Beiträge von Sergia Fausta

    Die Personalkosten.... Ich musste mir ein Augenrollen verkneifen. Der Cursus Publicus hatte doch nicht nur Personalkosten! "Es ist richtig, Primicerius Decimus, dass die Gehälter der Mitarbeiter des Cursus Publicus vom Staat bezahlt werden. Allerdings machen den Cursus Publicus nicht nur die Praefecti, Stationarii und Tabellarii aus. Der Cursus Publicus besitzt unzählige Mansiones, verteilt über das gesamte Imperium, damit jeder Caius seine Post bequem an seinem Wohnort oder vielleicht auch dem Nachbarort abgeben kann, und nicht selbst erst die halbe Strecke nach Rom reisen muss, um seine Post zu verschicken. Dazu kommen die Mutationes, die Pferdewechselstationen. Diese ganzen Gebäude müssen alle in Schuss gehalten werden, wie ebenfalls die dort untergebrachten Pferde, die auch die Garanten des Cursus Publicus für einen schnellen und funktionierenden Postversandt sind." Das wäre ja sonst eine interessante Vorstellung, dass die Boten von Rom nach Obergermanien beispielsweise zu Fuß liefen. Wie lange sollten die da unterwegs sein? "Und dass die Versorgung der Pferde, wie übrigens auch der Neukauf dieser Tiere, die irgendwann nun einmal auch sterben, sehr teuer ist, brauche ich dir sicherlich nicht zu erzählen." Wer nämlich ein Pferd in seinem Wappen führte, der wusste das mit Sicherheit auch selbst!
    Blieb mir nur die Fakten nochmal zusammenzufassen: "Was es nun bedeutet, dass der Cursus Publicus in den letzten vier Geschäftsjahren gerade einmal einen Überschuss in Höhe von zwei neuen Pferden erwirtschaftet hat, liegt sicher auf der Hand: Der Staatsbetrieb des Cursus Publicus erwirtschaftet kaum Gewinne, sondern arbeitet viel mehr kostendeckend.", erklärte ich und verteidigte meinen Arbeitgeber.... oder vielmehr dessen Geld. Denn es war ja nicht besonders schwer hier nun zu erahnen, in welche Richtung der Finanzprimiercius mit seinem Kommentar gehen wollte.


    Nach kurzem Überlegen kam mir dann noch ein ganz ausgezeichnetes Beispiel in den Sinn: "Anhand dieser Zahlen kannst du sehen, dass heute nur zwei Pferde von irgendwelchen Wölfen in Germanien oder Dakien gerissen werden müssen, damit die Ersparnisse von ganzen vier Geschäftsjahren weg sind. Ich will gar nicht daran denken, wieviel es den Cursus Publicus kosten würde, falls die Parther die Situation im Reich ausnutzen und uns im Osten überfallen und dabei auch zig Stationen des Cursus Publicus niedermachen." Wo waren die Legionen auch gerade auf Abwegen? "Und dasselbe könnte ich auch von Germanien sagen oder Dakien....", führte ich aus.
    Weiter gedacht: "Wenn also irgendein Ereignis uns dazu zwingt auf Rücklagen zurückgreifen zu müssen, die uns vorher genommen werden.... Nun, ich bin nur eine Stationaria", was im Übrigen KEIN Postboten-Job, sondern eine Beamtentätigkeit war, "aber ich könnte mir gut vorstellen, dass sich wenigstens temporär der Briefversand verteuern könnte....", erklärte ich mit besorgtem Gesicht.

    Der Sieg war mein! Und so strahlte ich auch, als Dives sich mit der Ehe einverstanden erklärte. Erst bei seinem Nachsatz veränderte sich mein Gesichtsausdruck so, als hätte ich gerade auf etwas Bitteres gebissen. Ja, ich war ja nur eine Frau. Aber das würde mein Zukünftiger noch merken, wie sehr auch "nur eine Frau" einen Willen haben und diesen auch mit aller Kraft durchsetzen würde!
    Dann streckte er mir die Hand entgegen. Ich überlegte kurz, dann ergriff ich sie, zog sie zu mir heran und gab dem Iulier nun endlich auch seinen verdienten Kuss. "Es freut mich, dass wir uns verstehen.", lächelte ich anschließend und strich ihm sanft mit meiner rechten Hand über seine Wange. Wie gesagt: "Nur eine Frau" würde ihren Willen immer durchsetzen - besonders wenn sie Sergia Fausta hieß! Apropos: "Du darfst mich von jetzt an Fausta nennen.", zwinkerte ich ihm noch zu, bevor ich langsam weiterging. Wir mussten nun schließlich wieder zurück ins Innere der Casa Helvetia. Das hatte mein Zukünftiger ja vorhin gesagt - und jetzt stimmte ich dem auch zu.

    Verfallen? Hatte der Decimer zuvor etwas über irgendein Verfallen gesagt? Also ich hatte davon nichts gehört - und nein, das lag bestimmt nicht an mir. Entweder war dieser grausige Bart des Finanzprimicerius schuld, indem er mich abgelenkt hatte, weil ich mich gedanklich wieder einmal über dieses haarige Ungetüm am Kinn des Beamten aufregen musste. Oder aber dieser grausige Bart des Finanzprimicerius war schuld, indem er dafür sorgte, dass alle Worte des Decimers über irgendein Verfallen eines Guthaben nur als Genuschel bei mir ankamen. Für mich war die Sachlage hier also ganz klar: Ich war komplett frei von jeder Schuld, während der Decimer sich mal rasieren lassen sollte!
    Wie der Alte anschließend darauf kam, dass der Cursus Publicus 1000 Sesterzen kassierte und dennoch die Wertkarte der Classis ganz auf 190 Sesterzen zurückgesetzt werden sollte, erschloss sich mir dann aber wirklich nicht. Aber, dachte ich mir, vielleicht hatte er sich da auch nur versprochen. 1000 Sesterzen für den Cursus Publicus kassieren und 1000 Sesterzen von der Wertkarte der Classis wegkorrigieren, damit war ich jedenfalls sehr einverstanden! "Dann werde ich 1000 Sesterzen des Fehlers korrigieren und den Rest als Zahlung der Classis erwarten.", lächelte ich sichtlich zufrieden mit dieser Lösung. Der Postpräfekt wäre sicherlich ebenfalls vollauf zufrieden mit diesem Ergebnis - insbesondere da die zusätzlichen 100 Sesterzen auch die Zugeständnisse an den Consular Purgitius mehr als wettmachten!


    So also lehnte ich mich wieder etwas zurück und blickte kurz leicht irritiert, als der Primicerius plötzlich von seinem Privatleben zu sprechen begann. Ich hatte ja nicht gemerkt, wie ich unbedacht einen gewissen Ausblick geboten hatte. Was also wollte mir der Decimus jetzt damit sagen? Ich reimte mir einfach mal zusammen: Der alte Kerl fand mich ziemlich scharf (verständlich), konnte mir das hier und jetzt aber nicht zeigen, weil er glücklich (mit diesem Bart?? Das bezweifelte ich!) verheiratet war. Seinen Sohn erwähnte er wohl, weil er glaubte, dass er mich dadurch trotzdem in seiner Nähe haben könnte. Ja, das ergab Sinn.
    Aber kaum hatte ich diesen gedanklichen Schluss gezogen, da war das Gespräch auch schon längst weiter galoppiert, sodass ich darauf nicht mehr antworten konnte. Stattdessen zog ich nach kurzer Suche eine weitere Wachstafel heraus und las ab: "Der aktuelle Kassenstand des Cursus Publicus wird monatlich festgestellt, zuletzt also an den Kalenden des August. Dort betrug das Guthaben exakt 48056,58 Sesterzen, wobei ich ausdrücklich erwähnen möchte, dass davon im letzten Geschäftsjahr * nur 160 Sesterzen, in den letzten vier Geschäftsjahren * in Summe lediglich 500 Sesterzen eingegangen sind.", beantwortete ich die Frage des Beamten gleich etwas ausführlicher. Der sollte schließlich wissen, dass der Gesamtbetrag sich zwar erstmal nach sehr viel anhörte, aber die Einnahmen seit geraumer Zeit praktisch kontinuierlich zurück gingen.


    Sim-Off:

    * CH-Zeitraum:
    1 Geschäftsjahr = 3 RL-Monate
    4 Geschäftsjahre = 1 RL-Jahr

    Der Decimer machte mir nun noch einen weiteren Vorschlag. Zufrieden nahm ich also zur Kenntnis, dass er mit damit indirekt recht gab, dass ein Schaden vorlag, der aus der Welt geschafft werden musste. Dass er mir dann aber 1000 Sesterzen anbot, überraschte mich etwas. Angesichts seines Briefes mit der Bitte um eine Darstellung der Finanzen des Cursus Publicus war ich nämlich davon ausgegangen, dass die Finanzabteilung der Kanzlei aktuell eher einen Sparkurs auf allen Ebenen fahren würde. Oder warum sonst interessierte sich die Fianzabteilung nach einem teuren Bürgerkrieg so ganz plötzlich für die Kasse des Cursus Publicus? Vor allem stellte sich doch auch die Frage, wer die ganzen Briefe schreiben sollte, die man von 1000 oder 2000 Sesterzen verschicken könnte! Trotzdem biss ich mir kurz auf die Unterlippe und rechnete dabei fix nach: Der Decimus wollte, dass der Cursus Publicus auf vollen 50 Prozent des Schadens sitzen blieb! Selbst bei dem Consular Purgitius, der ja schon ein ganz besonderes Sonderangebot von mir bekommen hatte, betrug der Rabatt (beziehungsweise der Schaden, den der Cursus Publicus trug) nur 30 Prozent. Kurzum: Ich wollte bessere Konditionen!
    Kurzerhand dachte ich mir also ein Gegenangebot aus: "Das ist wirklich sehr großzügig, Primicerius Decimus. Allerdings fürchte ich, dass mein Vorgesetzter, der Postpräfekt von Italia, trotzdem nicht sehr zufrieden damit wäre. Sieh: Der damalige Mitarbeiter, der diesen Fehler durch sein unverantwortliches Verhalten verursacht hat, kann seitens des Cursus Publicus nicht mehr für die anderen 50 Prozent des Schadens belangt werden. Er ist schon vor einer ganzen Weile erbenlos hier in Rom gestorben.", behauptete ich ohne mit der Wimper zu zucken. Was hieß das nun für diesen Fall? Wenn jemand in Rom ohne einen Erben starb, dann bekam wer dessen Vermögen? Der Staat. "Andererseits muss ich aber auch sagen, dass ich der Meinung bin, dass die Classis Romana gar nicht eine so große Wertkarte hier in Italia braucht. Ich habe mir nämlich mal die Mühe gemacht und recherchiert: Im Februar 860 ab urbe condita wurde die Wertkarte mit einem Guthaben von 250 Sesterzen erworben. Bis heute wurde damit insgesamt nur 7 Briefe versandt! Den Grund dafür habe ich übrigens auch herausgefunden: Gerade die Classis Misenensis kann nämlich auch intern Nachrichten von Misenum nach Rom oder umgekehrt bringen lassen, weil hier in Rom nämlich zur Bedienung der Sonnensegel des flavischen Amphitheaters immer einige Soldaten der Classis Misenensis stationiert sind.", führte ich aus, nickte und ließ diesen Fakt wirken. Da konnte man sich ausrechnen, wie lange es dauern würde, bis 2000 Sesterzen aufgebraucht wären. Wahrscheinlich schrieb noch in 1000 Jahren der Präfekt auf dieses Guthaben Briefe an den Kaiser! "Was hälst du also davon, wenn du erlaubst, dass der Cursus Publicus 1000 Sesterzen des Fehlers rückwirkend korrigieren darf, während die übrigen 1000 Sesterzen, wie du angeboten hast, nachgezahlt werden?", fragte ich. Auf diese Weise stünde der Cursus Publicus mit einer weißen Weste da, was den Postpräfekten bestimmt freuen würde, wenn ich ihm das erzählte! Dann lehnte ich mich etwas nach vorn zum Decimer (und bot damit natürlich jetzt auch etwas unbedacht einen ganz exklusiven Ausblick auf meine Oberweite). "Weil die Wertkarten des Cursus Publicus in dieser Größenordnung mit einen Rabatt von 10 Prozent angeboten werden, müssten auch nur 900 dieser 1000 Sesterzen auf dem Konto des Cursus Publicus ankommen....", flüsterte ich ihm zu und lächelte vielsagend. Mir selbst reichte ja der Ansehensgewinn beim Postpräfekten aus, weil mir eine spätere Beförderung mehr als nur 100 Sesterzen mehr in der Tasche bescheren würden. Daher wäre es mir auch relativ egal, wo genau der eine Aureus letztlich bleibe. Das hieß: Mit 100 Sesterzen könnte dieser alte Decimer hier sich wahrscheinlich bis an sein Lebensende regelmäßig seinen Bart entfernen lassen. Denn gepflegt oder nicht, fand ich Bärte einfach scheußlich!

    Ich lächelte verhalten als der alte Primicerius meine Arbeit als "akzeptabel" einstufte - nur! Aber natürlich musste so ein Sesselpupser mit dieser schrecklichen Gesichtsbehaarung (ich wurde nicht müde, Bärte aller Art absolut abstoßend zu finden) natürlich erstmal wissen, wie gute Aufgabenerledigung aussah, bevor er sie auch in einer Situation wie der diesen erkennen konnte. O tempora, o mores!, hatte sich schon mein erster Lehrer in Alexandria immer beschwert (oftmals auch über mich, aber den Teil hatte ich bislang immer ganz erfolgreich verschwiegen). Ja, wo war es hin, das goldene Zeitalter, in dem alles besser war? Damals hatte ich meinen Lehrer nur für von Sinnen gehalten, heute nun sah ich, was er meinte.
    Ja, der Decimer wollte mir im Anschluss daran nun sogar noch weismachen, dass ich mir den Fehler nur einbildete und er nicht wirklich existierte! Hallo?? Und was in aller Welt wollte er mir mit irgendeiner Null sagen? * Ich schrieb eine Zweitausend als MM und nicht anders. Wie gesagt: Ich benutzte römische Zahlen, weil auch meine Vorgänger die benutzt hatten und weil es überhaupt auch gar keinen Grund gab, aus dem heraus ich das anders machen müsste. Das System hatte sich einfach bewährt! Und dann zeigte er mir einen Buchungseintrag, der über EIN Jahr von dem Zeitraum entfernt lag, um den es hier gerade ging! Wollte der mich testen oder veralbern? Etwa zum gleichen Zeitpunkt. Tze! "Es tut mir Leid, aber.... Nein, das kann nicht sein. Überhaupt muss ich erst einmal feststellen, dass dem Cursus Publicus wahrhaftig ein Schaden in vierstelliger Höhe entstanden ist. Denn nur weil von der Wertkarte noch nicht so viel abgebucht wurde, dass sie unter 2000 Sesterzen wert ist, steht dort ja trotzdem erstmal der zu hohe Betrag zu Buche. Und weil das ganze schon so lange her ist, kann der Cursus Publicus das bei einem so großen Betrag auch nicht einfach so rückwirkend korrigieren, wie der Postpräfekt mir nahegelegt hat. Der Cursus Publicus ist auf eine Lösung im gegenseitigen Einvernehmen angewiesen. Und bis diese nicht gefunden ist, sind die 2000 Sesterzen wohl oder übel ein entstandener Schaden.", legte ich ernst dar. Ich ließ mich hier schließlich nicht für dumm verkaufen - auch nicht von so einem alten Sack!
    Aber das Finale kam erst noch: "Wie hier in der kaiserlichen Kanzlei die Abläufe sind und wann man hier was verzeichnet, weiß ich nicht. Beim Cursus Publicus jedoch wird in aller Regel - mit offentlichtlicher Ausnahme der Mai-Abrechnung des Jahres 861 ab urbe condita - eine Wertkarte dann erstellt oder aufgeladen, wenn der Kunde bezahlt. Ein Zahlungseingang im Februar 860 ab urbe condita wird daher auch in genau diesem Februar abgerechnet. ** Nicht anders.", blieb ich sachlich, aber sehr bestimmt und ernst. Innerlich war ich mir nämlich noch immer nicht ganz sicher, ob das hier ein Test sein sollte oder der Alte dachte, dass er mich so leicht abfertigen konnte. Darüber hinaus wollte ich natürlich auch nicht riskieren, dass er mich am Ende von irgendwelchen grobschlächtigen Prätorianern entfernen ließ. "Zuletzt möchte ich mich noch einmal wiederholen, 'cause I often quote myself. It adds spice to my conversation. *** ", erklärte ich mit zynischem Lächeln in akzentfreiem Griechisch.

    Zitat

    Original von Sergia Fausta
    "Ohne dass eine Einzahlung auf die Wertkarte der Classis Romana stattgefunden hat - das habe ich persönlich genaustens überprüft - hat besagter Amtsvorgänger aus mir unerklärlichen Gründen", denn ich rechnete natürlich mit römischen Zahlen und nicht mit irgendwelchen arabischen, "nicht nur 20 Sesterzen für die Briefbeförderungen von der Wertkarte gestrichen, sondern auch noch 2000 Sesterzen einfach hinzuaddiert."

    "Ich habe mich - persönlich und genauestens - davon überzeugt, dass weder im Mai, noch den beiden angrenzenden Monaten April und Juni auch nur ein Sesterz auf die Institutions-Wertkarte der Classis Romana eingezahlt wurde.", wiederholte ich also (wennauch nicht exakt im gleichen Wortlaut), dass es daran nicht liegen konnte. Ob ich sicherheitshalber auch nochmal repetieren sollte, welche Problemlösungen ich mir besonders gut vorstellen könnte? Ich entschied mich dafür, denn einem betagten Mann erzählte ich lieber etwas einmal zuviel als einmal zu wenig. Der schien sich ja so schon nur die Hälfte von all dem merken zu können, was ich sagte.... "Von Seiten des Cursus Publicus würden vor allem zwei Lösungsvarianten sehr gern gesehen werden: Wir könnten im Einvernehmen mit der kaiserlichen Kanzlei entweder den Fehler rückwirkend korrigieren und auf diese Weise den Schaden auf Null reduzieren. Oder wir könnten eine Ausgleichszahlung entgegennehmen und mit dieser den Schaden ausgleichen." Die dritte Variente, die ich zuvor noch pro forma genannt hatte, verschwieg ich jetzt.


    Sim-Off:

    * Entstanden ist der Fehler (sim-off) wahrscheinlich, indem von "210" jemand die "21" löschen und durch "19" ersetzen wollte. Die "2" wurde versehentlich aber nicht gelöscht, sodass am Ende "2190" dastand statt "190". Mit römischen Zahlen (sim-on) passiert sowas aber nicht so schnell, weil M=1000, C=100 und X=10 einen solchen Fehler eigentlich kaum zulassen. ;)
    ** Fälschlicherweise steht in der Abrechnung etwas vom 05.01.2010. Korrekt ist aber erst am 05.02.2010 ein Betrag von 200 Sesterzen für eine 250er-Wertkarte (wahrscheinlich unter Sonderkonditionen) auf dem Konto eingegangen. 8)
    *** Zitat von George Bernard Shaw (1856-1950). Zu deutsch etwa: "Ich zitiere mich oft selbst. Ich finde, das bringt Würze in mein Gespräch." - The Wordsworth Dictionary of Quotations, Robertson, Connie, Wordsworth, Herfordshire 1996

    Ich lächelte mein zufriedenes Siegerlächeln, als mich der Iulier nach meinen eigenen Vorteilen befragte. Das hieß ja immerhin, dass mein Satz über Titus ordentlich gesessen hatte und er wenigstens auf die Schnelle kein anderes Druckmittel gefunden hatte. Das musste ich jetzt natürlich versuchen auszunutzen!
    Also: Was hatte ich davon? "Neben deiner - weiteren - Unterstützung meines Cousins", betonte ich, dass das ja wohl selbstverständlich war und noch lange kein Vorteil für mich in dem Sinne, "verspreche ich mir eine Verbindung auf Augenhöhe. Du weißt, was ich nun über dich weiß....", deutete ich an und zog meine linke Augenbraue ganz cool nach oben. "Außerdem scheinst du mir ambitioniert zu sein und so einige Verbindungen zu haben, von denen ich sehr gerne ebenfalls profitieren würde, solange meine Onkel Decimus und Kaeso.... also Annaeus Varus und Annaeus Modestus als Praefectus Aegypti beziehungsweise großer Statthalter von Germania", von dem ich erst später hören würde, dass er einer derjenigen Feldherren war, die diesen Salinator in die Knie gezwungen hatten - und dass er dabei schwer verwundet worden war. "so weit weg sind und mich nicht direkt unterstützen können." Ich wollte nämlich Stationaria werden und später dann gut bezahlte Postpräfektin von Italia. Ich wollte mir mehrere Betriebe zulegen, wobei mir erst später eine richtige Idee dazu kommen sollte, was für Betriebe ich wollte. Nicht zuletzt wollte ich natürlich auch freundschaftliche Kontakte finden und Anerkennung in der Gesellschaft, wozu es nicht schlecht war: "Zudem bist du jung, unverheiratet und attraktiv - ein Mann, der trotz seines kleinen Schönheitsfehlers sehr gut an meine Seite passen würde.", lächelte ich und ließ es mir nicht nehmen bei diesem Kompliment auch gleich wieder auf mein Druckmittel zu verweisen.
    Dann überlegte ich einen kleinen Augenblick. Hatte ich noch irgendetwas vergessen? "Ach ja. Was meine Freiheiten und unsere Augenhöhe betrifft, so würde das auch bedeuten, dass nicht nur du meine Erlaubnis für eine Affäre hättest, sondern auch ich deine für jemanden, der für dich die ehelichen Pflichten übernimmt. Ich denke, das ist auch in deinem Interesse. Und keine Sorge: Ich verstehe etwas von Diskretion und weiß, wie man Leute zum Schweigen bringt.", lächelte ich oberflächlich. Andererseits würde mich das bestimmt nicht davon abhalten es nicht wenigstens mal zu versuchen diesen Dives zu verführen, denn irgendwie reizte es mich ja schon, dass er sich so unnahbar gab....

    Ich lächelte ehrlich, als der Sekretär des Consulars mit einem Wort seine offenbare Zufriedenheit mit der Situation ausdrückte. Das notierte ich mir auch gleich gedanklich - vor allem natürlich, dass das nur meiner Idee der Problemlösung zu verdanken war! Während der Mann dann das Geld holen ging, stand ich schonmal von meinem Platz auf und sorgte mit ein paar geübten Griffen dafür, dass der schicke Fummel, den ich trug, auch wieder ordentlich fiel. Kurz darauf war der Sekretär dann auch schon mit dem Geld zurück, das ich mit einem Lächeln entgegen nahm und natürlich sicherheitshalber fix zählte. Nicht dass ich glaubte, dass mich der Verwalter eines Consulars betrügen wollte, aber Vertrauen war zwar gut, Kontrolle hingegen war besser. "70 Sesterzen, genau.", nickte ich und verstaunte diesen Betrag anschließend sicher. Auf die Dankesbekundung hin erklärte ich: "Der Cursus Publicus freut sich, dass diese Angelegenheit zu beiderseitiger Zufriedenheit aus der Welt geschafft werden konnte." Den versuchten Charme - jetzt - ignorierte ich gekonnt. Entweder ganz und von Beginn an, oder gar nicht! "Vale.", verließ ich danach mit federleichter Freundlichkeit und ab dem Vestibulum auch wieder gefolgt von meinem breitschultrigen Schatten die Casa Purgitia.

    Boah, was wollte der denn jetzt bitte von mir?? Ich versuchte mich zu zügeln und funkelte ihn nur aus schmalen Augen böse an. Dabei versuchte ich dennoch gleichzeitig zu lächeln, was allerdings kaum mehr besonders freundlich aussehen konnte. Don't get me started!, dachte ich mir noch, als der Kerl für meine Begriffe total arrogant meinte, dass ich ihm Leid tun würde. Das hatte ich ja wohl nicht nötig! "Oh, glaub mir, dass ich gerade dir bestimmt nicht Leid tun muss! Mein Großvater Sergius Stephanus war Ritter, bevor er den politischen Weg einschlug und sich immerhin zum Quaestor Consulum wählen ließ. Mein Urgroßvater Annaeus Sophus war angesehener Augur des Collegium Augurum hier in Rom. Mein über diese Linie Onkel Annaeus Varus sitzt derzeit in Alexandria als Praefectus Aegypti und mein Onkel Annaeus Modestus war es, der als gewesener Praetor und großer Feldherr und Statthalter mit etlichen Legionen über die Alpen gezogen ist, um hier den Kaisermörder und Usurpator Vescularius Salinator mitsamt seinen Anhängern hinwegzufegen, wie...." Jetzt, wo ich nun doch angefangen hatte dem Decimus einen energischen Vortrag zu halten, war ich so voll dabei, dass ich für den angekündigten Vergleich erstmal kurz überlegen musste. "wie Mars persönlich!", fand ich schließlich eine sinnvolle Ergänzung, obwohl ich solche Vergleiche mit Göttern (weil ich zwar an deren Existenz nicht zweifelte, dafür allerdings daran, dass sie Einfluss auf uns Menschen nahmen) innerlich hasste. Und ich hasste diesen Vergleich umso mehr, weil ich dadurch nun verpasste auch noch auf meine cornelischen Wurzeln zu verweisen! Man!
    Aber ich war ja auch noch lange nicht fertig hier. "Und ich versichere dir, dass ich weit mehr als nur diesen einen Fehler bei meiner Überprüfung gefunden und dem Postpräfekten gemeldet habe. Du kannst dir sogar sicher sein, dass der Präfekt nach meinem Ergebnisbericht meinen Namen nicht nur kennt, sondern ihn auch äußerst schätzt!", behauptete ich und übertrieb damit vielleicht auch ein klitzekleines Bisschen. Aber irgendwie musste ich diesem arroganten Kerl ja mal den Wind aus den Segeln nehmen und ihm meine Meinung sagen! Denn neben Angriffen auf mich als Frau reagierte ich gerade auf in meinen Augen unangemessenes Lachen nämlich mitunter ziemlich allergisch, wie auch schon mein von mir "Soldatensöhnchen" genannter glücklicherweise nur weit, weit entfernter Onkel am Tag unserer ersten Begegnung feststellten durfte. Noch bereute dieser Kerl sein einstiges Tun nicht, aber ich hatte soweit alles vorbereitet, um ihn bei Rückkehr meines Vormunds meine ganze Vergeltung spüren zu lassen!


    Ich hielt nun einen Moment inne, um meine innere Ruhe wiederzufinden, und strich mir zeitgleich eine Strähne, die mir überhaupt nicht ins Gesicht hing, aus dem Gesicht. Dann lächelte ich wieder oberflächlich freundlich. "Ach deine Tante sitzt auch im Kerker?" und gehört damit zu den Leuten, die mein Onkel so wunderbar hinweggefegt hat. "Wie überaus.... bedauerlich.", kommentierte ich diesen Umstand auf eine Art und Weise, die sich in viele Richtungen interpretieren ließ. Vielleicht konnte ich diese Tante ja bei den nächsten größeren vom Kaiser veranstalteten Spielen sehen.... unten, in der Arena. Denn zwar mochte ich solche blutigen Veranstaltungen jetzt nicht übermäßig (ich fand sie einzig noch besser als diese Wagenlenker, die zig Runden sinnlos im Kreis fuhren, bis selbst die Zuschauer irgendwann einen Drehwurm hatten), aber wenn ich bei so einem Ereignis Genugtuung finden könnte, dann würde ich es natürlich bestimmt nicht verpassen! "Ich hoffe doch stark, dass nicht noch mehr deiner Verwandten dieses Schicksal teilen.", log ich mit einem Übermaß an Mitleid in der Stimme und lächelte unentwegt weiter. "Du kannst einem wirklich Leid tun.", erklärte ich final und blinzelte zu meinem honigsüßen Lächeln noch kurz ein paar Mal lieblich mit meinen Augen.

    Ich richtete mich wieder etwas auf, als die Sklavin mit einem kleinen Tablett zurückkehrte. Ja, ein bisschen Obst war jetzt genau das richtige! Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen nickte ich und ließ eine Kleinigkeit in meinem Mund verschwinden. Dann lehnte ich mich erneut zurück und versuchte die Zeit des Wartens mit dem Schmieden von Unternehmungsplänen und ähnlichem zu füllen. Wenn dieser Corvinus sich beeilte, ging es mir irgendwann durch den Kopf, dann wäre er am Ende noch hier, bevor ich Tiberius zu Gesicht bekäme (ich ging nämlich davon aus, dass die Sklaven den mit "Dominus" meinten). Und weil ich eigentlich auch nur hier war, um auf den Centurio zu warten, beschloss ich, dass ich in einer solchen Situation auch ohne Weiteres mit dem in Richtung Castra Praetoria verschwinden würde. Ja, genau so würde ich es machen.

    Mit einem freundlichen Lächeln setzte ich mich und versuchte dem Decimer in der Folge möglichst nicht so oft in sein Rauschebart-Gesicht gucken zu müssen. Ich wollte mir die arme Frau dazu gar nicht vorstellen - das hieß, falls die überhaupt noch lebte. Ich würde nämlich sowas bestimmt nicht einfach hinnehmen und dulden, sondern fürs erste mit Verweigerung von Ehepflichten bestrafen. Und falls das nicht helfen würde, kämen mir sicherlich noch andere Ideen. Aber so ein Bart, der auch diesen Primicerius hier sicher mal eben 10 Jahre älter machte, der käme mir gewiss nicht ins Haus!
    Ich versuchte mich auf mein Anliegen zu konzentrieren und fischte eine Wachstafel aus meiner Ledertasche, die ich dem Beamten überreichte:


    Instututions-Wertkarte der Classis Romana im Mai 861 a.u.c.


    Stand Aprilis 861 a.u.c.: 210 Sz.



    fehlerhafte Wertkartenabrechnung:



    Fehlbetrag: 2000 Sz.


    Während der Primicerius meine Zusammenstellung überfliegen konnte, erklärte ich dazu: "Wie man sieht, ereignete sich der grobe Abrechnungsfehler vor längerer Zeit im Maius 861 ab urbe condita unter einem meiner Amtsvorgänger und wurde bis heute einfach von Monat zu Monat verschleppt, bis ich ihn kurz nach meiner Einstellung als Stationaria im Rahmen meiner Einarbeitung entdeckt habe.", beschrieb ich erstmal das Drumherum ein bisschen und strich mich als Heldin der Geschichte heraus. "Ohne dass eine Einzahlung auf die Wertkarte der Classis Romana stattgefunden hat - das habe ich persönlich genaustens überprüft - hat besagter Amtsvorgänger aus mir unerklärlichen Gründen", denn ich rechnete natürlich mit römischen Zahlen und nicht mit irgendwelchen arabischen, "nicht nur 20 Sesterzen für die Briefbeförderungen von der Wertkarte gestrichen, sondern auch noch 2000 Sesterzen einfach hinzuaddiert. Und das ist auch schon das ganze Problem.", machte ich eine kleine Pause in meinen Ausführungen und lehnte mich leicht zurück.
    Aus dieser Position fasste ich mit besorgter Miene zusammen: "Es stellt sich also für den Postpräfekten von Italia, in dessen Auftrag ich nach meiner Meldung dieses Problems an ihn hier bin, die Frage, wie nun mit dieser Situation umgegangen werden soll. Sollen wir den falschen Betrag so stehen lassen und nach der verstrichenen Zeit als verjährten Schaden verbuchen? Oder aber wird es eine Ausgleichszahlung von irgendeiner Seite geben? Oder wäre es auch im Sinne der Kanzlei, wenn der Fehler auch rückwirkend aus den Versandübersichten ausgemerzt wird?", stellte ich verschiedene Lösungen vor, wobei mir verständlicherweise die beiden letzteren die liebsten wären. "Weil die Classes, wie die Legiones auch, im weitesen Sinne staatlich finanziert werden, bin ich mit diesem Problem heute nun bei dir und nicht irgendwo anders.", führte ich zuletzt noch aus, weshalb mein Problem also heute auch sein Problem war.

    Wirklich schenken tat der Cursus Publicus dem Hausherrn natürlich eigentlich nur 25 Sesterzen, wenn man bedachte, dass eine normale 100er-Wertkarte ja auch nur 95 Sesterzen kostete. Aber wer war ich, dass ich jetzt mein eigenes Angebot madig redete und mit solchen Details aufwartete? Nein, da lächelte ich lieber nett und freundlich (und fragte mich bei meiner sonstigen Launenhaftigkeit, wie ich das hier eigentlich gerade mit dem nett-und-freundlich-Sein so lange durchhielt), bis sich der Sekretär des Consulars dazu entschloss meine Offerte anzunehmen. An dieser Stelle fand eine kleine Note Selbstzufriedenheit Eingang in meine Mimik, denn ich hatte diese Idee mit der verbilligten Wertkarte ja gehabt und mich würde der Postpräfekt bei einer guten Erledigung meiner Aufgaben sicherlich fortan deutlich mehr im Auge behalten, als bisher. "Wenn dies dein Wunsch ist, dann kann ich dem Senator gerne das Senden eines Boten abnehmen und die 70 Sesterzen auch gleich mitnehmen. * ", nickte ich. Dafür hatte ich ja den breitschultrigen Begleiter - dafür, und natürlich für mich selbst. Denn auf den Straßen Roms wandelten schließlich nicht nur Diebe, sondern auch mit Sicherheit auch diverse Lustmolche.


    Sim-Off:

    * Bankverbindung:
    - Konto-Inhaber: Cursus Publicus
    - Konto-Nummer: 1225
    - BLZ: XXX YYY ZZ

    Von den anzüglichen Gedanken des jungen Burschen, der da wahrscheinlich nicht so ganz mit seinem Kopf (sondern eher mit anderen Körperteilen) dachte, bermerkte ich glücklicherweise nichts. Ich mochte es nämlich begehrt zu werden, aber ich mochte deshalb trotzdem noch lange keine Lustmolche. Weil ich nun aber nichts von diesen Gedanken wusste, lächelte ich dem Burschen noch einmal ganz süß zu, bevor ich ihm im Vorbeigehen ein keckes Augenzwinkern schenkte.
    Dann traf ich auf den Mann, von dem ich das Schreiben erhalten hatte, und war ehrlich ein bisschen überrascht (was ich natürlich hinter einem breiten Lächeln zu verstecken wusste), dass dieser Kerl schon soein alter Sack war! Ich fand, der sah aus wie 55 oder 56 mit seinem grauen Bart. Überhaupt diese Bartmode (hatte ich schon erwähnt, dass ich Bärte absolut abstoßend fand?) war grässlich! Aus meiner Sicht glich es fast schon einem Verbrechen, dass dieser Valerianus sowas vorgelebt hatte, weil er sich augenscheinlich anders nicht vom großen Iulianus absetzen konnte. Und bevor mir jemand mit einem "Griechen-" oder "Bildungsbart" ankam: "Ein Bart macht noch nicht den Weisen." Das wussten die Menschen schon zu Zeiten des großen (und den Abbildungen zufolge attraktiven) Alexander! Ich hoffte ja, dass dieser Palma sich dahingehend nicht an Valerianus fehlorientierte....
    Aber gut, ich war ja nicht hier, um den hohen Herren modische Ratschläge zu geben, sondern aus einem anderen Grund. "Sei gegrüßt, Primicerius Decimus. Ich bin Sergia Fausta, Stationaria des Cursus Publicus.", stellte ich mich ungeachtet des jungen Burschen nochmal vor. Selbst war die Frau! "Ich hatte dir geschrieben in der Angelegenheit einer fehlerhaften Abrechnung der Institutionen-Wertkarte der Classis Romana in Höhe von ganzen 20 Aurei zu Lasten des Cursus Publicus. Daraufhin hast du mir geantwortet und mich zu dir bestellt - und hier bin ich.", erklärte ich die Frage des Decimers beantwortend den Anlass meines Besuchs. Hoffentlich war das nur eine Standardfrage von ihm gewesen und kein Zeichen seines.... seeehr reifen Alters. Damit übergab ich die Redeinitiative jedenfalls wieder dem Finanzprimicerius. Denn so im Stehen wollte ich mein Anliegen eigentlich nur ungern besprechen, geschweige denn die ganzen Unterlagen aus meiner Tasche hervorholen.

    Die Frage des Decimers machte mich für einen kurzen Moment etwas stutzig. Natürlich war das schon eine ganze Weile her. Aber was sollte das heißen, wie ich darauf gekommen wäre? Wollte dieser Kerl hier darauf anspielen, dass ich "nur" eine Frau war? Das war ein empfindlicher Punkt bei mir und dementsprechend reagierte ich auch darauf.... nachdem ich meinem Gegenüber erstmal freundlichst seine Frage beantwortet hatte. "Nun, im Zuge der Einarbeitung in meinen Posten als Stationaria habe ich mich mit den Versandübersichten befasst.", die gerade in jüngerer Zeit nicht nur für mein optisches Empfinden scheußlich geführt worden waren. Allein wenn man sich anschaute, wie nach reinem Gutdünken mal die vollen Praenomen in den Listen auftauchten, mal deren Abkürzungen und mal auch gar keine, konnte ich das absolut nicht gutheißen. "Und weil meinesgleichen für eine ähnliche Anerkennung deutlich härter arbeiten muss als deinesgleichen, bin ich nicht nur durch die Versandtlisten der vergangenen zwei, sondern jene der gesamten letzten Dekade gegangen, wobei mir diese Unregelmäßigkeit hier sofort ins Auge gesprungen ist.", erklärte ich im Tonfall honigsüßer Unschuld und ließ den Decimer damit wissen, dass ich seinen Angriff auf mich als Frau verstanden hatte. Er sollte nämlich auch schließen können, warum ich die nächsten beiden Sätze sagte: "Mein Beileid übrigens wegen deines Verwandten Decimus Serpio.", tat ich betroffen. "Wie geht es ihm denn?", folgte daraufhin ganz leicht und unbeschwert und mit einem vieldeutbaren Lächeln eine sehr bewusst unpassende Frage.

    Die Spekulation den Grund für diesen Fehler betreffend kommentierte ich nur mit einem stummen Schulterzucken. Ganz bestimmt würde ich jetzt und hier nicht beginnen mich über meine ganz eigenen Vermutungen auszulassen. Das könnte ich vielleicht mal in einem privaten Gespräch machen, wenn ich nicht dienstlich unterwegs wäre. Heute war ich aber vor allem hier, um das entstandene Problem in Übereinkunft mit dem Consular Purgitius (oder seinem Sekretär) aus der Welt zu schaffen, denn es konnte ja keiner so genau wissen, ob sich der Senator (oder einer seiner Boten) nicht bei der Abgabe eines Briefes auch mal beiläufig nach dem Stand der purgitischen Wertkarte erkundigt hätte. Ich von meiner Seite aus konnte nur wild mutmaßen, ob man hier vor meinem Besuch von einem Wertkarten-Guthaben von 90 oder 190 Sesterzen ausging. "Das ist in der Tat richtig, wobei du mich aber bitte nicht als Geldeintreiberin misverstehen darfst. Ich bin nur hier, um eine einvernehmliche Lösung für dieses Problem zu finden.", betonte ich. Natürlich würde ich den Geldbetrag mitnehmen, wenn der Sekretär jetzt und hier Nägel mit Köpfen machen wollte. Gegen einen Boten zu den Sedes administrationis Italiae hätte ich aber bestimmt auch nichts einzuwenden.

    MAAAN war das eine nervige, blöde Provinzkuh! Erste heulte die Asinia beinahe wegen ihres Vatis dumm herum (ich schaffte es doch auch mich bei diesem Thema im Griff zu haben!) und dann palaverte sie von ihren minderwertigen, peregrinen Vorfahren! Ich konnte diese Geräuschkulisse zu meiner rechten echt langsam nicht mehr hören! Gerade noch so verkniff ich mir bei ihrer Frage, ob denn die Mutter von Titus schonmal in diesem Pergamon war, ein gelangweiltes Stöhnen. Wen interessierte schon diese kleine Stadt in Kleinasien mit der zweitgrößten Bibliothek des Imperiums, wenn das große Alexandria im reichen Ägypten nicht nur die größte Bibliothek, sondern auch sonst so unendlich viel mehr zu bieten hatte?? Diese Schreinerstochter musste sich ja wirklich super-toll vorkommen.
    Doch zurück zu meinem Gespräch mit Titus und dem Iulius. Eperatus aus Genua sagte mir spontan relativ wenig, um nicht zu sagen überhaupt nichts. In Alexandria gab es ja auch genügend bedeutende Künstler, um diesbezüglich nicht auf irgendwen aus Italia angewiesen zu sein. Umgekehrt kannte man hier aber auch bestimmt viele der Namen, die ich bisher so mit guter Kunst verband, nicht. Also sparte ich mir diese Nennung und nickte nur beeindruckt. "Wie kam eigentlich dieses schöne Anwesen hier vom Ostia-Zweig des Rom-Stammes in den Besitz des Ostia-Stammes der Gens Helvetia?", interessierte mich bei der Erzählung von Titus spontan. Die Tacitus-Linie war ja nicht ausgestorben. Oder? Und am Geld konnte es ja eigentlich auch nicht liegen, wäre doch sonst bestimmt der Senator Helvetius für seine Verwandten eingesprungen. Hatte es vielleicht schon damals die ersten Konflikte (und offenbar auch ersten Siege des Ostia-Stammes gegen den Rom-Stamm) gegeben?

    Oje, war Iulius Dives verwirrt. Ein amüsiertes Lächeln erfolgreich unterdrückend (diese Einstellung, die der hatte, war einfach lächerlich!), hörte ich mir den Quatsch von stehenbleibender Zeit und einem durchlöcherten Herz an. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Blick, der fast schon schrie, dass das doch nicht sein Ernst sein konnte, schaute ich Dives an. Wenn er das wirklich glaubte, was er da von sich gab, dann musste der eindeutig verwirrt sein. Eine andere Erklärung fiel mir dafür nicht ein.
    Dann sprach er weiter und entschuldigte sich und meinte, nicht der Richtige "in dieser Sache" (dem Küssen?) zu sein, bevor er mich mehr oder weniger direkt zu erpressen versuchte. Aber wer war ich bitte, dass man mich so einfach erpressen könnte - erst recht mit Dingen, die mich nicht direkt betrafen? Natürlich mochte ich Titus und würde mich auch freuen, wenn er Dives nachfolgen würde. Aber auf der anderen Seite blieb Titus trotzdem ein Helvetier, von dessen Karriere hier in Ostia ich mir auch nichts kaufen konnte. Außerdem: "Natürlich möchte ich, dass du Titus unterstützt. Allerdings sichert dir das noch lange nicht meine versiegelten Lippen. Was ist, wenn die Wahl vorüber ist und Titus deinen Platz eigenommen hat?", fragte ich unbeschwert. Nur aus purer Dankbarkeit würde ich da bestimmt nicht still bleiben, wie ich allerdings auch nicht grundlos alles ausplappern würde, solange ich darauf hoffen konnte, dass mir diese Informationen nochmal nützlich sein könnten (aber das sagte ich ihm lieber nicht). Und plötzlich sah ich ganz klar die sich mir hier eröffnende Möglichkeit: Dives war jung und attraktiv, schien ambitioniert und war mit seinem kleinen "Schönheitsfehler" für mich kontrollier- und berechenbar. Offenbar nämlich hatte er soviel Angst davor, dass ich überhaupt zu irgendjemandem etwas sagte, dass er nicht einmal in Betracht zog, ob man mir glauben würde oder nicht. "Du sagst, dass es dir Leid tut, dass ich nicht die Richtige in dieser Sache bin. Jetzt muss ich dir sagen, dass es mir Leid tut, dass ich das anders sehe. Ich glaube sogar, dass ich genau die Richtige.... an deiner Seite.... wäre, wenn du sicher sein willst, dass ich nicht rede." Ich lächelte vielsagend. Denn ins eigene Fleisch würde ich mir bestimmt nicht schneiden. (Wie sähe das aus? Eine Frau, die ihren Mann nicht zufriedenstellen kann? Nein, danke. Das müsste ich nicht haben.)


    Ich ließ Dives einen Moment Zeit zum Nachdenken und machte mir unterdessen auch meine eigenen Gedanken. Hätte er eine echte Alternative zu meinem Angebot? Könnte er mich versuchen loszuwerden? Zwar gehörte er nicht zu den Anhängern des fetten Vesculariers (offensichtlich, denn sonst stünde er ja jetzt sicher nicht vor mir), doch wusste ich, dass die Iulier insgesamt doch vergleichsweise betroffen waren. Unwahrscheinlich also, schätzte ich selbstsicher, dass der mich umzubringen versuchen würde. Trotzdem bot ich ihm lieber noch an: "Dein einer Freund" Ich wollte ja auch nicht, dass es ausuferte. "würde mich auch nicht weiter stören, sofern du ihn mir vorher einmal vorstellst." Mal sehen, ob ich da auch noch etwas herausschlagen könnte. "Im Gegenzug möchte ich dann allerdings auch meine eigenen Freiheiten haben.", forderte ich ausgleichend und machte mit einem charmanten Lächeln auch gleich mal deutlich, dass ich bestimmt nicht vorhaben würde eine meinungsfreie Gattin zu sein, die treudoof alles machte, was man ihr sagte.

    Während der ältere Soldat sich wie ein phlegmatischer ägyptischer Stubentiger (in meiner alten Heimat Alexandria wurden aber selbst solche Katzen verehrt) meine Einladung zu Gemüte führte, schien ich wenigstens auf den jüngeren Burschen ein bisschen Eindruck zu machen. "Natürlich.", antwortete ich weiterhin nett lächelnd auf die Ankündigung des Abtastens, wobei der Ausdruck in meinem Gesicht trotzdem etwas dunkler wurde, während ich mich fragte, wie weit soein Soldat wohl dabei gehen würde.
    Nachdem jedoch alles irgendwo sittlich blieb und bei mir natürlich keine verbotenen Dinge gefunden wurden (selbst die kleine Produktprobe meines eigenproduzierten Tollhonigs, die ich normalerweise fast immer bei mir hatte, hatte ich heute extra zu Hause gelassen), passierte ich die Wachen mit einem letzten verführerischen Lächeln, bevor ich mich zum Büro des Finanzprimicerius Decimus führen ließ (denn man ließ mich hier bestimmt sicher nicht alleine rumlaufen).

    Nachdem mich die Wachen durchgelassen hatten, war ich schnurstracks zum Büro des Finanzprimicerius Decimus Varenus geführt worden. Dort angekommen, klopfte ich an, wartete auf das obligatorische "Herein" und betrat anschließend den Raum. "Sei gegrüßt. Bist du der Primicerius Decimus Varenus?", erkundigte ich mich sehr charmant lächelnd bei einem jungen, attraktiven Burschen, der gerade meinen Weg kreuzte. Als der mich dann aber vergleichsweise überrascht anschaute, merkte ich, dass ich bei dem wohl an der falschen Adresse war. "Mein Name ist Sergia Fausta. Ich bin Stationaria des Cursus Publicus von Italia und habe hier einen Termin mit dem Primicerius.", erklärte ich dem Kerlchen einfach weiter und hoffte, dass er mich nun an den richtigen Mann verwies.

    Der Einladung folgend setzte ich mich mit einem freundlich dankenden Nicken und bestätigte mit einem "Richtig." auch nochmal den Zeitraum, in dem sich der Fehler in die Abrechnung "eingeschlichen" hatte. "Und weil es nicht mehr ganz frisch ist, habe ich hier auch eine kleine Übersicht mitgebracht.", holte ich eine Wachstafel hervor und übergab sie dem Sekretär mit einem vorsichtigen Lächeln:


    Familien-Wertkarte der Gens Purgitia im Maius 861 a.u.c.


    Stand Aprilis 861 a.u.c.: 110 Sz.



    fehlerhafte Wertkartenabrechnung:



    Korrekturbetrag: 100 Sz.


    Nach einer kurzen Pause, in der der Mann das Schreiben schon einmal grob überfliegen konnte, fügte ich hinzu: "Der Abrechnungsfehler beträgt bedauerlicherweise einen ganzen Aureus und es ist mir", weil ich natürlich mit römischen Zahlen und nicht mit arabischen rechnete, "völlig schleierhaft, wie einem meiner Vorgänger", das wiederholte ich bei dieser Summe sicherheitshalber nochmal, "dieses Missgeschick passieren konnte. Dem Consular darf aber versichert sein, dass der Cursus Publicus diesen Vorfall sehr bedauert und dafür sorgt, dass derartiges nicht wieder vorkommt." Jetzt war ich nämlich dabei und das hieß, dass jetzt Schluss war mit jedweder Schlamperei! Besonders wenn ich mich erstmal zur Postpräfektin hochgesch...uftet haben würde.
    Ich seufzte ganz leicht. "Auch wenn ich mir sicher bin, dass dem Consular dieser Fehlbetrag seitens des Cursus Publicus sicher nicht wehtun würde, so darf ich ihm dennoch als Ausdruck des Bedauerns ein besonderes Kulanzangebot machen." Ich atmete noch einmal tief durch, während ich den Sekretär oberflächlich nett anlächelte. "Unzwar bietet der Cursus Pubicus dem Senator einmalig eine Wertkarte im Wert von 100 Sesterzen mit einem Nachlass von nicht nur 5 Prozent, wie normal, an, sondern würde den Preisnachlass auf ganze 30 Prozent versechsfachen, um sich für diese Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.", stellte ich die eine Seite einer möglichen Lösung vor. Die mit dem Präfekten abgesprochene alternative Lösung, dass man das Kartenguthaben um ewas weniger als 100 Sesterzen reduzierte, behielt ich erstmal noch für mich, weil es geschäftlich sinnvoller war, wenn man etwas nur zu einem reduzierten Preis anbot, als wenn man etwas ganz verschenkte.

    Den blöden Kommentar des Gastes überging ich mit einem schmalen Lächeln à la seeehr lustig. Während ein schüchternes, langweiliges Mauerblümchen an meiner Stelle jetzt aber wahrscheinlich in flammender Schamesröte versunken wäre, passierte dies mit mir nicht ansatzweise. Da musste Mann schon ganz andere Kaliber auffahren, um diesen Effekt bei mir zu erreichen. (Ob wohl die ausgesprochenen Gedanken meines Gegenübers dafür ausgereicht hätten?) Egal. Nach meiner Begrüßung hörte ich mir seine Vorstellung und sein Anliegen an, wobei erstere mein Lächeln etwas erkalten ließ. Ein Decimus. Die schienen ja auch noch immer überall zu sitzen! Einer schrieb mir aus der Finanzabteilung der Kanzlei, einer saß bekanntermaßen in den Castra Praetoria ein und nun saß einer hier vor mir...! Pardon, noch stand er ja. "Nun, dann setz dich doch erstmal, Decimus.", erklärte ich also, während mir sein Name im Nachklang irgendwie nahelegte, dass der ziemlich militärisch war und damit bestimmt dem Hochverräter in den Castra nahestand. Ob es da überhaupt hinsichtlich meiner beiden annaeischen Onkel angemessen war, wenn ich ihm ein bisschen schöne Augen machte (wie den meisten anderen Kunden auch)?
    Mit einem amüsierten Lächeln setzte ich mich wieder und wischte diesen belustigenden Gedanken weg. Seit wann interessierte es mich, was nun auf diesem Gebiet besonders angemessen wäre und was nicht? Wo gerade auch noch mein Vormund sich auf eine hübsch ausgedehnte Geschäftsreise begeben hatte und morgen zurückkommen könnte oder übermorgen.... oder vielleicht auch erst in einer Woche oder einem Monat.... Wenn der Anstandswauwau aus dem Haus ist, gibt der ägyptische Tiger den Ton an! Aber wo war ich? "Die Familien-Wertkarte der Gens Decima.", nickte ich und fand im dritten Anlauf die richtige Wachstafel in meinem geordneten Chaos. "Wie ich bereits geschrieben habe, bedauert der Cursus Publicus diesen Vorfall wirklich sehr und versichert, dass ein solches Missgeschick nicht erneut vorkommt.", erklärte ich mit großen, treuen Rehaugen und leichtem Kopfnicken. Dabei fielen mir die blauen Augen des Decimers auf.... und erinnerten mich aus irgendeinem Grund an die hellen Augen des Iuliers in Ostia. Der hieß ganz nebenbei auch Marcus und sah hübsch attraktiv aus. Fehlte ja eigentlich nur noch, dass die beiden auch noch miteinander verwandt wären! Das war natürlich Blödsinn und eine lächerliche Fantasie. Ich, der sergische Rabe, reichte ihm, dem Adler Aquila, die Wachstafel. Moment, hatte nicht auch der Iulier einen Vogel (eine Taube oder so)? Irgendwie kam ich augenblicklich nicht ganz über diese Parallelen hinweg.


    Familien-Wertkarte der Gens Decima im Maius 861 a.u.c.


    Stand Aprilis 861 a.u.c.: 500 Sz.



    fehlerhafte Wertkartenabrechnung:



    Korrekturbetrag: 20 Sz.


    "Wie man sieht, wurde trotz ordnungsgemäßer Zustellung der beiden Briefe aus einem mir nicht bekannten Grund keine ordentliche Abrechnung vorgenommen. Bevor du fragst: Ich habe mich auch extra vor dem Erstellen meines Briefes danach erkundigt, ob vielleicht eine Barzahlung vorgenommen wurde und dies nur falsch notiert wurde. - Wurde sie aber nicht.", fügte ich noch erklärend hinzu und erwähnte dabei bewusst nichts von den anderen Fehlabrechnungen in diesem Monat. Zum Glück hatte ich für alle betroffenen Familienwertkarten solche Übersichten, sodass ich vorerst auch nicht offenbaren musste, dass in diesem Maius ein regelrechter Schlamper-Caius am Werk gewesen war....
    Sobald der Decimer seinen Bick von der Tafel lösen würde, klimperte ich ein bisschen nett mit den Augen. "Bist du eigentlich näher mit einem Finanzprimicerius Decimus Varenus oder diesem Decimus Serapio verwandt?", erkundigte ich mich unschuldig lächelnd. Der erste Teil der Frage hatte natürlich mit meinem Termin auf dem Palatin zu tun, wohingegen der zweite Teil auch, aber nicht nur damit zu tun hatte. - "Auch", weil ich vielleicht auf eine mögliche Verwandtschaft dieses Varenus mit diesem Serapio schließen könnte. "Nicht nur", weil ich noch immer nichts davon gehört hatte, dass man den Kerl offiziell entlassen hätte. Das wiederum ließ mich vorsichtig vermuten, dass der Kaiser in seiner (viel zu großen) Gnade vielleicht mit dem Gedanken spielte den Decimer als einen (von dann aber sicherlich zwei) Prätorianerpräfekten zu behalten. Und wollte ich schnell aufsteigen zur Postpräfektin von Italia, dann wäre ein gutes Verhältnis zu dem oder den Oberchef(s) ja nicht unwichtig!