Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Ich muss Lepidus zustimmen. Verus - als Figur - ist eine Ausnahme und auch eher als patrizischer Loser ausgelegt, welcher zwar nicht dumm ist aber doch eher mäßig Karriere macht und eher im Schatten der Gens halbwegs unwichtig daherkommt. Seine Militärkarriere ist auch aus dem Spiel geboren und auch ein Notnagel gewesen, um eine radikale Verarmung der Person auszuschließen. Natürlich hätte er auf Kosten des Haues leben können, dies wäre aber auf Dauer ebenso unehrenhaft gewesen, wie ein verarmtes Dasein. In diesem Sinne ist er zum Militär und dies sollte nicht zum Regelfall werden. Also solltest du auf Lepidus Worte achten, da diese Einschränkungen wirklich radikal sein können aber das Spiel interessant machen. Verus Bruder sollte also nicht seinem Negativ-Beispiel folgen.

    Erwischt! Hadrianus war halt ein alter Hase, was Soldatenleiden anging und so durchschaute er Verus schnell. "Ja, eine Frau," war die fast leidige Antwort des Optio, der sein Gladius absinken ließ, um es in die Schwertscheide zu führen. "Unser Beruf ist nicht mit Liebe vereinbar," war dann die nüchterne Folgeaussage, um dem Hadrianus nicht direkt in sein gescheitertes Privatleben blicken zu lassen. Insofern war die Aussage im Grunde ein Allgemeinplatz, der mehr verbarg als preisgab.

    Ja, auch Verus hatte irgendwie in sich den Faden verloren. Immerhin war sein Geist recht sprunghaft und verzettelte sich in sich. Verus war ein Träumer, ein Idealist voller Erwartungen, die oft enttäuscht wurden. Dies machte ihn sehr mürbe. Natürlich konnte Lepidus nicht ganz folgen, da selbst Verus eher rückständig formuliert hatte. Es fehlte an weiteren Erklärungen, die er jetzt liefern musste. "Ja, man verpflichtet sich für 25 Jahre oder 20 Jahre bei Kriegsgebrechen," war die Einleitung in seine Erklärung, die mehr schlecht als recht glückte. "Ich bin dir auch sehr dankbar dafür, dass du dich derartig für mich verwendest und einsetzt." Das meinte der junge Tiberius ernst. Nicht jeder hatte so einen wohlwollenden Gönner. Gut, es war Familie und Lepidus konnte sich keinen tagelöhnenden Verwandten leisten. Das wäre schlecht für seinen Ruf gewesen. Verus war gebildet, eloquent aber in gewisserweise weltfremd, was ihn eigentlich als Schreiber oder Lehrer qualifizierte. Man mochte sich fragen, warum Verus nicht einfach Privatschreiber von Lepidus oder eines Senators geworden ist. Manchmal waren Dingen kurios, wie die Menschen selbst. "Ich möchte nicht verschwinden oder meinen Dienst abbrechen. Das könnte ich vor den Männer nicht verantworten," war die weitere Ausführung, die etwas sehr markant daher kam. Verus fühlte sich in seiner römischen Ehre angegriffen und erhob dezent seine Stimme. "Ich bin Legionär und ein Soldat Roms aber es gäbe Möglichkeiten den Dienst für mich konformtabler zu gestalten oder zumindest so, dass meine Talente gefördert werden würden." Dem jungen Tiberius fiel nicht auf Anhieb ein, was er aussagen wollte. Dennoch wusste er, dass es besondere Posten gab, zu denen man als Soldat abkommandiert werden konnte, ohne den Soldatenstand oder seine Legion wirklich zu verlassen. Man rückte einfach nur dauerhaft aus. Eine Versetzung sozusagen. Diese Posten, meist in der Provinzverwaltung waren meist in der Hauptstadt der Region angesiedelt. Gut, Italia war keine Provinz in dem Sinne, dass eine große zentralisierte Verwaltung gab. Es gab die Städte und die Urbs. Verus grübelte gefühlt eine Ewigkeit und schwieg dabei. Dann kam ihm in den Sinn, welcher Posten angebracht sein konnte. Er war vor Kurzem auf der Suche nach dem Legaten über eine Patroullie des Praefectus Viatorum gestolpert, die er befragt hatte. Es war eine Art Cohortes Urbanae der Straße und Dörfer der Region Italia. Nicht jeder kannte sie, da sie eher in kleiner Zahl existierten aber sie erfüllten eine Aufgabe, die Verus reizte. Sehr reizte. Strafverfolgung und öffentliche Sicherheit mit Amtsermittlungen und grundsätzlichen Streitfragen der öffentlichen Ordnung. Ferner lag die Amtstube des Präfekten in Rom selbst, was ihn als Soldaten nach Rom brachte, ohne das Exercitus zu verlassen. Leider gab es noch einen Präfekten, der aber schon recht alt war, wie er sich erinnerte an das Gespräch. Vielleicht gab es hier eine Möglichkeit, sobald seine Sporen als Centurio verdient hatte? Das war die Idee, um dem eintönigen Dienst in Mantua zu entkommen, obwohl Straßenwacht ähnlich eintönig war. Der Tiberius war sich aber sicher, dass die Verwaltung eine Straßenstreife ihm mehr lag als der Dienst als knallharter Centurio. Fehler konnten immer korrigiert werden, wenn es schon mit der Offizierskarriere strauchelte. Es war naiv, wenn nicht sogar wohlwollend formuliert, töricht aber machbar. So schritt Verus zur Tat und sprach:


    "Soldaten können vom Kaiser oder Legaten zu besonderen Diensten für die res publica abkommandiert werden. Entweder zur Durchsetzung von Gesetzen oder Strafverfolgung in den Provinzen. In Italia gibt es dies in dieser Form selten aber dennoch gibt es eine Position, die erreichbar wäre. Der Praefectus Viatorum, der die Straßen außerhalb Roms und der freien Städte, patroullieren lässt und die Strafverfolgung in den Dörfern sicherstellt. Soldaten können in diesen Dienst befördert werden und als Abgeordnete oder Versetzte dort Dienst tun. Ich weiß nicht, ob der Imperator darüber entscheidet aber zumindest wohl die imperiale Administration, wer diesen Posten besetzt. Ich habe Gespräche geführt mit Legionären, die in den Dienst des Praepositus Stationariorum abgeordnet waren und dem Praefectus unterstanden. Dessen Amtssitz ist Rom."

    Jetzt erkannte Verus die Person. Es war sein Centurio Hadrianus. Deutlich überrascht, trat der junge Patrizier näher. "Ja, ich konnte nicht schlafen und wollte ein paar Übungen machen," erklärte der Tiberius mit Restschweiß auf der Stirn, welcher im Mondlicht funkelte.

    Immer noch wirkte Verus zerschlagen. Man nahm einen Mann nicht seine Träume und konnte dann eine gewisse Standhaftigkeit erwarten. Gut, Verus war ohnehin nicht sehr standhaft, was seine Persönlichkeit anging. Er wirkte zwar groß, trainiert aber hinter dieser soldatischen Maske ruhte ein leicht zu verängstigender Charakter. "Hmmm... - Ja," machte der Römer, während er versuchte Lepidus mit seinen Augen zu fokussieren. Ein wenig konnte Lepidus den jungen Patrizier wieder auffangen. Viel antworten mochte Verus nicht mehr, da ihm das jugendliche Feuer fehlte, neue Ideen zu formulieren. Dennoch formte sich ein Gedanke in seinem Kopf, der vielleicht auf den zerstörten Träumen beruhte. Es zeigte sich, dass Verus sich festgefahren hatte. Das erkannte er selbst. Ferner erkannte der junge Tiberius, dass er zu weit von seiner Familie, insbesondere dem anführenden Lepidus, entfernt war. Es fehlte an Halt, auch wenn das Militär mit seinen strengen Regeln und Befehlen sicherlich ein wenig Schutz bot. Verus kam zu dem Schluss, dass er sich eigentlich wünschte, nach Rom zurück zu kehren, in den Schoß des Hauses. Vielleicht konnte er so auch Calena zurückgewinnen, obwohl diese vor ihm davon lief. Das Militär hatte sich als Fiasko herausgestellt, auch wenn Verus inzwischen recht gut darin war, zu dienen. Er war zwar kein herausragender Soldat aber guter Durchschnitt, was nicht unbedingt für mehr reichte aber es reichte um im Apparat zu überleben. Centurio konnte er noch werden. Eine besondere Ehre. Zumindest, wenn man bedachte, woher Verus kam und es sehr unüblich war, dass sich ein Patrizier entschied, direkt am Gladius auf dem blutigen Feld zu dienen. Verus war einfach seltsam und deswegen wohl besonders. Es gibt nur wenige seines Schlages,- und das war auch gut so, zum Wohle Roms.
    "Es ist wohl besser, wenn ich bei Zeiten zu euch zurückkehre und mich hier einlebe. Ich glaube, nach unseren Worten, dass es garnicht so schlecht wäre, wenn ich nach Rom zurückkehre. Könntest du dich nach Möglichkeiten umhören?" - war nun die Aussage, die den Gedankengang des Tiberius abschloss. "Ich denke natürlich nicht daran, dass dies sofort geschehen muss. Immerhin könnte ich bald Centurio sein," folgte dann eine Erklärung, die mehr dazu diente, sich selbst ein wenig zu bestätigen und aufzumuntern.

    Verus Blick fiel hinab zu den Kisten. Sie zogen aus? Flüchteten sie vor ihm? Ganz klar. Calena wollte nichts mehr von ihm. Sie versteckte sich. Dann kam die Nachbarin auf ihn zu oder zumindest aus der Tür heraus mit ihrer Nase. "Das sehe ich," murrte der Soldat und trat voller Wut gegen die Wand, so dass sein Fuß schmerzte. Es war aus, scheinbar. "Zu ihrer Familie?" Verus horchte auf, trat zu der guten Frau heran und reichte ihr einen Sesterz als Dank. "Richten sie den beiden aus, dass Tiberius Verus hier war. Nicht mehr," war das, was er noch sagte, bevor er sich auf den Weg zum Hause Tiberius machte. Es gab hier nichts mehr. Traurig und verlassen fühlte er sich auf dem Weg hinaus.

    Am liebsten hätte sich Verus in diesem Moment in den Tiber gestürzt, wie viele junge Männer, die nicht mehr weiter wussten. War nicht die berühmte Tiberbrücke in der Nähe, die man dazu nutzen konnte? Nein, noch war es nicht soweit. Trotz aller Niederlage und Traumata war er noch hier, lebte weiter und hoffte. Irgendwo und irgendwie würde es ein gutes Leben für ihn geben. Man musste nur glauben. "Kopf hoch?" Der Tiberius wirkte skeptisch, fast, wie ein scheues Reh. Lepidus sagte es ja selbst, nicht viele erreichten diese Positionen. Und die Prätorianer waren ohnehin in weiter Ferne. Also, was sollte er jetzt antworten? Verus selbst war kein herausragend guter Soldat, vielleicht reichte es zum Centurio aber nicht zum Präfekten oder zum Prätorianer. Dafür war er einfach nicht gut genug, das wusste er ja selbst. Es gab hier nichts mehr, wo man sich beweisen musste. Verus konnte froh sein, wenn er Centurio war und seine Dienstzeit halbwegs überlebte. Mehr gab es nicht mehr. "Ich bin kein Karrieremensch," war die - vielleicht seltsam kindisch wirkende - Antwort. "... und auch nicht gut genug."

    Für Gefühle war kein Platz in der Welt. Auch nicht für Wünsche. Das hatte er gelernt. Calena war fort und er war gefangen in seiner Position als Optio. Zwar in einer guten Einheit, mit wertvollen Kameraden aber irgendwie war das Leben am versiegen. Lepidus hatte Recht. Seine Ausführungen zeigten ihm dies und so seufzte der junge Mann, der erkannt hatte, was er selbst angerichtet hatte. Vielleicht belastete ihn am meisten, dass er seine Liebe durch seine Entscheidung verloren hatte. Sein Leben wurde zu einer Ballastungsprobe. "Früher gesagt...," wiederholte der Patrizier, blickte zu Boden und nicht mehr auf den aufgestandenen Lepidus. Es war Scham. "Ja," blieb ihm nur als Antwort. Der naive Glaube zerfiel und was blieb war ein kleiner Rest Würde, als Verus aufblickte. Er war nicht mehr als das. Keine Karriere, keine Aussicht auf mehr als das, was er jetzt hatte. Festgefahren war er. Leider. Gut, es hätte schlimmer kommen können. Verus sah ein, was er hatte, war alles, was er bekommen konnte. Alles, was er war, war das hier. Ein wenig traurig wirkten seine Augen, während er nach einer weiteren Antwort suchte, fand aber keine und so sagte er nur: "Du hast in allen Belangen Recht." Der Zeigefinger war zum Dolch für Verus Träume geworden.

    Erschöpft, wütend und zugleich aufgeregt hämmerte der junge Wilde an die Tür seiner Geliebten. Er wollte jetzt mehr wissen. Einfach Klarheit haben, jetzt wo er in Rom war. Lohnte es sich noch? Gab es einen Sinn? Immer wieder schlug er mit der Faust gegen das Holz der Tür. Einige Nachbarn lugten vorsichtig aus ihren Türen, wer da so einen Lärm machte. "Calena," rief er wütend und hämmerte weiter. Seine starken Oberarme taten ihr Übriges dazu, dass sich der Ton verstärkte, da ihm scheinbar die Kraft nicht ausging. Die militärische Ausbildung hatte hier einen negativen Nebeneffekt.

    "Härte darf aber nicht mit Herzlosigkeit verwechselt werden," meinte Verus dann offen. Immerhin war er selbst kein allzu harter Hund, auch wenn er durch den Militärdienst etwas an jugendlichem Leichtsinn verloren hatte. Schließlich ging man nicht weiter auf das Thema "Lucia" ein und Lepidus sprach seinen Brief an. In der Tat hatte der junge Verus einen Brief geschrieben und musste jetzt ein wenig in seinen Gedanken wühlen, um sich an die Worte darin zu erinnern. Dann nickte er eifrig, lächelte vorsichtig und räusperte sich. Es war schwer dies auszusprechen, da seine Karriere gerade erst begonnen hatte aber man sollte doch immer einen Lebensplan parat haben? Nicht, dass Verus ein großer Planer war aber ein wenig sollte man schon den gewünschten Weg vorbereiten, da war sich der militärische Patrizier sicher. Mit wenig Mut sprach er nun: "Ich möchte eine Legion befehligen." Es klang, wie ein kindlicher Wunsch aus seinem Mund. Man führte nicht einfach mal eine Legion. Es war harte Arbeit und eine harte Pflicht. "Ohne Politik wird es mir nicht möglich sein, eine würdevolle Militär-Karriere für unser Haus zu bestreiten," folgte dann eine Versachlichung des Wunsches.

    Es war die Art stilles Gebet, welches nur Soldaten sprachen, indem sie ihre Waffen ohne Blut führten. Es war die nüchterne Hoffnung, dass es eines Tages besser werden würde. Eines Tages dauerhafter Frieden einkehren würde und ihr Dienst sinnbildliche Früchte trug. Für Verus war dieser Waffentanz ein Symbol des Neuanfangs, nachdem er von der einzigen Personen, die er liebte, verlassen wurde. Immer wieder hob er die Waffe, stach in die Luft und bewegte sich im Kreis. Seine Füße gruben sich in den Boden, in einen festen Stand, wie er es als Soldat immer tat. Ein Soldat lernte fest und gerade zu stehen. Eine Tatsache, die seinen Habitus deutlich veränderte, zumindest im Vergleich zum Zivilisten. Verus war in seiner Übung versunken, seinem Tanz, der trotz der starken Bewegungen äußert fragil wirkte. War das eine kleine Träne in seinem Auge oder doch eine Schweißperle? Der angehende Offizier stockte, hielt inne und blickte sich um. "Salve," grüßte er den Schattenmann, der sich näherte.

    "Ich fürchte mich vor dem Charakter der Germanen, Lepidus. Sie denken anders als wir Römer," erklärte Verus seine Vorurteile, die sich eventuell eines Tages als falsch herausstellen würden. "Wenn du glaubst, dass es sich von selbst regelt...," schloss er sich Lepidus Ansicht an. "Sei nicht zu hart zu ihr." Der römische Legionär nickte. Nun war Verus doch deutlich beruhigter und sah seine Ängste als unbegründet an. Wahrscheinlich würde es zu keiner Ehe kommen. Verus machte eine verbale Pause, um Lepidus die Gelegenheit zu geben, ihm ein paar Fragen zu stellen. Immerhin war der junge Tiberius nicht der Typ Mensch, der sich gerne in den Vordergrund stellte.

    Alles Gesagte trat zurück, als Lepidus den Germanen ansprach. Verus weitete seine Augen und konnte es kaum glauben. Nicht, dass er per se gegen Vala eingestellt war, er kannte ihn ja noch nicht mal aber ein Germane sollte eine Tiberia ehelichen? Zudem hatte er grausame Geschichten von Germanen gehört und die militärische Präsenz an der Grenze zum freien Germanien sprach für sich. Verus, als angehender Berufsoffizier, sah eine gewisse Angst in sich aufkommen, die sogar den Fakt verdrängte, das Vala Senator war. "Wir müssen es verhindern," war alles was Verus dazu sagte. Vorurteile zum Thema Germanen waren oft stärker als rationale Überlegungen. Vielleicht war der gute Tiberius ein verkappter Germanen-Hasser, obwohl er nie dort war. Man wusste nur von den Überfällen, von Varus und vielen weitere historischen Geschichten, die einen Römer ängstigen konnten. Da fiel Verus auf, dass Lepidus "Senator" gesagt hatte. "Er ist sogar Senator?" Skeptisch beugte sich der junge Tiberius zu seinem Verwandten vor, als ob sie eine Verschwörung planen würden.

    Verus, der Einsame, zog durch die Straßen Roms, um seine Gedanken zu sortieren, sich selbst daran zu erinnern, warum er lebte. Seine Mission lief weiter. Der Einsatz für den Präfekten zog sich hin, denn seine Männer hatte noch nichts Neues herausgefunden. Alles schien zäh, sein ganzes Leben verlief in Zeitlupe. In diesem Gefühl, welches so belastend war, tag-träumte der Patrizier über den Stein des Bodens. Man mochte gar denken, dass er der Welt entrückt war. Vielleicht sprach ihn niemand an, weil er das cingulum militare trug und auch die rot-braune Wolltunika eines Soldaten, neben den caligae. Soldaten hatten ja den Ruf recht wehrhaft zu sein und auch oft etwas seltsam, wenn man an die Kriegszitterer dachte. Zwar mochten sie ein ehrenhaftes Handwerk belegen, dennoch hielt man gebotenen Abstand zu den Helden Roms, um nicht die betrunkenen Pranken eines angeschlagenen Löwen ins Gesicht zu bekommen. Verus wirkte also wohl nicht sonderlich sozial oder weltoffen, um es nüchtern zu formulieren. Er selbst fand sich in diesem Albtraum bestärkt, allein im Universum zu sein, nachdem seine Liebe durch seine Hände geronnen war. Keine einzige Antwort bisher. Man vergaß ihn auf seinem Posten. Selbst die Mission wurde immer mehr zur Last, denn sie fanden ihn einfach nicht. Der Legat blieb verschwunden. Die Männer zweifelten daran, ihn überhaupt noch zu finden und wenn dann wohl eher tot. Verus wollte keine Leiche bergen. Diesen Anblick wollte er sich ersparen. Alles in allem war Verus nicht auf der Höhe und betrachtete seine Umwelt eher mit skeptischen, mies scheinenden Blicken. Plötzlich geschah etwas. Verus, der tollpatschige Offizier, trat unsanft in eine Menschenmenge, wurde einem ruppigen Sklaven leicht abgedrängt und stieß mit Ilîas Priamos zusammen, dem er unsanft in den Rücken lief. So etwas geschah, wenn man in Gedanken war und seine Umwelt nicht wahrnehmen wollte. Verus traf die Schulter und torkelte dann einen Schritt zurück, sich der Umwelt wieder bewusst werdend. "Verzeihung," jappste der Soldat, seine Augen mehrfach schließend. Dann war er wieder im Moment. Fortuna hatte ihn recht indiskret aus seiner Gedankenwelt aus Verlust sowie Einsamkeit gerissen. Der Tiberius bemerkte den wohl gekleideten jungen Mann und Priamos, wohl weniger betucht. Mehr konnt er nicht ausmachen. Scheinbar war er wohl in eine Unterhaltung gerannt oder besser eingedrungen. Ein Soldat hatte seine Dienstpflicht fälscherlicherweise angewandt, die der Invasion.

    Es war spät geworden, sehr spät sogar. Verus konnte nicht schlafen. Der Gedanke an seine Calena riss ihm jegliche Müdigkeit aus der Seele. Unruhe war in ihn gefahren. Es gab kein Zuhause mehr für ihn. Sie hatte ihm nicht geantwortet. Die Briefe, die er sandte, waren unbeantwortet geblieben. Seine Liebe hatte ihn vergessen. Alles, was er noch hatte, schien verloren im Angesicht dieses Gedankens. Sein Landgut niedergebrannt durch Schergen Salinators, in Rom gab es keinen Platz für ihn, und nun hatte ihn seine Liebe vergessen. Verus war gescheitert - mit seinem Leben. Dennoch etwas trieb ihn weiter, hinaus auf den Campus, bewaffnet mit seinem Gladius. Dem geschmiedeten Stahl, den er von seinem letzten Geld anfertigen ließ. Das Wappen der Tiberii auf dem Griff war es Zeichen eines Kämpfers, der nicht aufgeben konnte, auch wenn er aufgeben wollte. Seine Hände umschloss das wertvolle Holz des Griffes, welches fast weich in seiner Hand lag. Bis jetzt war er traurig gewesen. Einsam in seinen Gedanken. Bis jetzt. Verus, gekleidet in die Tunika eines Soldaten, gegürtet mit dem soldatischen Ehrenzeichen, hob seine Waffe, um einen seltsamen Tanz aufzuführen, der unrömisch erschien. Er schwang seine Waffe im Mondlicht, fast verrückt, über seinen Kopf. Seine Schritte wirkten tänzelnd und so zog der Optio seine Kreise auf der Asche des Bodens. Das Licht des Abends war düster, brach sich aber auf der Oberfläche der Waffe. Ein Krieger übte. Nicht den Kampf in Reihe, sondern den Kampf mit sich selbst. Zwei Wachsoldaten beobachteten ihn von ihrem Patroullienweg aus, lachten sogar, blieben dann aber stehen, um den seltsamen Vogel ihrer Legion zu bewundern. Verus, in sich geschlossen, tanzte weiter mit seiner Waffe. Die Klinge - eigentlich Stichwaffe - sauste auf imaginäre Gegner herab, durchtrennte die Luft und durchbohrte geisterhafte Körper.


    Verus wollte vergessen, sein Trauma und seine Liebe. Jetzt. Das Herz schlug im kalten Wind der Nacht. Der Dunst der Fackeln stieg in die Nase, während sich die Stiefel des Legionärs in den Boden gruben. Welche Musik mochte er hören? Niemand hörte sie. Der einsame Tanz eines verlorenen Mannes, der alles hinter sich gelassen hatte, um ein Diener Roms zu sein, obwohl ihm Rom nie das gebracht hatte, was er sich erhoffte.


    Illusionen bekämpfte er. "Kein Weg zurück," brachte sein staubiger Mund murmelnd hervor. In der Tat - es gab keinen Weg zurück für Verus, der ganz untypisch war. Ein Patrizier, der sich entschieden hatte, zu dienen. Als einfacher Mann der Kohorten. Ein Patrizier, der nicht auf sein Standesrecht hoffte, sondern sich in seinen Sturz hinab verliebt hatte. Das Trauma war sein Ballast, welcher ihn herabriss und auch antrieb. Der Tanz ging weiter.

    Es wurde eng. Dass dieser Weg kein leichter sein würde, wurde schnell ersichtlich für den jungen Anführer. Die Serpentinen verunsicherten Verus deutlich, da er nicht abschätzen konnte, inwieweit sie hier noch weiterkamen oder eben nicht. Er überlegte, umzukehren und einen neuen Weg zu bestimmen, doch dafür war es wohl zu spät. Den ganzen Weg zurück? Sicherlich nicht. Da ging Verus lieber ein Risiko ein. Immerhin konnte der Legat auch diesen Weg genommen haben. Die Augen des Patriziers suchten umher, nach Dingen, die eine Möglichkeit boten, die Strecke zu bestimmen. Die Bäume taten ihr Übriges, um Verus an einer klaren Orts- oder Wegesbestimmung zu hindern. Insofern fiel sein Blick auf den Weg selbst, auf seinen festen Stand und das Moos unter seinen Füßen sowie die Erde. "Achte auf dein Pferd," sagte der Optio wohlweißlich der engen Lage in der sich die römischen Soldaten befanden. Und so drängte man sich weiter über den Weg, dessen Boden man mit den Augen suchte. Es war leicht rutschig aber zum Glück trugen die Soldaten genagelte Sohlen, welche vorerst noch Halt boten.

    Ein bezahlter Bote gab eine kleine Kiste mit Sesterzen und diese Tabula ab.


    Ad
    Decima Calena
    Insula XXI - Trans Tiberim
    Roma, Italia


    Meine Liebe, meine Schöne,


    ich schreibe dir einsame Zeilen aus der Ferne und vermisse dich. Du hast mir keine Nachricht zukommen lassen, scheinst mich vergessen zu haben und ich mache mir darüber Gedanken.


    Ich vermisse deine Berührung, deine Nähe und auch deine kritischen Worte. Ich höre nichts von dir und die Einsamkeit hier in Mantua wächst. Ich tat es doch für dich! Für uns! Wir brauchten das Geld, sonst wäret ihr verkommen! Leider ist unser Scheidungsspiel wohl Wirklichkeit geworden. Dennoch schicke ich dir anbei, wie jeden Monat, einen Teil meines Soldes als Unterhalt für euch.


    Was soll ich noch schreiben? Die Momente ohne dich, waschen jegliche Hoffnung dahin. Ich glaube, dass es besser ist, wenn ich dich freigebe. Endgültig. Dein Aulus hat sich verlaufen, verrannt, in diese feste Idee, Soldat zu sein. Ich denke, dass unsere gemeinsame Zeit aufgebraucht ist und wir uns nicht mehr sehen können. Du willst es scheinbar auch nicht mehr. Kein einziges Wort von dir, welches unsere Liebe rettet!


    Bitte melde dich, sonst muss ich es als beendet betrachten, da diese Entfernung mein Herz zerreißt!


    Vale bene!


    AULUS TIBERIUS VERUS

    "So geheim ist sie nicht," antwortete Verus mit einem kecken Unterton. Sieh an! Der gute Lepidus wurde tatsächlich das, was der junge Tiberius am meisten fürchtete: Politiker. Er war auf dem besten Wege Macht, mehr Reichtum und Lebenslügen anzuhäufen, als Verus je bereit war, zu tragen. Gut, es war auch nicht die Lebensweise des Tiberius Verus, sollte Lepidus doch, wenn er damit sein Glück fand. Nur bezweifelte der angehende Offizier dies, da ihm selbst solche Werte suspekt waren. Vielleicht war er nicht patrizisich genug oder römisch genug, um nach Macht oder Reichtum zu streben. Für Verus reichte eine seelische Beruhigung, eben ein gesundes Auskommen und eine Lebenssicherheit aus. Mehr wollte er nicht. Wie Blutslinien doch manchmal seltsam verlaufen konnten? Verus, der seltsame Alltagsphilosoph in der Legion und der gerissene, eloquente Senatorenaspirant. Fortuna war eine Komödiantin. "Du dienst dem Augustus direkt?" Nun war der Bursche in Militärkluft doch erstaunt. Gut, es war klar. Karriere. Was erwartete er von Lepidus? Nicht unbedingt Fürsorge für die Bürgern, sondern allein um sich und die Tiberii. "Meinen Glückwunsch!" Immerhin musste Verus dies kommentieren, um an Lepidus nicht zu kleine Eitelkeit zu appellieren. Diese war selbst dem sonst so weltfremden Verus bekannt. Lepidus mochte es, hofiert zu werden. Es machte die Gespräche einfacher und freundlicher. "Du bist dir ziemlich sicher, dass du bald Senator bist?"- war nun die indirekte Frage. Verus war neugierig, warum er sich so sicher. Ja, sie waren Patrizier. Ja, sie waren Tiberiii. Und - ja, bei allen Göttern - sie hatten das Vermögen. (Ausgenommen Verus, der arm, wie eine Tempelmaus war.) Der angebrachte Zweifel mochte den patrizischen Soldatensohn im Nachgedanken nicht wirklich überzeugen. "Immerhin sanierst du unseren Ruf, zu dem ich nun wirklich nicht viel Positives beitragen kann," sagte Verus dann ein wenig desillusioniert. "Ich bin nur Soldat und du angehender Senator."


    Der Blick fiel zu Boden, bevor er sich wieder erhob, um eine merkwürdige Aussage von Lepidus zu bestaunen. Verus war überrascht. Hatten sie sich zerstritten? Lucia war doch eine herzensgute Frau, ähnlich Verus. Gut, da mochte der Fehler liegen. So etwas passte nicht in das schemenhafte Konzept eines Berufspolitikers. Lucia war unbequem. "Ist etwas mit Lucia vorgefallen?" - war die nachvollziehbare Nachfrage.

    Und so nahm der merkwürdige Verus Platz. "Gerne," kommentierte er dies und rutschte mit dem Schemel mitsamt eines kuriosen Geräusches näher an Lepidus heran. "Ich bin dienstlich im Umland von Rom oder besser im italischen Norden unterwegs ," erklärte der frischgebackene Soldat Roms. "Ich möchte aber nicht näher darauf eingehen," flüchtete er schnell, da es ihm unangenehm war, es zu zugeben, dass er sich eigentlich ohne dienstliche Notwendigkeit hier aufhielt und eigentlich längst in Ostia sein sollte. "Aber lass' uns nicht von mir reden, das ist unhöflich. Du bist der Gastgeber und ich sollte dich fragen." Verus lächelte breit und versuchte auf dem unbequemen Schemel eine gute Sitzposition zu finden. "Wie steht es mit deiner Karriere?" Dann wagte der Tiberius einen Blick zurück zur Tür, die noch offen stand. "Ist die wunderschöne Lucia im Hause?"