder machte er sich selbst zum Außenseiter. Immer wieder, trotz seiner Hingabe und seiner seelischen Vorbereitung, konnte er niemals gewinnen. Es war dieser Sturm, der ihn trieb und ein Zuhause unmöglich machte. Verus hatte alles riskiert; alles in den Sturm geworfen, um seinen Sturz zu bremsen. Wie konnte er noch leben, wenn nicht jetzt? Er fühlte Liebe; eine Sehnsucht nach dieser Frau, die ihn anblickte und mit aller Macht an seinem Herzen riss, welches so sehr eine Heimat brauchte. Wie kalte Messer durchstieß die Zeit seine Lunge, so dass seine Atmung einbrach und die Antwort nicht gelang, während sich seine Lippen öffneten. Verus hatte Angst. Eine tiefsitzende Angst vor seinen Fehlern, vor seiner Vergangenheit und vor der Schuld, die auf ihm lag. Alles hatte seinen Preis. Alles kehrte zurück und würde sich rächen; in seinen Gedanken lauerte die Bestie, die begierig mit den Krallen kauerte. Oft war er an diesem Ort gewesen, dort zusammengebrochen, um sich erneut mit Gewalt zusammenzusetzen. Immer wieder hatte er sich selbst zusammengesetzt, um erneut zu kämpfen. Immer wieder Kämpfen, um nicht zu verlieren und doch verlor in jedem Kampf etwas von sich selbst. Aus dieser Welt wollte er flüchten und ... doch hatte er in dieser Welt seine Liebe gefunden. Gemeinsam stürzten die beiden Menschen hinab in diesen Traum. Doch der Mann zögerte. Die Schatten lebten, wie die Abermilliarden Sterne, verfluchten sie seine Zeit. Selbst die Sterne brachen vor der Schuld und das Wunder war alles, was ihm blieb. Verus fürchtete sich; nicht vor dem Kampf, sondern vor dem Verlust. Nicht seines Lebens, sondern seiner Zeit mit Idun. Alles, was ihm blieb, war sie. In seinem Blut kochte die kalte Wut, so dass er nun seine Fäuste gegen die Wand schlagen wollte, bis seine Knochen schmerzten. Schmerz war Lehre seines Lebens. Stets zurückgewiesen, verdammt und unter Pflicht gestellt, war er nun am Leben und es schmerzte. Wie konnte er noch leben, wenn er nie gelebt hatte? Liebe ließ ihn Schmerz fühlen, den er nie gekannt hatte und es riss die alte Welt ein. Verus gab auf und fand die Worte: "Sie wird in meiner Vorkammer leben. In meinem Arbeitszimmer." Dort sollte sie sein. Bei ihm, wenn er in der Nacht weinte und diese einsame Kälte kam. Dort sollte sie sein, damit er sie niemals wieder verlor. Er wollte sie schützen, lieben und bewahren, denn alles, was er noch war, lag in ihren Händen. Verus riskierte alles für sie. Alles für diesen Moment und den Augenblick.

    Liebe, eine fremde Macht, die wenige fanden und die sie fanden, wurden von ihr eingenommen. Verus fand sie und verlor sich darin, denn in dieser Sekunde gab es nichts, was man ihm entreißen konnten, denn ihm gehörte bereits die Ewigkeit. Verus würde sein Licht nicht mehr verlassen, nicht heute und auch nicht in Zukunft. Verus verblieb still aber wachsam in ihrer Nähe. Als sie sich vorbeugte, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu schenken, lächelte er das erste mal seit Langem wieder. Ein Lächeln voller Leben und Bedeutsamkeit, dass Verus gar nicht mehr als Bestie erschien, sondern als unschuldiger Geist. Ihre Worte verwundeten das ihm folgende Monster, so dass es jaulend aufschrie und sich weit zurückzog. Hier war er ganz Mensch, nicht getrieben und verloren, sondern gehalten und gewärmt. Idun liebte ihn, wie auch er sie liebte. "Ich liebe dich," antwortete Verus fast simultan mit ihren Worten. Erleichterung durchflutete seinen noch gezeichneten Körper, der sich müde und erschöpft hoffnungsvoll in wachsamer Pose hielt. Er würde nicht weichen. Dieses mal kämpfte er nicht gegen Schrecken der Lebenden, sondern gegen die Schrecken der anderen Welt; der unwissenden Welt. Eine Welt der Ängste und Sorgen. Verus, ein getreuer Soldat Roms, würde nicht weichen, bis Idun genügsam Sicherheit gefunden hatte. Keine Sicherheit vor fremder Hand, sondern ein Ausschluss von finsterer Einsamkeit. Jener Macht, die fürchterlicher Natur, alles an einem Menschen verderben konnte. Verus ließ dies nicht mehr zu; nicht heute. Nicht, nachdem die Bestie ihm sein Fluch geworden war. Nicht, nachdem er all diesen Konflikt erduldet hatte. Der Römer entschied sich für etwas einzustehen, was größer war als er selbst: Liebe. Auch in seinen Augen fand sie nun Wahrheit. Aufrichtigkeit und etwas viel Wertvolleres: Hoffnung. Sie konnte sich sicher sein, dass er wachen würde und sie nicht mehr verließ. Auch wenn sie ein Theater leben mussten, so war es doch ihr gemeinsames Theater. Ihre Bühne war groß und hinter der Fassade, wo sie ihre Kostüme wechselten, würden sie sich frei lieben können. Diese Welt würde ihre Zauberkraft noch erleben, bewundern und verdammen. Während die Götter still und neidvoll schwiegen, war hier etwas von unendlicher Stärke aktiv. Diese Zauberei machte nicht Schuld ungeschehen aber ließ sie ertragbar werden. - Und so wachte der junge Offizier am Krankenbett seiner Geliebten mit aller Wunderkraft, die ihm seine liebevolle Seele jetzt noch schenkte.

    Eine Auszeichnung? Es tat weh. Sie war, wie Hohn, denn im Grunde hatte er versagt und doch am Ende nur seine Pflicht getan. Er war römischer Soldat und leistete seinen Dienst für die Heimat. Es war der Eid, der ihn band und dieser Eid offenbarte ihm nun eine Auszeichnung? Verus war verwirrt und nickte still. Eine Torques. Eine hohe Auszeichnung, die vor den Männern als Pfand eines Kriegshelden gesehen werden würde. Verus gehörte nunmit zu den erfahrenen und kampferprobten Eliten, auch wenn er dies selbst eigentlich nicht wollte. Doch gab es kein Zurück mehr. Die Stimme des Präfekten war während der letzten Sätze warm, gar stolz oder väterlich, gewesen. Eine gemeine Ehre, die fast böse, genau die seelische Wunde traf, die Verus nicht verheilen konnte. Der Tiberius blickte nun doch zielgerichtet auf die Torques, deren Anklage er noch ausgewichen war. Dennoch schien Verus nicht große Freude auszustrahlen. Er nahm es hin. Viel mehr schien die letzten Worte des Präfekten passender für die geschundene Seele des Soldaten. "Jawohl," kommentierte der Centurio diese Worte aufmerksam und etwas erhobener. Schließlich schloss er noch mit einem kleinlauten Wort ab: "Danke." Somit blickte er wieder zu seiner Luna.

    Es verschaffte ihm ein Gefühl. Ein neues Gefühl. Die Einsamkeit, die eigene Verachtung, verschwand für mehrere Atemzüge und jeder Herzschlag verband sich mit ihrem. Es schien alles möglich, während die Macht ihrer Liebe, die Grausamkeit vertrieb. Jene Leere verschwand mit dem Kuss. Doch irgendwann würde Verus für sein Leben bezahlen müssen. Ihre Liebe ließ keine Leere zurück und doch war ohne sie dort ein Nichts. Es war die Lehre des Momentes, dass sie für immer einsam sein würden, wenn der andere fehlte. Doch, sofern sie zusammen waren, war dort Ewigkeit. Doch ohne einander würden beide Stück für Stück verschwinden. Es war das Gebot ihrer Wundermacht. Tatsächlich fand er kurz Vergebung. Beide verfielen diesem Gebot. Ein Vogel flog über die beiden, gab ein fernes Zeichen und auch Verus bemerkte dies. Zusammen mit seiner Idun blickte er hinauf, lauschte ihrem Flüstern und wartete darauf, dass sie ihm wieder in die Augen schauen würde. Ihre Hand auf seiner Brust konnte ein heftiges Pochen spüren. Denn das Herz lebte stark und schlug mit aller Kraft für eine Zukunft, die am Ende auch enden würde. All die Kraft war wertvoll, da sie allein ihrer Zweisamkeit galt und am Ende auch enden müsste. In der endlosen Abfolge von Leben, von Zeiten und Erfahrungen, war diese Geste alles, was zählte. Alles, was von Bedeutung war, denn am Ende fand sich Bedeutung nur im Vergehen. Verus und Idun kosteten göttliche Macht, die unantastbar und unverrückbar gegen jeden ankämpfte und doch verlieren musste. Denn es war klar, das selbst am Ende Götter fielen. So fiel auch dieser Moment der unendlichen Macht. Verus wollte sich nicht mehr von ihren Augen lösen, da er darin Wahrheit gefunden hatte. Einen Schimmer jener Hoffnung, die er so sehr brauchte, um leben zu können. Nicht nur zu Überleben. Die römische Welt kehrte erneut ein. Mit grausamer Hand zog sich das Schicksal die beiden heran und zeigte ihnen, dass ihr Traum zu enden hatte. Wieder begann das Theater. Verus musste lernen, dies zu akzeptieren, denn es gab keinen anderen Weg in dieser Welt. Schließlich rüttelte sie an seiner Schulter und machte damit klar, dass das Theater wirklich erneut begonnen hatte. Dennoch war in ihren Augen wieder Lebenskraft, die auch ihm half, dieses Theater erneut zu beginnen. Er liebte sie und hatte sie nicht verloren an jene Dunkelheit, die ihnen beiden zu folgen schien. Es war der Fluch der einsamen Seelen; die Getriebenen einer fernen Hoffnung, die losgelöst von Raum und Zeit träumten. "Ja," sagte Verus und ließ sich von ihr aufhelfen. Den beiden Soldaten deutete er mit einer Handgeste an, dass sie warten sollten. Nun war es wieder an ihm, den harten Offizier zu spielen. Der Kriegsheld kehrte zurück und wollte wieder Soldat sein. Verus fügte sich in diese Maske. Dennoch lag in seinem Gesicht keine soldatische Härte mehr. Seine Augen sprachen eine andere Sprache. Mitgefühl lag in seinem Blick. Er sah nun mehr wieder Leben. Verachtung verfiel zu Staub und Hoffnung brachte Mitgefühl zu sich. "Die Verletzung," erhob Verus die Stimme und erklärte damit seinen Kniefall vor seiner Sklavin und verbarg damit den Kuss und die ungesprochenen Liebesschwüre.

    Er brauchte eine Antwort und Verus gab sie nüchtern: "Wenn mir eine Nachricht von einem Soldaten übermittelt wird, dass um Aufklärung und Beseitigung des Problems mit den germanischen Überfällen gebeten wird, gehe ich davon aus, dass ich als Centurio einen Auftrag habe," erinnerte er sich an das Gespräch mit dem Boten. Doch diese Sachfrage schien dem Römer unerheblich, da der Vorfall nun Folgen gehabt hatte, die größer waren als diese Detailfrage. "Scheinbar gab es einen Fehler in der Kommunikationskette, Präfekt," schloss er die Erklärung ab und beließ es auch dabei. Es war ein Lapsus in der Kommunikation, der zu diesem persönlichen Fiasko geführt hatte. Andererseits hätte er so Idun auch nie kennengelernt. In diesem Sinne wollte er schlicht das Schicksal beschreiben und nicht bewerten.


    Ja, Verus befand sich in einem Dilemma. Nicht nur der Präfekt. Für Verus war seine persönliche Schande, die eigene Verachtung, größer als dieser Moment. Er würde gerne mit Idun flüchten, ein Leben aus Liebe errichten und doch war er an Rom mit all seiner Macht gebunden. Kaum noch Leben weilte in seinen Augen. Keine Träne fand mehr den Weg zu Idun, die sie gerade benötigte. Doch etwas schien die Kälte in seinem Gesicht, wie Eisperlen brechen zu lassen. Wie ein Falke flog etwas aus seiner Seele durch die Zeit und wollte Idun beistehen, die gerade durch ihre Traurigkeit gefesselt wurde. Seine Sinne schwanden und verloren den Punkt sowie Fokus. Verus wollte diese Kälte nicht. Nicht diese Macht. Es war grausam und doch konnte der Römer sein Gefängnis nicht verlassen. Bis zu diesem Wunder, als seine Hand sich ausstreckte, um heimlich nach Iduns Hand zu suchen. Ein kleines Zeichen, dass er nicht aufgab. Er würde nicht aufgeben. Die schreckliche Erinnerung an den Kampf, jene Belastung, die er stets mit sich trug, wollte ihn brechen aber Verus stand tapfer ein. Seine Finger strichen über die Handfläche der Frau, bis seine Hand in die ihre fiel. Nein, er wollte sie nicht verlieren. Nicht mehr. Doch, bevor er den Eispanzer um seine Seele zerschlagen konnte, wurde er noch benötigt. Noch musste er der harte Soldat sein, damit er dieses Gespräch überstand. Der Panzer half ihm, klar und sachlich zu argumentieren. Doch bald würde er ihn zerschlagen und sich für all das entschuldigen, was er geworden war. Bald würde er Idun so lieben, wie sie es verdiente. Doch vorher musste dieser Gang gegangen werden. Jetzt würde er akzeptieren, was er geworden war. Erst durch Akzeptanz und eigene Gnade würde genug Wundermacht bewirkt, um das Eis zu brechen. Doch diese Macht würde erst über die Zeit reifen aber Verus war sich in geheimer Gedankenwelt sicher, dass die Bestie weichen würde. Er liebte Idun. "Ja, sie kam zu mir," sagte Verus, während er still und ohne Mimik zur Seite blickte. Als er keine Regung in ihrem Angesicht fand, drückte seine Hand ihre fester, um sich ihrer zu vergewissern. Nicht erneut sollte sie in den schwarzen Ozean fallen und davon treiben. Seine Augen gewannen durch diesen Anblick wieder Leben. Leben im Mitgefühl. Er fühlte für sie und dieser Glanz legte sich in seinen leeren Blick. Er war kein Held aber Mensch. Ein Mensch, der fühlen konnte und so fühlte er wieder, denn sie erinnerte ihn an das, was er immer noch war: Mensch. Die Schuld klang fest mit seiner Stimme aber auch seine Liebe sprach mit seiner Stimme und schrie inzwischen gegen diese Ungerechtigkeit an. Zerissen wandte er seinen Blick wieder zu Licinus, der von einem Dilemma sprach. Verus verstand und nickte langatmig. Er würde sich nicht verteidigen. Es war die offenkundige Entschuldigung eines Soldaten, der diese nicht aussprach aber danach handelte. Sein Blick wurde wieder härter, durch dieses Gefühl der Erinnerung; dieses Gefühl eines Zurückgelassenen. "Präfekt, du musst diese Sache bewerten. Einerseits gab es Tote im Kampf, andererseits sitzt hier ein Mann, der alles zu opfern bereit war, nur um die Ehre seiner Einheit und seiner selbst zu retten. Ein Mann, der naiv und gutgläubig, auf einen Boten vertraut hatte und seine Einheit in einen blutigen Hinterhalt geführt hat. Ein Mann, der gekämpft hat, bis zum Schluss und beinahe gestorben ist. Ein Mann, der sich dafür schämt, dass er seine Männer nicht besser schützen konnte," sagte Verus distanziert und verkleidete seine Gedanken kaum. "Ein Mann, der seine Pflicht ernst nahm und für Rom selbst seiner Retterin Folter antat. Ein Mann, der Pflicht kennt und Pflicht vor seine persönlichen Wünsche stellt," sprach er weiter, wobei seine Stimme eine brechende Regung zeigte, während seine Augen zu Luna wanderten. Es tat ihm so leid und das Bedauern wuchs, so dass auch sein Blick wieder einsamer wurde. Das Objekt in der Hand des Präfekten nahm Verus nicht wahr und auch die Bewegung zur Schublade hatte er übersehen, denn seine unruhige Seele hatte jeden Fokus verloren. "Ich diene Rom," erklärte der Tiberius dann mit trauriger Stimme, die kaum noch aus seinem Mund treten konnte. Verus vermisste sich selbst in dieser Sekunde. Diese Gefühle wollten nicht mehr richtig sein. Der Kampf hatte ihm alles entrissen, vorallem seine Lebensträume.

    Schande. Es war dieses Gefühl, welches sein Gesicht umgab. Es war grausam und herzlos, denn all die Verachtung waren für den Römer spürbar. Ja, er spürte sie auch gegen sich selbst. Er verachtete sich selbst, für das, was er war. Verus fühlte sich verloren und aufgelöst in dieser Schuld gegenüber seiner Verantwortung und Hingabe. Er war für sie verantwortlich, denn sie war ihm ausgeliefert. Ja, es war ihm klar, was Rom getan hätte, wenn er es nicht getan hätte. Er hatte sämtliche Konjunktive durchdacht und war stets zum Schluss gekommen, dass er seine Liebe nur so retten konnte. Doch machte es die Tat nicht leichter, nicht entschuldbar und erlöste ihn auch nicht von diesem Gewicht. Es war das Gewicht der Gewalt, welches Seelen belastete und niederdrückte. Verus kannte den Lehrsatz, der ihm einst von einem Ausbilder beigebracht wurde: Das Gewicht einer Waffe, wenn sie im Kampf geführt wurde, wird der Soldat nie wieder vergessen. Egal, was er danach tun würde, ob er kochen würde oder nur nähen, würden seine Hände stets das Gewicht der Waffe suchen. Ihr Gewicht würde ihm stets bewusst sein. Denn seine Hände würden nur noch die Waffe als Gewicht akzeptieren. Ja, Verus verstand nun, denn seine Hände fühlten in dieser Sekunde das Gewicht des Kampfes, als er jene Waffe im Kampf geführt hatte. Und es fühlte sich grausam schwer an. Selbst, wenn Idun seine Hand hielt, konnte er nicht vergessen, was er war und was er getan hatte. Er hatte nicht nur Idun grausame Dinge angetan, sondern auch vielen anderen. Er war ein Soldat Roms und hatte für Rom gemordet, geplündert und versklavt. Verus hatte die Abgründe von Menschen gesehen und sie auch in sich selbst gefunden. Er war korrupt gewesen, verseucht von der Macht der eigenen Authorität. Es war eine Epiphanie in diesem Gewicht. Eine Erwägung und tiefe Erkenntnis, dass er eine Kriegsbestie war. Der Krieg hatte ihn zudem gemacht, was er heute war und dafür verachtete er sich. Denn die Bilder und Eindrücke aus diesen Erfahrungen waren oft präsent und besonders in der Nacht. Seit Monaten schlief er nicht mehr wirklich. Er wachte schwitzend und panisch auf. Was er Idun angetan hatte, machte es nur noch schlimmer. Das traurige Herz des Mannes war ertrunken in der kalten Herzlosigkeit der Umwelt. Es gab kein Zurück in die Unschuld, die er einst besessen hatte. Doch wünschte sich Verus eine Erlösung von dieser Schuld, um wieder frei zu sein. Es tat weh, sich bewusst zu sein, dass man töten konnte. Einfach so. Er war ein ausgezeichneter Kämpfer und Soldat. Es schmerzte, dass er Idun brutal verletzt hatte, weil es ein Befehl war. Was konnte er noch tun? Würde er alles tun? Diese Erkenntnis über das eigene Selbst zerstörte mit schleichendem Gift. Alpinas Wunsch würde sich bewahrheiten. Denn Verus spürte diese Schuld tief in seinem Herzen und konnte nicht davor flüchten, wie einst. Wein würde nicht helfen. Nichts konnte ihm helfen, außer Iduns Liebe, die ihm Zuversicht gab. Mit ihr war eine Erlösung möglich. "Wie du wünscht," antwortete der gestandene Offizier kleinlaut, mit abbrechender Stimme. Er verlor erneut, wie er stets gewann, um alles zu verlieren. Verus gewann aber nie das, was er brauchte und ersehnte. Schließlich offenbarte sich Idun und sprach für die arme Seele des Tiberius. Dieser schwieg schlicht und senkte seinen Kopf. Er traute sich nicht, sich zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Schuld war etwas, was er sich eingestand und dennoch war er dankbar, dass sie ihn verteidigte. Wieder hob er seinen Kopf, um seine Liebe anzublicken, mit tiefer vertrauter Dankbarkeit in den Augen. Ihre Nähe gab ihm Sicherheit - für diesen Moment.

    Verloren in einem Hauch; verloren in einem Atemzug, war dieses Gefühl. Das Zittern ihrer Lippen, jene Tränen waren ein Schrei, ein lauter Ruf im Stillen, das Wunder, was einst war, wieder möglich zu machen. Beide gehörten hierher. An diesen Ort und in diese Zeit, doch blieb ihn nicht viel mehr als die Ewigkeit für ihre Erlösung. Verus und Idun waren verloren in einem fernen Paradies; jener Hoffnung, die diesem Gefühl nachfolgte. In seiner Hand, fand sie Gewissheit, als Verus seine Finger um die ihre Hand schloss. Verus war hier. Allein waren die beiden, denn die Zeit machte sich endlos, vertrieb den Anblick der anderen Menschen, denn dieses geteilte Leben gehörte allein ihnen. Mit magischer Kraft vertrieben sie die Pein, die sich beider bemächtigen wollte. Jene Nacht der Seelen, welche viele Herzen befallen hatte. Es war eine Seuche der Verdammten und Verachteten. Doch beide Herzen schlugen mit der Allmacht dieses ewigen Gefühls gegen die Finsternis an. Seine Augen suchten ihre Augen, fanden endlich ein Leben darin; ein echtes Leben, welches Verus kannte. Idun lebte, irgendwie und irgendwo, gab es sie noch. Er hatte sie nicht getötet. Es war dieser Schimmer, der ihn wahrlich hoffen ließ. Beide waren verloren in ihrem Paradies, welches von Sehnsucht nach gemeinsamer Erlösung getragen wurde. Beide Augenpaare schimmerten mit dieser Magie, welche unmöglich schien und sich zum Leid kleingemacht hatte. "Idun," flüsterten nun auch seine Lippen im gleichen Beben; wollten erneut ihr Leben spüren, begierig darauf, diese Hoffnung nicht zu verlieren. Ein Windhauch wollte die beiden trennen, doch Verus hielt ihre Hand fest, ließ sie nicht mehr los. Er glaubte in seinem Leben wieder an etwas. An etwas Echtes. Lügen hatten er genug erlebt, anderen angetan und sich selbst hoffnungslos gemacht. Doch hier war etwas Echtes; etwas, was er wirklich retten konnte und auch wirklich erretten musste. Nicht nur für Idun, sondern auch für sich selbst. Verus fiel hinab in dieses Gefühl, welches ihn gleichsam brach und erbaute. Er kannte Einsamkeit und ihre Traurigkeit verdammte ihn gänzlich in diesen Zustand. "Liebe," sagte er nur ein Wort, während er sich erneut vorneigte, um sie erneut zu küssen. Es war egal, völlig fort gespült, was zukünftig oder vergangen wichtig war. Hier zählte nur eines, ihre Seele mit Hoffnung zu füllen, damit sie leben konnte. Verus wollte ihr zeigen, dass er für sie hier war. Nur für sie. Allein für ihre gemeinsame Absolution in der Ewigkeit. Verus konnte sich nicht verzeihen aber konnte auch nicht aufgeben. Gefangen zwischen seiner Schuld und seiner Hoffnung, legten sich seine Lippen auf ihre, während seine Augen, solange, wie sie konnten, in ihrem Licht verweilten. Und dort war die Reinheit, jene Allzeit, die beide umgab. Es war die Essenz dessen, was Hoffnung war. Das Gefühl umspielte alles, wollte nicht mehr weichen, während sein Herz heftig schlug und Wärme in seine Wangen trieb.

    Es gab eine schmale Linie zwischen, die Verus nun überschreiten musste, um einen Menschen zu retten. Seine Idun schwebte in Gefahr zu ertrinken. Die ergossene Flüssigkeit auf seine Sandalen war nur kaltes Zeichen für eine böse Macht, die sich Idun bemächtigen wollte. Verus war erschüttert, musste handeln und im Zweifel das Bild, welches er spielte, zerstören. Sein Herz befahl ihm, die römische Maske zu verbannen. Luna, Idun, all das, was vor ihm kauerte, schien verloren. Dieser verlorene Anblick, ließ ihn auf die Knie fallen. Verus war hilflos und wusste sich nicht mehr zu helfen. Ihre Augen, so furchtbar leer, dass er sich Selbst die Schuld dafür gab. Wie konnte er sie retten? Beide Händen griffen nach ihrem Gesicht und so tat er das, was ihm sein Herz befahl: Er küsste sie auf den Mund, um das Leben in ihr zu spüren, welches er einst gesehen hatte. Verus wollte ihre Wärme spüren; ihre Nähe und jene Hoffnung, die verloren schien. Auch hoffte sein Herz, dass ein Kuss, ihr neue Lebenskraft einhauchen konnte. Der Kuss verweilte nicht lange, dann zog Verus seinen Schädel zurück und ließ die Hände fallen. Es war ein hillfloser Versuch, den der Mann in letzter Kraft seiner eigenen Verzweifelung beging. Es war ihm egal, was die anderen Soldaten dachten. Es war ihm egal, was die Welt dachte. Er wollte ihr Leben spüren; sie bei sich wissen und nicht verloren, wie ihre Augen.

    Ein toter Geist trat aus der Distanz heran. In seinen Augen war Leid und die gleiche Einsamkeit, die Luna gerade kannte. Alles, was war, schien verloren, denn hinter ihm lagen nur brennende Schatten. Der Centurio wurde in Ehrfurcht von den Soldaten gegrüßt, während er festen Schrittes über den Hof ging. In seiner Hand trug er sein Standeszeichen, jenen Vitis, den er fest in seiner Linken hielt. Das cingulum militäre gab keinen Ton von sich und der Pugio, ebenfalls ein Standeszeichen eines Soldaten, lag fest am Gürtel. Es war ein Römer, der über sein Herrschaftsgebiet schritt; es mit jedem Schritt beanspruchte und keinen Zweifel an der Allmacht Roms erlaubte. Doch etwas war anders, denn der Centurio hielt bei einer arbeitenden Sklavin an, die Wäsche wusch. Ihre Wunden waren durch die alte Tunika, die sie trug, ersichtlich. Der römische Offizier verweilte in einem Abstand zur Sklavin. Wieder grüßten Soldaten militärisch und flüsterten nicht einmal mehr, wenn sie an der Bestie vorbeitraten. Er galt als der härteste Centurio der Legion. Ein hart verdienter Ruhm. Man fürchtete ihn, wie man ihn auch schätzte. Der Centurio blickte mit harten Augen auf Luna herab. Stille war zwischen beiden, als die brennenden Schatten unsichtbar zwischen beide drangen. Ein Windzug huschte vorbei. Dieser Centurio war Tiberius Verus, der nun an die Sklavin herantrat. Seine Lippen begannen zu brechen, gar zu beben, als er sie anblickte. Die Härte zerbrach, wie Marmor und sein Gesicht wurde weich. "Luna", sagte seine Stimme, die die Schatten zerschlug und voller Wärme war. "Ich bin da," erklärte er, während der mächtige Stock aus seinen Händen fiel, der ansonsten Standeszeichen seiner Disziplinargewalt war. Achtlos fiel er in den Staub vor Idun, wo er noch einen Zentimeter in Richtung des Korbes rollte. Verus atmete schwer; suchte gar noch Luft, als er zu ihr sprechen wollte aber fand keine Worte. Ihr Anblick, dieses Angesicht der geteilten Einsamkeit, brach ihn.

    Was war dieses Gefühl? Diese Ewigkeit, die im Moment lag, welche dahinwanderte, ohne Bestand und doch voller Gewicht. Es war ein Jahrhundert, ein Jahrtausend, gar Jahrtausende, die in einem Atemzug lagen. Verus war Mensch, so voller Leben und doch so fragil in der Zeit. Verus war hier, allein mit seiner Idun; der Liebe, die Ewigkeit spürbar machte. Und doch schien diese Ewigkeit zu enden. Hier war er, verletzlich, versunken der Berührung zweier Seelen, die bisher nur Leid gefunden hatten. Doch dieses Leid verstrahlte an der Ewigkeit. Ihre Nähe ließen einen Zauber wirken, der sein Herz aus dem Eis der Vergangenheit befreite. Es war schwer für ihn zu erklären, zu verstehen, was ihn gerade veränderte. Das Monster, welches sich seiner bemächtigt hatte, schwieg still und doch war es dort, wo es lauern konnte. Denn hier lag allein Gnade und Absolution, vertrieb die Verachtung der Zeit. Ewigkeit kannte keine Zeit, denn sie selbst war zeitlos. Doch die grausamen Götter hatten ein Ende in diesen Moment gesetzt. Die Unschuld ging verloren, denn Verus musste sich stellen. Der Centurio musste sich seinen Taten stellen, um nicht mehr vom Monster gejagt zu werden. Das Monster war er selbst, welches ihn trieb und hetzte. Gewalt fraß die Seele mit großen Zähnen und Verus spürte bereits das beachtliche Gebiss des Monsters in seinem Nacken, wie es sein Maul spreizte und zubeißen wollte. Ihre gebrochenen Worte konnte nicht sühnen, was er selbst war. Ihre Worte konnten nicht brechen, was er sein musste. Rom war hier. Überall. In ihm und mit ihm. Alles schrie in ihm, diese Vergebung zu suchen, doch das Monster biss fest zu, riss an seinem Genick und zog ihn weg von Idun; Stück für Stück kehrte die Sünde ein. Verus begann zu zählen. In Gedanken summierte sich seine Erinnerung und vergab nicht mehr. Die Dunkelheit fiel herab, wollte sich seines Herzens bemächtigen und doch blieb das Monster gierig. Es biss zu, immer wieder, bis seine Seele blutete. Verachtung war der Geschmack seiner selbst, die die Bestie genoss. Nein, Verus wollte sich weigern und wehren. Er blutete nicht für sich, sondern für seine Liebe. "Ich brauche dich," wiederholte er suchend in ihre Richtung. Am Rande des Abgrundes, suchte er sie und das Herz schlug für sie, um dem Abgrund zu entspringen. Die Ewigkeit brach ein und die Zeit hatte die beiden wieder, doch ihre Herzen behielten sich einen Splitter dieser Ewigkeit; jenes Himmels ohne Grenzen, der nur ihnen gehörte. Allein ihnen und den selbst nicht einmal die Götter beherrschten. Eine Magie, fern jeder Realität und anderer Macht, die das Monster bestrafte. Verus vertrieb das Monster mit Hingabe und neigte in der Bewegung, wo sich ihr Kopf näherte, seinen Kopf gegen ihren. Erinnerung konnte nicht zerstören, was von Schicksalmacht wahr gemacht war. Eine gnädige Sühne füllte seine berührende Hand, die sanft enger schloss, um das festzuhalten, was er durch Leid beschützen wollte. Ihre Berührung war die mächtige Absolution, die das Monster in die Lauerstellung trieb. Doch noch war die Bestie nicht erschlagen. Verus würde bald in die Höhle seiner selbst steigen müssen, um dort gegen das Monster zu kämpfen. Doch jetzt schwieg es wieder. Seine Augen lebten, strahlte in leidender Liebe und suchten Licht, als Idun wieder ihren Kopf hob, während Alpina eintrat. Beide lebten füreinander. Eine Trennung zerbrach beide und die gemeinsame Nähe heilte sie. Diese Heilung war alles, was Verus brauchte, um die Bestie zu besiegen. Alpina, die Heilerin, tat ihr Werk, was Verus beim ersten Blick auf die Wunden erschaudern ließ. Kalt fiel die Luft aus seiner Nase, wie Blei herab. Sein Herz schlug heftig, wollte den Anblick verjagen aber scheiterte. Verus musste sich eingestehen, dass er dies getan hatte und der Blick auf dieses Leid strafte ihn. Es schmerzte ihn, und gleichsam wollte er mit ihr schreien als sie ihr Gesicht ins Kissen presste. Ihre Hand krallte sich an seiner Brust fest, die er nun stützend mit beiden Händen hielt, um ihr Zuversicht zu schenken. Er würde jetzt nicht weichen. Hier stand er; fern der Flucht. Die tränenbehafteten Augen ließen auch Verus erneut beständig weinen; nicht in sturzenden Bächen, sondern in stillen aber beständigen Tränen aus seinen Augenwinkeln. Verus füllte sich verantwortlich und teilte ihren Schmerz. Schließlich, auch zu Verus Erleichterung, wurden die neuen Verbände aufgetragen, was den Anblick von erheblicher Grausamkeit reduzierte, auf einen Punkt des Erträglichen. Mit bekümmerten Augen blickte er zur Seite, in jene Richtung der Heilerin, die ihn forschend mit ihren Augen ansah. Es lag Wut in ihren gesprochenen Worten. Verus musste Flagge zeigen. Er war es. Der Römer allein, welcher hier kniete, und auf Vergebung hoffte. "Ich war es," stammelte er diese drei Worte zusammen und wiederholte sie dann fester: "Ich war es." Es verschaffte eine kaum merkliche Erleichterung, denn nun war bekannt, was er war aber dennoch konnte es ihn nicht von der Tat freisprechen. Verus erwartete sogar ein brutales Urteil über seine Person. Denn immerhin war er brutal gewesen.

    Die Melodie seines Lebens spielte leiser mit jedem Atemzug gleich. Er beobachtete seine Luna für einen Augenblick, wie sie ihm ihre Hand in Kummer und Leid entgegen streckte. Doch Verus konnte den Regen, nicht in einen Sonnenstrahl verwandeln. Er hatte Angst vor sich und dem Monster, das er geworden war. Der Mann wusste, was er getan hatte. Er hatte ihr alles gegeben, was er war und nun hatte der Römer Angst ihre Hand zu nehmen. Doch das Monster musste gehen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, während seine Lippen bebten und seine Beine wankten. Kaum noch konnte er seinen Stand halten, als er sich abwenden wollte, hielt ihn eine unsichtbare Macht zurück. Das Monster schrie in ihm auf, wollte sein Herz fressen und die arme Seele alleine zurücklassen. Doch Verus kämpfte gegen seine Angst an und fand sein Mitgefühl. "Es tut mir leid," fiel er vor ihr auf die Knie und weinte mit großen Perlen aus seinen Augenwinkeln. Mit beiden Händen umgriff er ihre Hand, presste sie fest an seine Brust, damit sie sein Herz spüren konnte. Sie sollte durch ihn Leben, fühlen, dass er für sie lebte und hier war. Seine Atmung brach ein und wurde unruhig, als seine Augen fest im Lichte ihrer Augen standen. Sie gaben ihr Halt in Würde, da sie nur allein für sie wach waren. Verus nahm eine Hand, während die andere immer noch fest auf Iduns Hand lag, hinauf und strich ihr vorsichtig über die Wangen, um ihr Gesicht zu spüren. Dabei verwischte er ihre Tränen mit dem Pech seiner Hand. Ihre Tränen wuschen seine geschundenen Hände, während seine schmerzerfüllten Tropfen auf ihren Arm fielen, um dort zart und sanft zu verlaufen. Seine Tränen umgaben sie mit einem Schild aus Hingabe und Hoffnung, da er ganz für sie hier war. Doch das Monster war nur vorübergehend vertrieben. Es war nur davon gejagt an den Ort seiner eigenen Schuld. Schuld war etwas, was nicht durch Handlung einfach fortwaschen ließ, denn Verus liebte und lebte aufrichtig. Sein Herz schlug in ganzer Kraft in dem Band der beiden. Er sah den Unterschlupf vor der grausamen Zeit in ihren Augen, während sie seine Liebe sehen konnte. Der Centurio war gebrochen und der Mann Verus lebte. Beide trugen keine Masken mehr. Keine falsche Stärke, keine Pflicht und auch kein Theater mehr, denn die Bühne stand in Flammen ihrer Verbundenheit. Ihre beiden Herzen schlugen gleich und ihre Seelen fanden sich erneut an diesem Ort, der einzig und allein ihnen gehörte. "Ich brauche dich," stammelte er und konnte dabei kaum atmen. Seine Wangen zitterten und auch seine Lippen schienen einzubrechen. Doch seine Augen hatten Gewissheit, gar Sehnsucht und Liebe für Idun, wollten ihr gleicher Schutz sowie Unterschlupf sein. Ein Traum erwachte für beide. Beide von der Welt verflucht, gewannen den Moment des Trostes, nur durch diese eine Nähe; die wahre Berührung zweier Seelen, die in den Augen lag. Licht umstrahlte unsichtbar den geheimen Himmel, der sich unter den Narben ihrer Vergangenheit verbarg. Luna war alles für ihn. Jetzt, gerade in dieser Sekunde, war sie alles, was er wollte und für das er leben konnte. Nur für sie lebte er wirklich; verbarg nichts mehr. Er hatte ihr dies angetan. Verus allein.

    Es war ein Gang eines sterbenden Mannes, der durch seinen eigenen Stolz und sein ihm selbst gelebtes Vorurteil, gegen die Mächte seiner Zeit stand, und wankend aber betonten Schrittes zu dem Ort seiner Schicksalsgabe marschierte. Trauer und Leid lag in seinem Blick, während seine Lippen fest versiegelt waren, um dem Körper Würde zurückzuhalten. Es kostete Kraft, aufrecht zu bleiben. Es kostete den Tiberius vieles, um überhaupt gegen seine Angst anzukämpfen, die sich aus der Schande seiner Tat gebar. Idun war alles für ihn und er hatte sie in Hoffnung auf Rettung schwer verletzt. Er schämte sich für seine Handlung; für seine Schwäche, ihr ein liebender Held zu sein, sondern er war doch nur ein römischer Soldat, gebunden durch Pflicht und Stolz. Eine Flucht war nicht mehr möglich. Nichts schien mehr möglich, denn die Blüte der Hoffnung er hatte durch jeden Schlag gerupft. Die blutbefleckte Tunika stank nach Schweiß, seine Hände waren durch Pech verschmiert und seine Haare ölig, durch den schweren Helm, welchen er getragen hatte. Ja, die Tat stand auf seinem Körper und signalisierte ohne Reue, dass er grausam war. Grausamkeit zeigte sich durch die kleinen Blutspritzer, die selbst über seinen Hals zu wandern schienen. Es war Iduns Blut, welches er nicht abwaschen konnte und wollte. Wenn er nicht für sie leben konnte, konnte er wenigstens für sie leiden. Er zeigte offen, was er war: ein Monster. Gekränkt von sich selbst, trat er durch die Tür und donnerte mit militärischer Stimme, fast kalt und tonlos: "Centurio Tiberius Verus." Er stellt sich nur vor und wusste, dass dieser Ausruf ausreichen musste, um zu zeigen, dass die Bestie eingetroffen war. Das Monster, welches er nun war. Voller Selbstverachtung keuchte er und zog Luft durch die Nase. Hoffentlich konnte er ihren Anblick ertragen und wieder für sie der sein, der er sein wollte. Idun brauchte ihn, wie er sie brauchte. Sein Herz begehrte auf, gegen seine eigene Verachtung. Es war ein Lichtblick Hoffnung, der seine Gnade beflügelte.

    Nein, diese böse Macht ließ ihn nicht los. Er musste sich stellen, denn sein Herz schrie nach eigener Vergeltung. Liebe wollte leben und sich nicht verstecken. Verus, getrieben von kalter Kette, ließ sich in die neue Zukunft ziehen, wenn auch die Schande über sich selbst; jenes Gefühl der einsamen Gewalt blieb. "Ja," machte er borstig und trat dann Luft suchend aus der Tür. Dann sagte er ihren Namen. Verus hielt sich im Türrahmen fest, um nicht zu fallen. Ja, er war verantwortlich und musste sich stellen. "Bring' mich zu ihr," befahl er kalt und bestimmend. Es war nun seine Aufgabe. Verus musste sich aufraffen, um bei ihr zu sein. Für seine Taten und ihre gemeinsame Zukunft.

    Kalte Knochen. Verus fühlte sich verlassen; sah die Welt sterben und nur diese Hoffnung, die Verus und Idun verband, hielt die Nacht zurück. Wusste sie, wie er sich fühlte? Sicherlich, doch konnte er nichts gestehen und konnte den Bruch nicht zusammenfügen. Sie rannte nicht fort und er auch nicht, doch trafen sie sich nicht mehr. Er wich ihr aus. Sie erinnerte ihn an seine Gewalt, seine Welt aus Krieg und Zorn, und auch seine Fehler. Nein, sie wollte es nicht aber diese Welt war niemals einfach gewesen. Verus wünschte sich, dass er, wie einst aus den Wolken, Traumschlösser bauen konnte. Doch die Wolken waren heute nur noch Wolken. Sie flogen einfach nur ihre Wege und so trat Verus auf die seinen Wege. Idun hatte ihm dabei geholfen, noch weitergehen zu können und er liebte sie. Er wusste, dass er sie liebte aber er war sich selbst so fremd geworden, dass diese Schande, die er ihr angetan hatte, nicht durch seinen eigenen Willen vergeben werden konnte. Ihr Gesicht schmerzte; ihre Augen durchstießen seine Seele, fanden dort diesen Schmerz, den er nicht verstecken konnte. Hier war kein Ruhm und auch keine militärische Stärke, sondern allein er. Der Mensch Verus wollte antworten, klar erklären aber wusste, dass niemand hier verstehen würde. Es brauchte keine Worte, nur Gesten, um sich zu zeigen. Vorsichtig streckte er seine Hand, verdeckt aus, um ihre Handaußenfläche zu streicheln. Ein kurzes Zeichen von Nähe, ängstlich und kindlich in diese Welt gesetzt, um ein Leuchtfeuer ihrer Liebe zu sein. Gegen alle Mächte, gegen alle Pflichten und gegen alle anderen, stand dieses Zeichen für den Mut, den Verus zeigte, um seiner Idun ein wenig Heim zu geben. Auch wollte er sie spüren, dass sie lebte und ganz lebte, nicht verloren war, wie er. Dennoch wandte er nach dieser Berührung seinen Blick von ihr ab, floh vor diesem Gefühl, dieser ständigen Wiederholung des peinvollen Aktes, den er durchführen musste. Er hörte aufmerksam zu. Sah nun die andere Seite, verstand, was seine Idun versuchte hatte aber musste gleichsam akzeptieren, dass dieser Vorfall nicht zu verhindern gewesen war. Vergangenheit war nicht zu ändern. Verus versuchte in einem Atemzug damit abzuschließen aber scheiterte. Seine Fingerspitzen zitterten und seine Augen verloren an Würde. Es war diese kriechende Taubheit, die alles Leben verdrängte. Verus war nun ganz Soldat, der Krieg gesehen hatte und verlor sich darin. Die Erinnerung an das Blut, den Tod und auch allein den Geruch, traf ihn, wie ein harter Pfeil. Verus wollte, dass es endete aber dieses Gefühl endete nicht. Er fühlte sich ungerecht, böse und abartig. Das Monster, welches er nun war, verdiente nichts Besseres. Nicht einmal ein Zuhause verdiente er. Schließlich sprach sein Präfekt zu ihm und er gab eine kalte Antwort: "Ich erhielt den Befehl, diesen Vorfall aufzuklären. Die Befehle waren missverständlich und ich fürchtete eine Entehrung der Einheit. Ich entschied auf Basis meiner vorliegenden Informationen einen Feldeinsatz im Barbaricum, um diese Überfälle endgültig aufzuklären und zu unterbinden." Jedes Wort fiel, wie Blei aus seinem Mund und nur die Augen sangen für ihn sein Leid. Die Erinnerung war wieder Realität und jedes Bild war klar vor seinen Augen. Das Monster sprach eindringlich. "Wir brachen unter meiner Führung in das Villicus Ver'Arga auf, um dort Befragungen durchzuführen. Wir wurden nicht wohlwollend empfangen und ich versuchte römisches Recht mit Worten zu erklären aber scheiterte," ließ er seine eigene Mitschuld einfließen und blickte den Iulius mit leeren und großen Augen an. Die Augen eines Soldaten, der mehr erlitten hatte, als er erleiden konnte. "Die Situation entglitt und schnell wurde Gewalt gegen uns eingesetzt. Wir wurden zu engen Kämpfen in Gassen gezwungen. Normale Formationen waren nicht anzuwenden. Ich entschied, dass ein Kampf zwecklos ist und wir zogen uns unter ersten Verlusten in eine Gasse zurück, um das Dorf unter Schutzwirkung unserer Scuti zu verlassen. Doch, da alle Einwohner des Dorfes gegen uns kämpften, war die Situation verfahren. Ich musste eine Entscheidung treffen, da wir nur durch eine kurzfristige Übermacht gegen Fluchtpunkt durchbrechen konnten. Ich entschied mich, eine Reihe aufzulösen und diesen Punkt alleine zu schützen, damit die unsere Übermacht gegen Wald fliehen konnte. Nachdem ich den Befehl gegeben hatte, konnten meine Legionäre durchbrechen aber ich blieb zurück, um ihnen eine sichere Flucht zu ermöglichen. Die Germanen umschlossen mich und entgegen meiner Annahme, überwältigten sie mich nicht sofort. Ich streckte zwei Angreifer nieder und stand vor jenem Oberhaupt Wulfgar, der mich zum Zweikampf forderte. Es gab für mich keine Wahl mehr. Ich kämpfte und verlor schließlich im Kampf," erklärte er dann und ließ dann den Kopf sinken, um leblos allen Augen im Raum auszuweichen. Nein, er wollte nicht mehr gesehen werden.

    Zerstört, zerschlagen und zermürbt kauerte der Kriegsheld auf seinem Bett, wollte vergessen und verdrängen, doch die Pein kochte in seinem Gesicht, welches regungslos hing und den Tränen Unterlage war. Verus war ohne Worte, um zu beschreiben, was er fühlte. Die Rüstung war achtlos in die Raumecke geworfen, seine Waffe lag auf dem Tisch, so als ob sie vergessen wollte. Verus wollte nicht mehr, garnichts mehr und jeder Peitschenhieb und jeder Schlag hatte ihn getroffen. Noch immer hörte er den Ton der Peitsche; noch immer spürte er ihr Gewicht und es machte ihn müde, doch konnte er nicht schlafen. Seine Lungen keuchten und pressten wimmernd Luft hervor. Seine Augen unterliefen in einem anderen Ton. Der Mann war einsam gebrochen. Um sie zu retten, war er alles geworden, was erforderlich war und doch konnte er als dieses Biest nicht atmen. Er war kein Monster, doch in aller Darstellung und Meinung, war er nun eines. Auch Verus selbst spürte das Gewicht dieser Wandlung. Es klopfte. Verus wischte sich mit einer alten Tunika die Tränen aus dem Gesicht, erhob sich kaum gehend, kaum stehend; zur Tür stürzend und öffnete diese in einem krummen Ruck. "Ja," brach aus seiner Kehle. Die alte Tunika ließ er nun fallen, so dass sie auf den Boden fiel, wie auch seine Selbstsicherheit. Man konnte erkennen, dass er noch immer ungefasst war. Auch seine Kleidung war noch mit Blutspritzern bedeckt. Er hatte keine Zeit gehabt, diese Tunika zu wechseln.

    Es war die Erinnerung seiner Vergangenheit, die wie ein Echo schallte und immer wieder im Dunkeln seiner Abgründe strahlte. Es war dieser Moment, indem er sich nur überlebend fühlte. Er hatte überlebt aber nicht gelebt. Mit dem Bösen auf seinen Schultern und dem Echo in seinem Herzen. Schatten brannten den Ruhm nieder, den er sich selbst geben wollte. Er war kein Held, niemals gewesen und nicht einmal ein guter Überlebender. Er war ein Fremder in dieser Welt, der nicht besser konnte. Er war nicht besser. Lügen war in ihm gewesen, standen schützend um ihn, doch waren sie nur Lügen, deren schützende Macht ängstlich machte. Verus hatte Angst. Diese Schande ließ ihn brechen, während er einsam, verlassen von seinen Lügen, mit Leben vor den Vorgesetzten stand. Sie sprachen nicht mit ihm. Eine Rede wurde gehalten, eine Erklärung und Urteil bekannt gegeben aber nicht gesprochen. Niemand sprach hier, außer Ängste und Gewalt. Verus fühlte das Gewicht seines Lebens. Er fühlte das Böse, welches ihm gefolgt war und lauernd auf seinen Schultern lag, die unter der Erschöpfung litten. Verdiente er Besseres? Verdiente er mehr als dieses Leben? Sicherlich nicht. Es gab nicht mehr und doch war dort Veränderung. In Idun. In seiner Luna. Dennoch wollte die Vergangenheit kein Vergessen schenken. Er erinnerte sich an jenen Brief, den seine verflossene Frau ihm geschrieben hatte. Auch sie liebte etwas an ihm, doch dies war er nicht mehr. Er hatte sich geschworen seine Calena nicht zu vergessen. Hatte es auch nicht aber sie stammte aus einer Welt, aus einer Zeit und einer Erfahrung, die er heute nicht mehr war. Verus wandelte sich und befreite sich aber musste dazu einstige Gedanken opfern. Der Brief war Hohn und Glanz gewesen. Er hatte ihm gezeigt, dass sie ihn nicht vergessen hatte aber auch offenbart, dass er nur Bedarf war. Bedarf, den man gelegentlich kontaktierte und man darstellte. Ein Objekt, eine Sache und ein Wesen ohne Seele. Erst mit Luna hatte er Dinge gesehen, gefühlt und erlebt, die ihn zu etwas Ganzem machten. Doch die Nacht konnte nicht enden. Seine seelische Nacht zog hinauf, umklammerte in dieser furchtbaren Angst sein Herz, welches nur Schande kannte. Verus wollte Römer sein, ein echter Verteidiger von Macht und Ordnung, doch am Ende war er nur ein Mensch mit einem viel zu schwachen Herzen. Der als Einziger, der Anwesenden, gegen seinen Wunsch handeln musste; der als Einziger, offen Gewalt übte, während andere sich in Regungen darstellten. Missfallen oder Gefallen zeigte sich in den Gesichtern; in Gesten und Bewegungen und doch hatte sie alle den Luxus ehrlich zu sein. Verus musste spielen, für die bösen Götter tanzen, die in Neid und Missgunst einen Preis vor Idun gestellt hatten. Liebe war frei und doch waren es die Menschen nicht. Wusste er nun, wer er war? Wusste er, was er wollte? Er wusste nur eines, dass er Idun wiedersehen musste. Sich erklären und hoffen, dass eines Tages diese Schande zerfallen würde, wie gerade seine Würde zerbrach. Der Centurio war nur noch ein Fremder. Er war sich selbst fremd geworden. Es war ein Fluch. Verus wusste nicht mehr, was er war und wofür er stand. Verus war in Liebe versunken, die ihn wütend machte. Nicht gegen Idun, sondern gegen die Welt. Je tiefer er sich fallen lassen wollte, umso größer war der Sturz durch das Tabu seiner Einsamkeit. Beide erbauten sich eine Festung aus Erinnerungen und deren Fantasien waren die Wachen. Die Allmacht war zu groß und doch so höflich grausam. Zürnend, um nicht unterzugehen, blickte sich Verus in die Menge um. Missgunst und Verachtung standen in seinem Gesicht, die sich nur spiegelten. Aus ihm heraus, wuchs diese Verachtung, die sich gegen ihn selbst richtete und nur so entkommen konnte. Diese Welt hatte keinen Platz für diese Festung und doch würde er sie verteidigen. Das war das Ende der Verstellung. Das Ende einer Vergangenheit. Verus hätte sterben sollen, wollte gestorben sein und doch war dort diese fließende Gewissheit, dass es nach diesem Überleben Hoffnung gab. Nur dieser Hauch Hoffnung, ließ ihn nicht in eine ewige Nacht fallen. Auch diese Nacht würde sich erhellen. Nur noch nicht jetzt. Schließlich kam der erlösende Befehle. Verus deutete auf seine Männer, zählte diese in Reihe ab und trat dann mit einem kurzen Befehl ab. Auf dem Weg hinaus, traten ihm zwei Germanen in den Weg, die sich zornig über ihn erhoben. Aggressiv schob er diese zur Seite und drohte mit einer Handbewegung. Er wollte fliehen von diesem Ort. Endlich ... seiner Schande entfliehen und weinen; frei weinen über seinen eigenen Verrat. Die Germanen machten schimpfend Platz, während Verus mit seiner Centurie in Richtung Lager abrückte.