Beiträge von Iunia Sibel

    Ja, damals als ich im Sommer 2007 als blutiger Anfänger im IR an den Start gegangen bin, waren die Zeiten noch anders: wesentlich mehr aktive Spieler, gut bespielte Gentes und hin und wieder ein paar besonders spannende Plots, sowie leidenschaftlich geführte Streitgespräche, bei denen die SL des Öfteren die Reißleine ziehen musste. Damals gab es, so habe ich zumindest den Eindruck, ein paar ganz exzellente Spieler, denen ich lange nachtrauerte, nachdem sie gegangen waren. Warum diese Zeiten vorbei sind? Diese Frage stellt man sich hier an dieser Stelle immer wieder und in regelmäßigen Abständen.


    Damals war ein möglicher Grund, der genannt wurde, der Parthien-Feldzug, der sich ewig in die Läge gezogen hatte. Daraufhin gab es auch wieder Überlegungen, was man in Zukunft besser oder anders machen könnte.
    Man entschied sich für das Heranzüchten eines Despoten und für einen Kaisermord, was letztendlich im Bürgerkrieg endete. Auch danach gab es etliche, die gefrustet oder verärgert das Handtuch warfen, weshalb auch immer, dazu möchte ich hier nicht Stellung nehmen.
    Dann gab es den großen Neuanfang mit dem neuen Kaiserpaar…. Die neue SL hatte damals ein paar gute Ideen, wie man dem Spiel ein wenig mehr Leben einhauchen könnte. Was ist daraus geworden?


    In den vergangenen zehn Jahren hatte ich persönlich mehrmals Phasen, in denen ich nicht aktiv war. Warum? Manchmal war es einfach Frust, weil sich der Spielpartner gerade aus dem IR verdünnisiert hatte. Manchmal war ich aber auch an einen Punkt angekommen, an dem ich nichts mehr zu erzählen hatte. Solche „Blockaden“ kennt sicher jeder, der hier schon längere Zeit mitgemacht hat.
    Der Grund, warum ich mich letztes Jahr zurückgezogen habe, war mein RL, dass mir damals einfach zu wenig Zeit fürs IR ließ. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert. In den nächsten Wochen liegen noch einige Klausuren und die ersten beiden Prüfungen vor mir.


    Ehrlich gesagt hatte ich bis vor gut zwei Monaten kaum ans IR gedacht. Doch dann erwischte ich mich dabei, dass ich die Seite mal wieder aufgerufen hatte. Mir hat es richtig in den Fingern gejuckt, mich wieder aus dem Exil zurückzumelden. Doch die Vernunft hat "leider" gesiegt. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass mir irgendetwas fehlt. Vorerst werde ich im Exil bleiben, denn ich kenne mich ja schließlich. Wenn ich erst mal wieder Feuer gefangen habe, kann ich mich nicht mehr bremsen. :D


    Was ich am IR so liebe, sind die spannenden Geschichten, die man hier immer wieder finden kann. Die grandiosen Spielideen von Einzelnen, aber auch die spannenden Kampagnen. Bitte hört damit nicht auf! Lasst das IR nicht zur antiken Variante von einem langweiligen SIMS Game werden! Lasst es stattdessen ordentlich krachen! Her mit den Intrigen und den Aufständen! Rom war und ist kein Ponyhof!


    Ganz liebe Grüße an die alten Weggefährten! Macht´s gut! Haltet die Stellung! Vielleicht ließt man sich irgendwann mal wieder.


    PS: In den letzten Tagen bin ich ein richtiger Fan von Verus und Idun geworden! Macht weiter so, ihr beiden! Ich freue mich schon darauf, wie eure Geschichte weitergeht!

    Im Grunde gab es nichts gegen den Namen einzuwenden, jedoch fühlte Sibel in diesem Moment etwas, was für sie noch nicht richtig greifbar war, was sie aber zum Grübeln veranlasste. Lucius, das Licht – glänzend, leuchtend, schillernd. Wenn das kein perfekter Name für ihren Sohn war, der Monat um Monat in ihr herangewachsen war und in den sie sich sofort verliebt hatte, als sie sein erstes Schreien gehört hatte. Auch Lucullus war durchaus ein passender Name, spiegelte er doch Avianus´ Verbundenheit zu seiner Familie wider. Zwar konnte Sibel an dieser Stelle nicht viel darüber sagen, da sie Avianus´ Vater nie kennengelernt hatte und er ihr auch so gut wie gar nichts über ihn erzählt hatte. Dennoch, so vermutete sie, hatte es wohl eine innige Verbindung zwischen Vater und Sohn gegeben, da er nun dieses Cognomen gewählt hatte.
    Einige Fragen aber blieben und die ließen sie einfach nicht los: Warum hatte er nie mit ihr darüber gesprochen? Warum hatte er sie nicht mit einbezogen in seine Überlegungen? Hatte er vielleicht befürchtet, sie könne einen Namen vorschlagen, der so gar nicht in sein römisches Weltbild hineinpasste? Sibel versuchte all das von sich wegzuschieben und auszublenden. Zum einen hatte sie im Moment nicht die Kraft, sich mit ihm darüber zu streiten und zum anderen überwog ihre Freude, ihr Kind und ihren Mann bei sich zu haben. Doch irgendwann, vielleicht schon in den nächsten Tagen, wollte sie ihn darauf ansprechen.


    „Ja, er ist sehr schön,“ antworte sie und lächelte dabei, während sich der kleine Lucius bereits wieder auf die Suche nach Nahrung machte. Seine Mutter half ihm dabei. Schließlich sollte er groß und stark werden. Nach kurzer Zeit begann er kräftig an der Brust seiner Mutter zu saugen. Bei diesem Anblick vergaß sie ganz schnell wieder ihre Bedenken des Namens wegen und ein Gefühl des vollkommenen Glücks breitete sich in ihr aus. Was konnte man sich denn noch mehr wünschen? Ihn aufwachsen zu sehen und ihm dabei den Weg ins Leben zu weisen!
    „Bitte lass nicht zu, dass man ihn mir wegnimmt,“ meinte sie plötzlich. Denn im Taumel all dieser Freude kam ihr der Gedanke, Avianus könne den Jungen in die Obhut einer Amme geben, um sie, seine Frau zu entlasten. Sie wusste ja selbst, dass so manche Römerin, die es sich leisten konnte, die lästige Aufgabe des Stillens und der Kindererziehung gerne in die Hände von Ammen und Kindermädchen legte. Doch davon wollte Sibel nichts wissen. Dies war ihr Kind und um das würde sie kämpfen, wie eine Löwin, wenn es sein musste.

    Seufzend erhob sich Sibel, als sie von fern das Schreien ihres Sohnes hörte. Ganz gleich ob sie schlief oder wach war, sobald sie ihren Sohn hörte, war sie sofort präsent. Selbst jetzt, als sie müde war und eigentlich gehofft hatte, für die nächsten Stunden ein wenig Ruhe zu haben, nachdem sie ihren Sohn gebadet, anschließend gestillt und ihn dann in sein Bettchen gelegt hatte. Doch statt erst irgendwann in der Nacht zu schreien, machte er sich schon jetzt bemerkbar. Womöglich hatte er doch zu wenig getrunken oder war es wieder eine Kolik, die ihm zu schaffen machte? Egal was es war, Sibel ließ alles stehen und liegen und eilte zum Cubiculum, das sie sich nun zu dritt teilten.
    Als sie die geöffnete Tür sah wurden ihre Schritte merklich langsamer. Als sie dann noch die Stimme ihres Mannes hörte, blieb sie zunächst stehen und vermied es, ebenfalls in das Schlafzimmer einzutreten. Stattdessen belauschte sie das „Gespräch“ von Mann zu Mann und begann zu schmunzeln als sie kurz ins Innere hinein lugte und Avianus mit seinem Sohn auf dem Arm erkannte. Der Kleine kannte natürlich inzwischen die Stimme seines Vaters. Schließlich versuchte der auch jede freie Minute mit ihm zu verbringen. Inzwischen hatte er sich auch schon beruhigt, als sein Vater liebevoll auf ihn einsprach.


    Selbst als ihr Mann sich mit dem Kind in einen Sessel gesetzt hatte, verharrte sie vor der Tür und hörte alles mit, was er zu erzählen hatte. Für Avianus schien es von Anfang an außer Frage zu stehen, dass aus dem kleinen Lucius irgendwann einmal kein Soldat werden würde. So wie er, so wie sein Vater und dessen Vater zuvor. Auf diese Tradition konnte er stolz sein. Und sie, Sibel, sie konnte auch stolz darauf sein. Wenn man bedachte, was sie gewesen war und woher sie ursprünglich kam. Ihr Sohn war als waschechter Römer zur Welt gekommen, mit allen Rechten, als richtiger Bürger und einem ehrenvollen Familiennamen. Nichts würde mehr an den Sumpf erinnern, aus dem sie sich heraus gekämpft hatte. Lediglich sie selbst war das letzte Relikt, was ihren Sohn vielleicht irgendwann einmal daran erinnern konnte, woher er mütterlicherseits stammte.
    Sibel fragte sich plötzlich, wie Lucius darauf reagieren würde, wenn er die Geschichte seiner Mutter erfuhr – eine Geschichte, die nichts mit Tradition, Stolz und schon gar nichts mit Ehre zu tun hatte. Vielleicht würde er sie dafür irgendwann verschmähen. Doch bis zu diesem Tag und auch darüber hinaus, würde sie ihrem Sohn all ihre Liebe geben. Ja, sie würde sogar ihr eigenes Leben für ihn opfern, wenn es sein musste.
    Tränen waren in ihre Augen getreten, obwohl es doch jetzt gar keinen Grund gab, zu weinen. Alles war doch perfekt – Avianus, ihr Sohn Lucius und sie. Viele Jahre standen ihnen noch bevor, bis zu jenem Tag, an dem Lucius neugierig werden würde. Vielleicht würde jener Tag auch niemals stattfinden, wer wusste das schon.
    Also wischte Sibel ihre Tränen beiseite und trat schließlich ein, als Avianus sein Lied vorerst beendet hatte. „Na ihr beiden!“ Sie sah das schlafende Kind in den Armen ihres Mannes. „Ich wusste gar nicht, das du so gut singen kannst,“ raunte sie ihm lächelnd zu.

    Ein kleines Lächeln konnte sich die Hebamme nicht verkneifen, als der junge Vater sich zu seinem kleinen Sohn hinunter bückte und ihn vorsichtig aufhob. Dabei wirkte er zwar noch etwas unbeholfen, doch bislang war ja auch noch kein Meister vom Himmel gefallen. Die Hebamme ließ ihr gewähren und griff nicht ein, denn scheinbar war er bereits nach dem ersten Blick schon ganz vernarrt in sein Kind. Nicht immer erlebte sie solche Freude über ein Neugeborenes, wenn es darum ging, es als das eigene Kind anzuerkennen, denn nichts anderes war dieses Ritual. Hier jedoch konnte sie sicher sein, dass das Kleine nicht nur willkommen war , sondern bereits schon sehnlichst erwartet wurde. Langsam fiel nun auch die Anstrengungen des Tages von ihr ab. Die letzten Stunden waren auch an ihr nicht ganz spurlos vorüber gegangen. Keine Geburt war wie die andere. Diesmal waren die Götter der Mutter und ihrem Kind gewogen gewesen. Doch einen gewissen Anteil hatte natürlich auch sie durch ihr Können und ihre Erfahrung dazu beigetragen.
    „Deiner Frau geht es gut! Sie hat alles gut überstanden,“ antworte sie ihm und wies auf die offen stehende Tür des Gästezimmers. Natürlich würde ihm jetzt niemand mehr den Weg zu seiner Frau verweigern.


    Inzwischen hatte sich eine Sklavin um Sibel gekümmert. Sie hatte sie frisch gemacht, ihr eine Tunika übergezogen und sich auch um das Bett gekümmert. Die junge Mutter selbst machte einen recht erschöpften Eindruck, doch trotz aller Strapazen zeichnete sich ein zufriedener Ausdruck auf ihrem Gesicht ab. Als sie Avianus bemerkte, begann sie zu lächeln. Sie, die schon immer gerne für das, was man ihr gutes tat, zurückgeben wollte, konnte bei seinem Anblick sicher sein, dass sie ihn diesmal auf ganzer Linie glücklich gemacht hatte. Ihr Mann hielt den Kleinen auf dem Arm und machte dabei schon eine ganz passable Figur, so als wäre dieses kleine Wesen das letzte noch fehlende Mosaiksteinchen gewesen, das nun das Gesamtbild perfekt machte.
    Sibel sehnte sich nach ihm und nach dem Kind. Sie wollte die beiden ganz nah bei sich haben und streckte Avianus ihren Arm entgegen. Wahrscheinlich würde sich der Kleine schon bald lautstark wieder in Erinnerung bringen, um sein Mahl fortsetzen zu können. Als er dann näher trat und ihr den Namen ihres Kindes präsentierte, war sie zwar etwas überrascht, ließ sich dies aber nicht anmerken. Offenbar hatte er sich bereits ausgiebig darüber Gedanken gemacht. Womöglich hätte er insgeheim auch mit einem Mädchennamen aufwarten können, wäre es eine sie geworden.
    „Lucius Lucullus?“, fragte sie, als sie das Kind wieder entgegen nahm und ihm zart über das Köpfchen strich. Dann wies sie mit der anderen Hand auf den Bettrand, damit er sich zu ihr setzte. „Sieht er nicht einfach wundervoll aus? So klein und so perfekt,“ meinte Sibel dann, als sie ihr Kind anhimmelte und den Blick nicht mehr von ihm abwenden konnte.

    Sibel nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Der ziehende Schmerz schien zum Glück langsam wieder nachzulassen. Jedoch nach einigen Minuten kehrte er nicht minder stark zurück. Die allgemeine Aufregung und überstürzte Betriebsamkeit, die ihr Aufschrei ausgelöst hatte, verunsicherte sie noch dazu. Jetzt zweifelte sie daran, ob sie überhaupt noch ein Schritt tun könnte. „Nein, lieber keine Treppe!“


    Während einer der Sklaven loslief, um die Hebamme zu rufen eilte ein anderer geistesgegenwärtig davon, um eines der beiden Gästezimmer vorzubereiten, die in nächster Nähe zum Atrium lagen. Sibel selbst bekam von der Hektik um sie herum kaum noch etwas mit. Vielmehr war sie inzwischen mit sich selbst, ihren Ängsten und dem Kind beschäftigt, das sich offenbar nun auf den Weg gemacht hatte. Dabei schwang hauptsächlich die Sorge mit, was in den kommenden Stunden mit ihr und ihrem Kind passieren würde. Die Hebamme hatte sie stets aufgemuntert. Doch Sibel wusste genau, dass bei einer Geburt Freud und Leid ganz dicht beieinander lagen.


    Letztendlich wurde sie von einer Sklavin die in das vorbereitete Gästezimmer geführt, in dem die Hebamme bereits wartete. Dann schloss sich hinter den Frauen die Tür, um sie vor den neugierigen Blicken der zurückgebliebenen Männer im Atrium zu schützen.

    Über die Vorgänge im Gästezimmer konnten die Außenstehenden nur Mutmaßen. Zunächst vernahm man gelegentlich ein leidvolles Stöhnen oder gar ein Aufschreien. Jedoch blieb die Tür danach fest verschlossen. Zu beurteilen, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, wurde jedem selbst überlassen. Selbst als in den folgenden Stunden jenes Stöhnen und Schreien beunruhigend häufiger und vor allen Dingen auch heftiger zu hören war. Es schien, als fände im Inneren des Gästezimmers ein wilder Kampf statt, dessen Gegner allerdings nicht wirklich auszumachen war.


    Im Inneren des Gästezimmers jedoch war die Obstretix fleißig zu Gange. Schon unzählige Kinder hatte sie im Laufe ihres Lebens zur Welt gebracht. Sie wusste genau, was wann und in welcher Situation zu tun war, konnte die Zeichen deuten und wusste, wie man Candelifera, Carmenta und all die anderen Götter, die für eine reibungslose Geburt zuständig waren, milde stimmen konnte.

    Nachdem die Sklavin Sibel beim Entkleiden geholfen hatte, war sie den Anweisungen der Hebamme gefolgt und hatte sich auf das Bett gelegt. Eine Kerze war angezündet worden, welche dem Neugeborenen den Weg ins Leben weisen sollte und die Obsterix begann damit, beharrlich Gebete zu murmeln. Dabei untersuchte sie noch einmal den prallen Bauch der Schwangeren. Das Kind lag zum Glück in einer vorteilhaften Lage und würde mit dem Kopf zuerst kommen. Die Wehen kamen nun bereits in kürzeren Abständen, die keinen Zweifel mehr daran ließen, dass die Geburt eingesetzt hatte und die Ankunft des Neuen Iunius oder vielleicht auch der Iunia in einigen Stunden bevorstand, sofern es der Wille der Götter war.
    Um es Sibel etwas leichter zu machen und die Geburt voran zu treiben, begann die Obsterix sie mit wohlriechenden Ölen zu massieren. Von Zeit zu Zeit überprüfte die sie, wie weit die Geburt voran geschritten war. So verging Minute um Minute und aus Minuten wurden Stunden.
    Für Sibel selbst schien das Gefühl für die Zeit verloren gegangen zu sein. Sie hatte weitaus wichtigeres zu tun. Sie wusste, wenn sie auch noch diese Prüfung bestand, würde am Ende ihr Glück vollkommen sein. Wenn die Schmerzen allzu heftig wurden, mahnte sie sich selbst daran, wie schmerzhaft manchmal ihr Weg bis hierher gewesen war. Dann war sie sich wieder gewiss, dass sie auch das noch schaffen würde.


    Nach unzähligen Stunden war es dann endlich so weit. Die Geburt kam in die entscheidende Phase. Bisher war alles gut gelaufen und die Obsterix konnte mit ihrer Arbeit zufrieden sein. Nun hing es allein von Postverta ab. Wenn sie der Gebärenden an diesem Punkt noch genügend Kraft und Ausdauer schenkte, dann überstanden sowohl die Mutter wie auch ihr Neugeborenes die Geburt gut. Auf Kommando der Hebamme begann sie zu presste, so gut sie nur konnte. Darauf folgte jedes Mal wieder ein markerschütterndes Schreien. Selbst als die Hebamme vermeldete, man könne bereits das Köpfchen sehen, änderte dies scheinbar nicht viel an der Prozedur. Außer dem Funken Freude, den diese Mitteilung in Sibel auslöste und ihr noch ein bisschen mehr Kraft schenkte.
    Nun sollte es, Postverta sei Dank, nicht mehr lange dauern. Nur noch wenige Presswehen trennten Sibel von ihrem Mutterglück. Schließlich erblickte ein kleines blutverschmiertes Bündel, noch gänzlich unbeholfen und schutzlos, das Licht der Welt.
    Die Obsterix durchtrennte die Nabelschnur und säuberte das Neugeborene und rief dabei murmelnd Vagitanus an, auf dass er den Mund des Kindes öffnete und es ein Schreien von sich gab. Sicherheitshalber gab sie dem Kleinen noch einen leichten Klaps auf den Po, so dass der Säugling tatsächlich zu schreien begann.
    Dieses Geräusch des schreienden Babys löste in Sibel ein unbeschreibliches Glücksgefühl aus, welches sie sämtliche Schmerzen der letzten Stunden vergessen ließ. „Was ist es? Ein Junge oder ein Mädchen?“, hauchte sie mit letzter Kraft der Obsterix entgegen.

    Inzwischen hatte man das schreiende Baby behutsam in eine Decke gewickelt. Seine Haut war noch gerötet und schien etwas schrumpelig zu sein. Doch auf seinem Kopf machte sich bereits ein kleiner schwarzer Flaum breit. Die Hebamme reichte Sibel das Bündel. „Hier hast du dein Kind. Es ist ein Junge.“ Sibel nahm ihr Kind entgegen und legte es auf ihre Brust. Was in ihr vorging konnte man kaum beschreiben. Doch das Kleine wusste schon genau, was es wollte und brauchte. Letztendlich fand es die Brust seiner Mutter und begann zu saugen.
    Für eine Weile überließ man Mutter und Kind diesem Idyll, dann öffnete die Sklavin die Tür. Behutsam löste die Hebamme das Kind von seiner Mutter, welches daraufhin lautstark protestierte. Wieder sprach die Obsterix ein Gebet und rief diesmal die Göttin Levana an. Mit dem Kind auf dem Arm schritt sie hinaus zum dort wartenden Vater und legte ihm das Bündel zu Füßen. „Es ist ein Junge,“ sagte sie noch und wich dann einen Schritt zurück.

    Ein dickes SORRY an alle, die auf mich und auf eine gewisse Claudia warten mussten. Da die technischen Probleme nun hoffentlich der Vergangenheit angehören, möchte ich mich mal vorsichtig wieder zurückmelden. Text sollte heute Abend, jedoch spätestens morgen Abend wieder kommen. :)

    Ich bitte um Entschuldigung. Leider bereitet uns unser Internetanschluss seit gut 2 -3 Wochen einige Probleme. :( Ich hoffe, dass sich dies im Laufe der Woche wieder bessern wird. -.^

    Was konnte denn besser sein, als ein bisschen mehr Zeit zu zweit, beziehungsweise schon bald zu dritt zu verbringen? Sibel hätte sich nie im Leben mehr vorstellen können, denn für ihren Teil hatten sie beide schon weitaus mehr erreicht, als das, was sie sich hatte jemals erträumen können.
    Avianus nahm zunächst neben ihr Platz. Ja, vielleicht war es wirklich besser, wenn sie beide saßen, bevor er endlich seine Neuigkeiten verkündigte. Schon der erste Satz versetzte Sibel in großes Erstaunen. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor, dass sein Vorgesetzter mit dem Kaiser persönlich über ihn sprach. Doch was dann folgte, ließ sie einfach nur noch sprachlos werden. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Offenbar hatten die Götter ihren guten Tag gehabt, denn wie hätte sie es sich sonst erklären können, dass sie plötzlich so sehr in ihrer Gunst standen.
    „Tribun? Du bist nun ein Tribun?“ Langsam schien sie wieder ihre Sprache zu finden. „Und ein Landgut im Süden?“ Wie viele Jahre waren bereits vergangen, seitdem sie damals Misenum den Rücken gekehrt hatte? Auch wenn sie dort unfrei gewesen war, die Landschaft um den Golf von Neapolis hatte ihr besonders gut gefallen. Und über allem hatte drohend der Vesuvius gethront. In ihrem Blick schwang ein Hauch von Sehnsucht mit ehe sich endlich ein glückliches Lächeln einstellte. Sibel umarmte ihn vor Freude und küsste ihn. Die musste wahrhaftig ihr Glückstag sein. Wahrscheinlich war es während alldem sehr unhöflich Vitulus gegenüber, dass sie ihn derart ignorierten, doch der Moment war geradezu unbeschreiblich. „Nein, das hast du nicht!“, wisperte sie ihm zu und war einfach nur glücklich, in seinen Armen zu liegen.
    Zuerst nahm sie diesen Schmerz, der aus ihrem Inneren zu kommen schien, erst gar nicht richtig wahr. Dann aber begann sie tief zu seufzen. Aus ihrem Seufzer erwuchs ein Schrei. „Aulus!“, rief sie, erfüllt von Furcht. „Das Kind! Ich glaube, es kommt. Jetzt!“

    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/140909/jwwkw45z.gif] | Elias


    Zunächst beobachtete Elias noch mit versteinertem Gesicht den Perser, der sich inzwischen den Männern zugewandt hatte, die sich neuerdings um ihn scharten. Es belastete ihn ungemein, mit ansehen zu müssen, dass einige seiner alten Freunde darunter waren. Wie hatte es nur so weit kommen können, fragte er sich immer und immer wieder. Seit dem Verschwinden seiner Schwester hatte sich der junge Mann immer mehr in sich selbst zurückgezogen und hatte somit das Feld Narseh überlassen. Vielleicht war dies ein Fehler gewesen, denn der Perser hatte es schon immer gut verstanden, mit geschickten Worten sein Umfeld zu umgarnen. Doch bei Elias stieß er damit auf Granit! Er war sich ganz sicher, dass der Weg der Gewalt der falsche Weg war. Selbst in diesen schwierigen Zeiten, in denen sich seine Brüder nur zu gerne den Verlockungen hingaben. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Hoseas Worte waren aktueller denn je, davon war Elias fest überzeugt. Selbst auch dann noch, sollten die Urbaner ihnen noch weniger Luft zum atmen lassen.


    Elias wandte sich endgültig von Narseh ab, um sich der Predigt zu widmen. Schließlich war er deswegen hergekommen. Denn hier fand er die Quelle, die seinen Geist speiste und aus der er neue Kraft für den Alltag schöpfen konnte. Doch irgendetwas ließ ihn diesmal nicht zur Ruhe kommen. Es fiel ihm schwer, den Worten des Rabbis zu folgen. War es vielleicht noch immer die Wut, die er gespürt hatte, als er den Perser erblickt hatte? Oder gar eine Art der Eifersucht, als er mit ansehen musste, wen Narseh bereits alles auf seine Seite gezogen hatte? Elias betete, der Herr möge solch schädliche Gedanken von ihm nehmen. Aber es half nichts. Nicht nur seine innere Unruhe war es, nein auch ein Raunen, welches durch den Raum ging, riss ihn aus seinen Gedanken. Er wandte sich suchend um und erstarrte schließlich als seine Augen die Gruppe um Narseh einfingen. Irgendetwas schienen sie im Schilde zu führen. Ungeachtet der Predigt begann er sich seinen Weg zu dem Perser zu bahnen, um ihn zur Rede zu stellen. Wie konnte er es wagen, womöglich sogar bewaffnet, die Zusammenkunft zu stören!
    „Was ist hier los?“, wandte sich Elias mit gedämpfter Stimme, aber nicht minder anklagend an Narseh, Yishai und all die anderen, die ganz und gar nicht den Eindruck machten, als seien sie nur zum Beten hierhergekommen. „Schämt ihr euch nicht? Ihr scheint zu vergessen, wo ihr hier seid! Und was tragt ihr da unter euren Umhängen?!“ Jetzt, da Elias ganz nah bei ihnen stand, bemerkte er es, dass sie scheinbar etwas unter ihrer Kleidung verbargen.

    Seine Augen, die scheinbar aufleuchteten, als er ihre Gegenwart bemerkte, waren bereits Entschädigung genug für alle Anstrengungen. Auch nahmen sie ihr ein wenig von der Beklemmung, die in ihren Worten mitgeschwungen hatte. Spätestens als seine Entwarnung kam, wich auch ihre Spannung. Stattdessen aber machte sich wieder dieser ziehende Schmerz in ihrem Unterleib bemerkbar, den sie immer wieder seit einigen Tagen spürte. Doch Sibel verzog keine Miene dabei. Sie atmete nur einmal tief durch und lächelte dann.
    „Oh ja, die Obstetrix sagt, es wäre alles bestens. Sie meint, es daure noch einige Tage, bis es soweit ist,“ antwortete sie, um auch ihm sogleich alle Sorgen zu nehmen, wobei es in Sibels Innerem noch immer einige Zweifel gab, ob wirklich alles gut war. Doch die Angst, die sie seit Tagen umgab, wenn sie an die Geburt dachte, wollte sie am liebsten hier nicht Preis geben. Umso willkommener war dann der Besuch, den Avianus im Atrium empfangen hatte und der sich als Mitglied seiner Familie entpuppte.
    „Vitulus, es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen! Gerne werde ich euch ein wenig Gesellschaft leisten.“ Sie lächelte dem jungen Mann zu, den sie ungefähr in ihrem Alter wähnte. Ein wenig Zerstreuung würde sicher nicht schaden. Doch zunächst wollte sie noch die Neuigkeiten erfahren, die es ja ganz offensichtlich gab. Und das es gute Neuigkeiten waren, stand außer Frage. Inzwischen kannte sie ihren Ehemann ziemlich gut und wusste nahezu jede Regung in seinem Gesicht zu deuten. Dieses überschwängliche Grinsen konnte nur eins bedeuten: irgendetwas war geschehen, worauf er wohl schon lange gehofft hatte, aber nicht damit rechnete, dass seine Erwartungen auch voll erfüllt wurden.
    Sibel hing an seinen Lippen und sah ihn erwartungsvoll mit großen Augen an. Der Prefectus Urbi war ihnen bereits schon einmal sehr entgegengekommen, als er Avianus das Conubium verliehen hatte. Was gab es denn noch, was er für ihn hätte tun können? Sibel hatte keine Vorstellung, was es noch größeres geben könnte. Sein Vorschlag, sich zu setzen schien ihr angebracht zu sein. Daher ließ sie sich vorsichtig in einen der Sessel sinken. Was Avianus dann sagte, verschlug ihr regelrecht den Atem. Ihr kam es so vor, als könne er plötzlich ihre sehnlichsten Wünsche lesen. Wünsche, die sie ihm gegenüber niemals offen äußern würde, da sie ganz genau wusste, dass er niemals im Stande wäre, sie erfüllen zu können. Nein, sie war eigentlich schon ganz und gar mit dem zufrieden, was sie nun hatte. Doch ihn regelmäßig hier bei ihr zu wissen oder gar einen Ausflug aufs Land zu machen, das wäre zu verlockend. Gerade jetzt, wo doch unmittelbar die Geburt ihres Kindes bevorstand, wäre sie dankbar gewesen, wenn er zu Hause sein konnte.
    „Das… das wäre schön… nein, mehr als schön. Das wäre un…glaublich!“, begann sie endlich. „Aber…“ Sicher hatte man ihm für die nächsten Tage Urlaub gewährt, damit er bei seiner Frau sein konnte, wenn es losging. Und wenn alles gut verlief, dann war vielleicht auch noch ein wenig Zeit für eine kleine Fahrt aufs Land… allerdings nur, wenn alles gut ging! „Du hast Urlaub bekommen, oder nicht?“, fragte sie schließlich hoffnungsvoll, denn alleine das hätte ihr schon vollkommen genügt.

    Alles sieht gut aus, hatte die Obstetrix bei Ihrem Besuch gesagt. Sibel war darüber natürlich sehr erleichtert gewesen, denn die letzten zwei, drei Wochen hatten ihr doch sehr zu schaffen gemacht. Man sah ihr die Strapazen an, die dieser pralle Bauch, den sie vor sich herschob, mit sich brachte. Er schränkte sie in ihrer Beweglichkeit ein. Ihre Knochen und Gelenke waren geschwollen und schmerzten schon nach wenigen Anstrengungen. Und dann immer dieser Druck auf ihre Blase! Kaum eine Nacht konnte sie noch richtig durchschlafen. Es wurde endlich Zeit, dass der Tag kam, an dem ihr Kind das Licht der Welt erblickte! Aber auch da hatte ihr die Obestrix Hoffnung machen können. Es könne sich nur noch um ein paar Tage handeln, meinte sie mit der Hand abwinkend. Allerdings ob sie damit auch der werdenden Mutter die Angst vor der Geburt genommen hatte, war zu bezweifeln.
    Nachdem die Obestrix gegangen war, blieb Sibel auf dem Bett liegen und schloss ihre Augen. Ihre Müdigkeit war diesmal stärker gewesen als ihre Sorgen und so gelang es ihr tatsächlich, einfach einzunicken.


    Das Klopfen an der Tür hatte sie nicht gehört. Der Sklave, den Avianus beauftragt hatte, sie zu holen, öffnete schließlich nach seinem dritten ungehörten Klopfen ganz vorsichtig die Tür und riskierte einen Blick ins Innere des Cubiculums. Als er die Schwangere schlafend vorfand, geriet er in einen Konflikt mit sich selbst. Sollte er sie wirklich wecken oder besser schlafen lassen? Letztendlich trat er vorsichtig ein und kam näher. Noch immer mit sich ringend, besah er die Schlafende, die so friedlich vor ihm lag und deren Atemzüge ganz ruhig und regelmäßigen den Schwangerenbauch leicht auf und ab bewegten.
    Vorsichtig tippten die Fingerspitzen des Sklaven Sibels Schulter an. „Domina,“ hauchte er leise und behutsam. Jedoch war sein Bestreben nicht von Erfolg gekrönt, so dass er sich zunächst räusperte und sie dann noch einmal ansprach. Diesmal aber lag ein wenig mehr Kraft in seiner Stimme, so dass es ihm gelang, zu Sibel vorzudringen. Die Schwangere entgegnete ihm im ein schlaftrunkenes „Mhm?“ Doch es dauerte noch einige Herzschläge, bis ihr bewusst wurde, dass jemand sie angesprochen hatte. Aus einer alten Gewohnheit heraus schreckte sie plötzlich auf und blickte in das entsetzte Gesicht des Sklaven, der sofort nach entschuldigenden Worten suchte. „Was ist? Ist etwas passiert?“ Sofort schüttelte der Sklave den Kopf. „Äh nein, der Herr schickt mich. Er muss dringend mit dir sprechen.“
    „Dringend mit mir sprechen?“, echote sie und sah ihn dabei überrascht an. Doch statt zu fragen, ob etwas vorgefallen war, versuchte sie sich aufzuraffen und erhob sich schließlich. Mit watschelnden Schritten ging sie zur Tür, öffnete sie und stieg kurze Zeit später vorsichtig die Treppe hinunter. Der Sklave folgte ihr. Auf halber Strecke aber blieb sie stehen und stemmte ihre Hände in den Rücken. Ihr war so, als hätte sie eine fremde Stimme vernommen. „Ist Besuch da?“ fragte sie. Der Sklave nickte und berichtete ihr von der Ankunft eines Verwandten ihres Mannes. Die Neugier trieb sie schließlich weiter und so stieg sie auch die letzten Stufen hinab und begab sich zum Atrium, wo sie gerade noch rechtzeitig ihren Ehemann und dessen Verwandten vorfand. Hatte eben jemand etwas von Essen gesagt? Ein wenig hungrig war sie ja auch. Doch zunächst wollte sie herausfinden, weshalb Avianus sie so dingend sprechen wollte. Sibel trat ihm entgegen und nickte dem Besucher freundlich zu. „Oh, wir haben Besuch! Salve!“ Dann wandte sie sich an ihren Ehemann zu. „Aulus, du wolltest mich ganz dringend sprechen. Ist etwas… passiert?“ Ein wenig Beklommenheit lag in ihrer Stimme.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus, Marcus Decimus Livianus und Aelia Vespa


    Zunächst hielt sich Sibel noch voller Ehrfurcht dezent im Hintergrund und beobachtete nur zaghaft lächelnd ihren Ehemann, der Dank des Weines viel gelöster erschien. Vielleicht fehlte ihr gerade jetzt der nötige Alkoholpegel, um genauso locker auf alles zu blicken. Denn auch wenn Saturnanlien waren, fühlte sie sich gerade jetzt deplatziert, was eindeutig ein Indiz dafür war, dass sie vielleicht doch noch nicht vollkommen in ihrer neuen Welt und in ihrer Rolle angekommen war. So konnte es ihr nur recht und billig sein, als Avianus sie lediglich als „seine Gattin“ erwähnt hatte.
    Doch damit schien sich der Praefectus ganz und gar nicht zufrieden zugeben. Es lag wohl in der Natur der Sache, auch zu erfahren, „wozu“ sein Untergebener die Heiratserlaubnis verwendet hatte. Letztendlich blieb Sibel nichts anderes übrig, als aus dem Schatten ihres Mannes zu treten, nachdem der sie nun mit Namen erwähnt hatte. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, dass sein Centurio keine Römerin geehelicht hatte, ja nicht einmal eine Frau, die zuvor frei gewesen war! Aber all das versuchte sie nun auszublenden. Sie lächelte einfach nur freundlich.
    „Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Praefaectus Livianus.. äh und natürlich auch deine Frau.“ Nun nickte sie auch der Gemahlin des Präfekten zu. „Auch ich kann mich dem Dank meines Gemahls nur anschließen.“
    Natürlich versäumte Avianus es nicht, extra noch einmal darauf hinzuweisen, dass bald mit Nachwuchs zu rechnen war, obwohl dies inzwischen unübersehbar war. Selbstredend blieben die obligatorischen Fragen, die man in einer solchen Situation gerne stellte, nicht aus. Gepaart mit dem Segen der Götter und guten Wünschen, wandte sich nun die Frau des Präfekten an die werdenden Eltern. Wobei wohl Sibel darüber am besten Auskunft geben konnte, da sie neben dem Kind die Hauptakteurin sein würde.
    „Vielen Dank! Du bist zu gütig. Die Hebamme meint, es könne nicht mehr lange dauern kann. Theoretisch kann es jeden Tag soweit sein.“ Eigentlich war es ziemlich leichtsinnig, in diesem Stadium der Schwangerschaft noch das Haus zu verlassen. Doch andererseits war sie ja nicht krank.

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus


    Während Sibel noch über dem Rätsel grübelte, erschallte plötzlich schon die Lösung. Der Funke - natürlich! Warum war sie nicht selbst darauf gekommen? Nichts ahnend sah sie sich in die Richtung um, aus der die Stimme gekommen war und wieder landete ihr Blick auf diesem einen Mann, den sie zu kennen geglaubt hatte. Glücklicherweise traf der seine nicht auf sie. Nein, seine Augen hingen an dem Patrizier. Alleine dieser Blick hätte ihr zu denken geben sollen, was er aber nicht tat, denn um nichts auf der Welt, wollte sie auf diesem Fest die Aufmerksamkeit dieses Mannes erregen. Das Vergangene sollte vergangen bleiben.
    Das plötzlich einsetzende Stechen in ihrem Unterleib, das allerdings recht schnell wieder abebbte, holte sie schließlich wieder in ihr jetziges Leben zurück. Sie dachte sich nichts dabei. Schließlich hatte sie das in letzter Zeit öfter. Eine Hebamme, an die sie sich aufgrund der bevorstehenden Geburt gewandt hatte, versicherte ihr, dies sei nichts Ungewöhnliches und deutete nur darauf hin, dass in nicht allzu ferner Zeit die Niederkunft bevorstünde.


    Schließlich war sie wieder mit all ihrer Aufmerksamkeit bei ihrem Ehemann. Ja, sie konnte sich richtig glücklich schätzen. Die Götter hatten sie in letzter Zeit regelrecht mit Glück überhäuft. Sie und Avianus hatten nicht nur einen Weg gefunden, zusammen zu bleiben. Nein, er stand nun auch voll und ganz zu ihr und hielt sie nicht im Verborgenen. Womöglich mochte das nicht jeder gutheißen, dass er ausgerechnet eine Frau mit ihrer Vergangenheit gewählt hatte. Doch im Augenblick jedenfalls scherte ihn das kein bisschen, was auch ihr, zumindest kurzweilig, ein wenig mehr Selbstvertrauen verlieh.


    Auch Sibels Blick wandte sich kurz zu dem jungen Mann, den Avianus ihr als Decimus Scipio vorstellte. Eben jenen Mann, der sie beide eingeladen hatte. Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln und nickte ihm ebenfalls zu. Dann erhob auch sie sich mit Avianus´ Hilfe, verabschiedete sich von ihren Tischnachbarn, um gemeinsam mit ihrem Gemahl zu dessen Vorgesetzten hinüber zu gehen. Auch hier nahm er Rücksicht auf sie, denn von Tag zu Tag fiel es ihr schwerer, sich schnell und wendig zu bewegen. Für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, Avianus könne vielleicht mitbekommen haben, wie unwohl sie sich gefühlt hatte, als sie ihren „alten Bekannten“ wiederentdeckt hatte, der inzwischen seinerseits lautstark mit einem Rätsel aufwartete und den Rex bibendi des heutigen Abends finden wollte. Für beides kam sie sicher nicht in Frage. Auch merkte sie schon bald, dass auch ihre Sorge unbegründet war. „Ja, ich amüsiere mich gut. Das Rätselraten hat Spaß gemacht,“ antwortete sie ihm und lächelte dabei. Auch ohne den Genuss von Wein fand sie hier Zerstreuung und ihren Zustand sah sie nicht als Krankheit an. Ganz im Gegenteil.


    Letztendlich blieben sie vor dem Tisch des Praefectus stehen, so dass ihr Blick zwangsläufig auf den elegant wirkenden Mann mittleren Alters und dessen wesentlich jüngere Frau fiel. Avianus sprach seinen Vorgesetzten an, während sie die beiden mit einer freundlichen Geste begrüßte. Das war er also Praefectus Decimus Livianus! Der Mann, der ihre Ehe mit der Erteilung des Conubiums erst ermöglicht hatte. Ja, auch Sibel war ihm dafür sehr dankbar.

    „Ja, natürlich,“ gab sie resigniert zurück, „vermutlich ist das so.“ Avianus so anzugehen, war mit Sicherheit das Letzte, was sie nun weiterbringen konnte. Wohl oder übel musste sie sich diesem Mann, der behauptete ihr Onkel zu sein, stellen. Dass dadurch alte Wunden wieder aufgerissen wurden, musste sie einfach in Kauf nehmen. Doch dann sah sie abrupt auf, denn etwas, was Avianus erwähnt hatte, ließ sie stutzig werden. „Du sagst, sein Sohn wäre mir erst kürzlich auf den Märkten begegnet? Wann soll das gewesen sein? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass mich irgendjemand…“ Sibel stockte, dann fiel es ihr wieder ein. Der Tag, an dem sie gemeinsam einkaufen waren, kurz vor Senecas Hochzeit. Der alte Mann, der sie angerempelt hatte und der Gewürzstand! „Der Gewürzstand!“, murmelte sie plötzlich geistesabwesend. „Der Verkäufer, der mich am Gewürzstand bedient hat. Erinnerst du dich noch? Er kannte doch noch meinen Namen und ich kann mich auch entsinnen, dass er mir sagte, ich erinnere ihn an jemand. Dann fragte er mich auch, ob ich aus Rhodus stamme. Worauf ich ihm sagte, meine Mutter käme von dort.“ Mit einem mal wurde ihr heiß und gleichzeitig kalt. Sie sah Avianus eindringlich an, als habe sie soeben das Rätsel auf all ihre Fragen gelöst. Doch was nützte ihr nun diese Erkenntnis? Sie trug nur noch mehr dazu bei, dass sich zu bewahrheiten begann, was sie einst so sehr gehofft hatte und sie nun nur zu gerne verdrängt hätte. Ihre Familie - sie hatte sie all die Jahre über gesucht. Eigentlich hätte sie sich nun darüber freuen müssen, doch das Gegenteil war der Fall. Denn wem war sie mehr verpflichtet? Ihrem Mann oder ihrer Familie, die ihr so fremd war. Sie wollte einfach nicht vor solch eine Wahl gestellt werden, denn für Sibel gab es da nur eine Antwort, die sie ohne zu zögern unterschreiben konnte. Sie ergriff seine Hand und zog sie an sich. „Ja, soll er nur kommen!“, sagte sie nun wesentlich gelassener. „Doch falls er mich vor die Wahl stellt, dann werde ich nicht mit ihm gehen, denn…“ Sie zögerte einen Moment, dann küsste seine Hand „…mein Platz ist hier bei dir und bei unserem Kind.“

    Zitat

    Original von Aulus Iunius Avianus, Caius Flavius Scato und Manius Flavius Gracchus


    Ja, das war tatsächlich sie gewesen, die sich gänzlich ungefragt an der Raterunde beteiligt hatte! Jedoch begann sie kurz danach schon wieder an sich zu zweifeln, ob es denn klug gewesen war, einfach so loszuplappern, was eigentlich völlig unbegründet war, denn zum Einen fielen an den Saturnalien sämtliche Zwänge und zum Anderen gab es keinen Grund mehr für sie, sich zurückhalten zu müssen. Als dann auch noch ihre Beteiligung von einigen der Tischgenossen gewürdigt wurde, fühlte sie sich sogar richtig geschmeichelt. Obwohl das Rätsel nun wirklich nicht sehr schwer gewesen war. Ein zartes Lächeln begann sich auf ihren Lippen abzuzeichnen. Mehr aus Verlegenheit nippte sie an ihrem Becher, der mit einem Saft-Wasser-Gemisch gefüllt war.


    Der Patrizier indes wartete sofort mit einem schwierigeren Rätsel auf, welches sich als wirklich harte Nuss erwies. Sibel ging es wohl wie den meisten an ihrem Tisch, die über die Lösung nachsannen, aber sich eingestehen mussten, dass es diesmal nicht so ganz einfach werden würde. Selbst ihr Gemahl musste sich letztendlich geschlagen geben. Auch sie schüttelte nur entmutigt den Kopf, sann aber immer noch weiter darüber nach. Der schlimmste Feind der Stadt… das Rätsel wollte sie einfach nicht loslassen. „Was ist der schlimmste Feind der Stadt?“ fragte sie leise und sprach eigentlich mehr zu sich selbst. Scheinbar wollte das Rätsel sie nicht mehr loslassen, was durchaus Vorteile hatte, denn so musste sie sich keine Gedanken mehr machen, ob es hier noch andere Anwesende geben könnte, die sie von früher kannte.
    Schließlich war es Avianus, der sie in ihrem Gedankenspiel unterbrach. Der Praefectus Decimus Livianus…Avianus‘ Vorgesetzten. Sie sah sich kurz zu ihrem Gastgeber um, wandte sich dann wieder ihrem Ehemann zu. „Wenn du das möchtest, werde ich dich gerne begleiten,“ meinte sie lächelnd. Alleine schon die Tatsache, dass man sie beide hierher eingeladen hatte, war schon eine große Ehre gewesen. Dass sie nun auch noch dem Praefectus urbi selbst vorgestellt werden sollte, war schier unglaublich! Ein sonderbares Gefühl befiel sie bei dieser Vorstellung. Ausgerechnet sie, die vor einigen Wochen nichts weiter als eine Sklavin gewesen war, sollte schon bald einem der wichtigsten Männer des Imperiums gegenüberstehen. Das klang schon sehr bizarr… genauso bizarr wie das Rätsel, welches noch auf seine Lösung wartete.

    Da es bei allem, was offiziell war, ein Schriftstück geben musste, war der Gang zur Eheregistratur die logische Konsequenz zu ihrer kleinen Zeremonie, die sie einige Tage zuvor abgehalten hatten. Damit wäre ihre Ehe endgültig besiegelt und niemand konnte sie mehr anzweifeln.
    Auch wenn ihr längere Strecken zu laufen inzwischen einige Schwierigkeiten bereiteten, watschelte Sibel tapfer an der Seite ihres Ehemanns her. Geduldig nickte sie nur und lächelte über seine Bemerkung. Was muss, das muss eben, dachte sie sich nur und betrat zusammen mit Avianus das Eheregister. Auch sie begrüßte den Scriba mit einem freundlichen „Salve“ und nickte ihm freundlich zu, als Avianus sie vorstellte.

    Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr begann sich in ihrem Inneren etwas zu rühren. Es war eine Art Wut, die in ihr aufzukeimen begann, je mehr sie versuchte, sich an „damals“ zu erinnern. Schließlich sah sie es wieder direkt vor sich. Die ersten Tage, nachdem man sie mehr tot als lebendig irgendwo am Strand aufgelesen hatte. Ja, man hatte sich um sie gekümmert, hatte sie nicht einfach sterben lassen. Sie war damals froh gewesen, überlebt zu haben. Doch diese Freund wich sehr schnell wieder, als man sie dann ein paar Tage später nicht ihrer Familie zurück gegeben hatte, sondern sie an einen Sklavenhändler verschachert hatte. Die folgenden Wochen und Monate hatte sie noch gehofft, ihre Familie würde nach ihr suchen lassen du sie früher oder später finden. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder zu Hause sei, glaubte sie fest. Damit hatte sie sich immer getröstet, wenn sie nachts vor lauter Trauer nicht einschlafen konnte. So verging die Zeit. Selbst als man die dann nach Italia verschleppt hatte und auf einem Sklavenmarkt feilbot, rettete die Hoffnung auf eine baldige Rettung sie vor der Verzweiflung. Als schließlich aus Wochen und Monaten Jahre wurden und auch sie älter wurde, begann sie langsam zu begreifen, dass niemand mehr kommen würde. Denn die Aufgabe, sie zu finden, glich wohl derer, eine Nadel im Heuhaufen zu finden. Genau so musste es sich anfühlen, wenn man lebendig begraben wurde. Die Zeit ließ sie abstumpfen und sie unterließ es, sich an früher zu erinnern. Nur so konnte sie ihr Los ein wenig besser ertragen.


    Doch nun, sechzehn Jahre später, ein Tag nach ihrer Hochzeit, die sie in eine neue Zeit katapultieren sollte, holte sie das nun alles wieder ein. Alles was Avianus nun erzählte, klang so unglaublich und doch irgendwie auch plausibel. Auf erschreckende Weise passte alles zusammen, wie die einzelnen Mosaiksteinchen die im Ganzen ein Bild darstellten.
    „Warum ist er nicht schon früher gekommen?“ antwortete sie ihm nur vorwurfsvoll auf seine Frage. Natürlich „Viel früher! Warum erst jetzt?!“ Ihre Stimme war in Verzweiflung umgeschlagen, denn sie sah sich plötzlich einer unlösbaren Aufgabe gegenüber gestellt. Jedoch begriff sie, dass Avianus´Frage berechtigt war. Und als er fortfuhr, begann sie plötzlich zu verkrampfen. Alles, was in den letzten Tagen geschehen war, ja ihr ganzer Kampf, zusammen zu kommen und zusammenbleiben zu können, wurde plötzlich in Frage gestellt. Aber das, was sie erreicht hatten, wollte sie nun nicht einfach so wegwerfen. „Nichts und niemand wird mich von dir fortbringen können, Aulus! Nicht einmal dieser Mann, der behauptet, mein Onkel zu sein,“ sagte sie schließlich mit fester verbitterter Stimme. „Soll er nur kommen! Aber er hat kein Recht, mich mitzunehmen! Dafür ist er eindeutig einige Jahre zu spät.“

    Zitat

    Oirginal von Aulus Iunius Avianus und Manius Flavius Gracchus


    Da der Wein ja nun für sie in unerreichbarer Ferne war, obwohl direkt vor ihr eine Kanne des edlen Rebensaftes stand, lenkte sie sich lieber damit ab, den übrigen Gästen dabei zuzusehen, wie sie sich amüsierten. Als sie ihre Blicke schweifen ließ, stach ihr alsbald ein Mann ins Auge, der ihr auf seltsame Art und Weise bekannt vorkam. Woher sie ihn nur kannte, fragte sie sich ständig und die Frage wurde schon bald zur Qual. Denn irgendetwas sagte ihr, dass es nichts Gutes war, was sie mit ihm verband. Letztendlich dämmerte es ihr schließlich, während ihre Augen immer noch auf den gut gekleideten Mann mit dem auffallend hübschen Gesicht regelrecht festgehaftet waren. Es waren inzwischen einige Jahre vergangen, seit sie ihm und seinen Begleitern in der kleinem Taberna im Trans Tiberim begegnet war, in der sie gelebt und gearbeitet hatte. An jenem Abend, an dem sie kurze Zeit später in die Fänge der Urbaner gerauten war, die sie als vermeintliche Anhängerin der Christianer verhaftet hatten. Schnell löste sich wieder ihr Blick von ihm und sie zwang sich, in die entgegengesetzte Richtung zu schauen. Wenn sie ihn erkannt hatte, konnte auch er genauso sie wieder erkennen, dachte sie zumindest. Und noch schlimmer, vielleicht war ja auch sein Begleiter von damals heute hier zugegen. Um nichts in der Welt wollte sie ihm noch einmal begegnen!


    Stattdessen zog sie es vor, dem Tischgespräch zu lauschen. Dies war im Augenblick sicher die beste Ablenkung, zumal einer ihrer Tischnachbarn mit einem Rätsel aufwartete. Im Grunde war Sibel nie gut im Lösen von Rätseln gewesen. Womöglich weil sie selten über den Luxus verfügt hatte, ausgiebig darüber nachzudenken. Doch nun, an diesem Abend schien auch das sich geändert zu haben. Also tat sie es ihrem Ehemann gleich und widmete sich eben jenes saturnischen Rätsels, welches der Patrizier, der mit an ihrem Tisch lag, anbrachte. Gewaltiger als Iuppiter Optimus Maximus… und destruierender als Pluto selbst… destruierend? Die Armen haben es reichlich, die Glücklichen begehren es. Und wer es isst, der geht daran zugrunde… Im Stillen sann sie immer wieder darüber nach, ging jedem einzelnen Hinweis immer und immer wieder nach. Letztendlich lieferte Avianus die Antwort, ohne es direkt auszusprechen. „Nichts,“ antwortete sie und war scheinbar über sich selbst überrascht, da sie sich bislang wenig (oder eigentlich gar nicht) an der Unterhaltung am Tisch beteiligt hatte. Nichts ist größer als die Götter. Nichts haben die Armen reichlich und ebenso nichts begehren die, die glücklich sind… und wer nichts isst, der geht daran zugrunde.“ In gewisser Weise konnte sie da aus Erfahrung sprechen.